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Tages-Neuigkeiterr.

Deutsches Reich.

Vom Laude, 8. Dezbr. (Zum Unter­stützungswohnsitzgesetz.) DemHaller Tagbl." entnehmen wir im Interesse der guten Sache nach­folgenden Artikel: Kürzlich war in den Blättern und so auch imHaller Tagblatt" eine Veröffentlichung zu lesen über die Bestrebungen auf Aenderung des Unterstützungswohnsitz-Gesetzes. Wie himmelschreiend die Uebelstände sind, die dieses Gesetz uns gebracht hat, weiß jedermann. Es paßt nun lediglich einmal nicht für unsere württembergischen Verhältnisse, und ganz allgemein ist die Klage: das ist ein böses Ge­setz; das sollte nicht gekommen sein. Der Landcs- Ausschuß der konservativen Partei Württembergs hat sich daher unstreitig ein großes Verdienst erworben, daß er durch eine Deputation bei dem K. Ministe­rium des Innern eine Petition eingereicht hat, das­selbe möge auf Abänderung dieses Gesetzes und auf Beseitigung seiner Uebelstände hinwirken. In dieser Petition ist nicht nur hervorgehoben, daß die Frist von 2 Jahren für die Erwerbung und den Verlust des Unterstützungswohnsitz-Gesetzes viel zu kurz sei, sondern es ist darin namentlich auch der wichtige Grundsatz ausgesprochen, daß niemand sein Heimath- recht sollte verlieren können, ehe er ein neues erwor­ben hat. Würd.- diese Bestimmung bei der Aen­derung des Gesetzes zu Grunde gelegt, dann würde der unglücklichen Schaar der Landarmen, die keine Heimat mehr haben und alle I V 2 Jahre von Ort zu Ort gejagt werden, wieder eine Heimath gegeben. So viel wir nun wissen, ist an alle Gemeinde-Ver­tretungen des Landes eine Einladung gerichtet worden, dieser Petition beizutreteu. Bis jetzt hat sich indes­sen, laut oben erwähnter Veröffentlichung, erst eine kleine Anzahl Gemeindebehörden angeschlossen. Mö­gen alle Ortsvorsteher hiezu die Initiative ergreifen l Die Sache kostet keine weitere Mühe. Man darf nur eine kurze Zuschrift an Herrn Eduard Elben in Stuttgart richten, man trete der Petition bei. Sollte ein Ortsvorsteher bei Zusendung der Einladung zum Beitritt übersehen worden sein, so bedarf es nur einer Karle au Herrn Elben, so wird man dieselbe erhalten.

Heidenhcim, 7. Dez. Für einen wegen Wechselfäl­schung verhafteten Orgelpfcifenmacher aus Giengen halten einige gute Freunde 15006t Kaution zu dessen Freilassung gestellt. Derselbe ist nun entwichen und seine Freunde haben das Nach­sehen; außerdem sind noch andere bedeutend in Mitleidenschaft gezogen und haben Beträge von 1015,000 ^ zu zahlen.

Bon Aibling bei Rvfenheim wird berichtet: Vorigen Sommer kam hieher ein Schneidergcselle zugereist, welcher Arbeit erhielt und sich durch Fleiß, gutes Betragen und feines Benehmen anszeichnetc. Bald nach seiner Ankunft wurde ihm durch die Ortspolizei die Mittheilung gemacht, daß er eine Erbschaft von 37,0006t gemacht habe. Dieser Mittheilung folgte nach ein paar Wochen eine weitere, nach welcher sich die Erbschaft auf 52,000 erhöhte: zugleich enthielt die Urkunde die Bemerkung, daß der glückliche Erbe einer adeligen Familie angehöre. Von jetzt an nannte sich der SchneidergeselleLeo von Knoll," lebte ans noblem Fuße und nahm das Vermögen seines Meisters in ausgedehntem Maße in Anspruch. Die Erbschaftssummen blieben ans: der Schneidermeister drang auf Zahlung.und eines schönen Morgens war der Herr Leo von Knoll verduftet. Die ganze Erbschaftsgeschichle war Schwin­del, und alle von Eßlingen, Stuttgart, Mm und Wien gekom­menen Urkunden sind falsch und die Unterzeichneten Personen existircn gar nicht. Leo von Knoll ist ein Ravensbnrgcr und sitzt in Rosenhcim bereits hinter Schloß und Riegel.

Aus dem Königreich Sachsen, 30. Novbr. Zur Zuchtlosigkeit der Jugend schreibt man derKrzztg.": In er­schreckender Weise zeigt sich die Zuchtlosigkeit und verbrecherische Neigung bei der Jugend. Wiederholt ist cs vorgckommcn, daß Knaben versucht haben, die Entgleisung von Eisenbahnzügen herbeizusühren und soeben erhält man die Nachricht von einem Morde, den ein lljähriger Knabe in-Chemnitz verübt. Eine Rotte Jungen, unter denen sich der Mörder befand, stieß gegen einen Barbierlehrling, welcher vor dem Laden seines Lehrherrn stand, Schimpfworte aus und als der Lehrling darauf antwor­tete, riß der, wie schon gesagt 1l Jahre alte Schulknabe einem anderen das von letzterem geöffnete Messer ans der Hand, trat ans den Lehrling zu mit den Worten:Willst Du auch noch mucken?" und stieß ohne weiteres das Messer dem Unglücklichen in die Brust, der kurz darauf verschied. Die Buben sind als­bald verhaftet worden; es ist ermittelt worden, daß sie in letz­ter Zeit verschiedene Diebstähle ausgeführt haben.

Donnerstag den 11. Dezember.

In Leipzig hat der Rektor der Universität, vr. Zarncke,

in öffentlicher Rede beklagt, daß von den 11 im letzten Jahre gestorbenen Sindenden 6 durch Selbstmord, 1 im Duell und nur 4 eines natürlichen TodeS gestorben seien. In der Woche darauf haben sich wieder 2 Studenten erschossen. In Gera begab sich neulich der Iljtthrige Sohn eines höheren Beamten mit cinein Kameraden auf eine Fnßreise nach Afrika um Gold zu graben; schon nach wenigen Stunden fand er, daß er zu wenig Geld habe und schrieb seinem Vater kurz: schicke nur 3006t! - Der Vater schickte statt Geld die Polizei, die das Früchtlcin nach Gera transportirte. Als der Vater ihm seine Lektion geben wollte, schlug das Söhniein den Revolver ans ihn an, wurde aber überwältigt und dem Rcttiingshans in Hohenleuben zngeiührt. Er halte seinen Vater vielfach bestoh­len und zwei Lehrern nach dem Leben getrachtet, das Gift fand sich nvch vor.

In dem Orte Worringen sind von den vorhandenen 507 Wohnhäusern mit 2879 Einwohnern, hauptsächlich dem Arbeiter- und kleinen Handwerkerstände angehörig, 378 Wohn­häuser mit 1882 Seelen überschwemmt gewesen. Uebcr 60 Häuser werden, wie jetzt schon festgestcllt werde» konnte, gänz­lich unbrauchbar bleiben. Die Ortschaft Nheinfcld bei Dormagen, bestehend ans 44 Wohnhäusern mit 50 großen, theilwcise ganz armen Taglöhnerfamilien, welche in jüngster Zeit durch eine bösartig austretendc Diphtheritis-Epidemie cwss schwerste heimgesucht worden, stand beinahe vollständig, vielfach bis an die Dächer unter Wasser. Nur mit großer Mühe ge­lang cs den Einwohnern, sich und ihr Vieh, alles übrige, selbst die Leichen dreier der obenerwähnten Krankheit erlegenen Kin­der vor den andrängeiidcn Fluchen im Stiche lassend, in Si­cherheit zu bringen. Mit Ausnahme dreier Familien haben sämmtiichc Einwohner sich mit allem Vieh nach Dormagen flüchten müssen. In Bodcnheim sind im Ganzen 32 Häu­ser ciiigcstürzt.

Berlin, 7. Dezbr. Von dem neuen Reichs- tagsgeöäude soll ein Gipsmodell angefertigt werden, um den Abgeordneten Gelegenheit zu geben, den Plan, wie er jetzt durch die Reichstagskommission festgestellt ist, zu bcurtheilen. Schwierigkeiten könn­ten wohl nur vom Reichstage selbst kommen, da die Baubehörden einverstanden sein werden. Der Bau­meister, Wallst in Frankfurt, hat im Aeußern nichts geändert, aber im Innern die von der Kommission gewünschten praktischen Verbesserungen vorgenommen. Ein Uebelstand läßt sich freilich nicht beseitigen, denn er lag in den Bedingungen des Programms. Der Sitzungssaal, der sonst meist im Erdgeschoß zu sein pflegt, soll nach der Vorschrift im ersten Stock sich befinden. Da nun ans örtlichen Gründen ein hohes Kellergeschoß nöthig ist, werden unsere Reichsboten stets 50 Stufen zu ersteigen haben, ehe sie zur Höhe ihrer Aufgabe gelangen. Uebrigens soll für beleibte u. bequeme Herren ein Fahrstuhl eingerichtet werden.

Berlin. (Der mnsieirendc Wintcrrockü Ver­schiedene Leute wollen sogar schon Spatzen ans dem Dache: Nur für Natur" pfeifen gehört haben; daß aber auch ein Wintcrrock, ein simpler wattirter Winterrvck förmlich ans sei nein Futter hinaus jene Melodie, und weit besser als die Spatzen auf dem Dache, erschallen lassen kann, davon sollten sich kürzlich die Gäste eines Kaffeehauses in der inneren Stadt überzeugen. Es war wirklich eine originell drollige Ueber- raschnng. Da wurde Seat gespielt, dort Schach, in den Fen­sternischen wurde gelesen, kein einziger der in jenem Kaffeebanse anwesenden Gäste erwartete etwas wie einen musikalischen Ge­nuß, und da mit einem Male hüpften und schwirrten die lustigen Töne des WalzersNur für Rainr" durch den Raum. Alles erhob die Köpfe und horchte und spähte ans, woher die Musik komme; doch bald concentrirten sich Aller Blicke auf einen in der Mitte des Lokales stehenden jungen Mann, der tief erschrocken sein Haupt nach ans- und abwärts, nach rechts und links blitzschnell umher warf. Und dann drehte er sich um seine eigene Achse wie ein Kreisel, aber die verdammte Musik, die Musik drang ihm immerfort ans seinem Rücken heraus, immerfort in leicht hüpfenden und wiegenden Tönen Nur sür Natur". Mit dem Ausdrucke eines plötzlich von Wahnsinn Erfaßten wollte dann der sjnnge Mensch ans dem Lokale hinausstürzcn. In diesem Augenblicke jedoch wurde er von einem starkbcleibtcn Herrn, einem reichen Bäckermeister, am Arme erfaßt und gcnöthigt zu bleiben. Der Bäckermeister wand sich vor Lachen, der junge Mann stand da bleich und zitternd, indessen ans seinem Rücken unausgesetztNur snr Natur" hervordrang und die Gäste hielten Augen und Ohren offen und erwarteten mit Spannung die Lösung dieses musi­kalischen RüthselS. Endlich gebot der Bäckermeister dem jungen Manne, den Nock abznlegen. Schon einige Jahre hinterein­ander war ihm im Kaffechanse der Winlerrock gestohlen wor­den. Er sann auf ein Mittel, um bei einem abermaligen Griff" nach seinem Winterrocke den Dieb in iiaz-ranti er­tappen zu können. Zu diesem Zwecke hatte er sich nm schwe­res Geld ein Spielwcrk angeschasft, einen halben Schuh hoch und ebenso breit und einen Zoll stark. Dieses Werk hatte vorstehende Federn, wurden diese nur ganz leise berührt, so

1882.

fing das Werk augenblicklich zu spielen an und zwar fast ebenso laut, wie eine kleine Drehorgel. Dieses Spielwerk steckte der Bäcker jedesmal, wen» er im Kaffeehaus seinen Winterrvck ab­legte, in eine an der Innenseite des Rockes aus dem Rücken angebrachte Tasche. So war er sicher, daß, wenn Jemand seinen Rock anzog, das Werk durch den Druck des Rückens aus die vorstehenden Federn sofort mitNur für Natur" das Alarmsignal gab und der Dieb mit dem Rocke nicht weit kom­men konnte. Bei Erklärung der musikalischen Ausstattung sei­nes Rockes und der damit beabsichtigten Vorsichtsmaßregeln gegen die Paletotmarder machten die Gäste im Kaffechanse natürlich sehr große Angen; die größten Augen machte jedoch der Dieb selbst. Er schwur dann, daß ihn nur Noth zu dieser That getrieben, daß er Commis sei, keine Beschäftigung er­halten könne, und daß er noch niemals irgend ein Vergehen oder Verbrechen begangen habe. Der Bäckermeister war in so köstlicher Laune, daß er den Dieb trotz Protestes der anderen Gäste vorläufig laufen ließ. (Bert. Nste. Nachr.)

Die Reichskommission zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuches ist zwar unausgesetzt mit ihrer großen und schwierigen Aufgabe beschäftigt, wird aber wohl noch 34 Jahre gebrauchen, um fertig zu werden. Dann wird eine Pause eintreten, um dem Bundesrath, dem Reichstag und der öffent­lichen Meinung Zeit zu geben, sich über den Entwurf ein Urtheil zu bilden. Etwa nach Jahresfrist wird' dann wohl zur Berathung und Revision des Ent­wurfs geschritten werden. Gut Ding will Weile haben.

In einem Artikelder Arbeiter und der Arme" führt dieN. A. Ztg." aus, wie der Arbeiterstand in seiner gedrückten Lage zuerst vergeblich bei den sozialpolitischen Agitatoren, die den Umsturz alles Bestehenden predigten, sodann bei den Phrasenhelden des Liberalismus Hilfe gesucht habe, wie er aber an­gesichts des Manchesterthums, dem Arbeiterstand und Armuth einfach untrennbare Begriffe sind mit Eckel dieser Partei den Rücken kehrend, die mannbare That suche, die allein im Stande sei, ihm den Glauben an die Menschheit wieder zu geben. Der Artikel schließt mit den Worten:Und er findet sie in den Worten seines Kaisers, der Heilung der Wunden des Volkes heischt. Mit unwiderstehlicher Energie naht uns da die rettende That, welche die Emanzipation des vier­ten Standes bringt. Als die Noth am höchsten und das wirtschaftliche Leben unseres Volkes gänzlich me­dergeworfen war, gab jene segensreiche Hand dem Arbeiterstande zuerst das Nothwendigste: Brod, wie­der, indem die Grenze dem Ausländer, der das Fett abschöpfte, gesperrt wurde. Jetzt stehen wir vor dem zweiten, noch wichtigeren Schritte, welcher den vier­ten Stand von dem eigentlichen Proletariat, von den Armen und Vagabunden absondern, welcher ihm ein Recht auf seine Existenz , welcher ihm die Standes­ehre geben soll. Die Sozialdemokratie drückte dem Hilflosen Messer und Brandfackel in die Hand, der Liberalismus gab ihm Phrasen und Steine, der Wille deS Höchsten im Staate aber gab ihm Brod und wird ihm Ehre geben. Mögen diejenigen Parteien, welche heute das Schicksal der Unfallversicherungs- vorlage, dieses ersten Theiles der Arbciterrcform, in Händen haben, dessen eingedenk sein."

lieber die theilwcise Auflösung des großen Konieten schreibt man der Köln. Ztg: vr. Schmidt in Athen hat am 8. Oktober in der Nähe des in den Morgenstunden sichtbaren Kometen eine zweite, außerordentlich seltsam geformte Nebelmassc entdeckt, die in nahezu derselben Bahn wie der Hauptkomet einhergeht. Wie soeben aus Nordamerika mikge- theilt wird, hat man dort noch zahlreiche andere Bruchstücke in der Nähe des Kometen entdeckt. Baruard in Nashville fand ungefähr ein halbes Dutzend kleiner nebeliger Massen etwa 8 Grad von dem Hanptkvmeten entfernt; dieselben blieben nur an einem Abende sichtbar und konnten später nicht wieder ausgefunden werden. Am 21. Okt., 5 Uhr- früh, fand W. R. Brooks zu Phleps (N.-A,) ein Kometenbruchstück mehrere Grade östlich/ von dem Hauptgestirn. Dasselbe war lichtschwach, erschien aber in einem Ozölligen Reflektor in der Richtung gegen die Sonne ansgcdeluit und 2 Grad lang. Dieses Objekt war auch noch am folgenden Morgen