Die Vorbereitungen zum Bau des Reichstags gcbäudeS in Berlin schreiten jetzt rascher vor als bisher. Die Baupläne erfordern die Verlegung einer Straße, der Sonnenstraße. Alle hierdurch bedingten Arbeiten werden ans Staatskosten ausgesucht, die Stadt Berlin gibt die Straßen unentgeltlich her.
Die „N. fr. Pr." läßt sich aus London berichten, daß wir uns in der ägyptischen Angelegenheit auf neue Ueberrafchuugcu gefaßt machen können. Fürst Bismarck trage sich mit dem Gedanken, eine europäische Eonserenz dcliuss Ordnung der Lage der Dinge in Kairo vorzuschlageu und er werde diesem Plane von Oesterreich und Rußland unterstützt. In Paris sei man über diese Idee nichts weniger als erbaut und auch in London dürste der Gedanke nur sehr wenig Anklang finden. Letztere Ansicht mag wohl richtig sein: denn den beide» Regierungen, welche die ägyptische Angelegenheit als ihr Monopol seither betrachteten, kommt die Einmischung des deutschen Reichskanzlers sehr ungelegen sowohl für den vorliegenden Fall, als im Allgemeinen und zwar um so mehr, als die deutsche NeichsregierunH auch in der südamerikanischen Angelegenheit wie bezüglich der Samoa - Inseln ein initiatives Auftreten bethütigt, welches den Seemächten neu erscheint. Die „Mor- ning-Post" bemerkt mit einem nicht mißzuvcrstehenden Seitenblick aus Frankreich, daß Fürst Bismarck das Verlangen trage, außer der contiueuralen Stellung, mit welcher der Ehrgeiz Deutschlands sich bislang begnügt habe, auch eine coloniale Politik zu verfolgen. Die Anzeichen der kommenden Entwicklung seien längst sichtbar gewesen, wenn auch in jüngster Zeit eine raschere Anhäufung der Symptome eiugetrcten sei. Das Blatt bezweifelt sehr, ob Frankreich sich zu dem unerwarteten Helfershelfer in Berlin Glück wünschen könne. Die Wahrscheinlichkeit spreche dafür, daß die Politik BiSmarck'S darauf ab,ziele, den deutschen Einfluß an einer Steile zur Geltung zu bringen, wo dies bishernvch nicht geschehen sei.
D ie Regierungen von De n t schlaud und E n g- land haben einen Vertrag über die gegenseitige Unterstützung schiffbrüchiger Seeleute abgeschlossen. Die Unterstützung umfaßt Verpflegung, Kleidung, amtliche Behandlung, Arzneien und Reisegelder; bei Todesfällen werden die Beerdigungskosten bezahlt.
Die goldenen Feste rauschen vorüber, aber die guten Werke, zu ihren Ehren gethan, leben und wirken in Fahrhunderten. Und gottlob! eS fehlt nicht an zahlreichen Stiftungen zu Ehren der kaiserlichen goldenen Hochzeit und wir werden viele aufznzählen haben. Rebst den schon benannten noch folgende: In der Stadt Leipzig haben Bürger 12000 ^ gesammelt und errichten dafür Freibettrn im städtischen Spital. Krupp in Essen hat eine ähnliche Summe für Kranke, N!:e und Waisen seiner Fabrik, der Berliner Franenverein unter dem Protektorate der Kaiserin 170000 l/ki für Krankenanstalten gestiftet. Zn Höchst haben die Fabrikbesitzer Meister, Lucius und Brüning 180 000 ^ zu einer Wilhelm-Augusta-Stiftung für das Wohl ihrer Arbeiter gespendet. — Die Petersburger Deutschen haben nachträglich zum „Nationaldank" 67 000 ^ nach Berlin geschickt. — Niederlande.
Kronprinz Wilhelm ist also gestorben. Er lebte seit Jahrzehnten als ein verlorener Sohn in dem Strudel wildester Genüsse in Paris und war schon lange leiblich und geistig aufgegeben. Sein Bruder Alexander, 1881 geboren, ist zwar voriges Jahr aus dem Pariser Babel heimgekehrt zu den holländischen Deichen und Teichen, aber auch ihm wird kein Teich Bethesda mehr auf die Beine helfen. Von den alten Oraniern lebt seit dem Tode des Prinzen Heinrich nur noch Prinz Friedrich, 82 Jahr alt; er kommt also für den Thron nicht mehr in Rechnung. Der König Wilhelm ist 61 Jahre alt und seit dem Januar d. I. mit der Prinzessin Emma von Waldeck vermählt; ob der alte Stamm ein frisches Reislein treiben wird? Wenn nicht, dann ist der Herzog vonNassa u, der 1866 sein schönes Land, reich an edlem Wein und Wasser, an Holz, Wild und Metall, und seinen Thron verloren hat, der nächste Erbe.
Frankreich.
Paris, 12. Juni. Blanqui ist freigelassen und hierher zurückgekehrt; seine Anhänger betreiben seine abermalige Kandidatur in Bordeaux.
Die französische Nationalversammlung debattirt über die Ferry'schen Unterrichtsgesetze und hat damit einen leidenschaftlichen Kampf ans die Tagesordnung gebracht. Die Gegner setzen alle Hebel
in Bewegung, die Gesetze zu Fall zu bringe», bei der jetzigen Zusammensetzung der Kammer dürften ihre Anstrengungen aber vergeblich sein. Bezüglich des Ausstandes in Algier bemüht sich die Regierung, demselben jede Bedeutung abzusprecheu; es steht dies jedoch in Widerspruch mit den Rüstungen, die ganz im Stillen gemacht werden und aus denen zur Genüge hervorgeht, daß die Rebellion weit ernster ist, als mau dem Volke gestehen will.
England.
London, 11. Jum. Ter Petersburger Korrespondent des Daily Telegraph meldet aus vorzüglichster Quelle, der Zar sei deshalb nicht zu den Berliner Festlichkeiten gereist, weil die dortige Polizei den Vorbereitungen zu einem Attentate aus den Zar aus die Spur kam. Der Korrespondent erklärt seine Nachricht für absolut wahr, wie sehr man sie auch vvu Berlin aus demeutireu sollte. hLdsztg.)
London, 12. Juni. Im llnterhause antwortete aus Befragen Schatztanzler Northcote: Bis zum 28. April betrugen die Kosten des Zulukrieges etwas über 80 000 Psd. St. monatlich: wenn dieselben seitdem nicht gestiegen seien, betrügen dieselben Ende Juni voraussichtlich 1600000 Psd. St.
Rußland.
Petersburg, 13. Juni. Bei einer jüngst von einem Dwornik in Petersburg arrctirten verdächtigen Persönlichkeit fand man einen Dolch und zwischen compromittirenden Papieren zwei Briese folgenden Inhalts : Der erste ist an Herrn Korcorow, früheren Director der Wolga-Eommcrzöauk, gerichtet und lautet: „Das Eeutralkomite hat aus seiner Sitzung Beschluß gefaßt, Ihnen vorzuschlageu, unverzüglich dem Ueöerbringer dieses für Bedürfnisse des Coniites fünfzehmanscnd Rubel ausznzahlen und wird hierbei warnend darauf aufmerksam gemacht, daß Sic, sofern Sie im Verlaus von 8 Minuten bezeichnete Geldsumme nicht entrichten, des Lebens beraubt werden sollen, sowie daß eben dasselbe Geschick Sie auch in dem Falle erreichen wird, daß Sie sich erlauben sollten, über dieses Schreiben irgendwohin znr Kennt- nißnahme zn berichten." Der zweite Brief, vom Arrestanten selbst an den betr. Herrn Kokorow geschrieben, lautet: „Geehrter Herr! Im Aufträge des Ehess der Gendarmen bitte ich Sie ergebenst, mir in einer Sie nahe tangirenden Angelegenheit unverzüglich eine Unterredung von zehn Minuten zn gewähren." (Fr. I.)
In Rußland schmeichelt man sich wieder einmal mir dem Gedanken, der Kaiser werde dem Reiche noch im Lause dieses Jahres eine Verfassung geben. Bei den chaotischen Zuständen im Ezarenlande, dessen Ruhe nur durch Belagerungszustand, Kriegsgerichte, Deportation nach Sibirien, Soldaten, Polizei und Hausmeister aufrecht erhalten werden kann, dünkt uns der Traum einer baldigen Verfassung sehr phantasiereich und cs ist nur Schade, daß es von demselben wie von so vielem Anderen heißen dürste: „Schöner Gedanke, aber es kommt anders!" Amerika.
Ein vergifteter Bach. In der Nähe von Rewark, Vt., sind 27 Kinder dadurch vergiftet worden, daß sie das Wasser eines am Schulhansc vor- übersließenden Baches tranken, in den Thicrkadaver geworfen waren. Zehn der Kinder sind bereits gestorben, und für das Wiederaufkommen der klebrigen hat man nur wenig Hoffnung. Wie verlautet, ist der Farmer, welcher das todte Vieh in den Bach werfen ließ, verhaftet worden.
Kandel L Verkehr.
Vom Baihinger Obcrciint, 12. Juni. Der gestern in Vaihingen abgehaltene Bich markt war sehr stark befahren; der Handel ging sehr flau und zn sehr gedrückten Preisen, so wurde z. B. ein Paar Stiere, die um 800 ^ im März gekauft wurden, vergebens um 500 ^ festgeboten.
Besigheim, 13. Juni. sErntehosfnnngcn.s Die herrliche warme Witterung, die nun seit Beginn des Juni vorherrscht, hat in unserer Pflanzenwelt eine Ueppigkeit hervorgc- zanbert, daß man sich nicht genug darüber wundern kann. Während unsere Weingärtner noch im Mai gar verdrießliche Gesichter über die gar zn langsame Entwicklung der Weinstöcke machten, lacht ihnen jetzt das Herz im Leibe, wenn sie die großartigen Fortschritte in ihren Weinbergen, die sogar jeder Tag answeist, sehen. Und wenn auch gerade kein reichlicher Tranbenansatz wahrnehmbar ist, so ist doch immerhin der in Aussicht stehende Segen dazu angethan, frohe Hoffnungen und guten Mnth zur sauren Arbeit zn wecken. Recht enttäuscht stehen wir vor unseren Obstbäume», sie haben verblüht und wenige Früchte sind geblieben, nur hie und da verspricht noch ein Apfel- oder Birnbaum einen befriedigenden Ertrag. Die Nnßbänme dagegen versprechen einen reichen Ertrag. Der Kirschenmarkt, der in guten Jahrgängen für unsere Gegend von großer Bedeutung ist, wird Heuer auch nicht besonders belebt
werden, da die Kirschen sehr dünn hängen; reife gibt cs schon seit 8 Tagen. Die Getreidefelder haben sich überraschend schnell erholt und könnten nicht üppiger stehen. Lang und stockhaft, wie es der Bauer wünscht, versprechen sie uns reichliches Brod zu liefern. Fassen wir noch den schönen Stand der Kartoffeln in's Auge, so müssen wir erkennen, daß die Hand unseres guten Schöpfers auch Heuer wieder reichlichen Segen ansgestreut hat. . (Würlt. Ldsztg.)
DicUrsachen der schlechten Hopfcnpreisc sind nach einer Korrespondenz der Zeitschrift des landwirthschaftl. Vereins in Bayern hauptsächlich darin zn suchen, daß wir un- sern Markt in England verloren haben, denn es werden große Mengen amerikanischen Hopfens von Amerika nach London und Liverpool eingcfiihrt und finden Käufer, mährend in Nürnberg tausende Ballen bayerischer, württembergischcr, badischer und elsässischcr Hopsen des letzten Jahres unverkauft liegen und trotz den vereinten Anstrengungen der Kommissäre und Makler nicht losznschlageu sind. Tie Ursachen des Mißstandes sind folgende: 11 ES werden in Bayern und auch in Württemberg eine große Menge leichter, körniger Hopfen, die sich zn Lagerbier nicht eignen, gebaut, welche vor 1887-75 ihren Absatz nach England hatten, der iin» vollständig rnhi. Der falsche Grundsatz: mir viel Hopfen bauen, ohne Rücksicht ans die Güle, hat die verdünne Niederlage erlitten. Unsere in den 80er Jahren so beliebten Württemberger Hopfen sind kaum mehr zn erkennen und mit Ausnahme weniger Ortschaften wird zumeist langdoi- dige, körnige Waare erzeugt, die unter dem Namen Export in Händlerkrcisen bekannt ist. 2) Mangelhaftes Pflücken und schlechtes Trocknen der Hopsen sind bei reichlichen Ernten mir atlznhänsig. Seit dein Jahre 1876 ist ein Sack reingepflückten Hopfens eine Seltenheit geworden und die Händler sind gezwungen, um ihre Kunden zn befriedigen, dieselben nachpfliickcn zn lassen. In gewissen Ortschaften wird der Hopfen schon nach 24 Stunden als trockene Waare verstaust, welcher dann »ach mehrmaligem Umsacken warm »ach Nürnberg komm!. Die Händler können unmöglich über so große Lagerräume verfügen, um Alles sofort zn leeren, und so geht mancher Sack Hopfen, der gut gewachsen ist, ans Mangel an gehöriger Trocknung zu Grunde. Württemberg hat bis vor einigen Jahren noch reingepflückte Waare gebracht und wird sehr woist ihn», zn dieser Tugend znrückznkehreii. 3) Der Ausfuhrhandel »ach England und Schottland lag vor Jahren in einzelnen, mit reichen Mitteln anSgestatteter Großhändler, welche mil Gewissenhaftigkeit, Erfahrung und Sachkenntniß zn Werke gingen und die Hopfen richtig behandelten. In den 80er Jahre» mischten sich Leute darein, welche weder Mittel, noch Sachkenntniß, noch den guten Willen besaßen, und das Ergebniß ist, daß deutsche Hopfen, welche noch vor wenigen Jahren eine solche Rolle in England spielten, nnvei käuflich sind. — Der Einsender empfiehlt,' den Hopsenban nicht weiter auszndehnen und nur solche Grund stücke zn Nenaniagen zn wählen, welche sich dazu wirklich eignen, nur Fechser anerkannt guter Sorten zn benünen, dabei meyr aus die Qualität, als ans die O. lantität zn sehen, dein Pflücken und Trocknen alle Sorgfalt znpuvenden und ans den anslän bischen Marit mir wirklich gute Waare zn bringen, die dem deiuichen Hvpfeiunacstt Ehre mackst.
Posen, 12, Juni. (Wollmarkt.i Der heute offiziell begonnene Wollmarkt crösfnete recht schleppend bei Zurückhaltung der Käufer. Feine Wolle von guter Behandlung wurden bis ö, andere bis 3 Thaier höher als im Vorjahr bezahlt, schlechte Wollen sind vernachläßigt und erzielen mir Borjahrs- oreise. Käufer sind größtentheils Großhändler. Im Tagcs- verlani entwickelte sich regere Kauflust. Auswärtige Großhändler, sowie rheinische, sächsische, Lausitzer und schlesische Fabrckanten waren thütig. Feine Wollen sind gänzlich geräumt. Die To- talznsnhr beträgt 22 000 Ztr., wovon verkauft. DaS Preis- verhältniß blieb unverändert.
Friedlos.
(Fortsetzung.)
Höher und höher stieg die Sonne am Himmel empor; zwei Stunden lang mochte der Förster so gewandert sein, da erst gewahrte er, der nur für einige Minuten sich entfernen wollte, wie lange er ohne Zweck umhergestreift sei, aber auch zu gleicher Zeit, daß er verirrt in der dichten, pfadlosen Waldung.
Wie ein Löwe im Kerker, so machte er bald in dieser, bald in jener Richtung einige Schritte, nicht wissend, ob er nach Süden oder nach Norden wanderte; endlich ging er entschlossen einem grasüberwucherten und schmalen Waldweg, der sich jedoch bald wieder spurlos verlor, nach.
„Was kümmert es mich auch, was kümmert es einen Andern," diese Gedanken fuhren durch seinen Sinn, „ob ich wiederkehre oder nicht; Niemand wird nach dem Förster Erwin Roland fragen, und nicht unlieb wird es Manchem sein, daß er so spurlos von dem Boden verschwindet.
Dichter und dichter ward es um ihn, und mit ingrimmiger Freude nahm er es wahr, wie näher und näher die Bäume aneinander rückten, dichter und üppiger das Unterholz emporquoll; da plötzlich ertönte zu seiner Seite durch die ruhige Mittagsluft und Mittagsstille ein lautes, schmetterndes Trompetenzeichen, ungefähr in der Entfernung einer Viertelstunde. Das war ein Signal für die Franzosen, dort mußte das Dorf liegen, und dieses Horn rief vielleicht seinen Sohn zum letzten Gang; von wilder Angst plötzlich ergriffen, wandte er sich entschlossen dahin und brach in stummer Hast durch das entgegenstehende Gestrüpp, bis endlich auch schon die niederen Hütten der armen Bauern vor seinen Augen aus dürrem Boden emporstiegen.
Ihm fiel, als er näher ging, die bleiche Miene