sofort bereit sein, mit England Friedensverträge ab­zuschließen? Würde wohl selbst Deutschland lange damit zögern? Und wer wollte es wagen, einer solchenheiligen Allianz" auf die Dauer Trotz zu bieten?

Gegenwärtig bestehen in Europa nur dreiun­bequeme" (unkomfortable) Mächte Mächte, welche durch ihre Interessen auf den Kriegsfuß gedrängt werden könnten, gleichviel ob dieseInteressen" wirk­liche oder blos scheinbare Interessen sind. Das sind nämlich Rußland, Frankreich und die Türkei. Von diesen wünscht jede etwas zu gewinnen oder zu be­haupten, was ohne Krieg nicht möglich ist. Ich sage nicht, daß ihre Wünsche widersinnig, ungerecht­fertigt sind. Ich sage nur, daß sie etwas verlangen, weßwegen sie sich zum Kriege für berechtigt halten könnten. Doch selbst diese verdächtigen und gefähr­lichen Mächte können durch eine Friedens- und Schiedsgerichts-Förderation, so wie ich sie im Um­risse skizzirt habe, sich bändigen lassen, und eine solche Förderation könnte irgend ein fähiger Minister der äußeren Angelegenheiten, der von tüchtigen Ge­sandten und Bevollmächtigten unterstützt wird, in allen Ländern ins Leben rufen. Das einzige Hin­derniß besteht, wie ich schon eingangs bemerkte, da­rin, daß dies Alles so verständig und leicht aussieht, und daß gerade das Leichte und Verständige niemals in Erfüllung geht.

Mit trauriger Ironie hat man Gewehre und Bajonette dieultima ratio regum et popularum" (den letzten Grund der Könige und Völker) genannt, und in der That scheinen Krupp-Kanonen und Tor­pedos sogar ihre sola ratio (den einzigen Grund) das Getöse der Mitrailleusen die eine Weltsprache der Menschheit werden zu wollen. Ich weiß darum sehr wohl, daß die Weißen über Ihre internationale Konferenz die Köpfe schütteln werden. Der Krieg ist nach ihnen eben ein nothwendiges Uebel. Wir aber sagenNein!" Wohl ist die Selbstvertheidigung ein solches, nicht aber der Krieg, wie man ihn ge­wöhnlich versteht. Große Feldherren, wie Moltke, glauben sogar, daß der Krieg ein verschleierterSe­gen" sei, indem er nämlich ein Volk Physisch und sittlich hebe. Wiederum sagen wirNein!" und be­haupten dabei unser Recht, die Lehren der Geschichte anders zu deuten. Wir werden vielleicht den Tag nicht erleben, der uns endgiltig Recht giebt und die Gegner zu Schanden macht; dennoch wollen wir wenigstens zeigen, daß wir an die Macht der Ver­nunft glauben und gegen ihre verzweifelte Ansicht über die Menschheit ruhig und gelassen unfern Pro­test einlegen. Mit freundlichem Gruße und besten Glückwünschen Ihr ergebener

F. Max Müller.

Durch Höchste Entschließung Seiner Königlichen Maje­stät vom 14. August l. I. ist die Errichtung einer mit dem Pvstdienst zu vereinigenden Telephonstation in der Gemeinde Bai sin gen, OA. Horb, genehmigt worden und wird nun diese Stelle am 1. Dezember d. Js. mit beschränktem Tages­dienst für den allgemeinen Telegraphenverkehr eröffnet werden.

Gestorben: Den 27. Nov. auf Schloß Wachendorf Reichsfreiherr Hans Carl v. Ow, 69 I. alt.

Tages-Neuigkeiterr.

Deutsches Reich.

* Nagold, 28. Nov. Trotz manchfacher

Klagen über schlechten oder doch lauen Geschäftsgang und über sehr läßigen Eingang der Ausstände und Zahlungen, trotz der vielfach schlecht eingebrachten Ernte und der vielen Wohlthätigkeirsanstalten und Vereine, an denen hier nur wenige sich ganz abzu­ziehen vermögen, und trotz daß beim Ernte- und Dankfest das Kirchenopfer für die Hagelbeschädig­ten 56 cM betrug, hat die Hauskollekte für die Letz­teren doch die schöne Summe von 801 45 ^ einge­

bracht. Gewiß ein ehrendes Zeichen des opferbereiten, wohlthätigen Sinnes der hies. Einwohnerschaft.

* Nagold, 28. Nov. Gestern Abend schlich ein Handwerksbursche in das Haus des Tuchmachers Weitbrecht. Die Magd desselben, die den Eingang aber nicht den Austritt des fremden Gastes aus dem Hause bemerkte, machte ihre Herrschaft darauf auf­merksam und die Suche hatte den Erfolg, daß in einem finstern kleinen Gemache der Fremdling Quar­tier genommen. Als die herbeigerufene Polizei in das Gemach eindringen wollte, war die Thüre ver­sperrt, indem der saubere Vogel, der indessen viel­leicht wegen zu viel genossener geistiger Stärkung eingeschlafen und daher in gestreckter Länge vor dem Eingänge lag. Es bedurfte wohl einiger kräftiger

Rippenstöße, um den Sperrgegenstand auf die Beine zu bringen. Wie wunderte sich aber die Polizei und die zur Hilfe requirirten Bürger, als sie einen cor- pulenten Handwerksburschen vor sich zu seben glaub­ten, beim Betasten aber bemerkten, daß die Korpu­lenz nicht natura, sondern in zwei Röcken, zwei Westen, einigen Paar Socken, V, Duzend Sack­tücher, 1 Hosenträger und Schirm bestand, die er unter seinen Fechtkittel angezogen und gesteckt hatte, die aber Tuchmacher W. als sein Eigenthum bezeich- nete. Der Kleidermarder wurde natürlich sogleich in Nummer Sicher gebracht. Wenn man hört, mit welcher Frechheit, Unverfrorenheit» ja Anmaßung viele Fechtbrüder und Stromer auf die Unterstützung der Gemeinden und Vereine pochen und so das ganze Jahr hindurch von dem Schweiße und Entbehrungen Anderer sich ernähren lassen, so darf man sich nicht wundern, wenn vielfach Ausdrücke, wie:man ist bei uns viel zu gut",so unterstützt man die Liederlich­keit",wohin soll das noch führen" rc. laut werden und endlich Gesetze um Abhilfe gebieterisch verlangt werden. Man gönnt dem soliden reifenden Hand­werksgesellen gerne die Unterstützung, daß aber die Fechtbrüder in Profession in gleiches Recht gestellt sind, wie diese, ist mindestens unbillig und sollte eine Abänderung im Unterstützungsrecht nicht so schwierig sein. Nebenbei sei bemerkt, daß die Amtskorporation Nagold durch die Naturalverpflegung der reisenden Handwerksgesellen ein Mehr von 7000 ^ umzule­gen hat. Auch mit der Bekleidung der Stromer ist man oft zu freigebig und zu mitleidsvoll. Wie mancher Taglöhner, der auf der Straße, im Walde sein Brod zu verdienen sucht, ist oft dürftiger ge­kleidet, als so ein arbeitsscheuer Fechtbruder, und wenn, wie es vorige Woche vorgekommen, ein solcher Bursche durch ein schultheißenamtliches Zeugniß sich eine Kleidung in der nahen Oberamtsstadt erzwingt, diejenigen, die ihn mit seinem Begehr vorher abwie­sen, nachher verhöhnt, vor andern Handwerksburschen im Wirthshaus sich rühmt, daß er, weil er an die rechte Schmiede gegangen, es mit einem neuen Anzug doch durchgesetzt habe, seine alte Kleidung nachher in den Bach wirft, statt nöthigenfalls solche dem Lumpensammler zu geben, so sollte das weiche Menschenherz doch auch nicht vergessen, daß ein solcher Landfahrer in einem Jahre wieder kommt oder in wenigen Tagen gar seine Kleidung gegen ein Draufgeld mit einem an­dern vertauscht und das Manöver in einem andern Ortean der rechten Schmiede" wieder durchführt und so das Mitleid oft schlecht angebracht ist.

** Nagold, 29. Nov. Letzten Freitag den 24. d. M. hatte der älteste Mann unserer Stadt, der frühere Bierbrauer und nachmalige Straßenwär­ter Friedrich Walz die Freude, sein 92. Lebensjahr zu vollenden, nachdem ihm leider vor wenigen Wo­chen seine einzige Tochter, die ihn verpflegt hatte, durch einen unvermutheten Tod entrissen worden war.

Rottenburg, 26. Nov. In letzter Woche wurden mehrere Bierbrauereien hier schon in früher Morgenstunde mit Besuchen überrascht, die weniger angenehm berührt haben mö­gen. Es handelte sich hiebei um Defraudation der Steuer von Reis. Geschäftsbücher und sonstige hierauf bezügliche Schriften wurden von den Steucrwächtern mitgenommen und aufs Kameralamt verbracht. Ob die Untersuchung etwas zu Tage fördern wird, muß sich erst zeigen.' (N. T.)

Der Glaser Kübler von Loßburg (Freuden­stadt), Vater von 6 Kindern, ist am 22. d. M. auf der Heimkehr von einer Geschäftstour im tiefen Schnee stecken geblieben und erfroren. (D. Rchsp.)

Im Stuttgarter Bahnhof soll noch in diesem Winter die elektrische Beleuchtung eingeführt werden.

Im Bezirk Böblingen tritt, nachdem Dr. Otto Elben entschieden ein Mandat abgelehnt hat, Dr. Gvtz von Stuttgart als Kandidat auf.

Tuttlingen. Von Mezgcr Storz zurHoffnung" wurde vor einigen Tagen ein Schwein geschlachtet, welches ein Gewicht von nicht weniger als S93 Pfund hatte. Dasselbe war von Klcinstadtmüller Johs. Storz hier erkauft.

Crailsheim, 27. Novbr. Jagdpächter Wacker in Gröningen, diesseitigen Oberamts, hat in voriger Woche einen weißen Fuchs mit schwarzer Schnauze, schwarzer Ohren­spitzen und schwarzer Ruthenspitze erlegt. Dieses gewiß äußerst seltene Exemplar wurde dem Kgl. Naturalienkabinct in Stutt­gart einverleibt. (W. L.)

In Ulm geht seit mehreren Tagen der grö­ßere Theil der Schutzmannschaft in Civilkleidung, um dem Bettlerunwesen mit um so größerem Erfolg steuern zu können. Letzterer ist denn auch bereits eingetreten.

Brandfälle: In Kerlcnmoos, Gemeinde Bodnegg (Ravensburg) am 26. Nov., Nachts, das Wohn- und Oekonomiegebäude des Fidel Fuchs,

wobei 2 Schweine, sämmtliches Geflügel und ein bedeutender Frucht- und Futtervorrath zu Grunde gingen; in Haldenhaus, Gem. Dewangen (Aalen), am 24. Nov., Nachts 9*/r Uhr, ein Wohnhaus mit angebauter Remise; in Jrslingen (Rottweil), am 26. Nov., Nachts 7 Uhr, ein großes Bauernhaus sammt Scheuer.

Durch die Blätter geht die Notiz, die badische Eisenbahnhauptkasse habe bereits 3 Millionen an die Opfer des Unglücks von Hugstetten u. deren Hinterbliebene ausbezahlt.

Eine Hausfrau in Ludwigshafen machte große Au­gen, als ihr ihre Katze ihren Kanarienvogel wicderbrachte, der acht Tage vorher entflohen war. Der Ausreißer war ganz unverletzt, nur in der Freiheit etwas ruppig geworden. Näheres erzählen konnte leider weder Vogel noch Katze.

Aus Thiiringcn. Ein Landwirlh band einer Schwalbe einen Zettel um den Hals, auf welchem stand:Sag' mir, wo du im Winter bist." Die im Frühjahr zurückgekehrte Schwalbe trug auf dem Zettel folgende Antwort:In Genua bei einem Barbier, hatt' ich im Winter mein Quartier."

Koblenz, 25. Nov. Vorgestern wurde vor dem Moselweißerthor ein 16jähriges Mädchen, Dienst­magd eines hiesigen Bäckermeisters, mit abgeschnitte­nem Halse und unter Umständen aufgefunden, die auf einen Lustmord schließen lassen. Der Thäter wurde am Freitag Abend zwischen 7 und 8 Uhr in der Person des Bremsers Müller, verheirathet und Va­ter von 3 Kindern, am Bahnhofe verhaftet und hat die That eingestanden. Wie weiter verlautet, soll derselbe früher in Bochum stationirt gewesen sein. Die Art und Weise des Verbrechens läßt die Ver- muthung aufkommen, daß Müller auch derjenige sei, der die bekannten Lustmorde in der Gegend von Bochum verübt hat. (St.-A.)

Berlin, 25. Nov. Wie dieN. Pr. Ztg." hört, erfolgt die Uebergabe des Palais Raczynski an das Reich in diesen Tagen. Der gesammte Gemeindekomplex am Königsplatz kann mithin bis zur Feier der Grundsteinlegung des Reichstagsge­bäudes im Frühjahr 1883 niedergelegt sein.

Es ist eine erfreuliche Erscheinung, daß auch in den Arbeiterkreisen allmählich vernünftigere Anschauungen in Bezug auf die sozialpolitischen Be­strebungen der Reichsregierung Platz greifen. So haben z. B. mehrere hamburgische Lassalleaner einen Aufruf behufs Einberufung eines Congresses zur Bildung einerNationalen deutschen Arbeiterpartei" erlassen. In dem Aufrufe heißt es, es gebe im deutschen Reiche Arbeiter genug, welche der kaiserl. Botschaft vom 17. Nov. 1881 lebhafte Sympathie entgegenbringen. Die Kräfte müßten gesammelt und zu friedlicher Agitation im Interesse des Arbeiterstan­des verwendet werden. Die Regierung wolle soziale Reformen für die Arbeiter herbeiführen, der Reichs­tag wolle dieselben aber nicht zur Ausführung brin­gen ; es müßten deßhalb die richtigen Männer in den Reichstag gewählt werden.

DieKöln. Ztg." findet es bedauernswerth, daß die Verwaltung unserer Gefängnisse soviel kostspieliger geworden ist. Dieselbe sagt: Seit acht Jahren hat sich die Zahl unserer Gefangenen gera­dezu verdoppelt. Im Jahre 1874 saßen in den Preuß. Gefängnissen 16,000 Verbrecher und jetzt 32,000. Das gibt zu denken. Dieser Tage hob ein Strolch, der zu einer Woche Gefängniß verurtheilt war, mit den Worten:Acht Tage sind viel zu wenig," einen Stein auf und schleuderte ihn in die große kostbare Spiegelscheibe eines Ladens. Nament­lich in der schlechten Jahreszeit betrachten unsere Bummler und Gelegenheitsdiebe den Aufenthalt in einem Gefängniß als eine wünschenswerthe Sache. Immer aufs neue drängt sich die Frage auf, ob wir in der Humanität nicht zu weit gegangen sind und die Verbrecher in den Gefängnissen es nicht in mancher Hinsicht besser haben als die ehrlichen Leute, die von ihrer Hände Arbeit leben müssen, als nament­lich manch armer Kleinbauer und Taglöhner das ganze Jahr über.

DieNordd. Mg. Ztg." konstatirt auS ver­schiedenen Organen des Vatikans die Existenz ver­schiedener Strömungen im Vatikan; sie meint, es wäre bedauerlich, wenn die vorherrschende Stömung mit Windthorst zusammenginge. Es würde keine Aussicht auf Verständigung vorhanden sein, wenn der. Streit ans dem kirchlichen Gebiete und die hannover'- sche Frage zusammenfielen, da die eine nicht ohne, die andere zu lösen wäre.

Ein Artikel über den jetzigen Stand der sozial­demokratischen Bewegung in Deutschland in der jüngsten Nummer derChristlichsozialen Blätter"