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nach 4 Stunden der Zug wieder ankam, fand vor dem Kir­chenportale die Uebcrnahme des hl. Blutes statt. Unter den hiebei mitwirkenden Geistlichen waren auch zwei Kapu­zinerpater aus Bregenz zu bemerken. Diese wie die anderen Geistlichen waren während der Prozession niit Messelcsen und Beichthören streng beschäftigt, und die Hallen der gro­ßen Klosterkirche waren stets mit Andächtigen gestillt. Tau­sende waren in den Wirthschastcn zu finden, und auf den Straßen, in denen während des gestern und heute dauernden Jahrmarktes die Verkaufs- und Schaubuden standen, herrschte fortwährend ein starkes Gedränge.

Frankfurt, 22. Mai. (Landgericht.) DcrSchaff- ner Georg Münch von hier ließ sein Kind aus dem Fenster fallen. Am Falle starb das Kind und wegen fahrlässiger Tvd- tung erhielt der unglückliche Vater 3 Tage Gesängniß.

Berlin, 21. Mai. Nach demBerk. Tage­blatt" wurde dieser Tage auf der deutschen Bot­schaft von einer distinguirten Persönlichkeit an Bis­marck ein Schreiben abgegeben. Dasselbe enthielt hochwichtige Warnungen betreffs der Moskauer Krö­nung, wonach die Anzahl von Nihilisten in Moskau stärker denn je sei und man umfassendste Vorkehrun­gen getroffen habe, um bei der Krönung einen An­schlag gegen das Leben des Zaren und dessen ge­lammter Umgebung vorzunehmen. Unter den Nihi­listen befänden sich auch mehrere hochstehende Beamte und Militärs.

Ein herbes Urtheil fällt die Nürnb. Presse überdie Gegnerschaft gegen das Tabakmono­pol." Wenn, sagt sie, die Wirthshäuser, die Schmie­den und Krämereien an den Landstraßen, die Boten- und Fuhrwerksgewerbe seiner Zeit in den Händen jener Menschenklassen gewesen wären, in welchen heute der Tabakhandel liegt, so ist zu bezweifeln, ob wir heute schon Eisenbahnen in Deutschland Hütten. Hätten sie die Fabrikation der alten Beleuchtungs­materialien besorgt, so ist zu befürchten, daß wir heute noch kein Gas brennen dürften. Wäre sie im Besitz aller Lohnkutschereien, gewiß hätte kein Unternehmer die Konzession zu einer Straßenbahn erhalten. Oder wenn wir es doch mit der Zeit zu Eisenbahnen, Gas und Straßenbahnen gebracht hät­ten, so wäre es sicher nicht ohne ähnliche Kämpfe geschehen, wie sie jetzt gegen das Tabakmonpol ge­führt werden. Aber die Gastwirthe, die Schmiede und Krämer, die Boten und Fuhrleute, die Lichter­zieher, die Rapsbauern und Lohnkutscher nebst den zugehörigen Gewerbsleuten, die waren eben keine Tabakhändler. Die wußten die Sache nicht zu be­treiben, die konnten keine Zeitungen gründen oder kaufen, die hatten keine Richter und Konsorten, um die Regierung anzuklagen, daß siceine blühende Industrie zerstöre, viele Interessen schädige und eine Reihe von Existenzen vernichte.Nicht einmal an die Forderung einer Entschädigung dachten die Armen und so wurden viele Tausende, die ein theuer erkauftes Besitz­thum, ein gutes Geschäft hatten, so zu sagen über Nacht mittellose Leute, konnten von den verödeten Gebäuden ziehen und sehen, wo sonst in der Welt sie ihr Brvd finden würden. Noch kann man an den alten Land­straßen, am Fuße der Berge, über die sie führten, weitläufige Gehöfte, Stallungen und Schuppen für zahlreiche Lastwägen und deren Bespannung sehen, die öde und verlassen dastehen, heute noch ein paar Tausend Mark im Werth, während sie einst den Kaufpreis von 40-, 60-, 80-Tausend Gulden hatten. Von der Bedrückung der Tabakbauern durch die Händler sagt dass. Bl.: Rede man ja nicht von freier Konkurrenz! Die Händler kommen über den Preis überein und der Tabakbauer ist vollstän­dig in ihren Händen. In einigen Gegenden der Pfalz hatten sich die Bauern zur Gründung von Tabaklagern vereinigt in der Hoffnung, direkt an die Fabrikanten verkaufen zu können. Sie konnten jedoch nicht aufkommen gegen die verbündete Händlerschaft, die ebenso die Fabrikanten wie die Bauern in ihrer Anbänglichkeit zu erhallen weiß. Nach kurzer Zeit mußten die Lagerbänser wieder aufgelöst werden u. die Bauern sich den Händlern wieder auf Gnade und Ungnade übergeben. Wenn man gesehen hat, wie den Bauern, besonders jenen, die von den Händ­lern Vorschüsse baben, ihre Ernte abgedrückt wird, welche Finlen gebraucht werden, um die Preise nie­der zu baltcn, wenn man die Klagen dieser Leute, die sich das ganze Jahr plagen dürfen, um eine Anzahl Händler reich zu machen, gehört hat, wenn man weiß, wie der Tabak, sobald er den Besitz des Produzenten verlassen, um 3070 Proz. im Preise steigt, so begreift man, daß die Tabakbaucru um das Monopol petitioniren und die landwirthschaftlichcn Vereine ihre Gutachten für dasselbe abgeben.

dcr Eröffnung der Gotthardbahn ge­

widmeten Tage dürfen wohl als ein für den Welt­verkehr höchst bedeutungsvoller Moment bezeichnet werden. Unter der Betheiligung der Kommissäre der Schweiz, Deutschlands und Italiens findet diese Er­öffnung mittelst einer solennen Probefahrt statt und am 1. Juni wird das großartige Unternehmen dem fahrplanmäßigen Betrieb übergeben werden. Auch das deutsche Reich hat allen Grund, mit Stolz und Befriedigung der Vollendung dieses stolzen Denk­mals menschlicher Schaffenskraft zu gedenken. Nach­dem Oesterreich durch die Brennerbahn und Frank­reich durch die Blont-Cenisbahn für eine direkte Ver­bindung ihrer Bahnnetze mit Italien gesorgt hatten, war es für Deutschland, namentlich nach dem Auf­schwünge, den dasselbe seit der neuen Ordnung der Dinge als handeltreibende Nation genommen hatte, geradezu eine Nothwendigkeit geworden, sich auch seinerseits einen Weg durch die Alpen nach dem Sü­den zu bahnen. Dem richtigen Verständnisse dieser Nothwendigkeit ist es vorwiegend zu danken, daß durch Deutschlands Beihilfe das gigantische Werk der Gotthardbahn in verhältnißmäßig kurzer Zeit und trotz öfterer Stockung so rühmlich vollendet werden tonnte. Zehnjährige Arbeit und 277 Mil­lionen Francs Kapital sollen jetzt durch den Verkehr, der sich in Folge der Eröffnung der Gotthardbahn entwickelt, ihren Lohn sinden!

Italien.

Genua, 20. Mai. An dem den Gästen für die Gotthardfeier heule gegebenen Festmahle nahmen die hiesige Munizipalität, die Minister Baccarini, Berti, Acton, der Botschafter Keudell, Senatoren u. Deputirte Theil. Der Podest« toastete auf Deutsch­land, die Schweiz, Italien und das große Gott­hardwerk. v. Keudell dankte der Stadt Genua und wies darauf hin, daß die moralische, intellektuelle u. materielle Initiative zur Gotlhardvahn von Italien ausgegangen sei. Er toastete auf Italien und a..j das Haus Savoyen. Baccarini begrüßte Namens der Regierung den deutschen Kaiser, das deutsche Volk, die Schweiz und Italien und drückte den Wunsch aus, die Regierung König Humberts möge die Regierung großer Werke und Erfolge des Frie­dens sein.

Schweiz.

Base l, 22. Mai. Gestern Nachmittag 4 Uhr fand der Empfang der deutschen Gäste durch den eidgenössischen Bundeskommissar statt. Finanzminister Bitter dankte für den herzlichen Empfang, worauf alsbald der Extrazug nach Luzern abging, welcher um 8Vs Uhr Abends eintraf. Die Deutschen wurden enthusiastisch begrüßt. Die Musik spielte dieWacht am Rhein".

Luzern, 22. Mai. Gestern Abend halb acht Uhr ist der erste italienische Feslzug aus Mailand ein getroffen, aus zwei mit Guirlanden bekränzten Lokomotiven und 20 Wagen bestehend. Kanonen­schüsse begrüßten die Ankunft des Zuges. Die Stadt­kapelle spielte den Garibaloimarsch.

Luzern, 23. Mai. Am gestrigen Bankette nahmen gegen 800 Gäste Theil. Präsident Bavier toastete zuerst. Er sagte:Wir feiern ein Friedens­fest, einen Triumph der Arbeit und der Wissenschaft, wir feiern ein Verbrüderungsfest; ich trinke auf das Wohl des deutschen Kaisers, des Königs von Ita­lien und auf den Frieden zwischen Germanen und Romanen." Der Direktor des Gotthard-Unterneh­mens Zingg gedenkt der Männer, welche am Unter­nehmen mitgewirkt, insbesondere der Bnndesräthe Welti und Escher, der Ingenieure und der Tausende von Arbeitern.Der allgemeine Drang, fuhr er fort, geht nach Süden, wir wollen die Herzen der Italiener erobern, und keine Länder; ich trinke auf die Zukunft eines einigen großen Friedensverbandes." Der deutsche Gesandte General v. Röder toastirte auf die Schweiz und ihre Thalkraft. Der italie­nische Minister Baccarini wies darauf hin, wie Deutschland, die Schweiz und Italien sich nunmehr näher gebracht seien. Der Reichstagspräsident v. Levetzow sagte: Der deutsche Kaiser erklärte am 18. Februar 1871:Meine Nachkommen werden Mehrer des Reichs sein für die Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." Der Kaiser und das deutsche Reich erfreuen sich der Vollendung des Riesenwerkes. Er toastete auf die Arbeiter und auf die Zukunft der Gotthardbahn. Nach dem Banket wurde am See ein Feuerwerk abgebrannt, und die Spitzen der um­liegenden Berge erleuchtet. Heute um 7 Uhr Abfahrt nach Mailand. (St.-A.)

Frankreich.

Paris, 22. Mai. Der Botschafter Oester­reichs, Graf Beust, wurde endlich abbcrufcn.

Paris, 23. Mai. Die Kammer beschloß, ob­gleich der Finanzminister sich lebhaft dagegen aus­sprach, einen Antrag. bezweckend die Ersetzung der Steuern auf Biere und Weine durch die Sprilstener s.

zu erwägen. Der Finanzminister reichte in Folge !

dessen seine Demission ein. '

Der Ertrag des französischen Tabakmonopols !

im ersten Quartal des laufenden Jahres bezifferte i

sich die Summe von 86,534,000 Fr., was gegen den entsprechenden Zeitraum des Vorjahres ein Mehr 8 !

von beinahe drei Millionen ausmacht. Die erste Anregung zur Einführung des gegenwärtig nahezu FFL !

400 Millionen eintragenden Tabakmonopols in ^ !

Frankreich gieng von keinem Anderen aus, als von AHZ dem Kardinal Richelieu. A ^ 8 ^ .

Der einzige Reichthum, den die Franzosen nicht j

lieben, ist der Kinderreichlhnm. Daher kommt'-:, daß Frankreich jährlich nur um 26 Köpfe auf 10,000 '

Franzosen zunimmt, während der Zuwachs in Eng- ,

land 101, in Deutschland 115, in Nordamerika, die ß " EgS ! Einwanderer inbegriffen, 250 betrügt. In Deutsch- land wächst die Bevölkerung 44Ü2mal so rasch ^8- §"^8 j

wie in Frankreich. Die Franzosen gönnten das den s H Deutschen, wenn nur nicht ans den Kindern später Ds" ' Soldaten würden. Das ist's, was sie bedenklich macht. '

In Mareille bei Langres hat eine große "--

Feuersbrunst 180 Häuser zerstört: 135 Familien, im ^

ganzen 650 Personen, befinden sich in Folg? dessen ,

ohne Obdach und ohne Nahrungsmittel. -FFZFF ,

Griechenland. ,

Alexandrien, 21. Mai. Die tscherkessischen Z ! zl Z-! Offiziere sind vorgestern Nacht, 40 an der Zahl, ? ans einem eigens hierfür gemierheten Llohddampfer !

(wohin'?) eingeschifft worden. Man glaubt, daß ZjZHsLs. i

durch die auf diese Weise thalsächlich erfolgte Ver- F ' ^

bannung der Offiziere dem Streite über deren Be- strafung oder Begnadigung der Boden entzogen ist. !

Rußland. ZZVSN

Petersburg, 22. Mai. DemRegierung-:- - SZ ^ A ^ ,

Anzeiger" zufolge beträgt die Anzahl der bei dem ,

Brande in Kowno zerstörten ausschließlich jüdischen « K» - Gebäude 105 Häuter; dieselben waren versichert. -

Der Schaden beträgt 600,000 Rubel. E'Zx"' " ,

Türkei.

Konstantin opel, 22. Mai. Said Pascha verlangte Namens des Sultans von den Botschaf­tern Lord Dnfferin und Noailles die Zurückberu­fung des Geschwaders, weil die Ordnung in Egyp­ten wiederhergestellt sei. Die Botschafter theilten diese Forderung ihren Regierungen mit und warten gegenwärtig noch auf die Antworten derselben.

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Handel H Uerkehr. »

Stuttgart, 22. Mai. (Landesprodnktenbörse.) Wir notiren per 100 Kilogr.: Walzen bayr. 25 4L 85 4 bis 25 4L ^

90 4, russ. 23 50 4 bis 23 4L 70 Hafer russ. 14 4L Z L "

50 4 bis 15 4L je nach Qualität. ZA3.8 Z' ^

Stuttgarter Mehl- und Produktenbörse vom 'Z'oZ'.Z'L ^ 22. Mai. In Folge der Nachtfröste von voriger Woche zeigen inländische und bayerische Schrannen bessere Getreideprcise.

Uebrigens war der Verkehr wieder flau. Preise bei einem ß PZ - Umsatz von 1185 Sack der verschiedenen Mchlsorten: Nr. 0:

36 4L 50 4 bis 38 ^ Nr. 1: 35 4L 50 4 bis 36 4L Nr.

2: 33 .L 50 4 bis 34 4L Nr. 3: 31 4L 50 4 bis 32 S-S.L««

Nr. 4: 26 bis 27 4L 50 4 Pr. Sack. ^ ^

Stuttgart, 22. Mai. Die Gewerbehalle und ihre DD

Umgebung zeigte heute ein außerordentlich lebhaftes Bild. In derselben hat den Theil gegen die Kanzleistraße die Leder- messe, welche trotz des morgen staltsindenden Hellbrauner 8N? A« Ledermarktcs eine Zufuhr von 600 Ztc. aufwcist und auf SA welcher ziemlich lebhafter Verkehr stattsindet, eingenommen. 3 3 gg Der übrige Theil der Halle inkl. der Gallerten ist von der Schreinermesse okkupirt, von weicher die hiesigen Möbel - sabrikantcn hauptsächlich die Bodcnfiäche, die Gallerien die auswärtigen Schreiner mit allen Arten poiirter und sonst fei­nerer Model besetzt haben. Sofort beim Eintritt von der »

Lindenstraße aus trifft man ans Eisschränke, dann ganze Ein­richtungen vom Buffet und Schreibtisch bis zum kompletten Bett und der Salonpolstermöbel-Garnitur. Auch Haushal- lnngsgegenstände von Holz, als Waschmangen, Garnhaspel,

Schirmständer u. s. w., sind vertreten. Der Raum zwischen der Halle und dem Realgymnasium ist fast vollständig von Landschreinern mit lackirlcn und angestricheuen Kasten- und Holzmöbeiwaarcn besetzt, zunächst an der Halle sind auch ei­serne Gartenmöbel zu habe», während am Realgymnasium höl­zerne Gartenmöbel und Kinderwagen und Schaukelpferde feil- stchen. Bei sehr starker Zusuhr ist der Verkehr ein sehr leb­hafter und wird ziemlich rasch verkauft.

Ans dem Hohelohe'schcn, 21. Mai. Dieser Tage wurde der erste Kauf für neue Wolle abgeschlossen und solche in kleineren Partien (sog. Bauernwolle im Gegensatz von gro­ßen PostenSchäscreiwolle") L 1 4L 40 4 pro Pfund kon- trahirt.

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