außerordentlich energischer Weise Geltung zu verschaffen weiß, treibt das griechische Nationalgefühl bis zum Fanatismus. Von den europäischen Großmächten fühlte sich England durch diese Vorgänge am meisten berührt, da dort das konservative Kabinet Salisbury die alle Torypolitik der Erhaltung der Türkei als eines Bollwerkes gegen Rußland wieder ausgenommen hat. Loro Salisbury erkannte die Gefahr der endlosen Verwickelungen, welche eine Aktion Griechenlands aegen die Türkei zur Folge haben mußte und beschloß derselben mit starken Mitteln zu begegnen. Er einigte sich mit den anderen Mächten dahin, Griechenland zu drohen, daß England einen griechischen Angriff zur See auf die Türkei verhinvern werde. Aber Griechenland läßt sich nicht so leicht einschüchtern. Der griechische Ministerpräsident Delyannis lehnt die auf diese Drohung gestützte Forderung Englands, abzurüsten, ab und eine große Volksdemonstration vor dem königlichen Palais in Athen gibt ihm Gelegenheit zu erklären, daß er an dem in der Kammer entwickelten nationalen Programm festhalte. Griechenland ist sonach entschlossen, den Mächten alle möglichen Schwierigkeiten zu bereiten, um irgend ein nationales Zugeständnis zu erlangen. Sollte sich nun Lord Salisbury entschließen, eine englische Flotte nach den griechischen Gewässern zu senden, so könnte deren Anwesenheit daselbst leicht einen d au erden nationalen Erregungszustand unter den Griechen Hervorrufen, der dem Frieden sehr gefährlich werden würde. In Serbien dagegen macht der Umschwung zu Gunsten des Friedens rasche Fortschritte. König Milan und seine Regierung suchen offenbar die in der öffentlichen Meinung Serbiens jetzt vorherrschende Friedensströmung jetzt auszunützen und beschleunigen nun selbst den Abschluß des Friedens. Zu erwähnen bleibt noch, daß es Deutschland gewesen, welches die Schwierigkeit, einen geeigneten Ort für die Friedensunterhandlungen zu finden, dadurch beseitigte, daß es Bukarest hiefür vorschlug, auf welches sich dann die drei unterhandelnden Mächte, die Türkei, Bulgarien und Serbien, auch einigten.
Gcrges-WeuigkeiLen.
Calw, 27. Januar. Herr Hofkaplan Dr. Braun von Stuttgart hat letzten Montag Abend in dem überfüllten Saal des Georgenäums den angekündigten Vortrag über das Thema: „Wer ist frei?" gehalten. Es war ein hoher Genuß der in klarem Fortschritt der Gedanken aus dem vollen Leben geschöpften, in edler, fließender Sprache gebotenen Entwicklung zu folgen. Ausgehend von den verschiedenen Freiheitsidealen, wie sie in Liedern und im Leben uns begegnen, weist der gewandte Redner als das Gemeinsame darin nach das Streben von hemmenden Schranken los zu werden. 2U-" ist dies nicht ein schöner Traum? Allerdings Freiheit im absoluten Sinn gibt es für endliche Wesen nicht; gewisse Schranken bleiben überall, und da am meisten, wo man alle Schranken niederreißen will. Aber relative Freiheit gibt es; los soll und will der Mensch werden wenigstens von den Mächten, welche seinen innersten Lebensksrn Herabdrücken. Welches sind nun diese Mächte? Gar Verschiedenes fühlen die Menschen als solche niederdrückende Macht, und je nachdem gestaltet sich auch ihr Freiheitsideal, — nationale Freiheit, bürgerliche Freiheit und als das Höchste und einzig Notwendige geistige, innere Freiheit. Wer ist geistig frei? Wie verschieden fällt auch hier wieder die Antwort aus! Freidenker preisen Freiheit vom Dogmenzwang, Freigeister predigen gar Freiheit des Fleisches. In Wahrheit frei ist doch nur der, in welchem das bessere Ich den Sieg davon trägt über die Triebe des Fleisches, über die niederen Leidenschaften. Daß der Mensch bei aller Uebermacht des sündigen Hangs doch Freiheit der Entscheidung, Wahlfreiheit hat, dafür zeugt unwidersprechlich das Schuldbewußtsein, das böse Gewissen. So könnte man also sagen: frei ist der gewissenhafte Mensch. Aber auch diese Antwort genügt noch nicht; denn das Gewissen bekommt seinen positiven Inhalt erst durch außer ihm stehende Mächte, Zeitmeinung, Kirche, Wissenschaft u. s. f. und diese Mächte können
Der saubere Herr wird verlegen, sieht sich ängstlich iln Laden um und stotterte Entschuldigungen. In diesem Augenblick tritt ein martialisch, grimmig aussehender Mann mit gewaltigem Schnurr- und Backenbart — ein wahrer E ssir von Figur und Haltung — in der Uniform der Newyorker Polizeibeamten in den Laden — und fährt wie ein Besessener aus meinen Gauner los. „Aha! da ist er ja, der Hallunke! ist kaum aus dem Loch gekommen und stiehlt schon wieder? „Meine Herren", wendet er sich an uns denn die Scene hatte das ganze Ladenpersonal herbeigclockt — „Sie haben es hier mit einem höchst verwegenen und gefährlichen Spitzbuben zu thvn. Die Uhr, die er trägt, ist gestohlen, die goldene Kette mit den schweren Berlocken, die Ringe an seinen Fingern, die goldenen Hemdknöpfe sind gestohlen. Wir haben die Beweise bereits in Händen. Ich wette, er hatte auch hier bereits gemaust!"
— „All right, Sir!" erwidere ich. „brechen Sie ihm nur die Hand auf, dann -werden Sie einen der kostbarsten Rmge aus unserem Warenladen vorfinden!"
— „Heraus mit dem Ringe!" donnerte der Polizeibeamte und entreißt dem Spitzbuben das Kleinod, daß dieser, blaß und zitternd und gänzlich außer Fassung, in der Hand herumdreht; „und nun mit zur Wache, vorwärts!"
— „Ganz schön, Sir!" sage ich, „bringen Sie den Master in Gewahrsam, aber nicht den Ring! der dürfte hier besser aufgehoben sein, als auf der Polizeiwache."
Der Polizist schaut mich verblüfft an und donnert: „Well, Sir? was denken Sie? Hier ist meine Legitimation! Der Deuker holt Sie, wenn Sie dummer Deutschmann einem amerikanischen Sicherheitsbeamten in der Ausübung seiner Amtsgewalt behinderlich sind! Der Ring kommt mit als Corpus delicti, damit dem Hallunken hier der Prozeß gemacht werden kann, und damit Basta! Vorwärts, mein Bürschchen! (hier packt er den Gauner am Rockkragen) flink, mein Junge. Die nordamerikanische Polizei der vereinigten Freistaaten läßt sich kein Schnippchen schlagen. Das wär' nicht übel, wenn hier jeder hergelaufene Ausländer der Vereinigten Staaten-Republik Gesetze vorschreiben könnte! Marsch hinaus!" — Beide waren schon an der
selbst mit der Sünde verflochten sein, und können somit auch dem einzelnen nicht zu seiner inneren Befreiung verhelfen. Es muß eine Macht geben, die, selbst erhaben über alles Unreine, in sich dasjenige vollkommen darstellt und dem Menschen entgegenbringt, was unser Gewissen geahnt und erstrebt hat. Diese Macht ist Gott. Darum ist die einzig richtige Antwort auf unsere Frage die: frei ist, wer in Gemeinschaft tritt mit Gott, mit dem Gott, der sich uns erschlossen hat in seinem Sohne Jesu Christo. Gottes Geist knechtet uns nicht sondern bestimmt uns so, wie wir so gerne sein möchten, aber ohne ihn es nicht werden können. Der Christ ist, wie Luther sagt, Gottes und der Welt mächtig, er nimmt Gottes Wesen in sich auf und damit eine Kraft der Heiligung, die ihm den Sieg verleiht über die Welt in und außer ihm. Die sozialen Ordnungen wirft er nicht weg: die Kirche begrüßt er als Gehilfin seiner Freiheit, Familie und Staat als die Ordnungen, innerhalb deren sein inneres Leben in koncentrierter, gesunder Weise sich entfaltet. Gegen die hemmenden Mächte nimmt er den Kampf auf; aber er hat dabei eine andere Wertbemeffung als der, welcher in dieser Welt sein Teil sucht. Wenn er nur in seinem innersten Kern frei ist, so bleibt er auch unter dem Verlust von Freiheiten zweiten Ranges aufrecht. Ein Christ lobt den Herrn auch hinter den Mauern, die sein Leben einschließen, und wartet geduldig bis auch zu ihm der befreiende Engel naht, der ihn in das Land des ewigen Lichtes führt, wo erst die volle Antwort uns gegeben wird auf die Frage: „Wer ist frei?" — Dies eine kurze, unvollkommene Skizze des glänzenden, gedankenreichen Vortrags.
Nagold, 25. Jan. Der Gewsrbeverein behandelte letzten Freitag die Frage des Wollzolls. Die Versammlung sprach sich entschieden gegen einen solchen aus; dies that besonders der Vorstand Sannwald in einem kurzen aber klaren, auf statistischen Notizen fußenden Vortrag. Gegenteilige Ansichten wurden nicht laut.
Vom Bezirk Herrenberg, 25. Januar. Die Zuckerfabrik Böblingen hat den Preis für vorschriftsmäßig gebaute Rüben für das Jahr 1886 wieder auf 90 H pro Zentner franko ihrer Station erhöht, was mit allgemeiner Befriedigung ausgenommen wird. Die Landwirte werden nun gerne wieder dem Rübenbau sich zuwenden, der, wenn rationell und mit Fleiß betrieben, immer noch den besten Ertrag liefert.
Stuttgart, 25. Januar. Ein neuer Unfall auf dem hiesigen Bahnhofe beweist wiederum, wie äußerst gefährlich es ist, in einen bereits in der Bewegung befindlichen Personenzug hineinzuspringen. Ein 40 Jahre alter verheirateter Schuhmacher namens Gottlieb Glutsch aus Sulzbach, OA. Backnang, Vater von 4 Kindern, welcher mit seinem jüngern Bruder zum Besuch eines verheirateten Bruders gestern hierher gekommen mar, sprang gestern abend kurz nach 1/48 Uhr die Kronenstraßs herauf und benützte die von dort aus in die Abfahrtshallen führende Treppe, um noch rechtzeitig den um 7 Uhr 20 Min. nach dem Remsthal abgehenden Personenzug zu erreichen. Wie er auf der Treppe angelangt war, ertönte das dritte Zeichen und der Zug setzte sich in Bewegung. Der Schuhmacher sprang aber dessenungeachtet in der Nähe des außerhalb der Halle befindlichen Wärterhäuschens in den Wagen. Sein jüngerer Bruder folgte seinem Beispiel, kam jedoch in einen weiter rückwärts befindlichen Waggon. Wahrscheinlich hat nun Gottlieb Glutsch seinen jüngeren Bruder aufsuchen wollen und dabei an einer an der Unglücksstätte befindlichen Weiche einen Stoß erhalten, welcher ihn zwischen den zwei Wagen auf das Geleise hinunterschleuderte. Der Unglückliche wurde überfahren und sofort getötet. Sein Leichnam ist noch gestern abend ins Leichenhaus auf der Prag verbracht.
Stuttgart, 26. Jan. Die bei der B en z i n e x p l 0 s i 0 n verunglückten 4 Personen befinden sich sämtlich auf dem Wege der Besserung; das Dienstmädchen des Friseurs Leinert Karoline Lehner konnte bereits das Katharinenstift verlassen, dem Hausknecht Ziegele geht es verhältnismäßig recht gut, und auch die Besserung des Hrn. und der Frau Leinert schreitet günstig fort, doch darf der erstere seine Thätigkeit vorerst noch nicht wieder aufnehmen. Inzwischen ist das Geschäft in einem der Unglücksstätte
Thür, aber schnell, wie ein Windhund, springe ich ihnen in den Weg. Das Poltern und barsche Auftreten des Polizisten hatte mich — ich muß es offen gestehen — nicht einen Augenblick eingeschüchtert. „Der Ring bleibt hier!" rufe ich entschlossen, „der Mann gehört Ihnen, aber der Ring bleibt in unserem Gewahrsam. Er ist hier besser aufgehoben, als in den Polizeiakten. Master Bill! — (dieser brave Mann ist einer unserer besten Markthelfer und trat gerade in den Laden). Rufen Sie doch geschwind Master Simring oder Trollope herbei. Es handelt sich um einen Schurkenstreich." Meine Kollegen, zum Teil junge Leute, wagten nicht, sich einzumischen, um nicht wegen Beleidigung eines Beamten — einen anderen Grund kann ich mir für ihre Zurückhaltung nicht denken — zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Was ich von Anfang an vermutet hatte, geschah. Der heldenkühne Beamte strich die Segel, lieferte den ächten Ring aus und begnügte sich mit dem nachgemachten, um ihn zu den Akten zu heften. Dann verließ er mit seinem Schützling den Laden, und kaum war er hinaus, so brach der Sturm unter den jungen und älteren Comptoirdienern, Clerks und Verkäufern mit vernichtender Gewalt los. Die Einen meinten, ich würde schön ankommen. Ein dreiwöchentlicher Aufenthalt unter Ratten und bei Wasser und Brot sei . mir sicher; die Andern sagten wieder, ich hätte Recht gethan, Vorsicht sei das Beste ; in einem Gold- und Silberwarengeschäft könne man nicht behutsam genug zu Werke gehen.
Mr. Trollope machte durch sein Erscheinen dem Skandal ein Ende. Er ordnete sofort in seiner kurzen, ruhigen Weise und ganz im Stillen an, daß unser braver Bill den Beiden nachging und sie im Stillen beobachtete. Und meine Ahnung bestätigte sich. Der würdige Polizist war so gut ein Spitzbube, wie sein Helfershelfer. Arm in Arm wanderte das Paar nach einem entlegenen Stadtteil, um dort in einem übel berüchtigten Hause zu verschwinden und neue Pläne, das Eigentum ihrer Mitmenschen zu schädigen, auszuheäen. Eine halbe Stunde später saßen Beide hinter Schloß und Riegel. I Sie waren trotz ihrer außerordentlichen Gewandtheit nicht schlau genug gewesen.