61. Jahrgang.
Zlro. 11.
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Donnerstag, äen 28. Januar 1886
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Deutsches Reich.
— Die württembergischen Ziveigvereine in Stuttgart deutscher Branntweinbrenner und Liqueurfabrikanten nahmen in einer Generalversammlung gegen das Branntweinmonopol Stellung, weil dasselbe die in Württemberg so stark vertretene, uiw nut dem Erwerb der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe so engverknüpfte Kleinbrennerei tief schädige und ihren Bestand in Frage stellen. Sollten die Bedürfnisse des Reichs weitere Mttel erfordern, so möge man eine höhere Besteuerung des Branntweins herbeiführen. Es ward besonders betont, daß oas für viele Orte Württembergs eine so große Rolle spielende Sammeln von Heidelbeeren, die Ernte der Armen, durch ^as Monopol in Frage gestellt werde, ebenso die sehr b-deutende Summen ins Land bringende Fabrikation von Kirschwasser. Auch die Cham- pagnerfabrikalron, die in Württemberg sehr umfangreich ist, glaubt ihren Bestand durch das Branntweinmonopol in Frage gestellt, da sie nach den Bestimmungen des Entwurfs die Eepnls (Cognacs), die sie durch jahrelanges Lagern kultivieren muß, um sie zur Herstellung des Champagners zu verwenden, an die Monopolverwaltung abzuliefern hätte, wodurch ihr Betrieb geradezu in Frage gestillt werde.
Karlsruhe, 23. Jan Die Handelskammer für den Kreis Karlsruhe spricht sich in einem Bericht an das großherzogliche Ministerium des Innern über die Einführung eines Branntweinmonopols aus. Es heißt da u. a.: „In den Kreisen unserer Interessenten wäre man damit einverstanden, wenn auf das Reservatrecht, betr. die Besteuerung des Branntweins, verzichtet und eine das ganze Reichsgebiet umfassende Steuergemeinschaft gebildet würde, weil damit die bisherigen Hemmnisse in der freien Geschäftsbewegung in Fortfall kommen würden. Im Hinblick auf die hieraus erwachsenen
Vorteile würde man gern eine höhere Besteuerung des Branntweins, eine höhere Fabrikatsteuer, in Kauf nehmen, wenn man damit vor dem Monopol bewahrt bleibe. Sollte aber das Monopol nicht zu umgehen sein, so möchten unsere Interessenten noch folgende Punkte besonders hervorgehoben wissen und einer Berücksichtigung dringend empfohlen halten. Nach dem vorliegenden Entwürfe soll die Monopolverwaltung den Branntwein im gesamten Reichsgebiete zu dem gleichen Preise von den Brennereien übernehmen. Würde diese Bestimmung Gesetzeskraft erlangen, so wäre damit unserer süddeutschen Brennerei der Todesstoß versetzt. Wegen der höheren Bodenpreise, der höheren Arbeitslöhne und der höheren Preise des Rohmaterials produzieren schon unsere Kartoffel- und Getreidebrennereien teurer als die norddeutschen; ein Zentner Kartoffeln, der in Norddeutschland mit 60—70 bezahlt wird, kostet unseren Brennereien etwa 1 20 H. Es müßte deshalb der Preis,
zu dem die Monopolverwaltung den Kartoffel- und Getreidebranntwein in Süddrutschland zu übernehmen hätte, um 8—10 ^ per 100 Liter ä 100 Prozent Spiritus höher als der den norddeutschen Brennern bewilligte Preis gestellt werden.
Frankreich.
— Am 23. d. wurde die Leiche der Mutter von Louise Michel auf dem Kirchhofe von Levallois-Perret ausgegraben und in ein besonderes Grabgewölbe überführt. Obgleich Einladungen an die Freunde ergangen waren. hatten sich jedoch nur 10 Personen eingesunden. Nach der lieber- führung sprach Louise Michel zu den Anwesenden, sie werde mit dem Fürsten Krapotkin nach Genf gehen, daselbst einige Zeit bleiben und von dort dann über Berlin nach Petersburg als Vorkämpferin der internationalen Revolution gehen. Wenn sie in Berlin gut ausgenommen werde, wolle sie einige Zeit dort verweilen; wenn sie von den Gesinnungsgenossen jedoch einen kalten Empfang erfahre, werde sie ungesäumt nach Petersburg gehen. Auf jeden Fall werde sie in einem Briefwechsel mit den Freunden Frankreichs bleiben und sie werde ihr Mögliches thun, um die Grundsätze der internationalen Revolutionspartei zum Siege zu führen.
Serbien, Bulgarien, Ostrumelien.
— Die Balkanfrage nimmt seit einiger Zeit eine neue Gestalt an. Bulgarien, Ostrumelien und Serbien treten ein wenig zurück und Griechenland erlangt mehr und mehr die erste Stelle unter den unruhigen und aktionslustigen Kleinstaaten des Balkans. Die Befürchtung, die Interessen des Hellenismus könnten bei der schrittweise näher rückenden völligen Lösung der Balkanfrage nicht in einer für denselben befriedigenden Weise Berücksichtigung finden, beherrscht alle Gemüter in Griechenland. Das mächtige Vordringen des Slaventums im Norden der Halbinsel, welches sich in
(Nachdruck verboten.)
Der: Auswanderer.
Erlebnisse eines Deutschen in Nord-Amerika. Von Karl Aastrow.
(Fortsetzung.)
Ich kann wohl sagen, daß ich mir hier in der amerikanischen Hauptstadt bereits große Mühe gegeben, um den Vater, falls er sich in New-Aork befinden sollte, zu ermitteln. Alles, was sich unter den obwaltenden Umständen thun läßt, habe ich gethan und mein Prinzipal hat mir mit seinem Rate in der liebreichsten Weise beigestanden. Ich kann nicht oft genug wiederholen, wie gut Mr. Trollope gegen mich ist, obwohl er im Ganzen genommen auch strenge und pernlich sein kann und er namentlich gegen Denjenigen, der seine Schuldigkeit mcht thut, ein gar unnachsichtlicher Herr ist. Eines Vorfalls, der mich besonders in seiner Gunst hob, kann ich nicht unerwähnt lassen.
Es gibt nämlich hier in Amerika, wie überall in den großen Städten, eine Menge lüderlicher, arbeitsscheuer Subjekte, Gauner, die von Betrug und Schwindet leben und bei ihren Machinarionen mit ungeheurer Schlauheit und großem Vorbedacht zu Werke gehen. Ihr glaubt aber gar nicht, mit wie großer Vorsicht jeder Geschäftsmann verfahren muß, um nicht betrogen oder übervorteilt zu werden.
Mr. Trollope hatte mir die äußerste Bedachtsamkeit empfohlen; aber es hätte dessen nicht bedurft, sobald ich hinter meinem Ladentische stand, war ich Auge und Ohr. Ich war einmal zu stolz auf das mir in so jugendlichem Alter übertragene Aemtchen und hätte es für eine ewige Schande gehalten, mich von einem Gauner übertölpeln m lassen.
Eines schönen Tages tritt also ern mit äußerster Eleganz gekleideter
§ Herr in den Laden. Zacket und Weste von feinstem Schnitt, Hut nach der neuesten Pariser Mode, Lackstiefelchen, feine Glacehandschuhe und von Gold förmlich starrend. Befiehlt in näselndem Tone, Ringe zur Auswahl vorzu-. legen, da er einen solchen zu kaufen wünsche. Ich faßte meinen Mann scharf ins Auge und bemerkte, daß er meinem Blicke auswich.
Auch ohne dieses sichere Kennzeichen eines bösen Gewissens würde ich Verdacht geschöpft haben. Du weißt liebe Mutter, wie oft sich der Vater über mein schnelles und doch sicheres Urteil über diesen oder jenen Menschen verwundert hat. Er nannte es Scharfsinn, ich möchte es eine Art Instinkt nennen. Ein dunkles, unerklärliches Gefühl warnt uns oft vor dem verderbten Menschen und läßt uns seine Nähe meiden, ohne daß uns unser Verstand nur den allergeringsten Grund hierfür anzugeben vermöchte. So erging es mir mit jenem Fremden. Ich beobachtete ihn heimlich, aber mit äußerster Schärfe, legte ihm nur so viel Ringe vor, als ich zu überblicken im Stande war und brachte jedes einzelne Stück sogleich wieder in das dazu bestimmte Fach des Schmuckkästchens. Plötzlich zuckte mir jedoch ein Schreck durch die Glieder, wie ich ihn in meinem Leben nicht gefühlt und auch wohl schwerlich wieder in dem Grade empfinden werde. Der Ring, den ich in der Hand habe, ist wertlos. Zwar ist die Einfassung 14karätiges Gold, aber der Stein ist unächt. Anstatt eines Diamanten sehe ich einen wertlosen Kiesel.
Der fremde Gentleman muß den ächten Ring heimlich vertauscht und einen gefälschten an seine Stelle gelegt haben. Er mußte unter allen Umständen den ersteren aber noch in seiner Hand halten. Wenigstens hielt er die Rechte in einer Weise geschlossen, vie ihn äußerst verdächtig machte.
Ich nehme den falschen Ring und reiche ihn dem Betrüger dar mit den Worten : „Bitte, Sir, dergleichen Waren führen wir nicht. Ich bin jedoch nicht abgeneigt, diesen Ring in Zahlung zu nehmen, wenn Sie den, welchen Sie in der Hand Hallen, kaufen und nur noch die Kleinigkeit von 500 Dollars zulegen wollen!" (Dies war nämlich der Kaufpreis für den ächten Ring.)