60. Jahrgang.
Mo. 111.
Amts- und IntekkigenMatt Eür äen Aezir^.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk» sonst 12 H.
Samstag, äen 19. September 1885
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Uotttische Wcrchvichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 14. Septbr. Fürst Bismarcks bevorstehender hiesiger Aufenthalt wird zwei Tage währen. Die Annahme, derselbe hänge mit der Karolinen-Frage zusammen, ist durchaus irrig. Fürst Bismarck plant seit längerer Zeit seine Uebersiedelüng nach Friedrichsruh für die zweite Hälfte des September. Dort will er bis zum Spätherbst verbleiben. Hier dürfte der Reichskanzler jetzt die Entscheidung über mehrere wichtige innere Fragen treffen. Dazu wird auch der Beschluß über die vorgeschlagenen Wahltermine für den preußischen Landtag (5. und 12. November) gehören. Da die Vorlegung des Entwurfes über den N o r d - O sts e e - K a n a l an den Reichstag eine beschlossene Sache ist, wird dem preußischen Landtag auch eine Kanalvorlage, betreffend die Verbindungen zwischen Dortmund und Ems und der oberen Spree mit der mittleren Oder, zugehen.
Berlin, 17. Sept. Wie wir hören, ist die spanische Note in ihrer Gesamtheit dem Kaiser vorgelegt und ehe nicht die kaiserliche Entschließung hierüber vorliegt, dürfte über den Inhalt derselben Authentisches nichts verlauten und auch die Verhandlungen mit Spanien ruhen. Fr. Journ.
— Nach einer Berliner Korrespondenz der „Köln. Ztg." soll das Verhalten der französischen Presse, auch der offiziösen, in der spanischdeutschen Differenz deutlich erkennen lassen, daß die geduldeten Agitationen Döroulöde's in der Nation Wurzeln zu schlagen beginnen und das französische Volk, welches an sich um seiner friedlichen Interessen willen den Krieg verabscheut, doch mehr und mehr mit dem Nevanchegedanken durchtränken und erfüllen. Es sei zu befürchten, daß, wenn der Revanchegedanke sich einmal in einem breiter» Strom ergießt, die Leiter der Republik seiner Gewalt nicht würden widerstehen können. Daß dieser Strom aber im Wacksen begriffen, das habe die kriegerische Erregung der französischen Presse bewiesen. Es dränge sich eben mehr und mehr die Ueberzeugung auf, daß die jahrelangen Bemühungen der deutschen Politik, auf die Bahnen der Versöhnung einzulenken, verlorene Mühe gewesen seien. Die Korrespondenz macht darauf aufmerksam, daß die „Agence Havas", bekanntlich eines der verbreitetsten Organe, welche sämtliche französischen Zeitungen mit ihren telegraphischen Nachrichten versorgt, sich beständig zur Verbreitung der unwahren und für Deutschland übelwollendsten Nachrichten herbeigelassen habe. Es erhelle daraus, daß es in den Pariser Regierungskreisen Elemente gibt, die einen den Leitern der
Aeuille4si1. (Nachdruck verbaten.)
Kin Imuenkeöen.
Roman aus den baltischen Provinzen Rußlands.
Von Milly Pabst.
" . -
(Fortsetzung.)
„Umsonst", murmelten ihre blaffen Lippen, „die Wolken der Trübsal kommen wie ein Gewitter über mich und ich vermag nicht, ihnen zu entrinnen! O, meine Großmutter", rief sie in heftigem Schmerz, „Du sähest sie kommen, diese Wolken und warntest besorgt, ich aber meinte, es könne nie anders werden zwischen uns! Doch", fügte sie, sich gewaltsam ermutigend, hinzu, „Feodor liebt mich ja noch, vielleicht verläßt uns bald die Schwiegermutter, und unser Leben wird dann wieder so still und voll seligen Glückes, wie es in den ersten Monden. Ich will noch nachgiebiger, noch demütiger gegen sie sein, vielleicht entwaffnet meine Sanftmut doch endlich ihren herzlosen Tadel!" — Sie trocknete schnell die Tbränen und erhob sich, um der Köchin Weisungen für das Mittagsmahl zu geben. Sie wollte sich zerstreuen, ruhig und stark sein, ja vor allen Dingen die Schwäche, diese unselige Angst vor der krittelnden Frau besiegen, um dem geliebten Mann ferner keinen Grund zum Unmut über sie zu geben. Die Unterhaltung beim Mahle war auch lebhafter und heiterer als sonst. Des Gutsherrn Miene erhellte sich immer mehr, als er sah, wie Lina sich bemühte, mit ruhiger Heiterkeit am Gespräch teilzunehmen, wo sie sonst nur blaß und stumm, mit gesenkten Augen da- gesesfen hatte. Auch Frau Harders war heute besonders guter Laune und ließ nicht eine anzügliche Bemerkung fallen. Plötzlich wandte sie sich lebhaft zu ihrem Sohne:
propos, Feodor, uns steht ein angenehmer und interessanter Besuch bevor! Aglaja PawlowSk hat meinen Bitten nachgegeben und will den
französischen Republik entgegengesetzten Einfluß verborgen und unkoutrolierbar auszuüben verstehen. Der Artikel schließt: „Eines der hauptsächlichsten Argumente der französischen Presse bestand darin, daß man der deutschen Politik die Absicht unterschob, mit allen Mitteln jeden französischen Einfluß auf der pyrenäischen Halbinsel zu ersticken. Eine solche Absicht ist nicht vorhanden, Deutschland hat gar kein Interesse an dem politischen Schicksal Spaniens, und es ist deshalb auch für das Deutsche Reich ganz gleichgiltig, ob sich Spanien in ein vollständiges Abhängigkeitsverhältnis zu Frankreich begibt oder nicht. Selbst wenn zwiscken den beiden Ländern eine Fusion angebahnt werden sollte, so würde vom Standpunkt des deutschen Interesses gar nichts einzuwenden sein. Deutschland, welches in Spanien gar keine besonderen Ziele verfolgt, würde gegen eine solche Vereinigung nicht den geringsten Einspruch erheben."
Kiel, 15. Sept. Alle bisher amtlich angestellten Ermittelungen in Betreff der vermißten Kreuzerkorvette „Augu st a" sind leider resultatlos geblieben. Wie wir hören, steht, falls nicht in zwölfter Stunde eine Freudenbotschaft eintrifft, demnächst die Publikation eines Namensverzeichniffes der Besatzung bevor. Es wird dies erforderlich sein, um die Unterstützungsbedürftigkeit der Hinterbliebenen der Mannschaften durch die Matrosen-, resp. Werftdivisionen zu Kiel und Wilhelmshaven feststellen zu können. Die Besatzung der „Augusta" bestand bei der Abreise von Wilhelmshaven aus neun Offizieren, sieben Deckoffizieren, 29 Unteroffizieren und 192 Matrosen, Schiffsjungen , Heizern, Handwerkern, Verwaltern, Köchen rc., zusammen aus 237 Köpfen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen erhält die Witwe eines Deä- osfiners monatlich 27 eines Unteroffiziers 21 und eines Matrosm :c. 15 ^ Die Kinder (nur die ehelichen, nicht die unehelichen und Stiefkinder) erhalten bis zum 15. Lebensjahre eine Erziehungsbeihilfe von 10 50 H monatlich, und, sofern sie auch mutterlos sind oder werden, eine solche von 15 cIL monatlich. Der Vater oder Großvater, die Mutter oder Großmutter der Verschollenen erhalten, sofern es ihr einziger Ernährer war und solange die Hilfsbedürftigkeit dauert, ebenfalls eine Unterstützung von 10 50 H monatlich.
England.
London, 16. Septbr. Der „Times" zufolge hat die englische Regierung dem Madrider Kabinet mitgeteilt, daß sie noch an ihrem Proteste von 1875 gegen die Souveränetät Spaniens über die Karolinen festhalte, aber nichts dagegen einzuwenden habe, wenn die Frage, wem die Inseln that- sächlich gehören, durch ein Schiedsgericht erledigt werde.
Sommer bei uns zubringen. Ihre liebenswürdige Persönlichkeit, ihr entzückender Gesang wird uns manchen schönen, genußreichen Abend verschaffen. Ich hoffe, Lina, Du wirst durch liebenswürdiges Entgegenkommen der wohlerzogenen Dame den Aufenthalt in unserem Hause so angenehm wie möglich zu gestalten suchen", fügte sie gegen Lina geschmeidig hinzu.
Lina's Herz beschlich bei diesen Worten ein jähes Angstgefühl, es kam wie eine dunkle Ahnung von neuem Unglück über sie. Sie antwortete leise: „Ganz wie Sie wünschen, Mama! '
Und dann war sie gekommen, das verführerisch schöne Weib, mit der üppigen Gestalt und der lockenden Sirenenstimme. Ihr zu Ehren wurde Festlichkeit auf Festlichkeit arrangiert, bei welchen sie stets als Königin herrschte. Der unscheinbaren bleichen Gutsherrin schenkte man nur ein halb mitleidiges, halb spöttisches Lächeln. Aglaja Pawlowsk, die blendend schöne junge Witwe, stellte die arme Lina vollständig in den Schatten. ^
Zwar flüsterte man auch hie und da Verdächtiges von der kurzen Ehe der schönen Aglaja; daß der jähe Tod ihres Gemahls nicht infolge eines unglücklichen Sturzes vom Pferde erfolgt sei, sondern daß die maßlose Eitel- keil, Putzsucht und Verschwendung der schönen Frau in kurzer Zeit sein Ver- mögen ruiniert und ihn in den Tod getrieben habe. Das waren aber nur Gerüchte, offen wagte Niemand davon zu sprechen. Jetzt lebte die junge Witwe bei ihren Verwandten in Petersburg, die alle hervorragende Stellungen einnahmen. Frau Harders kannte Aglaja schon seit mehreren Jahren und erklärte sie stets als ihren Liebling, dem noch eine glänzende Zukunft bevorstehe. Heimlich hatte sie früher den Wunsch gehegt, daß Feodor und Aglaja ein, Paar werden möchten. Das war nun vereitelt worden, aber sollte denn Feodor sein Lebenlang die Fesseln tragen, die ein Kind ihm angelegt? Gab'» denn keine Möglichkeit, sie wieder zu lösen?
In dem erfinderischen Kopfe der klugen Mutter dämmerte ein neuer Plan aus, der immer greifbarere Gestalt gewann. Sie bemerkte mit großer Genugthuuna, daß Aglaja's Schönheit eines Eindruckes auf Feodor nich: verfehlte, wie deren stete sonnige Heiterkeit ihn immer mehr anzog und ihr