Stuttgart, 2. Jan. Hunderte benützten die­sen Nachmittag die Pferdbahu nach Berg oder Cann­statt, um die durch den Eisgang angerichtete Ueber- schwemmung des Neckarthales zwischen Cannstatt und Eßlingen zu sehen, das besonders vom Wasserhaus bei Berg bis Wangen einen trostlosen Anblick bietet. Vom Wasserhaus an bis Wangen bildet das ganze Thal links des Neckars mit Ausnahme der etwas erhöhten Staatsstraße von Berg nach Wangen bis an die Hügelkette hin nur eine große Eis- und Wasserfläche. (St.-A.)

Stuttgart, 3. Jan. Als gestern Bormittag die Staatsstraße zwischen Wangen und Gaisburg schon überschwemmt war, versuchte eine Equipage, trotz der Warnung des Straßenwärters, diesselbe zu pas­siven. Während der Fahrt durch das Wasser kam das Geführt aus der Straßenbabn und stürzte um, wobei beide Pferde ertranken. Die Fahrenden konn­ten sich in der Richtung gegen GaiSbnrg durch das Wasser retten. Dem Bernehmen nach war das Ge­fährt mit einigen Einwohnern von Stuttgart besetzt; über die Personen derselben sind übrigens irrthüm- liche Nachrichten verbreitet worden. (St.-A.)

Stuttgart, Montag, 5. Januar. In Folge Zusammenstoßes einer leeren Maschine mit der Maschine des in Breiten stehenden Schnellzuges entgleiste der letztere. Niemand ist verletzt. Der Schnellzug erhielt Zstündige Berspätung. (Sch. B.1

Stuttgart. Die beiden Minder der unglück­lichen Familie Waibcl, welche sich im Olgaspital in bester Pflege befinden, sind wohl noch am Leben, aber in einem Zustande, der eine baldige Auflösung erwarten läßt. Unser Berichterstatter hat die Kin­der gesehen; es sei ein jammervoller Anblick, wie diese armen Opfer eines Unmenschen, eines Tigers, zugerichtet sind, das Herz drehe sich einem im Leibe herum. (W. Ld-Sztg.)

Stuttgart. Die Frechheit deS Mörders Waibcl bei seiner Consrontirung mit den Ermor­deten und seine Gefühllosigkeit daöei war beispiellos. Nachdem er aber gesehen, daß das Läugnen nichts helfe, hat er gestern die That in allen Einzelheiten eingestanden. Der erste Staatsanwalt beim hiesigen Landesgericht, Dr. Lenz, hat die Untersuchung in der Hand, und möglicherweise kann der Fall noch bei dem gegenwärtig tagenden Schwurgericht in Abur­teilung kommen. Leider läßt das Befinden der zwei Kinder, die noch leben, kaum eine Hoffnung auf Rettung: auch das 13jährige Mädchen ist so schwer am Kopf verletzt, daß am Auskommen gezweifelt wird. Die Kinder liegen im Olgaspital. Die Beerdigung der Ermordeten fand am heutigen Bormittag auf dem Pragfriedhof statt. Die Aufregung in dem be­treffenden Stadttheil ist eine hochgradige, ja die ganze Stadt war und ist von dem unerhörten Fall entsetzt und erschüttert. lieber die Persönlichkeit des Mör­ders ist in Erfahrung gebracht: Johann Waibcl von Kupferzeit diente in der württ. Reiterei, machte den Feldzug von 1866 und den von 1870 mit und diente als Steuerschutzwächter. Waibcl war zweimal ver- heirathct, von der ersten Frau wurde er geschieden, von der zweiten hatte er sich getrennt. Jahre lang hat er sich in Oesterreich herumgetriebcn. Er soll von seinen Kameraden gefürchtet gewesen sein als ein Mensch, dem alles znzutrauen sei. (St.-A.)

Waldsee, 30. Dez. Die Frau eines hiesigen Rentiers schlug nach demN. T." ihrem halbjährigen Kind derart den Kopf an die Wand, daß es sofort todt war. Man soll an ihr schon längst Geistes­störung bemerkt und leider die entsprechenden Maß­regeln versäumt haben.

Brandfälle: Am 31. Dez. in Jndelhausen (Münsingen) ein Wohnhaus samt Scheuer; in Han- gendenbuch, Gem. Abtsgmünd (Aalen), am 31. Dez. eine Scheuer. Der geisteskranke Bruder des Brand- bcschädigten, welcher am 29. Dez. ans der Anstalt Skt. Binccnz in Gmünd entlassen wurde, zündete dieselbe an, und befindet sich nunmehr in polizeilicher Berwahrung.

Pforzheim, 1. Jan. Heute Bormittag brach auf der Nagold das Eis und setzte sich mit solcher Wucht in Bewegung, daß von unser» 5 Flußüber­gängen über die Nagold bezw. Enz 4 durch die auf- treffenden Eismassen zerstört und fortgerissen wurden. Es sind dies die Werder- und die Altstädterbrücke und der Nagold- und der Lindenplatzsteg.

München, 31. Dezbr. Den Scharfrichter Scheller soll die in Würzburg vorgenvmmene Hin­richtung Hollebers ungemein angegriffen haben, und

zwar deßhalb, weil derselbe so reumüthig gestorben ist. Scheller habe nach der Exeeutiou geäußert, er werde seine Stelle niederlegen.

Nürnberg, 30. Dez. Die G. N. Kurz'sche Brauerei hier hat kürzlich einen eigenen Extrazng mit 23 Wagenladungen Bier in geheizten Wagen nach Berlin abgefertigt. Es ist dies wohl der größte BiertranSport, welcher je Nürnberg verlassen hat.

Aus Dürkheim iu der Pfalz wird berichtet, daß die große Kälte den Weinbergen bedeutenden Schaden zngefügt habe, indem so viele Reben erfroren seien, daß man für nach- stes Jahr nur auf einen halben Ertrag rechnen könne.

Mainz, 2. Januar. Der seit gestern offene Main verursachte in hiesiger Gegend bedeutende Ber- heerungen und läßt noch weitere befürchten. Durch den noch steckenden Rhein aufgehalten, thürmte sich das Main-Eis an der Mainspitze auf und brachen sich die Wassermassen rechts und links über das Land Bahn. Die Dörfer Kostheim und Ginsheim sind überschwemmt, Theile des Hafens und der Festungs­werke auf Gustavsbnrg sind znsammengerissen. Die Landpfeiler der Eisenbahnbrücke sind in Gefahr. Das Schienengeleise bei Gustavsburg ist überschwemmt, die Passage über die Eisenbahnbrücke abgesperrt, der Bahnverkehr nach Frankfurt und Darmstadt abge­schnitten. (T. Chr.)

Mit dem 1. Januar 1880 ist der neue deutsche Zolltarif in allen seinen Theilen in Kraft getreten, nachdem er schon vor Monaten in einer Reihe wich­tiger Artikel zur Wirksamkeit gelangt war.

Berlin. Nach dem Tageblatt war an der Börse das Gerücht verbreitet, der Kaiser habe ge­legentlich der Neujahrsansprache an die Gene­ralität sich u. A. privatim auch dahin geäußert, man müsse bei Benrtheilung der auswärtigen Lage selbstredend große Vorsicht und Zurückhaltung walten lassen. Deutschland habe freilich vorläufig keinen Grund zu Bedenken, selbst wenn sich in benachbarten Staaten Veränderungen vollzögen.

Aus Berlin verlautet, daß die Verfassungsbe­stimmung schon formulirt sei, welche von liberaler Seite im Reichstage eingebracht werde, um die Thron­besteigung fremder Fürsten in deutschen Bundes­staaten für jetzt und die Zukunft zu verhindern. Der Antrag hat in parlamentarischen, liberalen, und con- servativcn Kreisen gute Aufnahme gesunden, weil es sich nicht nur etwa um die Aufhebung der Hausge­setze in den Kleinstaaten, sondern um die Einführung einer Berfassungsbestimmung handelt, welche auch in den größeren Bundesstaaten die Besitzergreifung des Thrones durch einen ausländischen Potentaten oder dessen Erben unmöglich machen soll.

lieber die Köpfe unserer ultramontanen Par­lamentarier hinweg scheint dennoch, so unmöglich es auch gehalten wird, ein Friedensschluß mit Rom zu Stande zu kommen. Das einzige geflügelte Wort des Fürsten Bismarck:Nach Canossa gehen wir nicht!" soll die Bestätigung von Rom selbst erfahren, und in Deutschland soll man sich sagen, daß so ziem­lich die umgekehrte Tour beliebt worden sei, indem der Papst, die Unmöglichkeit eines demüthigen Auf­tretens der deutschen Staatsleitung einsehend, sich selbst zu einer diplomatischen Wallfahrt entschlossen hat. Ist einmal diese principielle Frage in einer wenigstens dem Anscheine nach befriedigenden Weise erledigt, so werden sich die Modalitäten für den ei­gentlichen lÄoäug vivonäi schon bald finden, und das Friedensinstrument dürfte wohl rascher hergestellt sein, als es die bloßen Erörterungen zwischen Kanz­ler und Nuntius ermöglichen lassen.

Der provisorische Handelsvertrag mit Oestreich- Ungarn ist endlich zum Abschluß gekommen.

Metz, 2. Jan. Das Mosel-Eis ist gestern in's Treiben gekommen; die ganze Niederung bis Ars steht unter Wasser. Von Millery an der oberen Mosel wird weiteres Steigen gemeldet. Auch die Seille steigt und hat die Flußwiesen total überschwemmt. OesterreichUngarn.

Wien, 31. Dez. Der gegen den König und die Königin von Spanien gerichtete Mordver­such machte hier namentlich in der kaiserlichen Fa­milie einen tiefschmerzlichen Eindruck. Nach den hier eingelaufenen Madrider Nachrichten war der Thäter ein heruntergekommener Mensch, der von republika­nischen Verschwörern zur That gedungen sein und diese bereits angegeben haben soll.

Schweiz.

St. Gallen, 31. Dez. DieN. Z. Ztg." veröffentlicht folgendes Telegramm: Eisenbahnun­glück des Züricher 10 Uhr-Zuges: Zwei Lokomotiven

wurden über Bord geworfen, zwei Gepäckwagen ganz, ein Personenwagen halb zertrümmert. Der Zugführer ist todt, der Lokomotivführer unter der Lokomotive lebendig begraben. Gegen fünf Personen vom Zug­personal und acht Passagiere sind lebensgefährlich bis leicht verwundet.

Italien.

In Egypten plagt man sich mit dem unange­nehmen Gedanken ab, daß Italien eine große Sehn­sucht hege, sich in den kostenlosen Besitz einiger Hä­fen der afrikanischen Küste zu setzen. Darum sollte es auch schon bei der feindseligen Haltung Abessini­ens seine Hand im Spiele gehabt haben. Man bringt damit auch die Reise des italienischen SchiffesEx- plvratorc" in das Rothe Meer in Zusammenhang. Man dürfte der Wahrheit durch die Annahme ziem­lich nahe kommen, daß von englischer und französi­scher Seite diese Gerüchte möglicherweise nicht ohne alle Berechtigung in Umlauf gesetzt werden, um Ita­lien möglichst in Mißcredit zu bringen. Allerdings wäre eine italienische Besitzergreifung der Assab-Bai, eines fruchtbaren Küstenstriches, nicht nach dem Ge- schmacke der englisch-französischen Politik in Afrika^ da Italien damit den Stapelplatz des europäischen Handels mit Abessinien in die Hand bekäme. An­dererseits ist es aber auch unzweifelhaft, daß Italien, wenn cs wirklich solche Pläne verfolgen sollte, auf ernste Schwierigkeiten gefaßt sein müßte.

Frankreich.

Paris, 3. Jan. DerTemps" bringt Ein­zelheiten über den Neujahrsempfang im Elysse. Er berichtet: Als Freycinet die Botschafter einzeln be­grüßte, zeigte der deutsche Botschafter Fürst Hohen­lohe dem Ministerpräsidenten de Freycinet den Em­pfang eines Telegramms von Fürst Bismarck an, worin Bismarck ihn ersucht, dein Conseilspräsidenten seine persönlichen Glückwünsche auszudrücken und ihm mitzuthcilen, daß, so sehr er das Scheiden St. Bal- lier's bedaure, ec doch lebhaft wünsche, daß die freund­schaftlichen und friedlichen Beziehungen beider Länder aufrechterhalten bleiben. Fürst Hohenlohe fügte in seinein eigenen Namen weitere verbindliche Aenßerun- gen hinzu und wies nun auf die Beziehungen hin, wodurch seine Familie mit derjenigen Freycinets ver­bunden sei. Freycinet dankte und bat Fürst Hohen­lohe, dem Fürsten Bismarck seinen sehnlichen und aufrichtigen Wunsch für die Erhaltung der freund­schaftlichen und friedlichen Beziehungen zu übermit­teln, wodurch Frankreich und Deutschland verbunden seien. Ec sei glücklich, daß der Ucbermittlcr seiner Wünsche gerade Fürst Hohenlohe sei, mit welchem die schon lange zwischen den beiderseitigen Familien bestehenden freundschaftlichen Beziehungen noch enger zu knüpfen ihm zur größten Freude gereichen werde. Spanien.

Madrid, 31. Dez. Nach weiteren amtlichen Mittheilungen heißt der Attentäter Francesco Otaro. Seiner Aussage zufolge war derselbe Kuchenbäcker; wegen deS schlechten Standes seiner Geschäfte habe er den Entschluß gefaßt, sich das Leben zu nehmen, doch ein Freund habe ihm gerathen, ein Attentat auf den König zu unternehmen. Otaro erklärte ferner daß er Mitschuldige habe. Einer von diesen ist bereits verhaftet, ein anderer wird noch gesucht. Die gerichtliche Untersuchung hat begonnen. Der König blieb vollkommen gelassen; auch die Königin bewahrte große Ruhe. (St.-A.)

England.

Der Feldzug in Afghanistan nimmt wieder eine zusehends günstigere Wendung. Vergebens rannten sich die Afghanen an dem befestigten Lager der eng­lischen Truppen bei Schorpur ihre Köpfe ein, bis schließlich die englische Kavallerie unter den verzwei­felten Bergstämmen, welche sich zur Flucht wandten, ein fürchterliches Blutbad angericht haben soll, wie es in den betreffenden Berichten vom Kriegsschau­plätze heißt.

Rußland.

Petersburg, 31. Dez. Laut Meldung aus Cannes vom 29. Dez. ist die Besserung im Ge­sundheitszustände der Kaiserin im allgemeinen fort­schreitend. (St.-A.)

Fürst Gortschakoff beginnt sich an dem Fürsten Bismarck bitter zu rächen. Neuerdings ist die Nach­richt in Umlauf gesetzt worden, daß im Jahre 1865 Fürst Bismarck versucht hätte, die Führer des Pol­nischen Aufstandes für sich zu gewinnen, um von Rußland die Abtretung polnischer Landestheile zu erzwingen. Natürlich wird diese mit Geflissenheit