Und Ihr glaubt nicht, daß Euch oft die feinsten Damen hintergehen?

O, nein, mein Herr, sagte Jener lächelnd.

So? Meint Ihr? Nun, ich sage Euch, ich ver­stehe mich ans Physiognomien, und ich möchte wetten, daß die reizende junge Frau in dem grauen Reisean­zug, die da im Waggon erster Klasse sitzt, nicht ver­säumt hat, eine reiche Auswahl von Schinucksachen, Stickereien und Spitzen mit heimzubringen ob sie die Euch versteuert hat? Das bezweifle ich; ihre Reisetasche birgt gewiß manches schöne Geschenk, über das sie sich als Schmuggelware doppelt freut; und ob der weiße Unterrock, unter dem ein kleines Füßchen so kokett hervorguckt, nicht mit unerlaubter Spitze garnirt ist? das möchte ich nicht untersuchen! Nun, das käme auf einen Versuch an, erwiderte der der Steuerbeamte, durch Alberts Wort stutzig gemachl.

Er eilte hinaus auf den Perron, während Albert noch mit dem Zuschließen seines Koffers zu thun hatte.

Dann ging aber auch er, um sein kleines Frau­chen ob des unschuldigen Scherzes um Verzeihung zu bitten.

Doch wie, was ist bas?

Eben tritt er aus der Halle auf den Perron, da gewahrte er, wie sich eine Menge Menschen um das eine Coupee geschaart haben und die zu hinderst Stehenden neugierig die Hälse recken, um zu sehen, was da vorgeht.

Das ist unser Coupee, denkt Albert, was ist ge­scheit, kann mein Käthchen krank geworden sein?

Wie ein Blitzstrahl fährt ihm dieser Gedanke durch den Kopf und mit fliegendem Hast und stocken deni Athem stürzt er auf das Coupee zu.

Was ist hier los? Um Gotteswillen sagt, was ist geschehen? ruft er und drängt sich durch die Menge.

Was geschehen ist? erwiderte derselbe, den Albert soeben in der Halle gesprochen hatte; Recht haben Sie gehabt man hat uns betrügen wollen und noch dazu eine so fein aussehende Dame wer hätte das gedacht!

Ein Blick auf seine Frau genügte, um Albert die ganze furchtbare Wahrheit zu entdecken.

Da saß die Arme, todtenbleich in die Wagenecke zurückgelehnt, ihr Kleid war halb aufgeschlagen und enthüllte einen bis oben hinauf reich mit neuer gekop­pelter Spitze garnirten Rock.

Alberts Gesicht ward erdfahl, er wankte und mußte sich an der Thür festhalten, um nicht zu Bo­den zu sinken.

Wie könnt Ihr Euch erkühnen, stieß er endlich mühsam hervor.

Aber mein Herr, Sie vergessen, daß Tie selbst es waren, der Hub der Steuerbeamte an.

Der Sie aus diese Dame aufmerksam machte, unterbrach Albert dessen Worte. Ganz recht, fuhr er, jetzt einigermaßen gefaßt, mit ruhigerer Stimme fort, und es glitt sogar ein mattes Lächeln über seine Züge; aber seht Ihr denn nicht, daß diese Dame mein Frau ist 2

Ihre Frau? wiederholte der Beamte, aufs Hock ste betroffen.

Meine Frau ja. Ich wollte Euch nur zei­gen, wie leicht es ist, Euch zu betrügen, wenn man will. Unser Koffer war schon so voll, daß meine Frau auf diese gute Idee kam, die Spitzen zu trans- portiren.

Aber der Schreck dieser Dame ihre Weige­rung warf der Beamte noch immer etwas ungläu­big ein.

Nun was ist natürlicher als das wenn eine arme junge Frau so zum Gegenstand gaffender Neu­gieriger wird. Begreift Ihr denn nicht, daß ich es Euch doch nur in der Absicht sagte, um die Spitzen zu versteuern? Es sind zehn Meter, setzte er auf's ungefähr schnell hinzu, als ihn ein Blick auf seine arme Käthe belehrte, daß sie halb bewußtlos, so we­nig im Stande gewesen war, dem eben stattgehabten Gespräche zu folgen, wie jetzt anzugeben, wie viel Spitze der Rock enthielt.

Der Beamte schaute noch immer etwas betroffen drein; die Sache wollte ihm noch nicht recht einleuchten aber was blieb ihm übrig? Der Fremde stand mit der offenen Börse vor ihm und sah ihn fragend an.

Der Beamte nannte die Steuer, der Fremde be­zahlte, der Beamte bat, nach der Mütze greifend, um Entschuldigung und die gaffende Menge stob aus­einander denn es gab nichts mehr zu sehen und die Glocke hatte bereits zum dritten Mal geläutet.

Albert hatte wieder neben seiner Frau Platz ge­

nommen, der Zug setzte sich wieder in Bewegung, das junge Paar war allein.

Laut und wortlos vergingen mehrere Minuten.

Albert brauchte Zeit, um zur Besinnung zu kom­men, um recht zn fassen, was geschehen und wie das Schreckliche eigentlich zugegangen war. Er er selbst hatte seine Frau verrathen verrathen und bloßgestellt aber wessen Schuld war es ?

Da riß ihn ein krampfhaftes Schluchzen aus fernen wirren Gedanken.

Käthe war allmählich aus ihrem starren Hinbrü­ten wieder zu sich gekommen, und das Gesicht mit den Händen bedeckend, brach sie in bittere Thrüneu aus.

Lange bemühte Albert sich vergebens sie zn trö­sten und zn beruhigen.

Endlich at er preßte sie ihre Arme um seinen Hals und rief in leidenschaftlichem Tone:

Albert, kannst Du mir verzeihen? Kannst Du mich noch lieben nach dem, was ich gethan? O, wie hart, wie furchtbar bin ich bestraft worden! Ach, Al­bert, sage, daß Du mir vergiebst; vergiß, was ge­schehen ist und sei mir wieder gut! Es soll mir fürs ganze Leben eine gute Lehre sein, nie wieder hinter Deinem Rücken etwas zn thun."

Innig schmiegte sie sich an ihn und barg das Gesicht, über das noch dicke Thränen herabrollten, an seiner Brust.

Und Albert drückte sie zärtlich an sich, strich lieb­kosend über ihre blonden Flechten, küßte die Thränen von ihren bleichen Wangen und flüsterte mit vor Be­wegung zitternder Stimme die innigsten Worte des Trostes und der Liebe in ihr Ohr.

Allerlei.

Londoner Nahrungszweig. Kürzlich wurde ein Mann vom Woolwicher Polizeigericht verurtheilt, 10 Schillinge zu bezahlen, weil er durch Graben mit einem Spaten den Quai der Themse be­schädigt habe. Im Laufe der Verhandlung kam fol­gende Thatsache zu Tage: Wenn der Hauptkanal Londons in die Themse abgelassen wird, führt das Wasser unzählige Stücke Brod und Fett mit fort. Bis vor einem Jahre fanden sich dann immer Män­ner ein, welche das Fett aufsingen, solches in die Stadt zurückbrachteu, wo eS gereinigt und sodann als Butter verkauft wurde. Das Gesetz gegen Ver­fälschung der Nahrungsmittel richtete diesen Handel zu Grunde. Als die Menschen das Fett nicht mehr suchten, fanden sich bald Hunderttaufende von Was­serratten (mus amplübius) ein, welche sich nun hier gemächlich niederließen und sich , ehrlich ernährten. Gefiel es einer Anzahl der Thiere nicht mehr in London, so liefen sie an den Ketten der Anker und den Seiten der Schiffe empor und ließen sich als blinde Passagiere nach andern Klimaten transportiren und die Londoner Rattenfänger fanden die neuen Jagdgrüude bald heraus und hatten hier ein ergie­biges Feld. Die Ratten werden lebendig gefangen, um vier Schillinge das Dutzend verkauft zu werden. Das Leder ist sehr fein und wird für die feinsten Glacehandschuhe verwendet. Der Mann vor dem Polizeigerichtshofe wurde auf der That ertappt, als er nach Natten gegraben und ein Dutzend Stück in: Käfig hatte.

Vom trinkbaren Manne." Unter diesem Namen war in unserem Schwabenlande der vor kurzem verstorbene OberamtS-Richter Ganzhorn von Ncckar- sulm wohlbekannt ein Original- und Kraftmensch, der namentlich mit den Dichtern des Schwaben­landes in heiterstem, lebensfrohestem Verkehre stand. Er war ein Philosoph des Trinkens, das er mit selvstbewnßter Gründlichkeit betrieb und ans dem er Stoff und Anregung zu manchem kräftigen Vers ge­wann. Zugleich war er ein gewaltiger Wanders­mann und Bergsteiger, Schwimmer und Turner vor dem Herrn. In dieser Beziehung erzählt Schmidt- Weißenfels ein elastisches Probestück von demtrink­baren Manne": Einmal strich er iu warmer Som­mernacht vom Niederwald, dem vielgeliebten Rhein­strome zu. Glitzernd im Mondlicht rauschte das herr­liche Wasser dahin und machte ihn lüstern, sich von ihm umkosen zu lassen. Schnell legte er die Kleider ab und barg sie sorgfältig an geschützter Uferstelle. Dann theilte er mit seinen Armen kräftig die fluchen­den Wasser. Die starke Strömung verhinderte ihn nicht, seinen Vorsatz auszuführen, quer über den Fluß zu schwimmen; doch je näher er dem jenseitigen Ufer kann desto gewaltiger mußte er sich anstrengen, der reißenden Macht der Wogen zu trotzen. Als er

schließlich zu Lande war, erkannte er wohl, daß es ein tollkühnes Wagniß sein würde, nochmals den Strom zu durchschwimmen. Wohl oder übel mußte er sehen, einen Nachen aufzutreiben, der ihn an die Stelle, wo seine Kleider waren, zurückführte. Am Ufer, wo er sich befand, zeigte sich keine bewohnte Stätte, keine Menschenseele. So schritt er denn, ein Adam, querfeldein, und bald leuchtete ihm auch glücklicherweise ein Lichtleiu entgegen, auf das er kossteueru konnte. Es brachte ihn au das Wirths- haus eines Dorfes und durch die Fenster sah er, daß noch Gäste beim Schoppen saßen. Als er mit festem Griff die Thür geöffnet und in voller, blitz­blanker Natürlichkeit den Güsten sichtbar wurde, fuh­ren sie entsetzt empor und die anwesende Wirthin floh kreischend von dannen. Er aber rief mit seiner dröhnenden Stimme:Ich bin der Oberamts-Richter von Neckarsnlm und bitte . . . um ein Tischtuch!" Die Männer im Zimmer wurden bei dieser Anrede etwas beruhigt und überzeugten sich dann des Näheren, daß sie es nicht mit einem Irrsinnigen zu thun hatten. Ganzhvrn theilte ihnen sein Aben­teuer mit, indeß er sich das herbeigeholte Leintuch als Toga um die herkulischen Glieder schlug. In diesem klassischen Kostüm Pflanzte er sich auf die Bank zu den Güsten, und nachdem er dem Wirthe leicht begreiflich gemacht, daß er sein Portemonnaie nicht bei sich haben könne, unterhandelte er mit ihm über einen Credit für die zu feiner Stärkung noth- wendigen Schoppen. Es kam auch sonst bei seiner Vertrauen erweckenden Persönlichkeit zum Einver­ständnisse, und da der Wein, der dem Oberamts- Richter gereicht wurde, gut war, entwickelte er eine Trinkbarkeit, die alle Anwesenden schier in Erstaunen setzte. Stramm und in stolzer antiker Haltung saß er, eine Flasche nach der andern leerend, bis zum lichten Morgen da und schritt dann, vom bestellten Nachenführer begleitet und begafft von den schon aufgestandenen Dorfbewohnern, wie ein Triumphator fürbaß dem Rheine zu, wo mit der Ueberfahrt dies Nachtstück sein glückliches Ende fand.

Ein Universalschutzmittel gegen Flecke aller Art. Die Krefelder Zeitung bringt interessante Notizen über eine merkwürdige Erfindung eines Ame­rikaners. Sie schreibt: Daniel M. Lamp hat aus der unter dem Namen Wolfsmilch bekannten Pflanze einen Gummistoff präparirt, mit welchem Wollen- und Seidenzenge, Teppiche, Leder. Papier, Vogel­federn und dergl. mehr vatsirspollont gemacht, d. h. denselben die Eigenschaft verliehen werden kann, jede Flüssigkeit abznstoßen, ohne daß diese Stoffe dadurch irgend etwas von ihrem Aussehen, ihrer Biegsamkeit und Elasticität verlieren. Eine von dem Erfinder in New-Pork vorgenommene öffentliche Probe mit seineil praparirten Stoffen lieferte das glänzendste Zeugnis; von dem Werthe seiner Erfindung. Die feinsten Farben wie Pink, Blau, Cream, litten an iseidenstoffeil, welche mit dem Gummi überzogen waren, nicht das Mindeste. Wie Brocat, gewobene Bänder, Grenadiene, Flanell und Scidenplüsch erwiesen sich undurchdringlich für das Wasser. Feine Damenhüte ans Seidensammt hielten ein mäßiges Wasserbad aus, ohne daß ihre Farbe oder ihre Federn verletzt worden wären. Ein Herr in Tuch gekleidet, das mit dem Gummi präparirt worden war, mit Seidenhute auf dem Kopfe und Glacehandschuhen an den Händen, blieb unter einer starken Douche ganz trocken, selbst die schärfste Schreibtinte, Citronensaft, Schwefelsäure, schwarzer Kaffee auf die prüparirten Stoffe gespritzt, hinterließen keine Spur eines Fleckens. Eine Kre­felder Sammet- nnd Seidenfabrik hat bei der Wich­tigkeit, die diese Erfindung auch für unsere Seiden- Jndustrie haben würde, sich veranlaßt gesehen, sich von dem wunderbaren Gummipräparate,Neptunite" vom Erfinder benannt, zu verschaffen, um Versuche anzustellen. Wir haben selbst die gelungensten Ver­suche mit dem Mittel gemacht. Welche Beruhigung für die Trägerinnen von Sammtmänteln und seide­nen Kleidern, für die Herren mit Seidenhüten, daß diese kostbaren Bekleidungsgegenstände in Zukunft nicht mehr vor jedem Regeutröpfchen ängstlich geschützt werden müssen, welcher Trost, daß solch schmerzliche Ungeschicklichkeiten, wie das Begießen der kostbaren Robe seiner schönen Nachbarin auf Festessen, Bällen rc. sofort wieder gut zu machen sind durch einfaches Abwaschen mit Wasser, daß es überhaupt keine Wein-, Bier-, Tinten- u. s. w. Flecken mehr giebt, wenn alle Bekleidungsgegenstände mit diesem wunderbaren GummipräparateNeptunite" überzogen sind." ^

Verantwortlicher Redakteur: Steinwandel in Nagold. Druck und Verlag der W. Zaiser'schen Buchhandlung in Nagold'