Wer übrig Zeit und Geld hat, der gehe nach Bayreuth zu Richard Wagners Parsival-Auffüh- rung. Das Entree kostet blos 30 und währt das herrliche, großartige Musik-, Spiel- und Gesang­stück blos 78 Stunden.

Aus Sachsen. 23. Juli. Als vor 152 Jah­ren König August der Starke dem Könige Friedrich Wilhelm I. von Preußen zu Ehren ein großes Lust­lager bei Riesa errichtete und dabei einen unge­heuren Luxus entfaltete, trat der Preußenkönig hinter dem sächsischen Kurfürsten und Polenkönige zurück, denn über einen, solchen Glanz kannte und wollte er nicht verfügen. 30,000 Mann hatte August zusam­mengezogen, die in neuen Uniformen unter neuen Zelten lagerten, militärischen Hebungen sich Hingaben, aber auch vergnügliche Stunden durchlebten. So am 26. Juni, wo jeder Soldat Fleisch, Brod, Wein und Bier nach Belieben bekam. Auf hölzernen Tel­lern wurde ihnen das Essen gereicht, und als sie abgegessen hatten, mußten sie auf Befehl alle gleich­zeitig ihre Teller in die Elbe werfen. Ein Feuer­werk, zu dessen Gerippe, ein Schloß darstellend, 10,000 Fichtenstämme, 10,000 Bretter und 6000 Ellen bemalter Leinwand verwendet wurden, wurde abgebrannt, das nicht weniger als die beiden Könige, zwei Kronprinzen, 47 Herzoge und Fürsten re. mit Beifall begrüßten. In ganz anderer ernster mili­tärischer Arbeit werden nahezu an derselben Stelle diesmal die Herbstübungen des 12. deutschen (sächsischen) Armeekorps vollsührt werden, welchen Kaiser Wilhelm nicht auf Einladung, sondern kraft seiner Eigenschaft als Oberfeldherr des deutschen Heeres beiwohnen wird. Das Sachsen von heute, an dessen Spitze ein tapferer, trefflicher König steht, ist kein ausgesogenes Land, wie das Augusts des Starken, sondern ein blühendes Gefilde, das, wenn auch an Umfang verkleinert^ viel glücklicher zu Preisen ist, wie das jenes gewissenlosen August. (Sch. M.)

Kassel, 24. Juli. Der 4. deutsche Lehrer­tag empfiehlt die Einrichtung der Kinder- und Pfen­nigsparkassen, ohne Verbindung mit der Schule und ohne amtliche Betheiligung der Lehrer."

Kassel, 26. Juli. (Fr. I.) Der Lehrertag verwarf den Antrag, welcher sich für die sechswöchent­liche Militärdienstzeit der Volksschullehrer aussprach, und verlangte vielmehr die Berechtigung derselben zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst.

In Chemnitz kam in diesen Tagen der Fall vor, daß ein Mensch an dem nämlichen Tage, an welchem er aus der Strafanstalt entlassen worden war, nachdem er seine Strafe wegen eines an einem Kinde begangenen Sittlichkeitsvergehens abgebüßt hatte, bei der Verübung eines gleichen Vergehens betroffen wurde und von neuem festgenommen wer­den mußte. Ueberhaupt hat sich seit dem Jahr 1871 bis zum Inkrafttreten der neuen Justizgesetze vom I. Oktober 1879 die Zahl der jährlich wegen Verbrechen und Vergehen wieder die Sittlichkeit ver- urtheilten Personen im Königreich Sachsen versechs­facht, die der Verurtheilungen wegen Unzucht mit Kindern aber vom Jahr 1871 mit 16 auf 163 im Jahr 1876 gesteigert. Wie viele Fälle aber ent­ziehen sich der Oeffentlichkeit! Diese Gefahr aber be­droht jede Familie. Daß indessen mit den jetzigen milden Freiheitsstrafen hier nicht geholfen wird, be­weist der oben erwähnte Chemnitzer Fall, dem noch viele andere an die Seite gesetzt werden könnten. Um so unbegreiflicher ist es, daß unser Volk noch immer seine Geduld mit diesen unerträglichen Zustän­den nicht verloren hat. Warum verlangt es nicht ganz bestimmt auf dem Wege der Petitionen die Wiedereinführung der Prügelstrafe? Es ist jetzt nicht mehr zu befürchten, daß solchen Petitionen sich nur dieReaktionäre, die Konservativen und die Pieti­sten" anschließen, auch Liberale verlieren nachgerade die Geduld. Wird doch z. B. in dem liberalen Leipziger Tagblatt" mit vollem Recht behauptet, die ganz überwiegende Mehrheit der Staatsbürger sei längst darüber einig, daß es für frechen Wider­stand gegen die Staatsgewalt, für muthwillige Sach­beschädigung und Baumfrevel, namentlich aber für Lüstlinge, welche sich an unschuldigen Kindern ver­sündigen, kein besseres Zucht,- Besserungs- und Ab­schreckungsmittel gibt, als Wasser und Brod und Prügel.

Berlin, 23. Juli. Die so viel erörterte Frage der deutschen Kolonien dürfte in diesen Tagen wieder auf die Tagesordnung kommen, da auf Anregung des Barons v. Maltzahn sich in Hamburg ein Ko­

mitee bilden wird, das die Agitation für Erwerbung von Kolonien seitens des deutschen Reiches neu be­leben will. Der Plan, für den der Baron v. Maltzahn im preußischen Handelsministerium mehr­monatliche Studien gemacht hat, soll fertig vorliegen. Es handelt sich nicht, wie man demHann. Cour." aus Hamburg schreibt, um eine Reichssubvention, auch nicht um ähnliche Erwerbungen, wie s. Z. mit den Samoa-Inseln versucht werden füllte, sondern wesentlich um den Reichsschutz in der Weise, daß Plätze und Landstrecken, in welchen sich bereits deutsche Firmen angesiedelt und festen Fuß gefaßt haben, erweitert und aus gebaut werden. Man will ver­suchen, den Strom der Auswanderung zum Theil nach solchen Plätzen zu leiten, damit die in den Kolonien gewonnenen Produkte direkt Deutschland zugeführt werden, und daß andererseits die deutsche Industrie erweiterte direkte Absatzmärkte auf über­seeischen Ländern gewinne, ohne die Vermittelung Englands und Frankreichs in Anspruch nehmen zu müssen. Es gehört nicht zu den seltenen Erscheinungen, daß Faktoreien, welche durch deutschen Fleiß empor­gekommen sind, schließlich durch Kauf an England übergehen, während sie in weiterem Ausbau der deutschen Industrie treffliche Dienste hätten leisten können. Der ganze Plan des betreffenden Komite's wird demnächst veröffentlicht werden, und befindet sich der oben erwähnte Baron Maltzahn, der vielfach Reisen in überseeischen Ländern gemacht, augenblick­lich in Hamburg, um weiteres Material für seinen Plan zu sammeln u. diejenigen Handelshäuser, welche drüben bereits Faktoreien oder Filialen besitzen, für seine Idee zu gewinnen.

In der vorletzten Session des Reichstags war von dem Abg. Frhrn. v. Varnbüler ein Antrag auf Revision des Unterstützungs-Wohnsttz-Gesetzes eingebracht und dieser bis ins Detail spezifizirte 'An­trag dem Reichskanzler zur Prüfung überwiesen worden. Es handelt sich bei dieser Materie bekannt­lich um tiefgehende Differenzen zwischen der einschlä­gigen Gesetzgebung Nord- und Süddeutschlands. Die östlichen Provinzen Preußens verwahren sich ge­gen die von Hrn. v. Varnbüler vvrgeschlagenen Aen- derungen und auch der Reichskanzler konnte sich sei­nerzeit mit denselben nicht befreunden. Die für Süddeutschland so wichtige Angelegenheit dürfte da­her auch wegen anderweiten überaus großen Schwie­rigkeiten, welche der einheitlichen Regelung des Un- terstützungs-Wohnsitz-Gesetzes im Wege stehen, so­bald nicht zum Abschluß gelangen.

In der Einkommensteuer in Preußen sind in diesem Jahre am höchsten eingeschätzt die Frankfur­ter Rothschilds, Freiherr Mayer Karl, der Chef des Hauses, mit 136,800 »lL und Wilhelm von Roth­schild mit 143,640kL Bei dem einen bedeutet das ein reines jährliches Einkommen von mindestens 4,560,000 bei dem anderen ein solches von min­destens 4,788,000 cM Wie gewaltig fallen dagegen gleich die übrigen Höchstbesteuerten in der reichen Stadt Frankfurt ab. Von 136,800 springt der Steuersatz sofort auf 17,100 c/kL, die ein Fabrikant Zimmer bezahlt, dann kommt Baron Ludwig von Erlanger mit 13,608lL Mehrere Beamte scheinen sich auch eines ganz hübschen Privatvermögens zu erfreuen, das ist erstlich der Inspektor des Diakonis­senhauses, Pfarrer Lübecker, der 4788 cM Staats­einkommensteuer bezahlt, dann der Oberbürgermeister Miguel mit 2052 ^

Wiesbaden, 24. Juli. In einem alten tannenen Pult, das früher zum Inventar des abgebrochenenEnglischen Hofes" gehörte und vor 8 Tagen vom Auctionator Müller für 3 versteigert wurde, ist heute ein Fund von lyz Mill. holländischer Gulden gemacht worden!! Man entdeckte in einem Schubfach des Pultes 5 versiegelte Pallete, öffnete sie und fand in jedem derselben ca. 300 Scheine holländische Staatspapiere vom Jahre 1814; jeder Schein lautete aus:Eene tausend Gulden." Die Sache macht natürlich ein ungeheures Aufsehen, umsomehr als man noch nicht eruirt hat, ob die Scheine ächt sind und noch Cours haben und weil sich über das Eigen- thumsrecht cvent. verschiedene Ansichten geltend machen dürf­ten. Die Ecken des Herrn Jos. Berthold, des früheren Be­sitzers des Hotels, behaupten, daß sie von dem Vorhandensein der Papiere Kenntnis; gehabt, aber geglaubt hätten, daß die Scheine werthlos seien. Dieser Ansicht seien sie auch noch. Einstweilen hat die Staatsanwaltschaft Beschlag auf den Schatz" gelegt.

Aus dem Reichslande wird geschrieben: Während vor dem Kriege in dem Gebiete von Elsaß-Lothringen keine politische Zeitung ausschließlich in deutscher Sprache und auch nur wenige in deutscher und französischer Sprache erschienen, ist die Zahl der nur in deutscher Sprache erscheinenden Zeitungen

gcgcuw.'..üg eine bc:.ach:üac, wie denn auch der Leserkreis, welcher der deutschen Sprache den Vorzug gibt, der bei weitem größere und in stetigem Zu­nehmen begriffen ist. Dieser Thatsache gegenüber haben die doppelsprachigen Zeitungen einen schweren Stand. Ganz abgesehen davon, daß ihnen die fran- zösischen Journale große Konkurrenz machen, verur- A-M o. f?. sacht ihnen die Herstellung des doppelsprachigcn Textes bedeutende Kosten und beschränkt die Reichhaltigkeit des Inhalts. Es war in jüngster Zeit die Rede davon, daß die betreffenden Zeitungen künftig nur in einer Sprache erscheinen würden. Nach unserer Meinung wird dies auf die Dauer nicht zu umgehen sein, und da kann es nicht zweifelhaft sein, daß die deutsche Sprache die Alleinherrschaft behaupten wird. A-DtzEs ^ " Es vollzieht sich also auch in diesem Punkte, wenn gleich langsam, doch sicher der Germanisationsprozeß, ohne daß es nothwendig wäre, zu Gewaltmaßregeln feine Zuflucht zu nehmen." ^

Oesterreich-Ungar».

Wien, 25. Juli. Die Oesterreich. Cor. mel- det: Die Entrevue unseres Kaisers mit dem dent- scheu Kaiser wird in Ischl voraussichtlich am 5.

August stattfinden. Kaiser Wilhelm kommt von Ga- stein nach Ischl und wird dort einen Tag bei Kai- HffsZ ^ ser Franz Joseph im engsten Kreise verbringen und U, s ^ von Ischl aus über Salzburg, Rosenheim, München -a ^ ' die Rückreise nach der Insel Mainau in Baden au- S « treten. ^ f

Italien-

Rom, 20. Juli. In derGazette Livornese" ! wird der Zustand der Flüchtlinge aus Alexandrien KHSKS herzzerreißend geschildert. In Livorno landeten ge- gen 1000 Hilfsbedürftige. Den Armen ist nichts, absolut nichts geblieben, sie sind gezwungen, Almo- D sen zu erflehen. In ähnlichen Verhältnissen werden ? sich ohne Zweifel die Flüchtlinge auch der anderen ÄMLZ, Nationen befinden. Der europäische Stadttheil von -Z>-g,sZ-

Alexandrien ist ein Schutthaufen und die daraus -D entflohenen Europäer sind zu Bettlern gemacht, die daselbst verbliebenen zum Theil ermordet worden.

FrankreiK. AW"'"

Paris, 24. Juli. Freycinel erhielt aus Porr Said ein Schreiben von Lesseps, wonach Arabi ZA- - ihm erklärt, die Neutralität des Kanals respektiren zu wollen. g

Paris, 24. Juli. Die Kreditforderung von 9,410,000 Fr., welche der Marineminister heute zur H

Besetzung des Suezkanals einbrachte, wurde mit ' ? E» eisigem Stillschweigen seitens der Kammer aufge- nommen. Man glaubt jedoch nicht, daraus schließen i-> o zu dürfen, daß das Projekt mit Ablehnung bedroht ist. Der Minister erklärte, der Kredit sei bestimmt, 3 ^ « die Bildung eines Landungskorps von 8000 Mann - ^ zu ermöglichen, 4000 sollten unverzüglich längs der

Nordseite des Kanals Position nehmen, während die- -

Engländer die Südseite beschützen würden. ^

Ueber die Stimmung in Paris gibt folgende «

Korrespondenz derA. Z." Aufschluß :Die Vor- Z ^ läge des 9 Mill.-Kredits wurde von der Kammer HHZ Z' ^ unter allgemeinem Schweigen cntgegengenommen, AKZ Z « was kaum Gutes verspricht. Unter den Deputirten 7 >s» I. ^ nämlich herrscht augenblicklich eine ziemlich stark aus- ?

geprägte Ansicht dahin vor, daß es für Frankreich vielleicht besser fei, sich von jeder militärischen Expe- F

dition nach Egypten, selbst nur zum Schutze des Z

Suezkanals, fern zu halten. Seitdem es keinem DZ» DZ Zweifel mehr unterliegt, daß Europa nicht gewillt ^ ist, den Franzosen und Engländern das gewünschte Mandat zur Intervention zu ertheilen, hat man hier plötzlich wieder bedenklich den Geschmack an einer Intervention verloren, und die Allianz mit England ist sehr in der Schätzung ihres Werthes gesunken.

Nicht ohne Besorgniß schaut man hier von neuem nach Berlin hin und glaubt geheimnißvolle Pläne Bismarcks fürchten zu sollen, und meint: Das ver­dächtige Schweigen und die zurückhaltende Neutrali­tät der Ostmächte berechtige dazu, Komplikationen und Fallen vorauszusehen. Warum will niemand anders sich mit England engagiren? fragt man viel­fach. Warum zögert Italien? Warum zeigen sich Deutschland, Oesterreich und Rußland so gleichgiltig gegenüber den geeigneten Mitteln zur Partificirung Egyptens? Eine solche Haltung läßt alles vermuthen, läßt alles befürchten; also ist das Beste für Frank­reich, sich so wenig wie möglich zu engagiren." Daß die Franzosen hienach Absichten hinter der deutschen Zurückhaltung suchpn, die nicht dahinterstecken, braucht nicht erst besonders hervorgehoben zu werden.