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Berlin, 3. Nov. Aus Moabit wird ein Raubmord gemeldet. In der Bandelstraße 11 wohnt der in der Admiralität angestellte Geheimsekretär Päpke mit Frau und Sohn. Während der Dienststunden der beiden männlichen Familienmitglieder befand sich die Frau, welche im Alter von 46 Jahren stand und mit ihrem Ehemann vor kurzer Zeit die silberne Hochzeit gefeiert hat, allein in der Behausung. Als Päpke heute Nachmittag 32/4 Uhr seine Wohnug betrat, bot sich ihm ein entsetzlicher Anblick dar: In der Stube neben dem Korridor lag seine Frau ermordet am Boden, der Schädel war gespalten, die Hirnmafse herausgetreten und eine große Blutlache bedeckte den Boden. In der Stube herrschte eine chaotische Verwirrung; sämtliche Behälter waren erbrochen, die Wäsche von blutigen Händen durchwühlt lag teilweise in der Stube umher. Geld und Schmucksachen werden vermißt. Zwischen der robusten kräftigen Frau und dem Mörder muß ein Kampf stattgefunden haben. Ein verdächtiger Mensch, etwa 26 Jahre alt, hochgewachsen, schlank, mit hagerem Gesicht und reduzierter Kleidung, auf den gefahndet wird, ist von mehreren Personen gesehen worden. Ein der Päpke'schen Familie zugehöriger alter, treuer und bissiger Pudel ist zugleich mit der That spurlos verschwunden.
WevrnifcHtes.
— vr. Martin Luther wird endlich auch sein Standbild in Berlin erhalten. Bei der ausgeschriebenen Bewerbung ist einem Berliner in Rom, dem Bildhauer Otto, der erste Preis zuerkannt worden.
— Ein bejahrter Ehemann in Thüringen hatte sich auf einer gemeinsamen Grabstätte neben dem Grab seiner verstorbenen Frau schmerzerfüllt einen Leichenstein setzen lassen und nur den Todestag weggelassen. Kürzlich aber hat er sich eines Besseren besonnen und wieder geheiratet. — In Geismar fand der Handelsmann Hirschfeld unter erkauftem alten Messing einen Brillantring, der ihm vom Gericht zugesprochen worden ist und für den ihm 4000 geboten worden sind. — In Rathmannsdorf bei Staßfurt wurden auf einer Treibjagd 738 Hasen geschossen.
Kxrrröek <L WevkeHrr.
Herbstbericht. Heilbronn, 4. Nov. Der Durchschnittspreis des unter der Kelter verkauften Weinmostes beträgt nach genauer Berechnung für Weißwein 66 ^ 90 L, für Rotwein 85 ^ 98 Aus dem Keller ist immer noch neuer Wein zu haben.
Die KenerraLVevlarnrncirng des tcrnöw. WeZirksvereins irr ACLHengsteLt crrrr 25. AMobev.
(Schluß.)
Hr Schull. Stark von Stammbeim empfahl dann noch den Gemeinden den Beitritt zum Obstbauverein, dessen Monatsschrift: „der Obstbau" die ganze Lehre so umfassend und sachverständlg behandle.
Das dritte noch auf der Tagesordnung stehende Thema der Feld weg - regulirung war nicht zu einem besonderen Vortrage bestimmt, sondern es sollte damit nur die Anregung zu Aeusserungen aus der Mitte der Versammlung gegeben werden. Hr. Schulth. Ernst von Stammheim ergriff denn auch diese Gelegenheit. um die überaus günstigen Erfahrungen mitzutheilen, die in Stammheim mit dem ziemlich ausgedehnten Feldwegnetze gemacht worden seien. Der beste Beweis für den Nutzen der Feldwege sei wohl der, daß die an einem Feldwege liegenden Aecker gewöhnlich um Vs bis V- höher bezahlt werden als andere. ^
Zum Schluffe dieses Berichtes sei aus dem, vor Begmn der Vortrage erledigten geschäftlichen Theile der Verhandlungen noch erwähnt, daß nach dem von Hr. Kassier Ansel erstatteten Kassenbericht im Rechnungsjahr 1 . April 1884,85 betragen haben:
schönen, seltenen Pflanzen, die sie früher zusammen mit Jetty sorgfältig gepflegt hatte, verdorrten nach und nach. Lina bemerkte es kaum. Stundenlang saß sie am Fenster und schaute mit träumersscher Wehmut über die Landschaft hin.
Feodor hatte Erlaubnis erhalten, wieder Besuche im Waldschlößchen machen zu dürfen. Seine Schuld war vergessen, Falkensteins fühlten herzliches Mitleid mit dem vergrämten Manne, und das alte herzliche Verhältnis stellte sich nach und nach wieder ein.
Lina war gegen Feodor stets gleich sanft und freundlich; sie plauderten oft recht lange zusammen von Kunst und Literatur, sprachen eingehend über dieses oder jenes neu erschienene Werk, welches Feodor mitbrachte und vorlas, aber nie durfte er mit einem Wort der früheren Verhältnisse erwähnen oder Jetty's Namen nennen, wollte er nicht Lina in nervöse Aufregung versetzen, die bei ihrem so sehr geschwächten Gesundheitszustände leicht gefährlich werden konnte. Ihr Teint war fast durchsichtig geworden, und oft und lange ruhte Feodors Blick mit tiefer Bekümmernis auf der abgezehrten Gestalt des jungen geliebten Weibes. Ja, er liebte sie jetzt mehr denn je, seit seine Liebe durch die Feuerproben großer Seelenschmerzen geläutert worden war.
Leise, leise regte sich in seinem Herzen die Hoffnung, Lina wieder näher treten zu können, durch verdoppelte Liebe wollte er fein großes Unrecht sühnen. Freilich durfte er noch kein Wort dieser stillen Hoffnungen verlauten lassen, bevor er nicht von Aglaja geschieden war; er hatte aber gleich nach ihrer Flucht durch das Konsistorium einen Aufruf in den Zeitungen ergehen lassen, daß, wenn binnen Jahresfrist kein Lebenszeichen von ihr an ihn gelange, er sich als gerichtlich geschieden von ihr betrachte. Damit hing er sein trauriges Familienereignis wohl an die große Glocke, doch was galt ihm nunmehr das Urteil und die Gunst der Welt? Er wollte Frieden — Frieden der Seele endlich haben! Bis diese Frist aber verstrichen war, mußten noch viele Monde vergehen, und Feodor fragte sich, ob Lina's zarter Körper auch den rauhen, langen, nordischen Winter wohl überstehen könne. Er sann hin
die Einnahmen die Ausgaben
3,731. 15 „ 2,265. 45
der Saldo 465. 70
Das Vermögen des Vereins betrug pro 1. April 1885 — »16 1,065. 70; was gegen das Vorjahr eine Zunahme von 353. 35 bedeutet.
Der von der Versammlung genehmigte Etat pro 1885/86 enthält folgende Posten:
1) für Feldweganlagen
2 ) „ Obstbau, Baumschulen und Baumpflanzungen
3) „ künstl. Futterbau
4) „ das Fvrtbildungswesen
5) „ Verwaltungsaufwand
6 ) „ Gauverbandskosten
7) „ Bienenzucht
8 ) „ die Haushaltungsschule
9) „ die Schweinezucht
150 „ 200 „ 50
„ 50
„ 200 „ 100 „ 50
„ 50
„ 150 ^ 1000
Für Zwecke der Rindviehzucht, insbesondere zu Prämien für rationell gezüchtetes Jungvieh der Simmenthaler und verwandter Rassen wird in den nächsten Etat ein größerer Posten eingestellt werden.
Bei der Ergänzungswahl des Ausschusses, in dem durch den Tod de» Hrn. Schulth. Lörcher und den Wegzug des Hrn. Gutspächter Fischer von Dicke zwei Lücken entstanden waren, wurden gewählt:
Herr Schulth. Claus von Oberhaugstett für die Waldseite und'
„ „ Ernst von Stammheim f. d. Gäuseite des Bezirks.
SeLbstHrLfe bei Werrlehungen.
, (Fortsetzung.)
Auch die Massage ist ein Hausmittel; dieselbe ist nicht neu, sondern ein paar tausend Jahre alt; die Aerzte haben bei Geschwülsten immer auf Drücken, Reiben, Hacken und Streichen gehalten, damit die Geschwulst aufgesaugt werde. In Rom gehen seit mehreren hundert Jahren alte Weiber herum, die für ein Paar Lire den Unterleib massieren, damit die Thätigkeit der Gedärme gehoben werde. Alle Einreibungen sind größtenteils Massage;, wenn man zu einem Bauern sagen würde, er solle sich mit der trockenen Hand reiben, so würde er sagen: „Das ist eine Dummheit", wenn man ihm. aber sagt, er solle sich mit einer Salbe einreiben, ja dann Hilsts. In neuerer Zeit wurde die Massage besser studiert» man hat gesunden, daß sie ein Ab- leiter ist namentlich bei nervösen Leiden, Gicht, rc. rc., und Mancher, der als unheilbar erklärt wurde, ist gesund geworden. Man hat mit der Massage in neuerer Zeit auch schöne Experimente gemacht! So hat man schwarze Tusche mit Wasser verrieben und diese Mischung einem Hund in die beiden Kniegelenke eingespritzt; das eine Knie wurde auf die alte Weise kuriert mit Jod und Gipsverband, und das andere Knie mit der Massage, d. h. gerieben, gepreßt, gehackt, und zwar des Tags zweimal je fünf Minuten lang. Nach, einem Vierteljahr wurde der Hund getötet, und es zeigte sich ein erstaunliches Resultat; in dem nach alter Weife behandelten Knie war die ganze Tusche noch da, während beim anderen Knie die Tusche im ganzen Körper verteilt war. Also in diesen Mitteln, die wir nicht zu holen brauchen: Ruhe, hohe Lage, Kälte, Druck und Massage haben wir die besten Mittel. Eine der häufigsten Verletzungen besteht darin, daß ein Kind fällt und Beulen bekommt; hier werden unter der Haut kleine Blutgefäße zerrissen, die fortblutsn und Beulen machen; da hilft Kälte und Druck. Beim Fußübertreten wendet man. jetzt die Massage an, und während die Heilung früher sechs Monate beanspruchte , dauert sie jetzt nur drei Wochen. Redner ging nun zu der Anwendung von Mitteln aus der Apotheke über und sprach hauptsächlich über den antiseptischen Verband.
Bei Schnittwunden, Rissen, Quetschungen, Schuß-, Brand- und Stich"
und her, wie Lina wohl zu bewegen wäre, daß sie den Winter in Italien im milden, sonnigen San Remo, verbringen könnte.
Endlich entschloß er sich, seine Mutter zur Vermittlerin hinzuzuziehen.
Frau Harders erklärte sich bereit und freute sich auf die interessante Reise; hatte sie ja dabei vollauf Gelegenheit, Lina Wohlthairn erweisen zu können.
Am folgenden Morgen erschien Feodor eigentümlich erregt bei Lina. Lina bemerkte es und fragte ruhig:
„Was fehlt Dir, mein Freund, was erregt Dich so?"
Feodor setzte sich ihr gegenüber und nahm eine der durchsichtigen Hände in die seinen.
„Lina", sagte er mit vibrierender Stimme, hast Du mir im Herzen auch ganz und voll vergeben?"
Ein leiser Schimmer des früheren sonnigen Lächelns glitt über Lina's feine Züge.
„Wie hartnäckig Du in diesem Punkte bist", entgegnete sie, „es ist doch schon lange her, seit ich Dir's sagte."
„Ja", antwortete Feodor gepreßt, „ich fühle mich aber trotzdem noch immer von Schuld bedrückt und wollte es nochmals hören, weil ich eine große Bitte an Dich habe!"
Lina richtete ihre Augen erstaunt und fast erschreckt auf ihn.
„Was für eine Bitte könntest Du an mich haben?" fragte sie unruhig.
„Lina", flehte er eindringlich, „Dein Körper ist sehr angegriffen, willst Du nicht mit meiner Mutter nach San Remo gehen und dort den Winter über Dich erholen?"
Lina schüttelte mit schmerzlicher Wehmut das Haupt.
„Wozu einer todesmatten Seele die weite Wanderung zum ersehnten Ziele noch verlängern wollen? Ich bin des Lebens müde, Feodor, — laß mich zu meinem Kinde gehen — — es wird nicht lange mehr zu warten brauchen!" fügte sie mit einem verklärten Blick nach Oben hinzu.
. (Schluß folgt.)