Berlin, 13. Mai. Die meisten diesseits der Stadtbahn befindlichen Gebäulichkeiten der Hygieni­schen Ausstellung sind durch das gestrige Feuer ver­nichtet worden, sogar mehrere in der Nähe der Aus­stellung stehende Eisenbahnwagen der Lehrter Bahn sind auf den Geleisen verbrannt. Die Feuerwehr konnte den Feuerhssd erst heute gegen 10 Uhr theil- weise verlassen. Das Feuer kam in einer am Ein­gang des Restaurationsgebäudes befindlichen Arbei­terstube in einer bisher nicht ermittelten Weise aus. Ein Verlust an Menschenleben ist nicht zu beklagen. Von der Feuerwehr wurde ein Kind überfahren. Der Schaden ist unberechenbar. Bezüglich der ver­brannten Modelle und Pläne ist der Schaden ganz unersetzlich. Von den Ausstellungsgegenständen sollen drei Fünftel verbrannt sein. Der Versi­cherungswerth der verbrannten Gegenstände betrügt zwischen zwei bis drei Millionen.

Berlin, 14. Mai. Der Reichstag hat die Tabakmonopol-Vorlage an eine Commission ver­wiesen, welche aus 28 Mitgliedern bestehen soll. Der Beschluß erfolgte mit einer Majorität von 41 Stimmen (462 gegen 121). An dem nach den bis­herigen Debatten vorauszusehenden Schicksale der Vorlage werden auch die Commissionsberathungen schwerlich etwas ändern; sie werden, wie der Abge­ordnete Sander bemerkte, das Begräbniß nur etwas feierlicher machen. Ob und mit welchen Vorschlägen die Commission im klebrigen hervortreten, ob sie namentlich etwa eine erhöhte Besteuerung oder Fa­brikatsteuer proponwen wird, darüber fehlen im Au­genblick noch sichere Anhaltspunkte. In Betreff der gestrigen Debatten ist nichts Besonderes zu be­merken, erheblich neue Gründe für und gegen wurden nicht vorgebracht. Von cvnservntiver Seite ward als Grund gegen das Monopol die soziale Gefahr betont und als Mittel, den Bedürfnissen des Weiches zu genügen, auf Branntwein- und Börsensteuor hin­gewiesen. Zm klebrigen verliefen die Debatten ruhig und ohne interessante Momente, wie in den vorher­gehenden Sitzungen. (Fr. Z.)

(Auszug aus der Rede des Abg. Mayer (Württem­berg) über das T a b a k m «,n o p o l.) Er sei unter der Parole: gegen das Tnbakmonopsl" gewählt; die Volkspartei rvolle überhaupt keine neuen Steuern bewilligen: sie verwerfe die in­direkte Besteuerung. Wir haben genug Ei-nheit, ein Herr, ein Recht, mehr brauchen wir nicht. (Der Präsident ersucht den Redner, nicht abzulesen.) Gleich daraus plaidirl Redner für das Milizsystem (zur Sache!) und geht dann auf das Reichseisenbahnsystem über, um gegen dieses wie gegen das Tabakmonopol zu sprechen. Deutschland habe manchen Krach erlebt, aber einen so großen Krach wie das Tabakmouopol brächte, konnte es nicht vertragen. Das Monopol stelle die Frage: Ob Freiheit, ob Absolutismus? Die Parlamente hätten zu Zeiten das Schicksal in Händen, ein solcher Tag sei heute. Redner erinnert an den 19. Juni 1848, an die Rede Robert Blums und brach nb. (Fr. I.)

Bei dem Namensaufruf in der Reichstags­sitzung am 6. Mai, welcher die Beschlußunfähigkeit herausstellte und zu der bekannten Klage des Abg. v. Wöllwarth Veranlassung gab, waren von den 17 Abg. aus Württemberg nur 7 .anwesend: Graf Adelmann, Bühler, Erdgraf Neipperg, Stalin, Utz, Graf Waldburg-Zeil, v. Wöllwarth. Es fehl­ten 10, davon v. Ow und Schwarz krank. Reiniger beurlaubt; unentschuldigt: Härle, Mayer, v. Neu­rath, Payer, Retter, Riekert, Schott. (Schw. M.)

Wie es heißt, werden gegen 500 bis 600 Ent­würfe für das neue Reichstagsgebäude bei der Jury einlanfcn; der Termin für die Einsendung endet am 10. Juni.

Die Abgg. Härle und Staelin sind in die Kommission für den Reichshaushalts-Etat gewählt worden.

Die hygieinische Ausstellung, das heißt die Ausstellung aller auf Gesundheitspflege und leibliche Rcttnngsanstalten sich beziehenden Gegenstände sollte Ende Mai in Berlin eröffnet iverden. Die Urheberin ist die Kaiserin.

Ein deutsches Reichspatent kostet auf die Dauer von 15 Jahren die enorme Summe von 5300 Man zahlt nemlich bei der Anmeldung eine Gebühr von 20 Mark, bei der Ertheilung des Patents 30 -6, für die Dauer des 2. Jahres 50 sür die Dauer des 3. Jahres 100 für die Dauer des 4. Jahres 150 u. s. w. bis zum 15. Jahre immer um 50 mehr. Ein Vergleich mit den Pa­tt nlgebübrcn, welche in anderen Ländern gezahlt werden, zeigt, daß dieselbe« in keinem Lande der Erde so hoch sind wie bei uns, ja daß selbst England sür 14 Jahre nur eine Gebühr von 3000L verlangt, mährend ein amerikanisches Patent ans 17 Jahre gar nur .150 kostet.

DemBeil. Tagbl." wird aus London ge­meldet: Ich sprach soeben einen heute aus Irland znü'ickaekelrten sch^ffA' Beobachter der dortigen Zu­

stände. Derselbe leugnet das Vorhandensein des an­geblichen in die Welt ausposaunterr Abscheues der ganzen Bevölkerung Irlands über die Minister- Ermordung. In Dublin herrscht einige Sympathie, allein Dublin ist eine eigentlich englische Stadt. Die Landbevölkerung ist höchstens gleichgültig, wenn nicht direkt feindlich. Daß bisher nicht die geringste Spur des Wagens mit den, wie jetzt festgestellt, entflohe­nen fünf Mördern gefunden wurde und das die Polizei bis jetzt keim: Information von deren Auf­enthalt erhielt, bestätigt jene Ansicht, ebenso wie die Thatsache, daß der Wageu außerhalb Dublins ver­schwindet, trotz des auffallenden Gespannes und des furchtbaren Galopps des Pferdes. Ohne Unterstü­tzung der Bevölkerung wäre dies unerklärlich.

In der Deickschrift zum Unfallgesetz wird aus- gesührt, daß bei Annahme des durchschnittlichen Ar­beitsverdienstes von 750 bas Deckungscapital für die ermittelten äödtlichen und zur Arbeitsunfähigkeit führenden Unfälle bei zwei Millionen Arbeitern 14^/h Millionen Mark betragen würde.

Posen, 12. Mai. DerDzienik Poznanski" veröffentlicht ein geheimes Schreiben des Gouver­neurs von Kiew General Drentelen an den Grafen Zgnatieff, worin u. A. Mittel vorgeschlagen werden, durch welche die Polen und Juden im Gouverne­ment Kiew des Grundeigenthums enteignet werden sollen, um desto schneller die RussificiriWg des Gou- vMnements durchzuführen.

Oesterreich-Ungarn.

Daö Brunner BlattMor. Orlice" berichtet: .Am Sonntag Nachmittag gingen drei Knaben: der 10jährige Horas, der 11jährige Kalina und der I2jährigc Triska, an einem Gar­ten .vorüber, den ein jüdischer Mühlbesitzcr Namens Brück in Pacht hat. In Lern Garten befand sich der Sohn dos Päch­ters., der zwanzig Jahre alte Comptorist Bcrlhold Brück mit dein achtzehn Jahre alten Studenten Jakob Pagels. Beide lockten unter einem nichtigen Borwande die Knaben in Len Garten, Ivo sie dieselben zuerst iu Leu Keller einsperrten und dann einen nach Lem ander» herausschlepptcn und an Len Härchen banden. Die Knaben mußten verschiedene Sprünge aussilyren, auf Len Kniecn kriechen., den Beiden dieHände küssen" und dergleichen mehr. Stürzte einer zu Boden, so wurde er durch Schläge, Ohrfeigen und Fußtritte zum Anf- stchen gezwungen. Die Tortur der Knaben dauerte über drei Stunde» und wenn sie vor Schmerz und Angst zu nvcinen an­fingen, wurde ihnen mit Erschießen gedroht und eine große Dogge.auf sie gehetzt. Dabei lachten die zivei und sagten: Was Ihr den Juden in Rußland macht, das machen wir Euch in Brünn!" Anm Schluffe legten sic einen der Knaben nach dem andern ans Lie Bank und applünrten jedem 25 Stock­streiche. Darauf mußten sic immer mit gebundenen Händen noch ans den Knieen Liechen und die Judenum Verzeihung bitten!" In Folge der Veröffentlichung dieser Bestialität durch dieMor. Orlice" sah sich die Brünner Plllizei veranlaßt, ihrem Bericht darüber zu veröffentlichen. Dieser bestätigt die An­gaben derMor. Orlice" im Wesentlichen. Der Vater des Brück wollte die Sache uertufchen, indem ec den Eltern Geld anbot. Dach wurde dies zurückgcwiesen> ist die strafrecht­liche Untersuchung cingclcÄet.

Rußland.

Petersburg, 12. Mai. In Oramenbaum sind gestern 36 Häuser medergcbrannt.

England.

London, 12. Mai. Parnell erbat in Folge erhaltener zahlreicher Drohbriefe aus London für sich den besonderen Schutz der Polizei.

Der irische Lord-Oberlichter Morris prome- nirte mit Richter Barry am Sonnabend zur Zeit des Mordes im Phönixpark, als ein roh aus­sehender Mann, auf sie zutretend, sagte:Michael Morris, es wurden Cavendish und Bourke getödtet. Sie trifft nächstens dasselbe Loos!" Die Richter hielten den Mann für betrunken und nahmen keine Notiz. Seitdem verließ aber Morris und Familie Irland. Die Wahrheit dieser Nachricht vorausge­setzt, würde sie nur aufs Neue beweisen, daß der Standpunkt Parnclls bereits ein überwundener ist und Irland mit grauenhafter Energie auf die Loß- reißung von England hinarbeitet.

Amerika.

(Amerikanische Reisende.) Noch nie war die Strömung der Reisenden aus den Vereinigten Staa­ten nach Europa eine so starke, wie sich dieselbe Heuer zu gestalten verspricht. Wie der Times aus Philadelphia vom 30. April berichtet wurde, gingen Tags vorher von Ncwyork nach Europa sieben Dam­pfer ab, deren 1217 Cabinen-Passagiere hauptsäch­lich amerikanische Touristen waren. Die Nachfrage nach Kajütenplätzcn ist eine außerordentlich starke. Auf den Dampfern aller transatlantischen Schifffahrt- Gesellschaften sind bereits sämmtlichc Platze bis Juni zum Theil sogar bis Juli besetzt. Mehrere Gesell­schaften haben den Verkehr von Extradampfern in den nächsten drei Monaten eingerichtet, um den

außerordentlichen Anforderungen entsprechen zu kön­nen. Man glaubt, daß Heuer 20,000 Amerikaner mehr als gewöhnlich nach Europa reisen werden.

Handel H Verkehr.

Von der Jagst, 11. Mai. Für diesjährige Gerber- rinde, die ein gutes Erzeugnis; liefert, wird bezahlt: Glaiizrinde per Zentner 5 .6; Per Büschel 4' lang, 4- Umfang bis zn 1 .Hl 70 y. Für Raitclrittde per Büschel bis 1 . 45 L. Fichtenrindc 4 R>m. l5 ^

Eßlingen, 11. Mai. Man schreibt demSt.-Anz.": Unsere Felder und Weinberge stehe» schön, Winter- und Som­mersaaten, Kartoffeln, Klee und Wiesen bieten einen prächtigen Anblick. Ebenso schön ist der Stand des Aeinstocks; von dem Schaden, den der Frost vor 4 Wochen an den Reben ange­richtet haben soll, ist säst nicht mehr zs reden. Die meisten frühen Kirschen sind und bleiben allerdings erfroren, nur die späten Sorten lassen einen gewissen Ertrag hoffen. Um so reicher stnd die Birnbäume mit Früchten behängen, wie man es seit Jahren nicht gesehen hat, Pflaumen, die man verloren glaubte, gibt es in Menge; einen besonders reichen Ertrag versprechen die Zwetschgcnbänme, Die Apfelbäume, welche voriges Jahr keinen Ertrag lieferten, stehen schön in der Blütlie, sind aber vom Bliithenstecher heimgesucht. Wenn wir von wei­teren schädlichen Einflüssen verschont bleiiien, dürfen nur einem gesegneten Jahr entgegcnsehcn.

Drei Kegegrrurrse«.

(Fortsetzung.)

Das vorige Kapitel schloß traurig ab, aber dieses ist noch viel trauriger.

Ein Jahr war vergangen, ein volles Jahr von dreihundertfünsundscchszig Tagen, und Oscar Lessen hatte noch nicht die mindeste Spur von der Geliebten entdeckt. Me Annoncen mit zarten Anspielungen/ alle direkten und indirekten Anträgen bei Erich und seinen Freunden waren vergeblich geblieben. Oscar betrachtete jene glückliche Nacht für einen schönen Traum, den der Augenblick des Erwachens unbarm­herzig verjagt; fruchtloser schien es, nach seinen lieb­lichen Bildern im wirklichen Leben zu suchen, als der blauen Blume der Ritterschaft nachzuspüren oder die Schlüssel des heiligen Grabes zu bewachen.

Ja, das hatte er sich oft gesagt, und doch war ihm die Gewohnheit in Fleisch und Blut übcrgegan- gen, jede ihm begegnende Dame ans das Genaueste zu fixiren und auch heute, als er aus einer Geschäfts­reise begriffen, den Perron eines stark besuchten Bahn­hofes entlang ging, blieb er seinem Princip getreu. Schon hatte manche schlanke Mädchengestalt sein Herz höher klopfen gemacht, mancher blonde Haarstreifen, den er mit Argusaugeu unter Hut, Schleir und Tuch gesehen, sein Blut in Wallung gebracht, und immer wieder hatte er sich bitter enttäuscht gesagt, daß der Zufall ihm schwerlich in den Weg führen würde, was das ernsteste Streben ihm vorenlhalten hatte, als er in seiner Zerstreuung mit einem Herrn znsammenstieß, der mit dem Ausruf:Ach, guten Morgen, Fräulein Heimfeld!" vorwärts eilte.

Der Fremde ließ ihm Zeine Zeit, Entschuldi­gungen anzubringen, schon stand er vor der angeru- senen Dame, die eben aus dem Bahnhofsgebäude ge­treten war, um, wie ein kleines Reiseköfferchen und das Fahrbillet in ihrer Hand besagte, eine Reise fort­zusetzen. Sie schlug, während sie dem Herrn die eine Hand zur Begrüßung reichte, mit der andern den blauen Schleier vom Gesicht zurück Oskar stand wie angewurzelt.

Doris war es!

Er fühlte den Boden unter seinen Füßen wan­ken; nur der freudige Schreck, der ihn völlig lähmte, verhinderte ihn, auf sie zuzustürzen und sie mit einem Jubelruf in seine Arme zu ziehen.

Heimfeld," murmelte er für sich;Heimfeld also.' Hätte ich diesen Namen ein Jahr früher ge­wußt, ich wäre heute der glücklichste Mensch auf Got­tes Erdboden; doch ich bin es auch jetzt. Sie wird mir ein treues Andenken bewahrt haben, wie ich ihr ich wünschte nur, der zudringliche Mensch entfernte sich, damit wir unser Wiedersehen ungestört feiern könn­ten. Wie er sie angrinst vermuthlich sagte er ihr Komplimente; ich in ihrer Stelle kehrte ihm den Rücken! Der Bursche hat überhaupt eine Art , mit Damen zu plaudern, die jeden rechtmäßigen Liebhaber oder Bräutigam empören muß. Ah, ah, endlich lau­tet die Äahnhossglocke nun hat das Vergnügen ein Ende, mein Herr! Noch eine ellentiefe Verbeugung was, auch ein Händedruck? Er mag ihr Cousin sein aber jetzt muß er eilen. Ja , grüße du nur noch aus der Entfernung, so viel du willst, sie kehrt sich nicht mehr daran; sie kommt hieher ich bin neugierig, ob sie mich erkennen , wird?

Das Kleid der Dame streifte seine Füße; mit gesenkten Blicken schritt sie an ihm vorüber, sein Herz

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