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nicht ganz ohne Sorge, ob der Reichstag dem großartigen Werke in Anbetracht der sehr bedeutenden Anlagekosten seine Zustimmung geben werde. Die Fraktionen haben zu der erst in den letzten Tagen vor den Ferien eingegangenen Vorlage noch keine Stellung nehmen können. Nur die Sozialdemokraten haben bereits erklärt, das Werk, das zahlreichen Arbeitern auf Jahre hinaus Beschäftigung sichert, rückhaltlos zu unterstützen. In der Presse hat sich kaum irgendwo Widerspruch gegen die Vorlage erhoben, auch in der deutsch-freisinnigen nicht. Haben doch die Seestädte, zumal an der Ostsee, welche zu den sichersten Wahlkreisen der deutschfreisinnigen Partei gehören, ein erhebliches Interesse an dem neuen Seeweg, der sie dem Welthandelsverkehr bedeutend näher bringen wird. Abneigung gegen die Vorlage wird bei einem großen Teil des Zentrums vorausgesetzt.
Gages-Weuigkeiten.
* Calw. (Agoston 0 Wer hat nicht schon von Agoston gehört! Ein Kritiker sagt von ihm: Mephistopheles, der in Auerbachs Keller die Weine in den hölzernen Tisch zauberte, darf sich kaum mit Herrn Agoston messen, der aus einer Kristallflasche alle Getränke der Erde in wechselnder Reihenfolge hervorsprudeln läßt, die Klopsgeister zitiert und in höchst amüsanter Weise den Humbug eines Meßmer und Cagliostro aufdeckt, die Gedanken der Zuschauer in höchst eklatanter Weise errät und Versteck mit Uhren, Ringen, Handschuhen, Tüchern rc. spielt. Bewundert wird diese eminente Gewandtheit, und lebten wir im 17. Jahrhundert, würde unser Großmeister der Zauberkunst der Magie, Agoston, längst vielleicht das Zeitliche mittelst Scheiterhaufen gesegnet haben. Hier wird derselbe kommende Woche eine Vorstellung geben und ist nicht daran zu zweifeln, daß er ein volles Haus erzielen wird.
* Teinach, 26. Dezbr. Unseren Kindern wurde gestern eine ganz
besonders schöne Weihnachtsfeier durch die Herren Besitzer des Badhötels zuteil. 84 Schüler hatten sich um ihren Lehrer versammelt, um mit demselben in den festlich erleuchteten Saal zu ziehen, wo ein herrlicher Tannenbaum bereits ihrer harrte, der auch binnen Kurzem die große
Zahl der freudig gespannten Gesichter beleuchtete. Die Kleinen sangen das Lied „O Tannenbaum rc.", worauf Geschäftsführer Hr. I. G. Stark eine Ansprache an sie hielt. Durch die nun folgende Verteilung schöner Gaben kam die Freude der Kleinen zum vollen Ausdruck und nach Absingung von einigen weiteren Liedern und dem von einem Knaben im Namen sämtlicher Kinder zum Ausdruck gebrachten Dank für die reichen Geschenke, kehrten dieselben eilends und hochbeglückt wieder nach Hause.
Stuttgart, 24. Dez. Durch den Ankauf einer ganzen wohkaus-
gestatteten Menagerie (Endreß) ist Nillls Tiergarten zu einer
Anstalt geworden, welche als Privatunterhaltung einzig in ihrer Art dasteht; - und zwar um so mehr, als auch Peter der Elephant, dessen Riesengestalt die Krone des Ganzen bildet, der Anstalt erhalten bleibt. Von den neuen Erwerbungen ist ein großer Theil den bisher vorhandenen Zwingern und Käfigen einverleibt worden, so die Vögel, die Affen, Bären. Peter ist in seinem alten Raume und befindet sich ganz vortrefflich. Seit er wieder der beschaulichen Ruhe sich hingeben darf, seit er nicht mehr mit Stöcken und Schirmen ge- meckt und mit brennenden Zigarren gereizt wird, ist er wieder die Gutmütigkeit selbst. Dafür soll er auch einen eigenen Palast, in dem er unverstän- bigen Besuchern weniger erreichbar ist, erhalten und zwar wird ihm dieser errichtet an der Stelle, an welcher sich bis jetzt die Kinderspielhalle befindet. Der Raum, den er dermalen mit seiner stattlichen Figur ausfüllt, wird für Löwen und Tiger abgeteilt; das Raubtierhaus soll alle die schönsten Tiere dieser Art aufnehmen. Die beiden wahrhaft ausgezeichnet schönen jungen Tiger vertragen sich vortrefflich, so lange ihre Verträglichkeit nicht auf die Probe gestellt wird. So wie aber die Zeit der Fütterung kommt, muß Trennung stattfinden; beim Anblick des rohen Fleisches hört alle Gemütlichkeit auf. Vortrefflich besetzt ist der Bärenzwinger und wie es scheint erhält er bald nach Neujahr Zuwachs, es steht da ein interessantes Ereignis bevor.
an die Thür geklopft wurde und auf sein „Herein" Wilm mit finsterem Antlitz eintrat.
„Laßt Euch nicht stören" , begann er, eine abwehrende Bewegung nut der Rechten machend, als Borrmann ihm entgegeneilen wollte, „ich komme nur, um eine Frage an Euch zu richten. Die Leute auf dem Felde haben mir erzählt, wie Jhr's mit dem John gemacht habt. Laßt, laßt", setzte er himu, während seine Stirne sich noch mehr runzelte, als er sah, daß der Deutsche heftig ausfahren wollte, „darum handelt sich's jetzt nicht. Ihr werdet die Folgen bald genug kennen lernen. Vorläufig wollt ich Euch nur fragen, wo Ihr den Jungen eigentlich gelassen habt?
Wenn er sich nicht noch auf der Stelle wutheulend herumwälzt, wo rch ihm die gerechte Züchtigung für sein schändliches, brutales Benehmen angedeihen ließ, so weiß ich's nicht. Fragt Euren unglücklichen Red, der war dabei von Anfang bis zu Ende."
„Der Nlgger sagt — und das ist eben, was mich besorgt macht — der John sei nach dem Flusse zu gelaufen. Von hier aus führt der Weg entweder in die Stadt oder — ich mag das Schlimmste nicht denken. Deshalb frage ich Euch."
„Nun, aus der Welt wird er sicher nicht gelaufen sein", meinte Borrmann trocken. „Tröstet Euch — Unkraut vergeht nicht. Ein junger Mensch von sechzehn Jahren läuft nicht gleich ins Wasser, wenn er eine Tracht Prügel bekommen hat." Bei alledem waren ihm die Worte des Farmers doch schwer genug aufs Herz gefallen und unwillkürlich trat die Frage an ihn ob er nicht doch in seinem Zorn zu weit gegangen sei. Gleich darauf aber schüttelte er energisch den Kopf. Er hatte zu viel Beweise von der Tücke des Knaben erlebt, um nicht mit Sicherheit schließen zu können, daß sich hinter der jetzigen Abwesenheit John's nichts weiter verberge, als ein neuer Schelmenstreich.
Es liegt in der Natur der Sache, daß Joko der Schimpanse erst im kommenden Jahr ersetzt werden kann; seine möblierte Wohnung im Affenpalast ist bereit, die Pforten zu öffnen. Das alte Quartier ist in ein Bureau für Hrn. Nill umgewandelt worden. Vielleicht interessiert es die Damen, dort zu sehen, wie dekorativ eine Schlangenhaut sich verwenden läßt. Ein Besuch im Tiergarten ist schon deshalb lohnend, weil man sich überzeugen kann, wie den Hirschen, Rehen, Wölfen, Dachsen, Füchsen, dem größten Teil des Geflügels in dem Schnee so überaus wohl ist. Ausgezeichnet fchön hat der Edelhirsch und der Axishirsch aufgesetzt.
Cannstatt, 24. Dez. Gestern nachmittag machte sich der 19 Jahre alte Weingärtnerssohn Erfle in der Olgastraße das Vergnügen, von seinem Fenster aus mit einer Zimmerbüchse nach Spatzen zu schießen, traf aber den eben vorübergehenden 15—16 Jahre alten Sohn des Schneiders Strobel in den Hals. Die schnell herbeigerufenen Aerzte machten sich sofort daran, die Schrote herauszunehmen, was ihnen auch zum Teil gelang. Glücklicherweise soll die Verletzung nicht lebensgefährlich sein.
Großbottwar, 23. Dez. Gestern fand auf einem Teil der hiesigen Markung eine Treibjagd statt, bei welcher sich auch Offiziere der Ludwigsburger Garnison beteiligten. Erlegt wurden 50 Hasen, 4 Füchse, 3 Rehe und ein Edelmarder.
Heilbronn, 24. Dezbr. Die Bewohner der Karlsstraße an der Kreuzung der Friedensstraße bemerkten seit einiger Zeit starken Gasgeruch; als man nun gestern vormittag die Untersuchung der Rohrleitung, welche einen Bruch derselben ergab, vornahm, ertönte plötzlich ein starker Knall. Durch die Explosion der in einem Seitenkanal angesammelten Gase wurde die Straße auf eine längere Strecke aufgeriffen und zerstört. Verletzungen von Personen kamen nicht vor.
Heidenheim, 23. Dez. Die Kinderkrankheiten fordern gegenwärtig im obern und untern Brenzthal viele Opfer. In Königsbronn haust das Scharlachfieber. Letzten Sonntag lagen in Einem Hause vier Kinder tot, die Familie zählte 8 Kinder; die verstorbenen sind im Alter von 2—12Vs Jahr, ein Zwillingspaar ist darunter. In Herbrechtingen starb eine 19 Jahr alte Jungfrau und ein Mädchen von 15 Jahren. Hierselbst hat Scharlach und Husten nachgelassen.
Waldsee, 23. Dez. In dem Staatswald zwischen hier und Ravensburg wurde heute vormittag auf Markung Gaisbeuren, kaum 40 Schritts ab von der Straße, der Leichnam eines unbekannten Mannes im Alter von etwa 40 Jahren aufgefunden. Derselbe war bereits so erstarrt, daß hieraus geschlossen werden muß, er hänge schon längere Zeit im Walde. Der Leichnam ist gut bekleidet und zeigt keine äußeren Verletzungen, so daß man augenscheinlich Selbstmord annehmen muß.
Ditzingen, 24. Dezember. Bei der vor einigen Tagen auf den Markungen Ditzingen, Weilimdorf und Gerlingen abgehaltenen Hofjagd wurden 160 Stück Hasen geschossen. Da der heurige Hasenstand in verschiedenen Gegenden bei uns ein ziemlich geringer ist, auch die Witterung an diesen beiden Jagdtagen durch zeitweise eingetretene Nebel nicht sehr günstig war, so ist das Jagdresultat verhältnismäßig immer noch ergiebig ausgefallen.
Schlettstadt, 20. Dez. Im Elsaß besteht bekanntlich noch die alte Sitte, daß bei Hochzeiten die Freunde des Bräutigams berechtigt sind; der Braut das Strumpfband abzuverlangen. Diese Zeremonie erfolgt gewöhnlich während des Hochzeitsmahles. Früher mußte die Braut in Gegenwart aller ihrer Hochzeitsgäste sich eines ihrer Strumpfbänder abnehme« lassen. In unserer Zeit nimmt sie es selbst ab. Das Band wird in kleine Stücke zerschnitten. Jeder der Hochzeitsgäste erhält ein Stückchen. Die Herren erhalten ihr Knopfloch damit geschmückt. Am 15. Juli dieses Jahres verheiratete sich zu Orschweiler bei Schlettstadt die Nichte des dortigen Bürgermeisters, Fräulein Zimmermann, mit Herrn Lerbs aus Uttenheim. Unter den Gästen befand sich der Bürgermeister und der Adjunkt von Orschweiler, sowie der Bürgermeister und der Adjunkt von Mtenheim. Während man das Dessert servierte, wurde das Strumpfband zerschnitten und unter die
„Er ist jedenfalls in die Stadt gegangen, um mich dort zu verklagen."
„Das wäre schlimm für Euch", fuhr Wilm in demselben finstern Ton fort. „Was ich schon einmal gesagt habe, Ihr seid mit den amerikanischen Verhältnissen so vollständig unbekannt, daß es einem bis ins Herz leid thun könnte. Gebt Euch keine Mühe, zu Lernen, sperrt Euch eigensinnig ab und kommt dadurch immer tiefer in Eure verrückten Ideen hinein. Wenn Ihr gewußt hättet, wie schlimm es bereits mit der Sklavenfrage steht , wie es im ganzen Nordamerika gährt und wühlt, ich glaube doch, Ihr hattet Euch ein wenig vernünftiger betragen. Hier zu Lande hält's Niemand mit der Freiheit der schwarzen Tiere, und wer in dem Verdacht steht, ein Niggerfreund zu sein, hat einen schlimmen Stand. Das wollt ich Euch nur sagen, damit es nicht wieder heißt, der Wilm lasse Euch über Alles im Unklaren, was zu Eurem Nutzen und Frommen gereicht."
„Nun", sagte Borrmann gleichgiltig, „wenn Ihr weiter keine Sorge habt, wie ich mit den Leuten hier herum fertig werde, darüber laßt Euch keine grauen Haare wachsen."
Wilm zuckte die Schultern. Die Amerikaner sind Euch nicht grün, und Ihr thut nichts, um Euch ein wenig beliebt zu machen. Verschiedene Leute haben es mit angesehen, wie Ihr dem Red beigesprungen seid, und ich wette eine Million gegen einen Kreuzer, daß die ganze Gegend bereits von dem Gerücht alarmiert ist, der verschlossene Deutsche halte es mit den Niggern, sei ein Spion der Südstaaten und Gott weiß, was noch."
„Mir sehr gleichgiltig", sagte Borrmann in demselben Tone als vorhin.
„Mir auch", rief der Farmer achselzuckend, „wenn nur der Junge, der John, erst wieder da wäre." Nach diesen Worten verließ er mit dröhnenden Schritten das Haus, den Deutschen in eigentümlich gedrückter Stimmung zurücklassend.
(Fortsetzung folgt.)