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König Ludwig von Bayern soll dem Ministerium nahe gelegt haben, dem Landtag eine Kreditvorlage von etwa 20 Millionen behufs Fort­setzung seiner Bauten zu machen. Das Ministerium dagegen soll ihn gebeten haben, die Bauten einzustellen bei der prekären Lage des Landes.

Die erwartete Encyklika des Papstes an die preußischen Bischöfe ist da. Und ihr Inhalt? Der Papst lobt die Hirten und die Heerde, die Bischöfe und das Volk seines starken treuen Glaubensmutes wegen, den beide Teile bewiesen hätten trotz der Bedrängnis durch die Maigesetzs. Auch ermahnt Leo XOI. alle, in ihrer Treue zum König und ihrer Liebe zum Vaterland zu verharren, und spricht schließlich die Hoffnung aus, daß bessere Zeiten kommen würden und daß die Notwendigkeit der Freiheit der Kirchen­regierung und der Erziehung der Geistlichkeit erkannt werde. Ferner hat der Papst am vergangenen Freitag in Rom ,ein Konsistorium abgehalten und dabei erklärt, er habe mit Vergnügen die Rolle eines Friedensvermittlers angenommen, weil er dadurch zur Eintracht und zum Wohl der Menschheit habe beitragen können. Der Papst gab sodann die historischen Gründe an, aus denen der päpstliche Stuhl die Souveränität Spaniens über die Karolinen-Jnseln anerkennen zu sollen geglaubt habe, und legte die Umstände dar, welche ihn bestimmt hätten, die Handelsinteressen Deutschlands daselbst zu sichern. Der Papst schloß: Aus dieser Thatsache ergebe sich von Neuem, ein wie schweres Nebel in den Angriffen gegen den heiligen Stuhl und in der Verringerung seiner legitimen Freiheit enthalten sei. Nicht allein die Gerechtig- tigkeit und die Religion würde dadurch vergewaltigt, sondern auch der öffentliche Nutzen leide darunter. Das römische Pontifikat würde im Stande sein, der Welt die höchsten Güter zu sichern, wenn es, in aller Freiheit seiner Rechts, seine wirksame Kraft zu Gunsten des Heils des Menschengeschlechts ausüben könnte.

Griechenland hat den Abrüstungsvorschlag der Mächte ab­gelehnt mit Hinweis daraus, daß eine befriedigende Lösung der schwebenden Balkanfragen noch nicht gefunden sei; die serbisch-bulgarischen Friedensver­handlungen hätten noch nicht einmal begonnen; endlich sei die Stellung Griechen­lands in verschiedenen Zirkularnoten bereits dargelegt. Dep. d. Fr. I.

Obgleich die Welt nie thätiger war als heutzutage, könnte man glauben, sie thäte nichts als Zeitungen lesen. In Europa erscheinen allein 34,000 Zeitungen in etwa 592 Millionen Exemplaren. In deutscher Sprache er­scheinen 7800, in englischer (Colonien) l6,500 und in Frankreich 3850. Diese kleine Zahl ist auffallend und bezeichnend; sie hängt mit dem Uebelstand zusammen, daß die Provinzen fast ihre ganze politische und geistige Nahrung von Paris erhalten. Die Provinzen verlieren dadurch einen guten Teil ihrer Selbstständigkeit und ihres Einflusses auf das Schicksal des Landes.

Italien.

Rom, 19. Jan. Die päpstlichen Blätter veröffentlichen die Antwort des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck an Papst Leo auf des letzteren Schreiben anläßlich der Verleihung des Christusordens. Der Reichs­kanzler spricht seinen Dank aus für die ihm verliehene Auszeichnung, sowie für das päpstliche Schreiben, das ihm um so größere Freude bereitet habe, als es sich an die Sicherstellung eines Friedens knüpfe, zu welchem er habe beitragen können. Seine Heiligkeit sage, daß der Natur des römischen Ponti­fikats nichts bester entspreche, als diese friedliche Vermittlung. Aus eben diesem Grunde habe er, der Reichskanzler, die Vermittelung des Papstes angerufen. Die Erwägung, daß die beiden Nationen mit Rücksicht auf die Kirche, welche in dem Papste ihr Oberhaupt verehre, sich nicht in ein und derselben Lage befinden, habe sein Vertrauen in die Unparteilichkeit des Papstes nicht abschwächen können. Die Beziehungen Spaniens und Deutschlands seien derartige, daß der zwischen beiden Ländern bestehende Friede durch keine dauernde Meinungsverschiedenheit bedroht werde; es stehe demnach zu hoffen, daß das Werk des Papstes von Bestand sein werde. Am Schluffe heißt es, daß Fürst Bismarck seinerseits stets und mit Freuden jede mit den Pflichten gegen seinen Herrn und sein Land vereinbarliche Gelegenheit ergreifen werde, dem Papste seine Erkenntlichkeit zu bezeigen.

Hcrges-Weuigkeiierr.

Leonberg, 18. Jan. Die Heizbarmachung unserer Kirche wird wohl nicht sehr lange mehr auf sich warten lassen, da schon namhafte Summen gezeichnet worden sind. Wollfabrikant Gutekunst hat 400 Oberamtsbaumeister Arnold 300der Stiftungpflege übergeben; ferner sind kleine Beiträge im Betrag von zusammen 500 ^ abgeliefert worden. Unsere sehr alte Kirche ist in romanischem Stil erbaut; sie ist wegen ihres außerordentlich hohen Schiffes schwer heizbar zu machen.

Vom Schwarz wald, 16. Jan. Im Revier Pfalzgrafenweiler wurde vorgestern ein Wildschwein erlegt. Das Tier, ein Keiler, wog nahezu 2 Zentner und wurde in Pfalzgrafenweiler ausgehauen.

>V. 0. Stuttgart, 18. Januar. Die Photographie der Durch­lauchtigsten Braut S. K. H. des Prinzen Wilhelm von Württem­berg ist heute am Schaufenster der Autenrieth'schen Kunsthandlung ausge­stellt und zieht den ganzen Tag hindurch Tausende von Beschauern an. Die Prinzessin Charlotte von Schaumburg-Lippe ist in der That eine reizend anmutige Erscheinung und zieht allgemein an. Oeffentliche Ge­bete in allen Kirchen des Landes sind angeordnet und teilweise schon am gestrigen Sonntag unter Herabflehung des Segens des Himmels auf diese Verbindung abgehalten worden.

vv. 6. Gestern wurde der frühere Abgeordnete von Oehringen, N.-A. Schall >., Mitglied des Vorstands der Anwaltskammer, beerdigt. Zwei Todesfälle von vorgestern und gestern sind 'noch besonders zu erwähnen. Vor­gestern starb der Geh. Hofrat Leopold v. Kaulla, einer der Direktoren der Kgl. Württ. Hofbank, Ritter des Ordens der Württ. Krone, im Alter von 72 Jahren und gestern der berühmte Maler und langjährige Direktor der hiesigen Kunstschule, Bernhard v. Neher, geb. in Biberach, im Alter von 80 Jahren, einer der ausgezeichnetsten Künstler Württembergs, dem Bayern, Sachsen und Württemberg eine ganze Reihe der hervorragendsten Kunstschöpfungen verdankt, von denen wir nur die Kartons zu den 6 Chor­fenstern in Glasmalerei ausgeführt von Schorer in München, eine der Haupt­zierden der hiesigen Stiftskirche benennen wollen.

Stuttgart, 18. Januar. Am Samstag ist die Genehmigung zu der diesjährigen Pferdemarktlotterie unter den früheren Bedingungen erteilt worden. Da Ostern auf den 25. April fällt, so findet der Pferdemarkt Heuer früher als in anderen Jahren, nämlich am 12. und 13. April, statt.

Cannstatt, 16. Januar. Heute früh fanden die Arbeiter der Schmid'schen Ziegelei in ihrem Kalkofen den halbverbrannten Leichnam eines unbekannten Mannes. Dieser scheint den Ofen schon mehrmals zu seinem Nachtquartier erkoren zu haben, weil solcher, wenn er leer ist, einen warmen Ort bildet: diesmal aber war der Ofen im Betrieb und nun wurde der Unglückliche ohne Zweifel zuerst von den ausströmenden Gasen betäubt und fand alsdann seinen Tod.

Uhlbach, OA. Cannstatt, 16. Jan. Drei Bäckermeister, der eine von Mettingen, die zwei anderen von hier, machten, wie der Heilbr. N.-Ztg. geschrieben wird, am letzten Donnerstag mittag eine gemeinsame Schlittenfahrt nach Kenneburg. In letzterem Orte gaben die Ausflügler dem Pferde Wein zu trinken, damit die Schlittenpartie etwas flotter von statten gehe. Das Pferd scheint nun zu aufgeregt geworden zu sein, ging durch und zwei der Insassen wurden aus dem Schlitten geschleudert und erheblich verletzt, so daß an dem Auskommen des einen stark gezweifelt wird.

Von der Reutlinger Alb, 17. Jan. In dem benachbarten Hohenzollern macht eine Schwindelgeschichte derzeit viel von sich reden. Der Gutspächter Schmid auf dem Birkhof erhielt kürzlich von der Güter­expedition in Straßburg die Mitteilung, es seien für ihn mehrere landwirt­schaftliche Maschinen von einem Stuttgarter Haus angekommen. Da Schmid keine bestellt hatte, mußte die Fabrik die Maschinen wieder zurücknehmen. Dieser Tage langte nun für Schmid ein ganzer Waggon Schafe an, die

mit der Nachricht zurück, Herr Neumann werde gleich da sein.Gieb nur

das Paket einstweilen her, Kleiner. Wir wollen es gleich öffnen, damit der

Prinzipal nicht zu lange aufgehalten wird. Du weißt, mein Bürschchen, Herrn Neumanns Zeit ist sehr in Anspruch genommen."

Der Commis nahm und öffnete das Paket, welches eine Anzahl sauber eingebundener Bücher enthielt. Er schlug das erste, welches ihm in die Hände geriet, auf und musterte mit einem kritischen Blick die darin befindlichen kolo­rierten Bilder. Der kleine Knabe beobachtete unterdes mit ängstlicher Spannung die Gesichtszüge des prüfenden Geschäftsmannes.

Hm, hm", bemerkte dieser,nicht übel, nicht übel, mein Kleiner! Sieh, wenn Du so fortfährst, wirst Du einmal ein gesuchter Kolorist werden."

Das freut mich zu hören, Herr Born!" sagte der Knabe, vor Freude

über dieses Lob errötend.An Fleiß und Mühe werde ich es nicht fehlen

lassen."

In diesem Augenblick trat der Herr des Geschäfts in den Laden. Es war eine lange, hagere Gestalt mit einem mißtrauischen, in tausend ernste Falten gelegten Gesicht. Sein Auge irrte unruhig durch den Laden, überflog mit einem scharfen forschenden Ausdruck die Gesichter der Commis und Lehr­linge und blieb endlich auf dem schüchternen Antlitz des kleinen Besuchers haften.

Guten Morgen, mein Söhnchen!" rief er in einem Tone, der freundlich klingen sollte, in Wahrheit jedoch an Härte und Schroffheit seines Gleichen suchte,Du bringst die Bilderbücher? Freut mich, daß Du pünktlich bist! laß mal sehen!"

Ec nahm das Buch, welches ihm Born darreichte, musterte das Blatt sorgfältig durch, zuweilen mit einem grunzendenhm" die Stirne noch mehr faltend, aber auch hin und wieder kaum merklich mit dem Kopfe nickend. In ähnlicher Weise sah er noch drei bi» vier andere Bücher durch. Während dieser Zeit schien der kleine Kolorist auf Kohlen zu stehen. Er verwandte kein Auge von den verschrumpften Zügen des Bilderhändlers und ein leises

I Zittern schien jedesmal seinen Körper zu überfliegen, wenn Jener seinen Grimassen nach mit der gelieferten Arbeit nicht zufrieden schien.

Endlich schob Herr Neumann den Bücherhaufen bei Seite und nahm einige Kupferstiche zur Hand, die ihm vor Kurzem zugesandt worden waren. Im Ganzen genommen ist die Arbeit gut, mein Söhnchen!" sagte er dann zu dem harrenden Knaben,ich sehe, Du gibst Dir Mühe. Fahre so fort, dann kannst Du dauernde Beschäftigung bei mir haben. Born, zahlen Sie dem Musje seinen Verdienst aus. Er bekommt drei Thaler. Willst Du Dir neue Arbeit mitnehmen? schön! geben Sie ihm den Rest der Auflage, Born! Da fällt mir ein, wir haben kürzlich eine Menge unkolorierter Bilder­bogen erhalten. Geben Sie ihm davon einen Stoß mit. Born. Diese Arbeit eilt indes nicht, mein Kleiner, Du kannst mit Muße tuschen. Bringe mir jedoch einen Probebogen zur Ansicht!"

Ich werde Alles zu Ihrer Zufriedenheit auszurichten suchen, Herr Neumann!" versetzte der Knabe in freudiger Aufregung und mit geröteten Wangen.Den Probebogen bringe ich Ihnen morgen schon und dann sage ich Ihnen auch meinen herzlichsten Dank für Ihre Güte!"

Schon gut, mein Söhnchen, schon gut!" sagte Herr Neumann, dessen Antlitz sich in auffallender Weise geglättet hatte.Bleibe nur so fleißig und brav, wie jetzt, dann wirst Du einst ein tüchtiger Mann werden. Es ist besser, Du arbeitest, als daß Du Dich mit anderen Knaben herumbalgst und Dich zum Straßenjungen ausbildest. Verstehst Du mich?"

Ach, das darf ich ja nicht, Herr Neumann! und ich thue es auch nicht. Das würde meine arme, liebe Mutter nur betrüben."

Herr Neumann nickte mit dem Kopfe und begab sich nach einem kurzen, Rundblick durch den Laden in sein nebenan befindliches Comptoir, während der kleine Maler die blanken Silbermünzen, welche der Commis ihm auf den Ladentisch gezählt hatte, mit vergnügtem Lächeln einstrich.

(Fortsetzung folgt.)