Bezirkswohllhätigkeitsvereins am 21. Septbr. d. I. über denselben Gegenstand berathen wurden), welche die Mittel und Wege bezeichnen, wie genanntem Uebelstand abzuhelfen sei, zu Grunde gelegt und von der Versammlung einstimmig angenommen. Es sol­len nun in einer Eingabe die bürgerlichen Kollegien hiesiger Stadt gebeten werden, die Unterstützungs- sache durchreisender Handwerksgesellen in die Hand zu nehmen, die nöthig werdenden Gelder zu veraus­gaben und später auf sämtliche hiesige Burger nach dem Bermögensstaud umzulegeu. Denarmen Reisenden" sollen aber keine Geldgaben gereicht, son­dern Marken eingehändigt werden, welche ihnen ge­statten, in irgendwelchem hiesigen Gasthaus eine Suppe oder nach Umständen eine Nachtherberge zu erhalten. Weil der anwesende Oberamtmann eine derartige Einrichtung für durchaus geeignet hielt und von seiner Seite keine Einsprache dagegen er­hoben werden wird, so ist gegründete Hoffnung vor­handen, daß die hiesige Einwohnerschatt kommenden Winter von den Vaganten keine Belästigung mehr- erfahren wird, obgleich es hinsichtlich der sonstigen Bettler auch ferner heißen wird: Arme habt ihr allezcit bei euch rc. Helfer Sr röte wünschte noch, daß von der Versammlung eine Resolution bcschlof- sen werde in Betreff der 'Arbeitsbücher für die Ge­sellen, dahin gehend, daß solche Bücher nicht blos Arbeitsgesellen unter 21 Zahlen vorzuweisen haben, welche Einrichtung im deutjchen Reiche schon besteht, sondern daß der Besitz folcher Arbeitsbücher auf alle Arbeiter ausgedehnt werden möchte. Die Ver­sammlung erklärt sich damit einverstanden. Weitere Mittheilungen über vorliegenden Gegenstand werden erfolgen, wenn fragliche Angelegenheiten durch einen Beschluß der bürgerlichen Kollegien endgiltig ent­schieden ist.

Altenstaig Stadt, 23. Oktbr. Nach­dem den Erklärungen des Gesellschafters und Tan­nenblatts zu Folge gar nicht mehr daran zu zwei­feln ist, daß Herr Oberregierungsrath v. Lutz ein Abgeordnetenmandat annimmt: nachdem ferner die früher in Aussicht genommenen Kandidaten: Herrn Amtsnotar Richter und Herrn Fabrikant Sann- wald bestimmt erklärt haben, nicht als Bewerber um diesen Posten auszutreten-, nachdem schließlich nicht blos die Delegirtenversammlung in Nagold sich einstimmig für die Zweckmäßigkeit dieser Wahl aus­gesprochen hat, sondern auch sonst aus Stadt und Land blos Eine Stimme der Zufriedenheit darüber herrscht, daß ein Wahlkampf unsrem Bezirk erspart bleibt: dürfte eS im Interesse der guten Lmche nicht ohne Werth sein, alle Wahlberechtigten des Bezirks darauf aufmerksam zu machen, es möchten doch alle Wähler zur Wahlurne treten, indem eine zu geringe Betheiligung an der Wahl eine Nachwahl zur Folge hätte. Denke darnm kein Mann, dem es mit seinen Bürgerpflichten nicht blos auf der Bierbank, sondern auch auf dem Rathhaus Ernst ist: auf meine Stimme kommt es nicht an, er wirds ja doch! Nein, ein jeder Wahlmann thue seine Pflicht, dann kann er auch das Gleiche von seinem Abgeord- - rieten verlangen! IO

y/" Altenstaig Stadt, 23. Okt. llnscr Spital, an der Heselbronner Straße gelegen, ist nun nahezu vollendet und macht mit seiner verschindelten Außenseite einen sehr hübschen, reinlichen Eindruck. Der Spital enthält im Souterrain 2 aus- ccmentirte gewölbte Keller, im Parterre links vom Eingang einen geräumigen Speisesaal nebst ditto Küche und auf der rechten Seite die Wohnung des zukünftigen Spitalvaters. Im 2. Stock finden wir sodann die Krankenzimmer, 7 an der Zahl und ein Badkabinet. Im Dachstock befinden sich 3 Zimmer für Unreinkranke, ein Zimmer für Tobsüchtige und außerdem noch die nöthigen Räume für schwarze Wäsche, Holz u. s. w. Die Erstellung eines Waschhauses, eines Leichenzimmers, einer Holzrcmlse wird nächstes Frühjahr in Aussicht genommen. Der Ucberschlag von 13000 wird um circa 1000 ^ über­schritten, da der alte Bau sich schadhafter herausstellte als man ursprünglich angenommen hatte. Bekanntlich hat die h. Bür­gerschaft, angeregt durch den Gewerbevereinsausschuß, circa 1700 für die innere Einrichtung eines Krankenhauses zu- sammengeschosscn, welches Geld seit einigen Jahren bei der h. Handwerkerbank angelegt ist. - Ein 74jahriger Mann, Schneider M. von hier, gieng heute seinen Geschäften in gewohnter Weise nach, als ein Schlaganfall seinem Leben auf der Straße ein jähes Ende bereitete. Soeben ertönt die Kunde, daß ein junger, hübscher Mann von vielleicht 26 Jahren eine Schcunen- leiter herabstürzte und sofort todt war. Der Verunglückte, ein Schmiedsgeselle hier, ist vermöglich und guter Leute Kind von Pfalzgrafenweiler.

Pf alz grase »Weiler, 20. Oktbr. Heute Abend fiel nach demN. T." der ledige Steinhauer Peter Mast von Herzogsweiler in einem Steinbruch in Durrwciler so unglück­lich vom Maschinengerüst herab, daß er sofort eine Leiche war.

Brandfülle: Zn Dußlingen (Tübingen) am 19. Okt. die Scheuer zum Jägerhaus, (Wirth- fchaft.)

iLtuttgart, 20. Okt. In der hiesigen dies­jährigen Bezirksschulversammlung verhandelte man u. A. über das Wünschenswerthe einer beson­deren Schule für schwachbegabte Kinder, solche, die zwischen den Minderbegabten unv wirklichen Schwach­sinnigen stehen. Die Sache fand uugetheilte Zu­stimmung und man darf hoffen, daß eine derartige Anstalt, wie in Dresden, Christiania, Kopenhagen, demnächst auch in Stuttgart ins Leben treten wird.

Stuttgart, 21. Oktober. Dcr in vorletzter Nacht in Dcgcrloch Erschlagene ist der 16 Jahre alte M. Both- ncr aus Hossiugen Ü.Ä. Balingen. Derselbe wurde im Bett während des Schlafes überfallen und zuerst mit der stumpfen dann mit der spitzen Seite einer Haue derart zugerichtet, daß dcr Schädel und üaS Gehirn ganz bloß liegt. Die sofort an Ort und Stelle angesteUlen Recherchen Häven noch nicht erge­ben, ov ein Raubmord oder ein Racheakt vorliegt. Bothner ist gestern Nacht 11 Uhr gestorben.

Gestern Abend wurde in Degerloch ein Ar­beiter der Kühncr'fcheu Ziegelei in Haft genommen, welcher im dringenden Verdacht steht, den gemeldeten Mord an dem Arbeiter Bothner begangen zu haben. An dessen Kleidern fanden sich Bluffpuren. Auch fein sonstiges Benehmen war höchst verdächtig, so daß kaum zu zweifeln ist, daß diejer der Thäter ist. Das Motiv der That ist noch nicht bekannt; ohne Zweifel liegt ein Raubmord vor, da sowohl Geld, als auch eine Uhr des Ermordeten vermißt wird.

Stuttgart, 23. Oktbr. Zum Degerlocher Mord erfahren wir, daß der Mörder heute Morgen feine Unthat eingestanden hat. Gestern leugnete der­selbe entschieden, konnte aber bei der Konfrontation die Leiche nicht anjehen, auch wurden sehr viel Blutflecken an feinen Kleidern vvrgefunden. Der Mörder war bis jetzt gut prädizirt.

Die weitbekannte Restauration Weixler in Stuttgart ist gerichtlich geschlossen und gegen den Eigenthümer Bermögensunrersuchung eingeleitet wor­den.

Eßlingen. Die hiesige Maschinenfabrik soll in jüngster Zeit 16 Lokomotiven von der Gotthard bahn zur Fertignng erhallen haben, wodurch die noch vorhandene Arbei- terzayi für diesen Winter Beschäftigung hätte, was denselben an,richtig zu gönnen ist.

Biber ach, 17. Okt. Am letzten Donnerstag fällte das hiesige Schöffengericht wegen Abgabe von homöopathischen Arz­neien gegen Bezahlung ein verurtheilendes Erkenntnis!. Ein Erolsheimer war früher vom hiesigen Oberamte wegen dessel­ben Reales zu 10 vernrtheiit worden und hatte gegen dieses Slraferkenntniß gerichtliche Entscheidung angernfen. Nun hat das Schöffengericht das Strafmaß des Polizeirichters zu gelinde befunden und die Geldbuße auf 25 festgesetzt. Dieses Erkenntniß ist von großen Belang für solche Personen, welche sich mit Homöopathie re. befassen und etwa Medikamente an an Andere gegen Bezahlung verabfolgen wollten.

Ravensburg. Zwei europamüde Bürschchen im Alter von 11-12 Jahren machten sich nach demN. T." die­ser Tage mit einem Baaroorrath von 1500 .6, welche dcr eine seinem Vater entwendet hatte, von hier ans den Weg nach Amerika. Aber die Wanderlust wurde schon am zweiten Tage aus eine ihnen unliebsame Weise unterbrochen, indem sie in Basel abgefaßr und per Schub zu ihren Eltern zurückverbracht wurden. Von dem Geld hatten sie etwa 40 verbraucht.

Friedrichshafen, 23. Okt. Ihre K. K. H. H. der Großfürst und die Großfürstin Wladimir von Rußland sind gestern zum Besuche bei Ihren Majestäten im König!. Schlosse eingetroffen.

Der Ortsgesundheitsrath der Residenz Karlsruhe be­kämpft muthig das Geheimmitteluuwesen und läßt sich durch keine Drohungen abschrecken. Sv entlarvte er kürzlich einen Leipziger Haarheilkünstler, der die ihm ans dem Schwanz ei­nes Hundes eingesandten Haare nicht erkannte und dem an­geblichen Patienten sichere Heilung verhieß. Ein Berliner Fa­brikant von Attesten für Geheimmittel, der klagend aufgetreten war und 3000 ^tl Schadenersatz haben wollte, wurde vom hie­sigen Amtsgericht abgewiescn, da ein gutes Recht existire, einen Schwindler als einen Schwindler zu bezeichnen, wenn dies zur Berwirklichung eines gemcinnützlichen Zweckes und zur Abschaf­fung eines gemeingefährlichen Treibens nothwendig sei.

Köln, 20. Okt. Die Abrüstung jder Dom­thür me wird sehr langsam fortgesetzt und mit dem Eintritt stürmischer Witterung überhaupt bis zum Frühjahr vertagt. Bis zur gänzlichen Freilegung der Thürme dürfte der Sommer herankvmmen. Es bleibt dann bis zur gänzlichen Vollendung des Do­mes noch ein Stück Arbeit zu thun, welches viele Jahre erfordern wird. Zunächst handelt es sich um Ausbesserungen an den Fayadcn; ferner soll ein neuer Fußboden in kunstvoller Mosaikarbeit gelegt werden: Darstellungen aus der biblischen Geschichte sollen den Fußboden schmücken; sodann ist der Bau einer neuen großartigen Orgel herzustellen. Endlich

soll der Dom bekanntlich kunstvoll gearbeitete Pforten erhalten.

(Aus dem Religionsunterricht.) Ein Lehrer in dcr säch­sischen Lausitz hatte den Kleinen die Geschichte von der Aus­setzung und Errettung des Moses erzählt. Bei dcr Wiederho­lung fragte er:Warum verbarg die Mutter ihr Söhnchen im Schilfe?" Ein kleiner Bursche erhob sofort die Hand und rief: Weil sie ihn nicht wollte impfen lassen!" In der Obcr- lausitz ist die Agitation gegen den Impfzwang besonders leb­haft und Bestrafungen wegen Verweigerung der Impfung sind nichts seltenes.

Berlin, 21. Oktbr. Nunmehr ist es ziemlich zweifellos, daß dem Reichstag in der nächsten Ses­sion Gesetzentwürfe wegen der Erhöhung der Brannt­weinsteuer und Zuckerstcuer vorgelegt werden. Daß das Wehrsteuerprojekt aufgegeben worden sei, be­stätigt sich nicht. DasTagblatt" meldet aus Rom: Die päpstlicheAurora" zetert heftig gegen das Kölner Dombaufest und erklärt, der Kronprinz des deutschen Reiches habe mit seinem Toaste seine eigene Würde verletzt. So lange der Kulturkampf dauere, könne der Dom nicht als Symbol der Ein­heit gelten und vergegenwärtige vielmehr nur die Mißachtung der Gewissensfreiheit. Die jammervol­len Zustände in Deutschland machen den Dom zum Symbol der Trauer und Zwietracht.

Berlin, 22. Okt. Der volkswirthschastliche Kongreß hat zu dcr Frage betreffend die Versorgung Europas mit Brot eine Resolution mit allen gegen 11 Stimmen angenommen, wonach die Zufuhren von Brotkorn aus anderen Ländern für eine Nothwen- digkcit erklärt werden; der Gewinn, welcher durch den Getreidezoll unter gewissen Verhältnissen Einzelnen^ zugeführt werden könne, stehe in keinem Verhältniß zu dem dadurch der übrigen Bevölkerung zugefügten Schaden.

Berlin, 23. Okt. DerNordd. Allg. Ztg." zufolge ist die Theilnahme des Fürsten Bismarck an dem ersten Thcile der Landtag-Zession nicht zu er­warten. Die soeialpolitischen Maßregeln, womit Fürst Bismarck gegenwärtig beschäftigt ist, würden nicht Gegenstand der preußischen, sondern der Reichsge- jetzgebung sein. Gleichwohl sei die Theilnahme des Fürsten Bismarck an den Arbeiten des Landtags für später nicht ausgeschlossen.

Die Verhängung deskleinen Belagerungszu­standes" über Leipzig und Hamburg, scheint im Schooße der Reichsrcgierung beschlossene Sache zu sein und dürfte eine der ersten Vorlagen werden, welche dem Reichstage unterbreitet werden. Man kann über die Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maß­regel in Zweifel sein, aber richtig ist es, daß, seitdem den Sozialdemokraten in Berlin der Brodkorb höher gehängt wurde, Leipzig und Hamburg die Haupt­herde ihrer Agitation sind. Die Frage bleibt freilich eine offene, über wie viel Städte die Reichsregierung den kleinen Belagerungszustand noch verhängen will! Denn ist es nicht Berlin, nicht Hamburg, nicht Leip­zig, so sind es andere Städte, welche den Sozialde­mokraten als Mittel zum Zweck dienen und man- kann und wird doch nicht dieser Partei wegen alle bedeutenden Orte des Reiches mit demkleinen Be­lagerungszustände" heimsuchen!

Die Beantragung des über Hamburg zu ver­hängenden kleinen Belagerungszustandes bestätigt sich. Ohne Ergreifung derartiger Maßregeln steht zu be­fürchten, 'daß die nächsten Reichstagswahlen durchweg sozialistisch ausfallen.

Der preußische Justizminister Friedberg läßt immer Material dafür sammeln, ob das Gerichts­kostengesetz nicht eine sehr schöne und nützliche Ein­richtung sei!!

Die Angaben über Pläne des Reichskanzlers in Betreff deutscher Kolonien sind nicht unbegrün­det. Wie es heißt, wird augenblicklich Material zur Begründung der Bcdürfnißfrage gesammelt, um die Angelegenheit in irgend welcher Weise an den Reichs­tag zu bringen. Trotz aller abfälligen Kritik sämmt- licher berufenen Organe des Handels, der Industrie u. s. w. hält man noch an der Absicht einer Be­schränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit fest.

Bezüglich der gegenwärtigen Konstellation der Mächte bemerkt derDaily Telegraph" ganz richtig, daß nunmehr zwei europäischen Kon­zerte, ein Bismarck'sches und Gladstone'sches existiren. Ersteres umfasse Deutschland, Oesterreich- Ungarn und Frankreich, und ihm habe die Pforte sich gefügt; letzteres bestehe aus England, Rußland und Italien, welche sich in das Fiasko der Zwangs­politik gegenüber der Türkei zu theilen haben. Diese Auffassung findet in derNational-Zeitung" ihre

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