des Reichstag beschloß, über die Petition gegen die obligatorische Civilehe zur Tagesordnung überzugehcn. (N. T.)
Berlin, 18. Mai. Die „Nordd. A. Ztg." schreibt: Jgnatiew ist ein Mann von umfassender und freisinniger Bildung, der den Absolutismus nicht als Zweck, sondern als Mittel ansehen wird. Wir halten die gegen ihn gelichteten Angriffe der Nat.- Ztg. für eine jener phrasenhaften Verdächtigungen, mit welchen jenes Blatr seit Jahren auch einheimischen Staatsmännern gegenüber so freigebig ist.
Der deutsche Botschafter Fürst Hohenlohe ist nach Berlin gereist, wo er gegenwärtig an den Reichstagsvcrhandlnngen theilnimmt. Als er seinen Abschiedsbesuch bei dem Präsidenten Grevy machte, hatte Letzterer eben die Nachricht von der Unterzeichnung des Vertrages mit dein Bcy von Tunis erfahren. Der Präsident machte dem Fürsten davon Mittheilung, indem er hinzufügte, daß es ihm zur besonderen Genugthuung gereiche, dem Botschafter Deutschlands die erste Kunde von dem erfreulichen Ereignisse geben zu können.
Der russische Minisrerwechjel erregt überall das lebhafteste Befremden. Man hatte schon zu fest auf eine freiheitliche Wendung zum Bessern gehofft, um nicht durch den Sieg der Pvbedonoszew, Kat- kow, Aksakow, Tscheulajcw und Jgnatieff auf's Grausamste enttäuscht zu werden. Dieser Personenwechsel. sagt die heutige Nat.-Zeitung sehr richtig, hebt eine neue Aera vanslawistischer europafeindlicher Politik an. Die alten Neigungen deS Zarewitsch, mit denen er sich zu seinem Vater in so schroffem Gegensatz stellte und welche, wie es hieß, in den letzten Jahren einer freieren Weltanschauung gewichen sein sollten, sind in den neuesten Regierungshandlnngen Alexanders III. zum entschiedensten Ausdruck gekommen. Der Mann, dessen diplomatische Künste und Finessen, dessen sprichwörtliche Verlogenheit duS politische Ansehen Rußlands in Europa so sehr geschädigt, der das Reich in den verhängnißvollen Krieg mit der Türkei getrieben, den unglücklichen Friedensvertrag von St. Stephano geschlossen hat und in Folge dieser fortgesetzten Mißerfolge während der letzten Regierungsjahre Alexanders II. in einer Art ehrenvoller Verbannung vom Hose lebte — Graf Jgnatieff ist heute der Lenker Rußlands! Damit scheidet allem Anscheine nach das Reich Peters des Großen ans den Reihen der modernen Staaten aus und nimmt die von dem großen Reformator verlassenen Spuren asiatischer Staatskuiist wieder auf. Wohin diese Umkehr führt? Die grauenvolle That vom 13. März hat im Voraus eine furchtbare Antwort gegeben. hVergl. das Urtheil der Nordd. Ä. Z.)
Uerdingen. Auf einem Gute sind dem Besitzer binnen zwei Tagen circa hundert Hühner an der sogenannten Hühnercholera verendet. Der Schaden wird aus annähernd 600 -4L geschützt. Oesterreich-Ungarn.
Wien, 18. Mai. Der Meistbegünstigungs- Vertrag mit Deutschland ist heute abgeschlossen worden. (Schw. Bote.s
Wien, 18. Mai. Die Judenhctzen in Südrußland ziehen Galizien stark in Mitleidenschaft. Die Zahl der über die Grenze geflüchteten beläuft sich bereits auf 5000. Gestern Nacht wurden sämtliche Häuser um den Woloczysker Bahnhof (russische Grenzstation) demolirt. Im Podwolczyskaer Bahnhof (galizische Grenzstation) sind 600 Kinder unter 6 Jahren mit ihren Müttern untergebracht, 1500 Flüchtlinge kampircn dort im Freien.
(Adresse von Irrsinnigen.) Unter den zahlreichen Adressen, weiche dem Kronprinzen Rudolph und seiner Braut anläßlich ihrer Vcrnckhlung zugegangen sind, befindet sich auch — eine Adresse von Irrsinnigen. Man halte das nicht etwa für einen schlechten Scherz. So unglaublich es auch klingen mag, „die treu ergebenen Pfleglinge der Riederösterreichischen Landesirrenanstalt in Wien" haben thatsächlich eine Adresse mit einer überaus kostbaren, von ihren Händen kunstvoll her- gestellten Envcloppc übersendet.
lAus dem Sarge befreit.! Von dem am 4. d. M. in Graz verstorbenen" Stadtrathsbeamtcn Alois Hüpfl wird folgende Episode erzählt: Vor etwa 20 Jahren stand eines Nachmittags unter dem Thore des k. k. Garnisons-Spitals zu Graz ein Sarg, in welchem die Leiche eines Musikers von der Kapelle eines Infanterie-Regiments zu Grabe getragen werden sollte. Schon war die Einsegnung nahe, als zufällig der auf kurze Zeit in Graz beurlaubte Militär-Oberarzt **** in das Tbor trat und srug, wen man hier zu Grabe trage. „Den Bandisten Hüpfl vom *** Regiment," war die Antwort. „Was, den iMusiker Hüpfl?" erwiderte der Oberarzt, „der ist nicht todt, dessen Leiden kenne ich!" — Und wahrhaftig, Hüpfl war nicht todi: cs gelang der Energie des tüchtigen Arztes, daß der Sarg geöffnet wurde. Man stellte an der vermcint- ich-.-n Leiche "Wiederbelebungsversuche an und hat so einen
Mann vor dem Lebendigbegraben gerettet, einen Mann, der erst nach zwanzig Jahren dem Tode wirklich zum Opfer gefallen ist.
Italic«.
Rom, 18. Mai. „Diritto" dementirt unbedingt, daß die italienische Regierung bei den Mächten den Zusammentritt einer Konferenz in Folge des tunesischen Vertrags beantragt habe. Folglich sei auch die Nachricht, daß Fürst Bismarck diesen Antrag abgelehnt habe, gänzlich ohne Anhalt. „Diritto" versichert, die Namen der nenernannten Minister werden morgen bekannt werden.
Frankreich.
Paris, 15. Mai. Der Zeitungskrieg zwischen hier und London und Rom tobt in Hellen Flammen ; scharfe Kritiken, bittere Sarkasmen, drohende Worte fliegen herüber und hinüber. Doch zu Weiterem wird eS, wie man der Allg. Ztg. von hier schreibt, nicht kommen; es dürsten weder irgend welche Verwickelungen, noch überhaupt eine diplomatische Aktion als Folge des Abschlusses des französisch-tunesischen BürgschaftsvertrageS in Aussicht stehen. Was dann Italien betrifft, so ist dessen Verstimmung nnb Unzufriedenheit zwar begreiflich; allein ernsthaft ist immerhin der Scherz kaum zu nehmen, daß Frankreich mit und durch den Besitz von Bizerla die Unabhängigkeit des Königreichs Italiens bedrohe.
Paris, 17. Mai. Die Republique franh'aise weist die Aenßerungen der englischen und italienischen Presse über die tunesische Angelegenheit zurück und erklärt, der in dem Bardo abgeschlossene Vertrag werde Frankreich in den Stand setzen, sich mehr als je friedlicher Arbeit zu widmen.
Paris, 17. Mai. Wie der Agenee Havas ans Tunis gemeldet wird, hätte der Beh ein Schreiben an den Sultan gerichtet, in welchem er erklärt, daß er den Vertrag mit Frankreich nur unterzeichnet habe, weil er nicht anders habe handeln können. — Wie es heißt, würde Frankreich den Bey auf seinem Throne erhalten, Falls der Sultan beabsichtigen sollte, ihn abzusetzen.
Paris. Die Kosten des tunesischen Feldzuges stellen sich dem Vernehmen nach auf etwa 14 Millionen Francs. Durch den schnellen und günstigen Ausgang der Affäre findet sich das Nationalgefühl Frankreichs nicht wenig geschmeichelt. Der Minister des Aeußern hat eine energische 'Note nach Constantinvpel abgehen lassen, worin erklärt wird, daß Frankreich in der nur durch Vertrag beendeten Tunis-Angelegenheit weder eine directe noch indirecte Einmischung einer anderen Macht dulde.
England.
London, 18. Mai. Die Times erfährt, das britische Kabinet habe eine freundliche Note an Frankreich in Betreff seiner Absichten auf Bi- serta gerichtet und Barthelemy St. Hilaire geantwortet, Frankreich beabsichte nicht, sich 150 Millionen, welche die Verbesserung des Hafens von Biserta kosten würde, aufzubürden; es habe bereits mit 2,500,000 Arabern zu thun, die zur Unbotmäßigkeit geneigt seien und es denke nicht daran, diese durch 1,600,000 tunesische Araber zu vermehren. Frankreich denke, ohne sich gerade für die Zukunft zu verpflichten, nicht im Entferntesten daran, von Tunis Besitz zu nehmen und es hoffe, England werde seinen Versicherungen Glauben schenken.
London. Ein gewisser Orr, der kürzlich verstarb, hat ein seltsames Testament hinterlassen. Er setzte darin unter Anderem 800 Pfund Sterling aus, von denen die Zinsen in vier gleiche Theile zu theilen sind. Das eine Viertel davon soll jedesmal am Neujahrstage die größte, das zweite die kleinste Frau, das dritte die Frau bekommen, welche am ältesten war, als sie sich verheirathete, und das vierte die, welche bei ihrer Verheirathung am jüngsten war.
Rußland.
St. Petersburg, 16. Mai. In einer soeben erlassenen Verkündigung beantwortet die russische revolutionäre Partei die Kundgebung des Czaren in folgenden Ausdrücken: „Wir nehmen den uns von Ew. Majestät aufgedrungenen Krieg an. Wir werden ausdauern und sind von der Zuversicht beseelt, den Sieg zu erringen; je größer der Druck, desto standhafter wird das Volk werden, und wenn Einer von uns getödtet wird, sind Zehn begierig, seinen Platz einzunehmen. Wir haben uns bisher nicht vor Ihrer Macht gefürchtet und werden
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dieselbe auch in der Zukunft nicht fürchten." Den von der revolutionären Partei in der russischen Hauptstadt in Umlauf gesetzten Gerüchten zufolge beabsichtigt dieselbe, sich künftighin des Dynamits nicht mehr zu bedienen, und vorläufig nur zu solchen Mitteln ihre Zuflucht zu nehmen, welche lediglich die Personen beschädigen, gegen die das Attentat gerichtet ist.
Petersburg, 17. Mai. In Kronstadt wurden noch zwei Marine-Lieutenants verhaftet und zwar wegen Entwendung mehrerer Minen aus der Kronsminenwerkstatt. Eine Untersuchung ist eingeleitet. — Gestern Abend um 5 Uhr fand ein Fähnrich unter der Steinbrücke, am Landungsplätze der Dampfschiffe in der Straße, welche zu dem Bahnhöfe von Zarskvjc-Selo führte, eine mit 57 Pfund Pulver gefüllte Mine. — Die Judenverfolgungen im Süden dauern fort. Der Gouverneur von Odessa meldet den Ausbruch von Unruhen aus Odessa, Losowo, Romm, Wvlotschisk,
Smela u. s. w. Das Militär hat in mehreren Orten einschreiten müssen; in Odessa biwakiren die Truppen auf allen Plätzen und des Nachts wird die Stadt beleuchtet.
Bulgarien-
Fürst Alexander von Bulgarien wird noch einige Zeit Geduld mit seinen Bulgaren haben.
Seine Braut, die Fürstin Jusupo, die reichste Erbin in Rußland, will ihm nur dann ihre goldene Hand reichen, wenn er regierender Fürst ist und bleibt; ihr Vermögen schlägt man auf 50 Millionen Rubel an. Eine Million Rubel hat ihm Alexander
11. in Livadia geschenkt, als er die Bnlgarenkrone annahm.
Türkei.
Konstantinopel, 18. Mai. Einer amtlichen Mittheiluug zufolge ergab die Untersuchung über die Ermordung des Sultans Abdul Aziz die Thcilnahme von Midhat Pascha. Midhat flüchtete sich in das französische Konsulat in Smyrna, wo er sich nach den Ermittlungen der Polizei noch anfhält. Midhat ist abgesetzt, Ali Pascha zu seinem Nachfolger ernannt worden. Eine Gerichtskommission begibt sich „ach Smyrna, um Midhat zu verhören. — Said Pascha telegraphirte a» den Bey von Tunis, die Pforte pro- testire gegen de» Vertrag mit Frankreich und erkläre denselben für null und nichtig. - - lieber die Verhandlungen in der türkisch-griechischen Grenzfrage verlautet aus das bestimmteste, eine baldige Verstän- ' s dignng sei zu erwarten. ^
Konstantinopel, 19. Mai. Midhat Pa- ^ scha stellte sich gestern Abend den türkischen Behör- ^ den unter der Bedingung eines gerechten Urtheilsprnchs. x Amerika.
Die Amerikaner sind doch unsere Gegenfüßler. Während wir in Deutschland vom 10. bis-
12. Mai über Frost und Schneesall jammerten, seufzten sie drüben über die Hitze. Das Quecksilber stieg an manchen Orten auf 90" Fahrenheit. Viele Leute wurden vom Sonnenstich getroffen, in New- Pork und Brooklyn 7 Personen tödtlich.
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Obcrtiirkhcim, 17. Mai. Der schöne Stand nusc-^o-.. - rer Weinberge, welche bis jetzt vom Frost nicht nothgelittenAD F? haben, gibt den Weingärtnern in diesem Jahre Aussicht aufS-LN^ einen guten Herbst: möchten wir von ferneren Beschädigungen durch Witterungs-Einflüsse verschont bleiben.
Ueber Blutreinigung und Stoffwechsel.
Die Bedeutung des Blutes für den Bestand des^ menschlichen Körpers und die Fortdauer des Lebens ist eine' A- § für Jedermann bekannte. Es braucht daher dem Leser kaum erst versichert zu werden, daß alle, auch noch so geringe Veränderungen des Blutes irgendwie auf die Gesundheit Einfluß haben und sie mehr oder weniger erschüttern. Die Grundstoffe zu diesem Ergänzungsmaterial sind natürlich den festen und flüssigen Nahrungsmitteln entnommen, welche der Mensch genießt, die aber zu ihrer Verwendbarkeit besondere Beimischung von Körpersästen erfordern. Den sauren Säften, welche der Magen behufs der Verdauung absondert, fällt namentlich die Ausgabe zu, die Fleischspeisen anfzulöscn, dagegen dient die Galle zur Vorbereitung jener Stoffe, welche zur Blut- und Leibeserneucrung dienen: ferner gehören hierzu die Drüsen des Dünndarmes und Dickdarmes. Die für die Bluternene- rung nöthigen Stoffe werden ausgesogcn, das andere ausgc- schieden, der ganze Proceß ist die Verdauung. Es wird Jedem, wenn er das soeben Gesagte bedenkt, cinleuchten, welche Rolle die Verdauung und mit ihr die richtige Zusammensetzung des Bfntes für die Gesundheit des Körpers bilden, wie aber auch von einer mangelhaften Verdauung und in Folge dessen auch schlechten Blutbildnng eine sehr große Anzahl von meist sehr langwierigen, die Gesundheit untergrabenden, schließlich znm Siechthum führenden Leiden hcrvorgcrnfen werden können; Gicht und Rheumatismus, offene Wuiwen, Pimpeln