Gegend herrscht, bildet folgende Leidensgeschichte eines Bauern. Derselbe, Bescher eines ansehnlichen Bauerngutes, nahm vor etwa tü Iabren in momentaner Geldverlegenheit bei einem jener dunklen „Ehrenmänner" 880 Gulden auf. Die Schuld blieb stehen bis zum Jabre 1870. Am Kapital war inzwischen nichts abgetragen. Zinsen waren gleichfalls nicht bezahlt worden. Nur am Schlüsse jedes Jahres hatte der Gläubiger eine sog. Abrechnung vorgenommeu, bei der jedeSmal als Entschü- digung für die "unterbliebene Zinszahlung ^eine gewisse s-umnie zum Kapital geschlagen wurde, welche der «chuldner regelmässig in vollem Umfang anerkannte. Auf diele Weise wurde die Schuld bis zum Jahre 1870 auf die fabelhafte Höhe von 2 3,000 .E binaufgeirieben, ohne das; der Schuldner auch nur einen Pfennig mehr" als 880 Gulden erhalten hätte. Bisher hatte er die Sache vollständig geheim gehalten. Erst in einer schweren Krankheit, welche ibn im verflossenen Jahre befiel, machte er seinen Angehörigen hievon Mittheilung. Auf deren Betreiben wurde nun sofort zur Tilgung der «chuld. die sich rechtlich nicht ansechten liest, der volle Schuldbetrag bei einem anständigen Kreditinstitute gegen Verpfandung deS Bauerngutes ausgenommen. Bei Auszahlung des (beides war der Gläubi» biger ans besonderen Zuspruch bin so grostmnthig, seinem Opfer 1000 »L. nachznlasseu. (N. T.)
Braudsälle: In Zußdors (Ravensburg! am 2V. Jan. das Wohn- und Oekonomicgevünde des Seilermeisters Ferdinand Lehtz.
Vom Bodensee. 27. Jan. Bis vorgestern batte inan eine direkte Schlittschnhfahrt von Bregenz nach Lindau noch für bedenklich gehalten; gestern aber, bei einer nächtlichen Kalte von — 13 Grad Reaumur, gelang cs. die bayerische Hafenstadt auf Schlittschuhen zu erreichen -- seit 1830 das erstemal. Das Eis ist zwei bis drei Zoll dick, spiegelglatt und durchsichtig wie Anprall. Au nicht zu tiefen Stellen sieht mau unter den Fichen blangrünes Secwasscr, Sand und Kies, und die Muscheln auf dem Grunde.
AngSbnrg, 23. Inn. In rin biesigrs Geschäft trat neulich cin reisender Handwerker und bat um eine Gabe. Der Geschäftsinhaber, im Gespräche mit einem Kunden begriffen, greift mechanisch in seine Kasse und reicht dem Bittenden eins Münze. Dieser entfernt sim dankend. Nach wenigen Augenblicken kehrte der Reisende in de» Laden zurück und legt mit den Worten: „Sie werden sich wahrscheinlich versehen haben. Sie haben mir da ein Zehnmarkstück gegeben", eit, Gvib- stiick ans den Tisch. lN.-Ztgy
In einem Schneestnrme am 5. D.stembcr traf der Postbote Rosenauer ans seinem Gange von Adlkofen nach Günzkofen mehrere ans der Schule gekommene Kinder unterwegs, welche in Jvlge der enormen Schneeverwehungen von der Straße abgekommeu und vbne Hitre dem sicheren Tode ausge- seyt waren: sie »mßlcn sich selbst überlassen in dem Schneesturme zu Grunde zu geben. Der Postbote Rosenauer schaffte da Hilfe. Bon den kleineren Kindern nahm er je eines ans den Arm. eines fehle er sich auf den Rücken-und so, mit dem Posiselleiscn und den drei Kindern beladen, kämpfte er sich muthig durch Sturm und Schnee Bom Ministerium erhält nun Ikosenauer eine Remuneration von 50 -L und öffentliche Belobung.
Im Dorfe Bralitz (Kreis Königsberg) sind laut der „Voss. Z." 70 Kinder nach der Impfung erkrankt und mehrere schon gestorben.
Berlin, 28. Jan. Eine schauervolie Scene spielte sich im Haust der Mchgersiraste Nr. 27 dahier ab. Im Parterre deS rechten Seitenflügels daselbst wohnt der Stadtreiscnde P. mit sei--er Iran und seinen im Alter von 14, 5 und 3 Jahren, be.zw. 5 Monaten stehenden vier Kindern. P., der kruder bessere Tage gesehen, nach und nach aber immer mehr heruutergekvmmeu und seht bis zum gewohnheitsmäßigen Trunkenbold gesunken ist. pflegte in der Trunkenheit Frau und Kinder in einer io empörenden Weise zu mißhandeln, daß die Hausbewohner schon oft zu Gunsten der Bedrängten eintretcn mußten. Am Sonntag aber gegen 6 Uhr kam P. in beinahe sinnlos trunkenem Zustande nach Hanse und sing um einer geringfügigen Ursache willen mit seiner Frau einen Streit an. der schließlich damit endigte, daß er sich ans die Frau stürzte und drohte, sie umbringeu zu wollen. Er hätte diese Drohung aller Wahrscheinlichkeit" nach auch verwirklicht, wenn sich die Frau nicht durch einen Sprung aus dem Küchensenstcr auf den Hof dem Wütherich entzogen hätte. Er ließ nun seine Wulh äu den Kindern aus, die sämmttich, mit Ausnahme des 14jäh- rigen Mädchens, im Zimmer waren: die beiden demnächst ältesten, ein Knabe von 5 und ein Mädchen von 3 Jahren, versteckten sich, während der Säugling in der Wiege lag und, erschreckt durch den Lärm, laut schrie. Wüthcnd stürzte er sich aui denselben, packte ihn am Halse und steckte ihm, wie die andern Kinder aus ihrem Versteck mit ansaheu, einen Gummi- psropfen tief in den Hals, wodurch der Erstickungstod so- fort eintrat. Beim Eintreten der Frau, die sich inzwischen Hilfe geholt, war das Kind bereits eine Leiche, während der wohl durch das cmgcrichtete Unheil etwas nüchtern gewordene P. auf dem Sopha saß. Inzwischen war auch die Revierpolizei erschienen, die den Thatbestand seststcllte und P. sofort in Haft nahm.
Berlin, 28. Jan. Der Kronprinz hatte gestern eine zweistündige Unterredung mit dem Fürsten Bismarck, und konserirte Abends mit dem Kaiser. Heute Vormittags hatte er mit Bismarck eine wiederholte Besprechung: seine Abreise wird erst Abends erfolgen. - Heute Nachmittags 4 Uhr erschien Fürst Bismarck zum Vortrag beim Kaiser. (W. L.)
Berlin, 29. Jan. In den letzten Tagen sind bier wieder viele beunruhigende Gerüchte in Unlauf gesetzt worden. Sv erzählte man sich von angeblichen Vorsichtsmaßregeln, die an unserer Ostgrenze
getroffen würden. Indessen solche Gerüchte gleichen den schweren Dünsten in der Hundsgrottc, die sich nur wenige Fuß über den Boden erheben. In den oberen politischen Kreisen dauert die Fricdcnszuvcr- sicht fort, die so eben durch die Erklärung des österreichischen Ministers des Auswärtigen eine neue Bestätigung gefunden hat. Wenn Haymcrlc versichert, daß Oesterreich mit Rußland aus dem besten Fuß stehe, wie sollte das nicht noch mehr für Deutschland gellen, dessen Unrecht in den Augen der Russen nur darin besteht, daß es ihnen die österreichischen Interessen im Orient nicht preisgcben will. Auch die russische Presse fließt über von friedlichen Versicherungen. Die Vermehrung des deutschen Reichsheeres und die Verstärkung unserer Wehrkraft, wie sie durch die neue Vorlage herbeigeführt werden soll, hat die Russen überrascht, um nicht zu sagen verblüfft. Sie suchen um die Wette zu beweisen , daß Rußland zu solchen Maßregeln keinen Anlaß gegeben habe. Die beunruhigenden Nachrichten über Rußland seien in Umlauf gesetzt worden, um Stimmung für die Militärvorlage zu machen. Dem gegenüber muß bemerkt werden, daß die Vorlage nicht einer bestimmten Besorgnis), sondern der allgemeinen Erwägung entsprungen ist, daß unsere Armee in ihrem jetzigen Bestände nicht den übrigen großen Heeren Europas mit Sicherheit gewachsen sei.
Berlin, 29. Jan. Auf ein an den Gencral- Feldmarschall Grasen Moltkc gerichtetes Schreiben, worin ersucht wird, dieser möchte seinen Einfluß bei dem Kaiser geltend machen behufs Verminderung der deutschen Armee antwortete Graf Moltte: „Wer theilt nicht den innigen Wunsch, die schweren Militärlasten erleichtert zu sehen, welche vermöge seiner Weltstellung inmitten der mächtigsten Nachbarn Deutschland zu tragen genöthigt ist? Nicht die Fürsten, nicht die Regierungen verschließen sich ihm, aber glücklichere Verhältnisse können erst einrretcn, wenn alle Völker zu der Erkenntnis) gelangen, daß jeder Krieg, auch der siegreiche, ein nationales Unglück ist. Diese Ueberzeugung herbeizusühren vermag auch die Macht des Kaisers nicht. Sie kann nur aus einer besseren religiösen und sittlichen Erziehung der Völker hcrvvr- gehen, eine Frucht von Jahrtznnderten weltgeschichtlicher Entwickelung, die wir Beide nicht erleben."
Das Schreiben VeS Feldmarschalls Moltkc war an einen Bewohner eines Dorfes bei Licbstadt gerichtet. Derselbe hatte den Feldmarschall in einem längeren Sendschreiben ersucht, mit seinem mächtigen Einfluß beim Kaiser dahin zu wirken, daß eine Verminderung der deutschen Armee cintreten möge. Obschon der Briefschreiber, sagt die „N. A. Ztg.", mildem arbeitenden Stande angehört, hat ihm der berühmte Feldherr und greise Stratege doch geantwortet.
Berlin, 29. Jan. Das Mehrerfordernij) an Matriknlarbeiträgen soll 8—9 Mill. -.U betragen und durch die Bransteuer gedeckt werden. — Der beantragte Gehalt für den Staatssekretär des Auswärtigen ist von den Ausschüssen des Bundcs- raths nur mit 50,000 i statt 60,000) c/ä bewilligt worden. Die Berufung des Grafen Hatzfeld für den Posten ist beschlossene Sache.
Berlin, 29. Jan. Die wiederholten Besprechungen, welche der Kronprinz mit dem Kaiser und dem Reichskanzler gehabt, sollen mit der Frage in Verbindung stehen, ob der Kronprinz bei einem eventuellen Besuche Roms auch im Vatikan einen Besuch abstatten solle. — Bezüglich der ablehnenden Haltung, welche der französische Kriegsminister Farre gegenüber dem Anträge auf Abkürzung der Dienstzeit eingenommen, indem er hervorhob, daß zur guten Ausbildung von Soldaten drei Jahre nicht genügen würden, bemerkt die „Nordd. Mg. Ztg.": „Dieser Ausspruch einer offiziellen militärischen Autorität jenseits der Vogesen sollte auch von der öffentlichen Meinung Deutschlands nach Verdienst gewürdigt werden, denn er berührt eine Kontroverse, die bei uns ebenfalls von Zeit zu Zeit aufs Tapet gebracht wird, allerdings nur zu Zwecken politischer Klopfflechterei und demgemäß auch in einer Bchand- lungsweise, die alles andere eher denn sachlich ist. Unfern fortschrittlichen Heißspornen mit ihrer Schwärmerei für ein Volksheer oder doch mindestens für die Herabsetzung der aktiven Dienstzeit von drei auf zwei Jahre dürfte die Kundgebung des französischen Kriegsministers schwerlich angenehm sein, da sie ihnen ihr Konzept verdirbt. Frappiren muß es immerhin, daß man in den fachmännischen Kreisen jenseits der Vogesen an einer dreijährigen Ausbildungszeit des fran
zösischen Soldaten, trotzdem er vor dem deutschen den Vorzug größerer Findigkeit und Elastizität besitzen soll, nicht genug zu haben glaubt, während unsere Radikalen am Liebsten schon über die zweijährige Dienstzeit hinwcgschreiten und in die Bahnen des reinen Milizsystems cinlcnkcn." (Angesichts dieser offiziösen Auslassung will uns die neulich von der „Württ. Landesztg." gebrachte Nachricht von der in maßgebenden Kreisen angeblich ventilirten Herabsetzung der Prüscnzzeit auf zwei Jahre als wenig glaubhaft mehr erscheinen. Die Red.) (T. Ehr.)
Wie sehr in allen großen Staaten Europas der Militär-Etat die finanziellen Kräfte derselben in Anspruch nimmt, geht anS folgender Zusammenstellung hervor: Vor den beiden großen Kriegen im Jahre 1865 betrug der Gesammtetat aller deutschen Staaten 637 Millionen Mark, wovon 198 Mill. ans den Militärctat kamen : im Jahre 1879 betrug der Ge- snmmtctak derselben 1321 Mill., der Militäretat 427 Mill. Größer noch als in Deutschland, auch unter Zurechnung der neuen Erhöhung, ist gegenwärtig der Militäretat in Frankreich (540 Mill.), in England (644 Mill.) und Rußland (730 Mil!.); in allen europäischen Staaten zusammen beläuft er sich auf 3219 Mill. Mark. In Folge dieser enormen Ausgaben hat sich denn auch die Schuldenlast der einzelnen Staaten gewaltig erhöht. Dieselbe beträgt in runden Summen: in Deutschland 4400 Mill. Mark, in der Türkei 5000 Mill., in Oesterreich-Ungarn 8425 Mill., in Spanien 10 500 Mill., in Rußland 12 000 Mill., in Großbritanien 15 565 Mill., in Frankreich 16 500 Mill. M. Die gesummten Staatsschulden Europas betrugen: 1865: 52 535 Mill. M., 1879: 86 492 Mill. M., sind also in den letzten 14 Jahren um 33 957 Mill. M. gestiegen.
Die unter dem Namen „Kaiser Wilhelms- Spende" zu Berlin begründete Allgemeine deutsche Stiftung für Alters-, Renten- und Kapital-Versicherung hat ihre Thätigkeit seit Mitte Deccmber o. I. begonnen. An alle städtischen Behörden im deutschen Reiche, an die meisten Sparkassenverwaltungen, an die preußischen Landräthe und Amtshauptleute sind die Drucksachen versandt. Auch an sehr viele Privatpersonen und andere Behörden sind aus deren Verlangen die Gcschästsplüne, Versichern» gsbedin- gungcn und Tarife geschickt worden. Ueberall zeigt sich rege Thcilnahme, und es sind bis zum 21. d. M. bereits 1600 Einlagen gezahlt worden. Vielfach hindert der Jrrthum, als sei die Anstalt nur für Arbeiter bestimmt, während aus allen Ständen Jedermann, der nicht zu den wirklich Vermögenden gehört, für sich Einlagen machen kann. Fast alle Städte, die bisher auf die Zusendung geantwortet haben, sind bereitwillig der Anstalt entgegengekommen, haben die städtischen Kassen und Sparkassen als Zahlstellen bewilligt oder, wo dies nicht thunlich erschien, geeignete Männer zur Verwaltung von Zahlstellen in Vorschlag gebracht. Die Direktion ist gegenwärtig lebhaft mit Organisation dieser Zahlstellen beschäftigt.
Wie man der „Augsb. Allg. Z.'4- ans Berlin mittheilt, hätte Feldmarschall Graf Moltke, wie in Abgcordnetenkrcisen erzählt wird, alle Bedenken "gegen die Militärvorlagc mit der Erklärung niedergeschlagen, daß er, wenn der Reichstag fdie Militärvorlage ablehnen sollte, seinerseits die Verantwortlichkeit für die Sicherheit Deutschlands gegen auswärtige Angriffe ablehnen müsse. Wolle man Elsaß-Lothringen wieder an Frankreich ausliefern, so ändere das die Sachlage: wolle man das nicht, so bleibe nichts übrig als die Vorlage anzunehmen.
Das officiöse Dementi, welches die Nachricht, es werde dem Reichstage ein Steuerbouguet überreicht werden, als die Erfindung sensationslustiger Correspondenten bezeichnete, wird ein glänzendes Fiasco erfahren, denn nicht nur Brausteuer, Börsen- und Jnseratenstener, sondern auch eine Wehrsteuer ist in allem Ernste geplant. Bezüglich der letzteren scheint man auf den Versuch zurückgreifen zu wollen, der bereits vor etlichen Jahren in gleicher Richtung gemacht wurde und bereits im Bundesrathe scheiterte. Damals sollte jeder Berechtigungsschein zum einjährig-freiwilligen Dienst mit 20 Mark und jede sonstige Befreiung vom Dienst, soweit sie nicht auf Grund körperlicher Gebrechen erfolgte, mit derselben Summe besteuert werden.
Nach dem Etat der Einnahmen aus den Zöllen und Verbrauchssteuern sollen die Entwürfe derselben sich pro 1880 — 81 auf 300 Mill. d. h.