456

Hcrges-Weurgkerlerr.

Calw, 18. Sept. Wieder hat in unserer Stadt der Tod überraschend schnell ein Opfer gefordert. Herr Kaufmann Dolmetsch, ein Mann in den besten Jahren, wurde heute nachmittag in der unteren Lederstraße, wo­selbst er Most machen ließ, urplötzlich vom Schlage getroffen und war so­fort tot.

Cannstatt, 16. Sept. Nach dem Beschluß des hiesigen Gemeinderats wird der Volksfestplatz auf Kosten der Stadt mit 7 Bogenlampen elektrisch beleuchtet werden und zwar 3 im Rennkreis, 2 im Jon e'schen Tanzsalon, dessen Errichtung nunmehr genehmigt worden ist, und 2 an der Brücke. Die gedeckten Wirtschaftsbuden erhalten je eine Lampe gegen eine Gebühr von 12 pro Abend. Die offenen Wirtschaftsplätze werden, die eine Seite mit 4, die andere mit 3 Lampen, gemeinschaftlich beleuchtet und es haben die größeren Plätze für 3 Abend« 12, die kleineren 5 zu bezahlen. Am Montag, den 28. Sept., abends 7 Uhr, wird auf Rechnung der Stadt im Rennkreis ein großes Feuerwerk abgebrannt werden, mit dessen Ausführung Herr Feuerwerker Weiffenbach von Stuttgart betraut worden ist. Den Schluß bildet die Beschießung und Inbrandsetzung einer Festung.

Lauffen a. N., 15. Sept. Als gestern ca. 800 Mann Grenadiere vom Regiment Königin Olga, vom Manöverfelde kommend, hier in ihre Quartiere eingerückt waren, kamen viele nach dem Essen auf den Gedanken, im Neckar zu baden, wozu es freilich bei 20 « 6 . Wärme im Schatten sehr einladend war; dabei sank einer der Leute, wahrscheinlich vom Schlage ge- rühr:, an einer kaum 4 Fuß tiefen Stelle unter und wurde tot herausge- zogeu. Derselbe heißt Wurster, soll von Calmbach, OA. Neuenbürg, ge­bürtig sein, und wäre nach dem Manöver beurlaubt worden.

Tuttlingen, 16. Sept. Der Eisenbahnzug, welcher gestern abend 7 Uhr 22 Minuten von Jmmendingen her hier ankam, war mit ziemlich viel Vieh besetzt, welches in Jmmendingen hauptsächlich in die beiden letzten Waggons eingeladen wurde. Schon auf der Strecke JmmendingenMöhringen ent­kamen drei Rinder aus den zwei letzten Wagen. Von Viesen wurde eins sofort von dem Zug getötet, ein zweites wurde erheblich verletzt, so daß es geschlachtet werden mußte, das dritte kam mit heiler Haut davon. Unweit vom hiesigen Bahnhof, in unmittelbarer Nähe der Weiche, sprang noch eine Kuh aus aus dem Wagen und kam quer über die Schienen zu liegen. In­folge dieses Hindernisses auf dem Bahnkörper entgleiste der letzte Wagen, die Räder desselben bohrten sich in den Grund und wurden schließlich vom Wagen losgerissen. Der auf diese Weise demolierte Wagen wurde dennoch eine ordentliche Strecke weit geschleift. Von dem Vieh darin aber wurden 4 Stücke getötet. Ein weiteres Unglück wurde verhütet; zum Glück befanden sich die Viehwägen hinten am Zug. Näheres wird die eingeleitete Unter­suchung ergeben, insbesondere wird sie festzustellen suchen, wer die Schuld daran hat, daß die Tiere aus dem Wagen springen konnten.

Vom Bottwarthal, 15. Sept. Gestern wurden in Großbottwar die ersten Hopfen von einem Heilbronner Haus für 52 und 56 der Zentner gekauft. Die Kartoffelernte hat allgemein begonnen und liefert in jeder Beziehung einen ausgezeichneten Ertrag. Neben der besonderen Güte ist Heuer die Menge ganz außerordentlich. Ein Bauer, der 2 Morgen mit Kar­toffeln angeblümt hat, brachte von einem schwachen Viertel 17 Säcke nach Hause.

Tettnang, 16. Sept. Der Hopfenverkehr hat infolge des herrlichen Wetters hier noch nie dagewesene Dimensionen angenommen. Berge von Hopsenballen sind jeve Nacht unter freiem Himmel vor unserem Waghaus aufgetürmt und die Station Meckenbeuren ist nicht im Stande, die nötige Anzahl von Bedienungspersonal und Waggons zu beschaffen, um die massen­haften Zufuhren zu bewältigen. Tagespreis 4555.

Rottweil, 15. Sept. Heute vormittag um IOV 4 Uhr brach in dem Wohn- und Oekonomiegebäude des Bauers Mathias Kämmerer in Zim­mern o./R., welches außerhalb des Orts an der Staatsstraße Rottweil Schramberg gelegen ist, Feuer aus. Während die rasch herbeigeeilte Feuer­wehr von Zimmern mit dem Löschen beschäftigt war, entstand durch Flugfeuer, ca. 100 Meter entfernt, ein großer Brand im Orte selbst, welcher beim Hause des Ortsvorstehers wütete und durch Flugfeuer auch noch in den nördlichen Teil des Orts in die Nähe des Gasthauses zur Sonne übersprang, begünstigt durch Schindeldächer, an welchen der Ort Ueberfluß hat. Es brannten inner­halb zweier Stunden 11 Wohn- und Oekonomiegebäude ab; 14 Familien, von welchen nur 5 versichert sind, wurden obdachlos. Sämtliches Vieh wurde gerettet. Der Gebäudeschaden beträgt ca. 50,000 viL Ohne das viele Wasser, das von Rottweil, namentlich von Bierbrauern daselbst zugeführt wurde und ohne die rasch herbeigeeilten Feuerwehren resp. Löschmannschaften der Nachbar­orte wäre der größte Teil des wasserarmen Orts unrettbar verloren gewesen. Der Brand entstand durch Kinder, welche Aepfel braten wollten.

WevrnifchLes.

Dertapfere" spanische General Salamanca, der den Kronprinzen durch die Rücksendung seines preußischen Ordens erheiterte und in Deutschland deshalb westlich ausgelacht wurde, bekommt jetzt vielfach Bilder­bogen mit deutschen Soldaten zugesandt. Auch mehrere Schachteln Bleisoldaten haben ihm einige Spaßvögel übermittelt, damit er einstweilen an diesen sein Mütchen kühle.

Eine lustige Geschichte spielt in Petersburg. Dort hatte eine alte Dame ein Legat von 1000 Rubeln ausgesetzt, von dessen Zinsen ihr Schoß­hündchenGipsy" bis an sein Ende gepflegt werden sollte. Das geschah denn auch von einer alten Dienerin der Verstorbenen. Als aberGipsy's" letzte Stunde geschlagen hatte, ereignete sich etwas ganz Merkwürdiges. Eine Nach­barin trat plötzlich auf und behauptete, daß das Legat nunmehr auf ihren HundTotoschko" übergehen müsse, da^dieser der Sohn Gipsy's sei! Da die beiden Frauen sich nicht einigen konnten, gingen sie vor den Richter.

Studentenstreiche. In der letzten Nacht vergnügten sich so erzählen Wiener Blätter drei Studenten mit einem Ulk, welcher der humoristischen Illustration in denFliegenden Blättern" würdig wäre. Sie hatten einen langen Balken von einem Zimmermann gekauft, der ihnen über die ordnungsmäßige Erwerbung desselben ein Attest ausstellen mußte. Um Mitternacht trugen sie dieses große Holzstück durch die Wipplingerstraße, wobei sie sich sehr still und anscheinend vorsichtig bewegten. Wie sie erwarteten, erregte bald der Zug die Aufmerksamkeit eines Wachmannes, der pflichtmäßig seine Runde machte. Er fragte die jungen Männer, wer sie seien und woher sie diesen Balken brächten. Sie antworteten nicht, sondern thaten, als ob sie rascher gehen wollten. Nun erklärte der Wachmann die Unbekannten für verhaftet und forderte sie auf, ihm zum Polizei-Kommissariate auf dem Schottenring zu folgen. Jetzt fügten sie sich. Der diensthabende Polizei-Be­amte, aus dem Schlummer geweckt, sah verwundert den Trupp eintreten und hörte den Bericht des Wachmannes. Die Studenten legitimierten sich und wiesen das Zeugnis des Verkäufers vor, worauf sie der Beamte mit Kopf­schütteln ziehen ließ. Nunmehr zogen die Bursche mit ihrer Last in die Liechtensteinstraße. Dort wiederholte sich der frühere Vorgang. Ein anderer Wachmann erschien, fand sich durch den Aufmarsch zu größtem Mißtrauen angeregt, begehrte Auskunft und erhielt sie in nicht genügendem Maße, wo­rauf er die Studenten neuerlich zum Kommissariat im Direktionsgebäude führte. Willig und anscheinend in ernstester Stimmung schritten sie mit ihm. Der Beamte, nochmals geweckt, war ziemlich verblüfft, dieselbe Gruppe mit ihrer Last abermals als Verdächtige in seinem Bureau zu sehen. Diesmal brauchte er sie nicht mehr um ihre Legitimation zu fragen. Er entließ sie mit der Mahnung, keine Wiederholung dieses Vorfalles zu provocieren. Aber

schmelzender Gesang ihn oft der Gegenwart entrückte, so daß er unmutig auffahren konnte, wenn Lina's Gestalt plötzlich an seiner Seite auftauchte und sie durch eine Frage ihn wieder in die Wirklichkeit zurückrief. O, Frau Harders überwachte mit Argusaugen das Eheleben des jungen Paares und sorgte dafür, daß Lina keine Brücke fand, die über die Kluft zwischen ihr und ihrem Gatten hinüberführte. Sie bemerkte auch, wie Feodor's Blicke oft vergleichend über die beiden Frauengestalten hinglitten. Arme Lina! Wie konnte sie, die scheue, sanfte Taube, siegreich aus einem Vergleiche mit der blendenden Schönheit Aglaja's hervorgehen! Die innere Seelenpein gab ihren Zügen eine geisterhafte Blässe, ihr« müde, geknickte Haltung ließ ihre Gestalt noch unscheinbarer erscheinen. Sie sah es ja mit dem geschärften Blick der Liebe und der Eifersucht, wie täglich mehr und mehr das Herz ihres Gatten sich von ihr wandte uud zu dem dämonisch schönen Weib hrnneigte.

Aber noch wollte sie nicht verzweifeln, trug sie doch das Pfand süßer Liebe unter ihrem Herzen betete sie doch täglich inbrünstig, Gott möge durch das Kind das Herz des Vaters wieder der Mutter seines Kindes zu­wenden! Ihm Vorstellungen zu machen, wagte sie nicht, die Worte wären auch aus Angst vor einer heftigen Entgegnung auf ihren Lippen erstorben. Er war ja jetzt so reizbar geworden. So schwieg sie denn, obwohl mit blu­tendem Herzen und flüchtete stets in den Park, wenn die verhaltene Qual sich in einem wilden Aufschrei Bahn brechen wollte!

Heute war Lina wieder der Gesellschaft entflohen. Es ging über ihre Kräfte, die glutvollen Blicke sehen zu müssen, die aus Aglaja's dunklen Augen ihrem Gatten zuflogen, während sie zusammen ein Duett in russischer Sprache sangen. Die glühenden Liebesworte des Duetts trafen wie Tolchspitzen ihr gemartertes Herz und tönten unaufhörlich in ihren Ohren wieder ; mochte sie auch noch so verzweifelt die Hände auf die heiße» Augen pressen sie sahen dennoch das verführerische Lächeln des Weibes, die sehnsüchtigen Blicke des Mannes, der mit heiligem Eide ihr Treue geschworen!

Stunde auf Stunde verran». Sie hörte die Kutschen der heimkehrenden Gäste davonrollen, glaubte im Geiste ihre Schwiegermutter zu sehen, wie sie

auf die Fragen der Gäste nach der Hausfrau mit halb verächtlichem Achsel­zucken antwortete:Ist unpäßlich geworden, wie gewöhnlich! Läßt sich ent­schuldigen!" und irrte dennoch immer weiter im Parke umher.

Es wurde kühler und kühler. Dichte Nebelmaffen stiegen gleich gespenst­ischen Phantomen vom Boden auf und wogten in wundersamem Reigen zwischen den Bäumen auf und nieder. Lina fröstelte. Mit flüchtigem Schritte eilte sie dem Hause zu, da war es nur erhitzte Phantasie, ein Blendwerk ihrer Sinne, oder kamen da wirklich zwei Gestalten dem Parke zu? Ihr Herz drohte still zu stehen. Mechanisch stellte sie sich noch tiefer in den un­durchdringlichen Schatten der Tannen. Alles Leben in ihr konzentrierte sich auf Gehör und Augen, atemlos lauschte sie:

Aglaja, Du Götterweib", hörte sie in bebenden leidenschaftlich erregten Lauten Feodor's Stimme, 0 , sag's mir noch einmal, das berückend süße Wort! Ich kann's nicht fassen, es ist nur ein köstlicher Traum, den meine unbändige Leidenschaft mir vorspiegelt! Jst's möglich, daß Du mich liebst?"

Du ungläubiger Mann", tönte Aglaja's melodische Stimme,Du willst es nicht glauben, nun so muß ich es Dir besser verständlich machen!"

Und in heißer Leidenschaft schlang sie ihre leuchtenden vollen Arme um seinen Nacken und preßte ihre Jugendlippen auf seinen Mund.

Da ertönte ein wilder Schmerzensschrei dicht in ihrer Nähe und gleich darauf ein dumpfer Fall.

Aglaja riß sich von Feodor los und floh entsetzt dem Hause zu. Feodor stand wie erstarrt. Er griff nach seinem Kopfe, um sich zu vergewissern, ob Alles nicht nur ein toller Traum sei. Doch seines Weibes Stimme gellte ihm noch in den Ohren; er that einige Schritte vorwärts und schaute an­gestrengt in das Dunkel. Da lag sie zu seinen Füßen, starr und leblos, die Augen weit geöffnet, mit einem Blick, als hätten sie Entsetzliches geschaut. Zitternd vor Erregung hob er sie auf und trug sie auf seinen Armen ins Haus.

(Fortsetzung folgt.)