wäre. Der Kronprinz könnte nicht nach Rom gehen, ohne den Papst zu besuchen, eine Annäherung an den Vatikan aber erscheint durch die bisherige Hal­tung der Kurie bei den kirchenpolitischen Verhand­lungen ausgeschossen. Sie würde in der Hauptsache nichts anderes bedeuten, als die von derAurora" neulich geforderte Anerkennung der römisch-katholischen Kirchewie sie ist". Fast noch wichtiger als die Frage, ob der Kronprinz nach Rom geht, ist die nachgerade feststehende Taytsache, dag nicht er, son­dern der Prinz Friederich Carl zur Vertretung des Kaisers bei dem 27>jährigen Negierungssubilaum des Kaisern von Rußland am 2. März nach Petersburg geht.

Einen Magstab für die Macht des Kultus­ministers kann nran aus seinem jüngsten Erlasse an die Provinzialschulbehörden in Sachen der Recht­schreibung unserer deutschen Muttersprache gewin­nen. Er kann auordnen, das; lstnsort auf allen preußischen Schulen nach einem in seinem Ministe­rium von ungenannten Rathen aulgestellten ortho­graphischen System gelehrt wird: daß danach die schriftlichen Arbeiten der Schüler korrigirt und cen- sirt werden; daß nur noch solche Lehrbücher einge­führt werden, die danach gedruckt sind, einschließlich der neuen Auflagen alter. Den unteren Gymnafial- klassen gibt Herr v. Putrkamer fünf Jahre Frist, dann darf vor die Augen ihrer kleinen Insassen kein anderes gedrucktes Buch mehr kommen. Das aber heißt, äußert ach dieMagdeburger Ztg." über diese Angelegenheit, die Wörtenchreibung des deutschen Volkes feststellen, ohne 'weitere Mitwirkung des deut­schen Volkes oder irgend welcher literarischen Organe desselben, denn cs ist vorauSzusehen, daß das Bei­spiel der preußischen Schulverwaltung die übrigen deutschen Schulverwaltungen hinter sich herzieheu wird. Herrn v. Putttamer's Vorgänger scheint Anstand genommen zu haben, so gewaltsam eiuzu- greisen, wie sein Nachfolger setzt thut. Der Wider­stand, aus den er mir seiner rm Januar 1Ü7V ge­haltenen Sachversrändigen-Konferenz stieß, mag ihm ein Grund zu nochmaliger Ueberleguug gewesen sein. Das Bedürsniß der Schule nach Sicherheit und Einfachheit der Wvrterschreibuug ist ja nicht zu ver­kennen. Es wäre mit einer radikalen Reform viel­leicht am meisten gedient. Aber es gibt andere Jnteressenkreise, insbesondere die Angehörigen der Druckgewerbe und die Masse der weniger gebildeten Leser im Volk, deren Interesse gerade entgegengesetzt auf möglichste Erhaltung des Bestehenden geht. ' Tie Unrerrichtsverwaltungen werden Alles thun, was das Schulbedürsniß unbedingt erheischt, und doch zugleich sich vor einer indirekten Vergewaltigung der Erwach­senen, der ganzen Nation hüten, wenn sie periodisch in gemeinschaftlicher Arbeit und von der Sprachwis­senschaft unterstützt die geltende Schreibung sixirten. Dann Härten wir einen festen, klaren, allgemein an­erkannten Bestand , der stetigen, wenn auch langsa­men Fortschritt nicht ausschlösse.

Wie das D. M. hört, will die Neichsregiecuug nach Schassimg der neuen Jufantene-Regimeuter, jo weit als möglich, das elsaß-lothringische Armeekorps aus preußischen Truppen zusammensctzen. Der bis­herige Modus erschwerte nicht allein unendlich die Mobilmachung und Führung des Korps, sondern eS mußte dem Kompeteuzkouflitte, zu welchem eS trotz aller Rücksichtnahme st?) täglich kam, auf die Dauer ein Ziel gesetzt werden. Man glaubt daher, daß bis aus die bayerische Brigade alle andere Jnfantcrie- rruppe», außer den preußischen, in die Heimat zurück­kehren werden. < Demgemäß Hütte daS achte württ. Infanterieregiment Aussicht, von Straßburg und Kalmar wieder sorlzukommen, was die Herren Offi­ziere und die Mannschaften wahrscheinlich nicht son­derlich betrüben wird.) (W. L.)

Es bestätigt sich, wie das D. M. meldet, daß bei den zwischen dem Kronprinzen und dem Reichs­kanzler stattgehabten Konferenzen auch die innere Politik und insbesondere die parlamentarische Lage berührt wurde. Zwischen dem Kronprinzen und dem Reichskanzler soll sich sowohl bezüglich der äußern als innern Politik ein so volles Einverständniß er­geben haben; wie dieses in solchem Grade bislang noch selten der Fall gewesen! Die Haltung der kon­servativen Fraktion ist bei den Besprechungen natürlich nicht unberührt geblieben. Man sagt, daß deren Verhalten in jüngster Zeit mit großein Mißbehagen ausgenommen worden fei, namentlich die feindselige Stimmung, welche die konservative Fraktion gegen

den Minister des Innern konstant zur Schau ge­tragen. (W. L.)

Minden, 3t. Jan. Von den auf Zeche Meiden vcr- u » ginckten Bcrgleuten ist heute im hiesigen Krankcnhanse einer gestorben, so das; jetzt 18 Todte zu registriren sind. Man fürchtet sür das Leben noch eines anderen, während die übri­gen wohl gerettet werden dürften. 18 Jünglinge und Männer, sämmtlich in frischester Lebenskraft, keiner über 36 Jahre alt, innsttcn und das ist das Schrecklichste an diesem schrecklichen Falle! um des strafbaren Leichtsinns eines unter ihnen den bitteren Tod erleiden: 11 Frauen wurden durch ihn zu Wittwen, 25 znm grossen Theil noch unmündige Kinder zu Waisen. Das hat die amtliche Untersuchung des Unglücks ergeben, die von der staatlichen Koinmission veranstaltet wurde. Die Kommission hat die Lampe des ebenfalls geködteten und in grausiger Weise verstümmelten Friedrich Hartmann ans Meisten ohne den vorschriftsmäßigen Drahtcylinder und unver­schlossen vvrgesunden. sie nahm als höchst wahrscheinlich an, das; die Explosion durch diesen nicht vvrschriftmüßigen Bestand der Lampe des Getödteten entstanden sei. Die Entfernung deS EylinderS hat, da die Lampen vorher untersucht werden, im Innern des Schachtes stattgesnnden. Hartmann hat seine Lampe mit jenem, trotz der entsetzlichen Beispiele für die Gefähr­lichkeit deS Experiments bei Bergleuten leider immer noch unzutreffenden Leichtsinn geöffnet und so sein und seiner Kameraden Verderben hernnfbeschworen.

Oesterreich -Ungarn.

Wien, 30. Jan. Ans Josessladt wird gemeldet: Seit 4 Wochen wurde hier ein Soldat des Jnf.-Rcg. Her­zog von Nassau, welcher einem Offizier als Putzmann zngetheilt war, vermißt. Er hatte vor ungefähr einem Monat einen Zwist mit seinem Herrn, in Folge dessen er verschwand. Er kroch in einen Schornstein und henkte sich dort aus, wo er erst er war bereits steckbrieflich verfolgt -- dieser Tage zufällig von einem Rauchfangkehrer als Leiche in geräuchertem Zustande ausgesnnden wurde."

Frankreich.

Paris, 1. Febr. Die Kaiserin von Ruß­land ist gestern Nachmittag 2Vs Uhr von Cannes abgereist.

Spanien.

Madrid, 31. Jan. DerGibraltar Guardian" bcrichter aus Fez über heftige Konflikte zwischen Mauren und Juden. Die Mauren griffen die Ju­den an, tödteten und verwundeten mehrere und ver­brannten einen 70jährigen Greis lebend. Unter den verwundeten befinden sich mehrere französische Uuter- thanen.

Nkchüwd.

Petersburg. DerRegierungsbvte" meldet: In der Nacht vom 29. znm 30. Januar, als die Pvlizci behufs einer Hausdurchsuchung an dem Hause Nr. 10 . der Sappeursstraße anlungte, fand dieselbe beide Eingänge in die Wvhnung Nr. 9 geschloffen. Nachdem die Hauptthür ausgemacht worden war, ertönte daraus ein Schuß, welchem alsdann mehrere weitere Schüsse folgten. Die Polizei betrat nebst Gendarmen die genannte Wohnung und fand daselbst drei Männer und zwei Frauen vor, welche fortfuhrcn zu schießen, wobei ein Potizeioffizier kontusionirt wurde und einer der Bewohner des Hauses sich durch einen Revolverschnß tödtete. Nach der Verhaftung der Verbrecher wurde die Durchsuchung vollzogen, wobei eine Druckpresse und eine enorme Masse der soeben abgedruckten ZeitungNarodnaja Wolia" (Volkswohl), sowie eine Druckschrift, falsche Petschaften, gefälschte Dokumente, Gifte und Explosionsstoffe gesunden wur­den. Die Untersuchung hat begonnen.

DerKöln. Ztg." telegraphirt man noch fol­gendes nähere:Am 30. Jan. 3 Uhr Morgens wurde im Hause Baschkow eine nihilistische Druckerei aufgehoben. Der Stadthauptmann, Generalmajor Surow, mit etwa 30 Polizisten hattte das Haus umzingelt und war dann cingedrungen. Es folgte ein verzweifelter Widerstand der Nihilisten und es wurden gegen 30 Schüsse gewechselt: vor Pulver­dampf vermochten die Eindringenden lange Zeit nichts zu sehen. Der Nihilistenchef schoß sich durch den Kopf, die übrigen vier wurden sestgenommen, ein Polizist ist an der Hand verwundet. Surow wurde einen Grad höher befördert und erhielt einen Orden.

Lande! L Herkchr

Stuttgart, 2. Febr. (Landesproduktenbörsc.) Auch an unserer heutigen Börse war der Geschäftsgang ruhig, da eben der Konsum nur geringe Ansprüche macht und über den laufenden Bedarf nichts gekauft wird. Wir notiren per 100 Kilogramm: russischer Walzen ^ 26 50, bayerischer 24.70 25.75, amerikanischer 26.50, Kernen 24.75 bis ^ 25.25, Dinkel -L 16.-16.40, Haber 15.20-15.75. Mehtpreise pro 100 Kilogramm: Mehl Nro. 1: 38.50 bis 39.50, Nro. 2: 35.50 36.50, Nro. 3: 31 32,

Nro. 4: 27.5028.50. (N. T.)

Mannheini, 1. Febr. Die Stimmung im Getreide- Handel war wahrend abgelaufener Woche ruhig bei behaupte­ten Preisen in beschränkten Umsätzen und notiren wir: Waizen je nach Qualität ^ 23.50-26.50, Roggen ^ 18.5020.25, Gerste 18.75 19.75, .Haber 14.5015.75, Kohlreps 28 - 28.50 per 100 Kilo. Im Klcesamenhandel mäßiges

Geschäft in besseren Qualitäten Rothsaat und Lucerne. Roth- saat 102109, Lucerne 118126 und 135140 für hochfeine Provencer, italienische Esparsette 37- 38 per 100 Kilo brutto. Leinöl'«L 65 65.50, Rüböl ^ 61-61.50, Mohnöl Pfälzer 133134, Sesam-Ocl 98-100.

(Postalisches.) In Folge gemachter Wahrehmungen der obersten Reichspostbehörde sind die Postaiistalten unterm 25. Januar nochmals besonders darauf aufmerksam gemacht worden, daß den Packeisen düngen nach dem Anslande lediglich eine Inhaltserklärung mehr als bisher bei- zngeben ist. Beispielsweise sind den Sendungen nach Däne­mark, Oesterreich-Ungarn, Niederland zwei, nach Belgien, Frank­reich über Belgien, Rußland drei, nach Italien vier Inhalts­erklärungen beiznfügen. Die in den Postpacketsendnugen nach dem Anslande enthaltenen einzelnen Waren müssen genau be­zeichnet werden; allgemein gehaltene Angaben, wie: Colonial-, Kurz-, Mannfaclnr-, Material-, Schnitt-, Weißwaren, Medi- camente, sind unzulässig. Die Postpückercisendungen sind übri­gens von der Entrichtung der statistischen Gebühr befreit.

MrxettchrWrrächtl

Von Rodert Lemke.

Nachdruck verboten!

Ich bin kein Freund von Geheimnisse», Harry," sagte Edwin Willmann zn seinem jungen Schwager Harry Ste-ngcr,und nach dem zn urtheiten, was Du mir mitgctheilt hast, muß irgend etwas in Dr. Soltau's Vergangenheit eristiren, das er zu verheim­lichen für gut findet. Wenn er wirklich der ehren­hafte, sreimüthige Mann ist, als den Du ihn dar­stellen willst, für den Du ihn zu halten scheinst, warum schlägt er daun Leine Einladung aul und macht Worte, wie wenn er als Schauspieler ans der Bühne stunde?"

Nun, Du muß ihn selbst sehen, ihn selbst sprechen hören, es lag ganz und gar nichts Gemach­tes darin, als er sagte, er könne nicht Gast sein in eines ehrlichen Mannes Hause, und dasselbe galt von seiner Versicherung, die er gleichsam als Antwort aus meinen fragenden Blick hinzufügte, seine Hände seien frei von jedem Verbrechen, llebrigens, was er auch immer zu verbergen haben mag, mein Verhältnis zu ihm kann dadurch in keiner Weise beeinträchtigt: werden, ich werde ihm stets treu ergeben sein, ich werde es nie vergessen, daß er mir das Leben rettete!"

Hm. Da hat er am Ende nicht mehr gethan, als was auch andere Aerzte häufig genug thun."

Wenn ich Dir die näheren Umstände erzähle, wirst Du anders unheilen. Ich erkrankte lebensge­fährlich, wie Du weißt, während meiner letzten Reise nach Wien und wurde auf einer Zwischenstation zurückgelassen. Dieselbe bestand aus einem elenden hölzernen Gebäude, dessen einziges Zimmer mit nichts als einer Holzbank ausgestaiiet war, das nächste Dorf aber lag etwa Ls Meile entfernt! Du kannst hieraus annehmen, was aus nur geworden wäre, wenn nicht Dr. Solkau, der in demselben Zuge mit gewesen war, zu meiner Hilfe zurückgeblieben wäre. Er brachte mir Betten aus dem Dorf, blieb bei mir und pflegte mich sorgsam während der ganzen schrecklichen Krankheit, und als die größte Gefahr vorüber und ich so weit wieder hergestellt war, um aus der Eisenbahn weiter geschafft werden zu können, brachte er mich nach dein Dorfe P. in sein Haus, wo ich bis zu meiner voll­ständigen Genesung blieb. Und in jenen Tagen lernte ich ihn schätzen als den uneigennützigsten, edelsten Mann, den ich je gekannt. Er ist weit und breit in der dortigen Gegend als Arzt beliebt und könnte eine große Praxis bei den reichen Gutsbesitzern ha­ben, wenn er nur wollte; aber er hält sich trotz glän­zender Anerbietungen von ihnen fern, er verwendet seine ganze Zeit darauf, die Krankheit und das Elend in den ärmsten Hütten anfzusuchen, und verschenkt den größten Theil seines großen Einkommens an die Hülfsbedürftigen."

Wie alt mag er sein?"

Etwa vierzig Jahre. Sein Haar ist mit Grau gemischt, seine Stirn leicht gefurcht, aber seine Augen sind hell und sanft schöne Augen, Edwin. Ich glaube, Niemand, der ihrem bekümmerten, dabei aber so offenen Blick begegnet ist, würde es für möglich halten, daß er je durch irgend welche Handlung eine Schuld ans sich geladen haben könnte."

Aber seine eigenen Worte beweisen doch, daß er Ursache hat, sich in Betreff irgend einer Sache genirt zu fühlen. Er kommt mir vor wie Einer, der für irgend ein schweres Unrecht oder ein Verbrechen, das er begangen, Buße thut."

Das will ich nicht bestreiten. Und doch, trotz alledem, liebe ich ihn und vertraue ihm!"

Und Du wünschest, daß ich ihn im Hotel auf­suche und zu einem Besuche bei uns einlade, nachdem er bereits Deine Bitte, zu uns zu kommen, abge­schlagen hat?"