Wirkungen des Socialistengesetzes ab. Die Hoffnung, daß die Socialisten dem Gesetz sich friedlich unterwerfen würden, ist getäuscht worden; vielmehr umgingen die Socialisten das Gesetz. Bald zeigten sich deutliche Anzeichen einer planmäßigen, der Oefsentlichkeit sich entziehenden Organisation und geheimer Propaganda In kleinen Cirkeln traten die Führer der Sozialisten zusammen, revolutionäre Brandschriften wurden aus dem Auslande eingesührt. Daher waren außerordentliche Maßregeln nothwendig. Die Fürsten leben jetzt in beständiger Lebensgefahr. Das Attentat auf den König von Italien ist nicht der Ausfluß Einzelner, sondern steht im Zusammenhang mit Andern. Einen Beweis für eine Verschwörung könne er nicht beibringen. Auch in Berlin befinden sich Anhänger des Nihilismus und der Internationale, die mit den Führern der Socialdcmokraten in Verbindung stehen. Die Schule des Verbrechens kann nicht geschlossen werden, wenn die Wirksamkeit der Lehrmeister fortdauert, darum mußten die Lehrmeister entfernt werden.
Ein großartiger Verlust droht der deutschen Industrie. Eine der schönsten Zierden der Eisenindustrie, die Lokomoliv- und Maschinenbau- Fabrik von Borsig soll demnächst und zwar Angesichts der mißliche» Geschästsveihällnisse wohl für lange Zeit geschlossen werden, weil der Betrieb fortwährende Zuschüsse und statt Gewinn stets größer werdenden Verlust bringt. Der Kurator der Erben Dorstgs hat deßhalb erklärt, daß er die Fabrik nicht weilerführen könne, da dieselbe schon seit einigen Jahren mit einer solchen Unterbilan; gearbeitet habe, daß das übrige Vermögen der Erben bedroht erscheine. Von dem Verstorbenen Borsig wurde die Fabrik nur noch aus dem edlen Beweggründe fortgeführt, um die größte Zahl seiner Arbeiter nicht ihrer Existenz zu berauben und sie in's Elend zu treiben. Wer kann nun Angesichts der Konkurrenz, welche das Ausland gerade in der Eisenindustrie entwickelt, und im Hinblick auf solche ernste und folgenschwere Thatsachen heute noch behaupten, daß uns der Freihandel zum Heil gereiche, und wer muß da nicht wünschen, daß durch heilsamen Schutz unserer Industrie neue Lebenskraft gegeben und dadurch die Brodlosigkeit des Arbeiterstandes verhindert werde.
Gänseleber - Pasteten - Industrie. Aus Straßbnrg wird geschrieben: Bekanntlich ist die Industrie mit Gänseleder-Pasteten seil etwa 100 Jahren sozusagen zum Wahrzeichen unserer Stadt geworden. Diese Industrie gewinnt mit jedem Jahre an Ausdehnung. Gegenwärtig befinden sich hier 23 Gänseleber-Pastetenbäcker, welche einen jährlichen Umsatz von etwa l'/r Millionen Mark erzielen. Etwa 200 Personen beschäftigen sich mit dem Gänsemast (stopfen), wovon Einzelne 2—300 Stück einsitzen haben. Eine Gänseleber kostet je nach der Qual. 0—10 -A, das Pfund Gänsefleisch 70-75 ^>. Der letzte Wochenmarkt war mit 1075 Stück Gänsen befahren.
Metz, 5. Dez. Neuerdings ist die Schießbaumwolle als regelmäßiges Ausrüstungsmittel in die Pion- nierabtheilungen eingesührt worden und es fanden bei dem hiesigen Bataillon Sprengversuche damit statt, die sich künftig regelmäßig bei den größeren jährlichen Hebungen wiederholen sollen. Ein Vorzug der Schieß baumwolle vor dem Pulver ist besonders der. daß sie, um einen Gegenstand zu zerstören, nur einfach in unmittelbare Berührung mit demselben gebracht werden muß, daß also keine Ladung in einen dicht abgeschlossenen Raum erforderlich ist, und daß sie besonders bei Brückenkonstruktionen eine vernichtende Wirkung äußert.
Elsaß-Lothringen befindet sich unter den wenigen deutschen Ländern, welche keine Sozialisten auszuweisen brauchen.
Italien.
Nom. 7. Dez. Man versichert, der Papst habe durch die Vermittlung des Nuntius Masella in Mün chen ein Schreiben an den Kaiser Wilhelm gerichtet, worin er denselben zur Wiederübernahme der Geschäfte beglückwünscht und den Wunsch ausgedrückt habe, daß die Verhandlungen alsbald zu einem guten Resultate führen mögen.
Frankreich
Paris, 6. Dez. Seit dem Schlüsse der Weltausstellung haben Handel und Wandel merklich nachgelassen. Die Direktoren der großen Magazine finden, daß die Einkäufe für die Wintersaison ihren Hoffnungen nicht entsprechen, aber mehr noch als diese klagen die kleinen Detailhändler. Die bevorstehenden Weihnachts- und Neujahrsfeste werden ohne Zweifel die Lage bessern, aber es zeigt sich noch keine sehr glänzende Aussicht dafür. Die Gasthöfe sind gegenwärtig beinahe leer, die großen Restaurants sind schwach
besucht und die Theater verzeichnen magere Einnahmen. Eine große Anzahl kleiner Angestellten, die während der Dauer der Ausstellung beschäftigt waren, sind jetzt ohne Beichäfligung. Der Zustand bezeichnet sich schärfer durch die häufigen nächtlichen Anfälle, die nicht nur in den abgelegenen Straßen, welche nach den äußern Boulevards führen, Vorkommen, sondern auch im Mittelpunkt der Stadt beim Schluffe der Theater und Caffeehäuser. (St. Neue Ztg.)
England.
Die Antwort des Emirs Schir Ali auf dasenglische Ultimatum ist erst jetzt angekommen. Dieselbe scheint nach der Eroberung von Ali-Musj>d geschrieben zu sein. In derselben bestätigt der Emir den Empfang des Ultimatums, kritisirt die Freundschaftsversicherungen der britischen Regierung und hebt hervor, die früheren Handlungen der britischen Negierung, besonders die Vermittlung zu Gunsten seines Sohnes Jakub Khan stände im Widerspruche mit diesen Versicherungen. Er habe die Gesandtschaft aus Furcht, seine Unabhängigkeit zu verlieren, verweigert, erklärt, daß keine Feindschaft zwischen Afghanistan und der britischen Regierung bestehe, wünscht die früheren freundschaftlichen Beziehungen wieder aufzunehmen und ist bereit, eine kleine zeitweise Gesandtschaft zu empfangen. — Die englische Presse ist jedoch nahezu einstimmig in der Ansicht, daß die Anerbietungen des Emirs ganz unzugänglich seien. Derselbe müsse sich vollkommen unterwerfen und hinreichende Bürgschaften für sein Verhalten stellen, bevor die Feindseligkeiten eingestellt werden können.
Rußland.
Petersburg, 2. Dez. Die Rückkehr des Zaren hat natürlich einen ganzen Schwarm von sensationellen Gerüchten hervorgerufen. Man sagt, daß er entschlossen sei, die Krone niederzulegen und nach dem Neujahrslage den Thron an seinen Sohn abzutreten. Auf der Reise nach Moskau sei ihm eine Schrift zugegangen, welche ihn in diesem Entschlüsse bestärkt. Als Druckort war auf der Schrift „die Unterwelt" bezeichnet. Sie entstammt somit den unterirdischen Druckereien, welche die revolutionären Comites errichtet haben und die fortwährend in Tätigkeit sind. „Die Unterwelt" wendet sich an den Zaren, um ihn mit Vorwürfen wegen feiner Politik zu überschütten und ihm die Verantwortlichkeit für alles Verderben aufzubürden, weil er dem Reiche constitutionelle Institutionen verweigert. Man sagt, daß jene Schrift aus „der Unterwelt" verbrecherische Drohungen enthalten habe, wie sie in den Urtheilen der Vehme üblich waren. Nach einer andern Version soll es den Verschwörern nicht gelungen sein, den Drohbrief direct in die Hände des Zaren zu befördern, derselbe soll vielmehr dem Chef der dritten Abtheilung, dem General- Adjutanten Drendeln, zugegangen sein.
Türkei.
K onstanti n o p el, 8. Dez. Der Sultan erklärte, die Wahl Karatheodori Paschas zum Minister des Aeußern bedeute die formelle Absicht der Pforte, den Berliner Vertrag auszuführen. Das neue Ministerium habe die Mission Europa zufriedenzusiellen und die innere Reorganisation auszuführen.
K onst a ntin op el, 8. Dez. Der Großvezier Kheredin Pascha betonte beim Empfang christlicher Würdenträger, daß der Sultan die Gleichberechtigung der Ottomanen ohne Unterschied der Konfession zur vollen Wahrheit machen wolle.
Asien.
Lahore, 8. Dez. General Roberts ließ für einen Theil der Truppen bei Peiwar Barrcken bauen. Dem vernehmen nach wurde Befehl zum Vormarsche gegen Jellalabad gegeben. — Es geht das Gerücht, der Emir Schir Ali sei durch den Engpaß von Bamian nach Tukestan geflohen.
Handel Verkehr rc.
In Hcrrcnberg und Umgegend können dermalen noch Hopfen in mittelmäßigen Sorten im Preise von 20—30 ^ durch die zu beauftragende» Zwischenhändler anfgekanft werden und glauben wir, daß die betreffenden Consumcntcn und Aufkäufer noch durch einschlägige Qualität werden zufrieden gestellt werden können. (T. Ehr.)
Stuttgart, 9. Dez. (Landesprodnktenbörse.) Bei heutiger Börse war das Geschäft außerordentlich still und die Käufer blieben selbst bei ermäßigten Forderungen zurückhaltend. Am Hopfenmarkt dagegen ist der Verkehr seit 8 Tagen etwas belebter und cs wurden heute ca. 50 Ballen zu untenverzeichnetcn Preisen verkauft. Wir notiren per 100 Kilogr.: Weizen, rnss. 20 ül. 50 kk.—21 bl. dto. bayer. 20 HI.
25 kk.-21 Hl. 25 kk. dto. Ungar. 20 »I. 50 kk.—21 II. Kernen 20 N. 80 kk. Dinkel 15 äl. Haber 11—13 !ll. 60 kk. Hopsen 32—52 !lt. Mchlpreise pro 100 Kilogr.: Mehl Nr. 1: 33—34 bl. Rr. 2: 30—31 M. Nr. 3: 25 HI. 50 kk. bis
26 »I. 50 kk. Nr. 4: 22- 23 i».
Mannheim, 8. Dez. Die Tendenz im Getreidehandel war während abgelanfener Woche fest und notiren wir: Weizen je nach Qualität 19.50—22.50, Roggen ^ 13.50 bis 16.50, Gerste 17—19.50, Hafer 12.50—13.50, Kohlreps 29 per 100 Kilo.
Heilbronn, 7. Dez. (Ledcrmarkt vom 3. Dez.) Die Zufuhren zu diesem Markte sind in Schmal- und Wildleder besonders stark gewesen, doch hat das ganze Quantum bis auf kleine Ausnahmen Käufer gefunden, nachdem die Eigner ihre Forderungen ermäßigt hatten. Im Vergleich zu den 'letzten zwei Märkten wird der Preis von Schmal- und Wildleder nm circa 10 -4 zuriickgegangen sein. Sohlleder dagegen, wovon weniger zu Markte gebracht war, hat seinen bisherigen Preis behauptet.
Hoffarth muß Pein leiben.
Skizze von Elise Sandox.
(Schluß.)
Sie waren endlich am Hause angelangt. Frau Professor Hagen kam ihnen schon in dem Hausflur entgegen und nmarmte die junge Comteß zärtlich.
Die kleine Martha bekam den befohlenen Kuß und noch viele andere, und lächelte glücklich die schöne Tante Johanna an. Die übrigen Sprößlinge des Professors umstanden sie neugierig, alle acht wollten zur Tante, so daß diese gar nicht fertig wurde zu versichern, sie habe sie alle lieb und sie wären gute Kinder, das Spielzeug wäre reizend u. s. w.
Mit lachenden Ermahnungen, sie in Ruhe zu lassen, verließ sie endlich das Haus, und als sie Marianne zum Abschied küßte, sagte sie: „Du bist glücklicher dran, als ich bei meiner steifen Tante, ich komme bald wieder. Der Onkel sorgt wenigstens dafür, daß ich nicht vor lauter Predigten umkomme."
Kopfschüttelnd ging endlich Marianne in ihr Zimmer zurück und überlegte eben, was sie noch zu besorgen habe, als sie ihren Namen von ihrem Vater rufen hörte.
Sie ging zu ihm und fand ihn ungewönhlich heiter, und doch auch wieder ernst.
„Marianne," empfing er sie, „wir fahren eine Stunde eher zur Großmama, beeile Dich, mein Kind; es erwartet uns dort eine Ueberraschung."
Bald darauf saß die ganze Familie des Professor Hagen in der großen Kutsche der Großmama und fuhr dem Landsitz zu.
Die alte Dame empfing sie herzlich und ward gar nicht müde, eines nach dem andern an ihre Brust zu drücken. Besonders herzlich begrüßte sie Marianne, und blickte forschend in deren schönes Gesicht mit den großen blauen Augen, das sie heute noch einmal so schön fand als sonst.
Das junge Mädchen bemerkte nichts davon, ihre Augen waren unverwandt auf ein schönes schwarzes Pferd gerichtet, das sie kannte. Ja, sie kannte es, war es doch das Reitpferd des Grafen von Rauenthal, dessen Landgut neben dem der Großeltern lag. Sie trat hinzu und liebkoste das Thier. Hätte sie gesehen, wie des Grafen Augen unverwandt auf ihr ruhten, wie er, in ihren Anblick versunken, an einem Fenster des obern Stockwerks stand.
Die Familie wollte es sich oben am Kaffeetisch bequem machen, als die Frau Oberamtmann Hagen bemerkte, daß sie ihr Arbeitskörbchen in ihrem Zimmer gelassen habe.
Marianne erbot sich cs zu holen, sowie der Kaffee vorüber fei.
„Nein, geh jetzt, Marianne," sagte die Goßma- ma, „es ist besser."
Das junge Mädchen ging.
Im Zimmer angelangt, suchte sie vergebens nach dem Körbchen, und wollte eben ärgerlich umkehren, als sich die Thür öffnete und Graf von Rauenthal auf sie zutrat. Marianne wich wie vor einem Geiste zurück und erröthete tief.
„Gnädiges Fräulein," sagte der Graf, ihre Hand ergreifend; „ich segne den Augenblick, der mich Sie finden ließ, wollen Sie mich anhören, Marianne?"
Das junge Mädchen schwieg.
„Marianne," hob der Graf an, „Sie werden bemerkt haben, daß Sie mir lieb und werth sind, ja, daß ich Sie unendlich lieb habe; nun frage ich Sie, wollen Sie mich auch ein wenig lieben? Wollen, können Sie mein liebes süßes Weib werden? Bitte, sprechen Sie."
Sie schwieg immer noch, aber ihre Augen füllten sich mit heißen Thränen, die langsam über ihre blühenden Wangen rannen.
Der Graf erschrak fast vor der Leidenschaft, mit der sie sich plötzlich an seine Brust warf und ihren Kopf fest an ihn drückte. So konnten diese Augen blicken, so voll heißer Liebe! Jauchzend umschlang er sie und führte sie zu den Eltern.