60. Jahrgang.
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Dienstag, äen 29. Dezember 1885.
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Deutsches Reich.
Berlin, 24. Dez. Die Nordd. Allg. Ztg. meldet: Nach amtlichen Berichten aus Sansibar ist dort am 20. Dezember an Bord des „Bismarck" ein Handelsvertrag zwischen dem deutschen Reich und dem Sultanate Sansibar unterzeichnet worden. Das Vertragsinstrument überbringt ein Marineoffizier, der Sansibar bereits verlassen hat. Die betreffende Vorlage an den Bundesrat und Reichstag ist noch im Laufe der jetzigen Session zu erwarten. Die Verhandlungen begannen Ende Oktober; sie wurden deutscherseits durch den Contre-Admiral Knorr und den kommissarischen Generalkonsul Travers geführt und fanden, dank dem Entgegenkommen und der freundschaftlichen Haltung des Sultans, einen schnellen und günstigen Abschluß. Der Vertrag enthält eine Reihe neuer wichtiger Bestimmungen, wobei insbesondere den Wünschen des zunächst beteiligten Hamburger Handelsstandes Rechnung getragen wurde. Auch die durch die Erwerbungen der Ostafrikanischen Gesellschaft entstandenen Interessen fanden ein besondere Berücksichtigung, insofern für gewisse, nach dem deutschen Schutzgebiete bestimmte Artikel, speziell landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, sowie Materialien zur Anlage und dem Betriebe von Eisenbahnen und Tramways, vollständige Jmportzollfreiheit stipuliert wurde. Hiernach ist zu erwarten, daß das Friedenswerk, an dessen Gelingen der Takt und die Umsicht des Befehlshabers des Geschwaders einen wesentlichen Anteil hat, dazu beitrage, die Beziehungen zwischen dem deutschen Reiche und Sansibar und dessen Herrscher enger zu knüpfen und eine sichere Grundlage für den deutschen Handel und die deutschen Kolonialunternehmungen in Ostafrika zu bilden. (Der Abschluß dieses wichtigen, die Handelsinteressen des Reiches in erfreulichster Weise fördernden Vertrags bildet ein willkommenes Weihnachtsgeschenk, für das die Nation dem genialen Leiter der auswärtigen Angelegenheiten aufs neue die verdiente Anerkennung zollen wird.)
Machdruck verboten.)
Der Auswanderer.
Erlebnisse eines Deutschen in Nord-Amerika.
Von Karl Zastrow.
(Fortsetzung.)
Starr vor Erstaunen und Abscheu, ließ er den Spaten sinken, sprang mit einem gewaltigen Satze über den Zaun und war im nächsten Moment neben dem jungen Quälgeist, welcher ihm mit gleichgiltiger Miene, als sei Alles in bester Ordnung, zunickte, und dann, wahrscheinlich in der Absicht, seine Courage zu zeigen, zwei oder drei Hiebe auf den Rücken des armen Schwarzen niedersausen ließ.
„Unmensch!" rief Borrmann empört und dem Burschen die Peitsche zu entwinden versuchend, „fürchtest Du Dich nicht der Sünde? Wie kannst Du Deinen Mitmenschen so brutal behandeln?"
„Ich glaube, Master, bei Euch rappelt's!" rief der junge Tyrann mit einem giftigen Blick. „Wie kommt Ihr dazu, das schwarze Vieh einen Menschen zu nennen? Wenn der ein Mensch ist, dann bin ich ein junger Gott. Vorwärts, Schwarzer!"
Und von Neuem sauste die Peitsche mit unheimlichem Pfeifen dem armen Schlachtopfer um die Ohren, welches sich vergeblich anstrengte, einen Schmerzensruf zu unterdrücken.
Dieser Anblick brachte den sonst so sanftmütigen Deutschen außer sich. Mit einem donnernden: „Wart, Du nichtsnutziger Schlingel, ich werde Dich lehren, ein Geschöpf Gottes menschlich behandeln!" warf er sich auf den nichts ahnenden John, entwand ihm mit einem kräftigen Ruck die Peitsche und walkte dem sich heftig sträubenden mit dem Stiel den Rücken dermaßen durch, daß er sich vor Schmerz krümmte.
— Aus Aden geht der „K. Ztg." folgende Nachricht zu: Die Deutsch- Ostafrikanische Gesellschaft hat mit ihren Erwerbungen im Somali-Lande einen neuen großen Schritt vorwärts gethan. Herr v. Anderten, der längere Zeit mit einem anderen Agenten der Gesellschaft, einem Hrn. Winter, hier in Aden weilte, hat die ersten Verträge durch neue ergänzt, welche mit dem Sultan Jussuf abgeschlossen sind und durch welche der ganze Küstenstrich vom Hafen Obiah bis zu der dem Sultan von Sansibar gehörigen Stadt Warrischin mit dem dazu gehörenden Hinterlande unter den Einfluß und die Hoheit der Gesellschaft gebracht ist. Insbesondere ist auch hier das Handelsmonopol ausbedungen. Wie es scheint, ist die Gesellschaft damit in den Besitz der ganzen, bislang noch völlig und unbestritten freien Küstenstriche von Ostafrika überhaupt gelangt. Es dürfte Aden zum zweiten Ausgangspunkt für die weiteren Unternehmungen der Gesellschaft neben Sansibar werden müssen.
Berlin, 25. Dez. Der Kaiser hatte vorgestern abend mit andern Mitgliedern der königlichen Familie der Vorstellung im Opernhause beigewohnt. Im Laufe des gestrigen Vormittags hörte der Kaiser den Vortrag des Hofmarschalls Grafen Perponcher, empfing einige Militärs, arbeitete mit dem Chef des Militär-Kabinets und hatte eine längere Konferenz mit dem Kriegsminister. Um 4 Uhr nachmittags dinierten die kaiserlichen Herrschaften mit den Damen und Herren des kaiserlichen engeren Hofstaates, wie alljährlich am Weihnachtsabende, gemeinsam im königlichen Palais, worauf dann für dieselben die Christbescheerung in der herkömmlichen Weise folgte. Später erschienen die königlichen Prinzen und Prinzessinnen zur Feier des Weihnachtsabends und zum Weihnachtsaufbau bei den Majestäten im kaiserlichen Palais und verblieben auch nach der herkömmlichen Bescheerung den abend über daselbst. — Heute nachmittag findet im kronprinzlichen Palais die Familientafel statt.
— Die „Köln. Ztg." schreibt: Eines der ersten Geschäfte, mit welchen sich der Reichstag nach seiner Wiedereröffnung zu befassen hat, wird die Nordostsee-Kanalvorlage sein. Man ist in Abgeordnetenkreisen
„Siehst Du, Hallunke? nun fühlst Du auch, wie es thut, wenn Leib und Seele mit Schlägen bearbeitet werden! Pfui! über solche Schandthat, einen Wehrlosen zu mißhandeln. Nicht genug an der körperlichen Pein, muß das arme Schlachtopfer das Gefühl der Schmach mit sich herumfchleppen, daß es noch mehr versumpft und seelisch verkommt, bis es znlltzt vom Menschen kaum mehr an sich hat, als die äußere Gestalt. Pfui! Schande über Euch, dreimal Schande über Euch, Bube!"
„Das sollt Ihr mir büßen, bei Gott, das sollt Ihr büßen!" rief der Bursche wutschäumend mit kreideweißem Antlitz, während sein« Augen sich stechend, wie zwei glühende Kohlen, auf den Deutschen richteten. „Wartet, ich gedenl's Euch für ewige Zeiten!"
„Ja, und Gott im Himmel wird's Dir gedenken, Elender!" was Du Deinem armen, wehrlosen Bruder angethan hast."
Der Neger hatte während dieser Scene den Pflug mit Aufbietung aller seiner Kräfte weitergezogen. Nur einmal hatte er den Kopf nach dem schlagenden Borrmann zurückgewandt und bitter lächelnd, unter trübem Schütteln des wolligen Hauptes gesagt: „Nicht schlagen, Mafia! nicht schlagen jungen Maffa John! armer Red dadurch nur schlimmer hat! viel schlimmer!"
Dann hatte er keuchend seine schwierige Aufgabe vollendet.
Ohne ferner mit einem Blick sich um den gestraften, wutheulenden Burschen zu kümmern, schlug Borrmann den Weg nach seinem Hause ein. Es war ihm, als hätte er sich nie so leicht und beseeligt gefühlt als jetzt, wo er sich sagen konnte, daß er einem armen, geplagten Nebenmenschen helfend und schützend beigesprungen war und somit eine gute That mehr von ihm im Buche des Weltrichters verzeichnet stand.
Fröhlich ein heimatliches Liedchen vor hinsummend, zündete er die Spiritusflamme unter dem kleinen Blechkrssel an, um seinen Thee zu bereiten und eben wollte er sich zurechtsetzen, um sein kleines Mahl einzunehmen, als