das KanonenbootHabicht" beordert worden, sich von Malta nach Alexandrien zu begeben, dort die deutsche Flagge zu zeigen und eventuell den deutschen Staatsangehörigkeit Schutz und Zuflucht zu gewähren.

Berlin, 16. Juni. Der Reichstag nahm die von der Kommission zu dem Tabaksmonvpolbericht gefaßte Resolution Lingens mit der Modifikation Bennigsen's mit 155 gegen 150 Stimmen an. Der Reichstag erklärt damit, daß eine höhere Tabakbe­steuerung unstatthaft sei; dagegen ist der zweite Theil der Resolution gestrichen, welcher dahin ging, daß überhaupt weitere Einnahmen des Reiches entbehrlich seien, jda angemessene Sparsamkeit schon jetzt die Mittel zur Befriedigung der öffentlichen Bedürfnisse und zur Ausgleichung der Mängel in der Steuer- und Zollgesetzgebung gewähre. Ein Schreiben des Reichskanzlers beantragt Zustimmung des Reichstags zur Vertagung vom 19. Juni bis 30. November. Das Schreiben wird morgen berathen. Die Sitzung dauerte acht Stunden.

Berlin, 16. Juni. Die Zustimmung zur Vertagung des Reichstags vom 19. Juni bis 30. Novbr. wird nach längerer Debatte gegen den Widerspruch eines Theiles der Fortschrittspartei (welche den Schluß der Session wollte, wodurch die zeitraubenden Commissionsarbeiten über das Un­fall- und Krankenkassen gesetz werthlos geworden wären) ertheilt und sodann die Interpellation Gril­lenberger berathen, die Belästigungen socialdemo­kratischer Abgeordneter durch Berliner Geheim­polizisten betreffend. Außer dem Interpellanten rügten Lasker, Günther und Frohme dieses Verhalten der Geheimpolizei auf das Schärfste. Für seine Berechtigung erhob sich keine Stimme aus dem Hause. Winterer bat, den elsäßischen Antrag, wonach der Präsident des Landesausschusses befugt sein soll, solchen Mitgliedern, die kein Deutsch ver­stehen, ausnahmsweise den Gebrauch der französi­schen Sprache zu gestatten, noch zu erledigen. In zweiter Berathung wurde der Antrag der Elsäßer angenommen. Der Reichstag vertagte sich auf unbe­stimmte Zeit.

Berlin, 17. Juni. Der Staatsanwalt legte gegen die Freisprechung Mommsens Revision ein.

Das Zischen der Linken am Schluß der Reichstagsrede Bismarcks vom 12. Juni ruft in un­abhängigen liberalen Blättern, die nicht unter dem Bann der Parteiherrschaft stehen, da und dort einen Protest hervor. So schreibt die Schles. Z.: Je höhere Anerkennung den großen Gesichtspunkten, unter welchen der Kanzler die vorliegende Frage erfaßte, gezollt werden wird, um so schmerzlicher wird es empfunden werden, daß der erste Staatsmann der Welt den Vertretern der Nation gegenüber, die er aus tiefer Zerrissenheit und politischer Ohnmacht zu der unbestrittenen Stellung der ersten Weltmacht emporgeführt hat, am Abend seines dem Vaterlande geweihten Lebens in einem sehr resignirten Tone zu reden sich veranlaßt sah und daß die Schreier von der Linken sich ihm gegenüber jeder schuldigen Pie- rät, jeder Regung von Dankgefühl zu entäußern wag­ten. Als der Kanzler nach seiner großen Kundge­bung der Nationalvertretung noch ans Herz legte, der byzantinischen Liebäugelei mit der Popularität zu entsagen und den nationalen Gedanken in Euro­pa leuchten zu lassen zischte die Linke. Was wird die deutsche Jugend dazu sagen, werden sich die Söhne nicht ihrer Väter schämen, sei es heute, sei es nach wenigen Jahren?

DemD. T." schreibt ein Tabakfabrikant in Betreff der Straßburger Tabakmanufaktur u. A.: Dem Anscheine nach wäre die Niederlage der Straß­burger Manufaktur ein böses Prognostikon für das Neichs-Tabakmonopol, und man ist auch sehr geneigt, gegnerischerseits die Sache in diesem Sinne auszu- beuten. Jndeß liegt sie in Wirklichkeit anders. Wenn die Straßburger Manufaktur, deren Bilanz unter diesen möglichst ungünstigen Verhältnissen, kaum eine gute wird sein können, der Konkurrenz unterlegen ist, so liegt darin indirekt der schlagende Beweis mehr für die Behauptung, daß ein richtig geleitetes Reichs-Tabakmonopol, welches dazu ohne Konkur­renz arbeitet, finanziel ungeheure Erträge liefern muß, da die heutige Privat-Tabak-Gros-Jndustrie keine Mittel gespart, ja selbst Opfer gebracht hat, um sich eine lukrative Industrie als Privat-Mono- pol zu erhalten, und es d/fffe daher wohl unter sol­chen Umständen der Bilanz* der Straßburger Mann-

i faktur keine so große Wichtigkeit beigelegt werden."

Das Jordanwasser, mit dem der jüngste Hohenzollernsproß getauft worden ist, befindet sich in der Berliner Schloßapotheke, wo es sorgsam auf­bewahrt wird. Der Kronprinz hat das Wasser von seiner Reise nach Palästina mitgebracht. Durch die lange Reihe von Jahren hat es sich wegen seiner Reinheit vorzüglich gehalten, wozu eine Anzahl hinein­gelegte Kohlenstückchen beitrugen.

Oefterreich-lUrgam.

Wien, 14. Juni. Heute früh wurden vor der Hauptfront des Schlosses Ottenheim bei Linz im Parke zwei elegante junge Damen die Eine blond, die Andere brünett erschossen auf ge­funden. Nach den Feststellungen der Kriminalbe­hörde sind es zwei Französinnen. Beide Damen sollen bei der französischen Botschaft in Wien bekannt sein und Eine von ihnen angeblich zu dem Sohn des Schloßbesitzers von Ottenheim in Beziehungen gestanden haben.

DieWiener Presse" spricht sich in sehr schar­fer Weise über den deutschen Reichstag aus. Das Blatt schreibt: Die Niederlage der Reichssteuerreform rechtfertigt alle die bitteren Betrachtungen, welche Fürst Bismarck der Unfähigkeit der deutschen Volks­vertretung widmete. Noch kürzlich hat beim Jahres­feste der Berliner Universität ein deutscher Historiker daran erinnert, daß die Vergangenheit des alten Reiches als die klarste und nächste Pflicht für das neue lehre, seine Finanzen auf eigene Füße zu stellen, denn an dem Mangel genügenden Einkommens und eines geregelten Haushalts sei das ersterc hauptsäch­lich zu Grunde gegangen. Es hat aber wirklich den Anschein, als ob das deutsche Volk nichts gelernt und alles vergessen hätte, und fast so wenig Ver- ständniß wie die Warnungen der Geschichte, finden die Aufgaben der Zukunft. Die Monopolvorlage entfesselte alle schlimmen Geister der Rechthaberei und des Partikularismus. Die eine Fraktion verwirft die Reichssteuerreform überhaupt, die andere die Form derselben; die eine bestreitet das Bedürfniß, die an­dere bekämpft den Zweck. Was hätten diese nationa­len Vertreter zu dem Tabakmonopol vor fünfzehn Jahren nicht noch hinzugenommen, wenn die Einheit des deutschen Volkes darum hätte erkauft werden können! Man kann von dem Manne, der seine nationalen Pläne in zwei Kriegen verwirklichte, nicht annehmen, daß er vor den Fraktionen capituliren werde, und die Gegner sind sich vollauf bewußt, daß dermatte Greis" noch so viel Lebenskraft besitzt, wie die starrste Doctrin. Die völkerpsychologische Wahrheit bewährt sich in Deutschland wie in Italien, daß die Nationen das Unglück leichter ertragen als den Erfolg, und daß die Gegenwart erst von der Generation der Zukunft verstanden wird."

In Wien starb kürzlich ein Zuckerbäcker, der ein originelles Testament hinterließ. Er bestimmte nämlich in seinem letzten Willen, daß seinem Sarge 52 Pfründner aus dem Bürgerversorgungshause und 48 Invaliden folgen sollen. Dieselben sollen in offenen Fiakern abgeholt, auf den Centralfriedhof gebracht und von dort wieder auf einem Umwege in ihre Wohnung geführt werden. Er bestimme das, weil er wisse, daß die armen Leute niemals in die Lage kommen, sich eine Spazierfahrt zu gönnen! Jeder Pfründner und jeder Invalide erhält 10 Gulden auf die Hand. Jeder Fiaker erhält für die Fahrt 25 Gulden ausgezahlt, weil der Erblasser, wie es in dem Testamente heißt, nie in seinem Leben einen Fiaker benützt hat und den Kutschern doch wenigstens nach seinem Tode einen Verdienst zukommen lassen wolle.

In Triest läßt sich ein Herr Nathan, ein Violin-Birtuos ohne Arm in Concerten hören. Wer ihn hört, fragt sich, ob es wirklich Zehen und nicht Finger sind, die eine solche Gelenkigkeit und Feinfühligkeit entwickeln. Der Künstler öffnet den Violinkasten mit den Füßen, nimmt die Violine her­aus, ergreift den Bogen, stimmt sein Instrument, greift mit dem rechten Fuß in die linke Brusttasche und zieht sein Taschentuch heraus, um sich die Stirn abzuwischen. Das Staunen wird vollständig, sobald er mit dem linken Fuße den Bogen zierlich ergreift, den rechten Fuß auf die Saite der Violine setzt und zu spielen beginnt. Sein seelenvoller Vortrag über­trifft alle Erwartungen mit seinen Passagen von den tiefsten bis zu den höchsten Tönen, mit seinem Tril­ler und Doppelgriffe, verbunden mit den feinsten Uebergängen von piauissimo zum körte überrascht er die größten Kenner.

Fraiärrlch. ^ ^

Paris, 17. Juni. (Fr. I.) Der von Gam- betta meist gut bedienteVoltaire" will wissen, Frey- cinet habe Berlin als Conferenzort vorge­schlagen.

Paris, 18. Juni. (Fr. I.) Victor Hugo richtet einen Aufruf an die civilisirte Welt, gegen die Judenhetzen in Rußland cinzuschreiten.

Die äußerste Linke der französischen Kammer hat im Vereine mit den HochrothenUnversvhnlichkei- ten" und der Rechten mit einem der allerobersten Prinzipe des modernen Rechtsstaates, mit der Unab­setzbarkeit des Richters kurzen Prozeß gemacht und dieser radikalen Tollheit durch ein noch weiter gehen­des Votum die Krone aufgesetzt, wonach die Ernen­nung der Richter im Wege der Volkswahl zu erfol­gen hätte. Selbst Napoleon III. hat es nicht ge­wagt, an dem Prinzip der richterlichen Unabhängig­keit zu rütteln! Den Radikalen der gegenwärtigen französischen Kammer blieb es also Vorbehalten, ein Prinzip zu durchlöchern, das auch ihnen einst Schutz gewährte gegen die Vergewaltigung durch einen der Gnade der Mächtigen preis-gegebenen Richterstand! Gar wenigen von den größmüuligen Himmelstürmern der jetzigen Kammer wäre es vergönnt worden, eine Rolle im politischen Leben zu spielen, hätten die unabsetzbaren, von keiner Laune des Vorgesetzten ab­hängigen Richter ihnen nicht zu Zeiten der Rouher's und Persigny's Schutz gewährt. Gambetta selbst hätte die erste Snise der Macht und Popularität nimmer erstigen, wäre er in dem berühmten Prozeß desReveil" nicht unabhängigen Richtern gegenüber­gestanden. Die Zeiten und Verhältnisse sind nirgends so sehr dem Wechsel unterworfen, wie eben in Frankreich.

Nach demTemps" schwillt die Ziffer der Opfer des Kravalls in Alexandrien immer mehr an; eine große Anzahl Leichen von ansgeranbten Euro­päern ist vom Meer ausgeworfen worden.

Egypten.

Alexandrien, 15. Juni. Alle Generalkon­suln mit Ausnahme des französischen, der erwartet wird, sind in Alexandrien angekommen. Die Panik dauert fort; die europäische Kolonie fordert einmü- thig das Einschreiten türkischer Truppen, indem sie neue Unruhen und Niedermetzelungen fürchtet, wenn eine andere (nämlich eine westmächtliche) Einmischung versucht wird.

England.

London, 16. Juni. In Kairo herrscht Pa­nik und die Europäer fliehen nach Suez und Port Said. Der englische Consul gab Befehl, daß die britischen Unterthanen sofort Kairo verlassen, der deutsche und österreichische Consul verhandelten mit dem Khedive und Arabi wegen Vorkehrungen zur Verhütung eines weiteren Blutbades. Derwisch Pa­scha meldet telegraphisch, daß er dem türkischen Ar­meekorps in Syrien gegenüber keinen Einfluß habe, Arabi sei allmächtig. Der Sultan forderte den Khe­dive auf, nach Kairo zurückzukehren, bei einer Wei­gerung fürchte er Mord. Die Europäer in Alexan­drien und auf den Schiffen beginnen Hunger zu lei­den. Sie bewaffnen ihre Diener und verbarricadi- ren ihre Häuser und Speicher. Große Gefahr eines neuen Aufstandes ist vorhanden.

London, 17. Juni. DerTimes" wird aus Konstantinopel unterm Gestrigen gemeldet: Die Pforte beabsichtigte nicht, Truppen nach Egypten zu entsenden; dieselbe werde einen neuen Kom­missär, wahrscheinlich Mukhtar Pascha, dahin schicken. (N. T.)

Von der Sicherheit in London geben die eben veröffentlichten Statistiken der Londoner Sicher­heitspolizei ein erschreckendes Bild. Danach sind u. A. während der letzten fünf Jahre innerhalb des Weichbildes der Stadt nicht weniger als 1818 Lei­chen in der Themse gefunden worden, von denen in 599 Fällen nicht ausfindig gemacht, wie sie dahin gekommen.

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Tuttlingen, 16. Juni. Heute Vormittag waren zum Weltmarkt etwa 500 Ctr. gute trockene Qualität gelagert. Die Zufuhren dauern heute fort. Käufer haben sich bereits einge­stellt. In Betreff des Preises spricht man von 160170 per Ccntner.

Ulm, 16. Juni. (Wollmarkt.) DaS Geschäft ging gestern anfänglich, bis die Preise sich gestaltet hatten, etwas langsam, dann aber unter Ausschiag gegen die vorjährigen Preise um so lebhafter. Bezahlt wurde für gute Bastard, welche Sorte den größten Theil der Lager bildete, 174200 Geringere und Raubastard 155 bis 172 «4!, deutsche Wolle 150

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