Berlin, 1. Nov, Der Zollkrieg wegen der schwedischen Zündhölzchen ist endlich beendet Der Bundesralh beschloß nämlich heute nach derWes-Z" die Wiederherstellung der Zollfreiheit für schwedische Zündhölzer.

Berlin, 1. November. DiePost" enthält ein Schreiben des Reichstags-Abgeordneten v. Barnbüler an den Fürst Bismarck, worin an diesen die Anfrage gerichtet wird, ob die Absicht bestehe, dem Reichstage in der nächsten Session den Entwurf eines revidirten Zolltarifs vorznlegen, und ob die Reichsregierung, bevor das geschehen sei, einen neuen Handelsvertrag mit Conventional-Tarifen nicht abschließen werde. In dem Antwortschreiben des Fürsten Bismarck heißt es: Die gestellten Anfragen würden amtlich nur beant­wortet werden können, wenn die verbündeten Regie­rungen über die zukünftige Zollpolitik bereits Beschlüsse gefaßt hätten. In Ermangelung solcher könne er nur seine persönlichen Ansichten mittheilen. Soweit es ihm gelingen werde, letztere zur Geltung zu bringen, liege es allerdings in seiner Absicht, eine umfassende Revision des Zolltarifes herbeizuführen und die dazu erforderlichen Anträge zunächst der Prüfung der ver­bündeten Regierungen zu unterbreiten. Die Vorarbei­ten hierzu seien bereits in Angriff genommen. Den Abschluß neuer Handels-Verträge mit Conventional- Tarifen vermöge er so lange nicht zu befürworten, als die Frage der Revision des Tarifes nicht erledigt sei.

Der gelegentlich des Noüiling'schen Attentats verunglückte Polizeitutscher Richter hat eine ihm an getragene Stellung als Portier angenommen.

Das Sozialdemo traten-Gesetz zieht im­mer weitere Kreise. Der Reichsanzeiger veröffentlicht täglich sozialdemokratische Vereine aller Namen und Titel, Zeitungen, Bücher und Flugschriften, die in Deutschland geschlossen und verboten worden sind. Die neueste Nummer enthält die Schließung von 11 Vereinen in Deutschland, mehrere Zeitungen und vieler Flugschriften, namentlich der bekannten Brackeschen Buchhandlung i» Bcaunschweig, Lassallesche Bücher und Flugschristen sind 5 darunter. Wer ganz sicher sein will, nichts Verbotenes zu lesen, der studire den Reichs­anzeiger oder die amtlichen Regierungsblätter der einzelnen Staaten, in denen die verbotenen Früchte mit Namen und Titeln einzeln aufgeführt sind und werden.

(Billiges Brod.) In der sozialistischen RevueDie Zukunft" wird eine großartige Arbeiter­agitation zum Zwecke der Erlangung von billigem Brod in Vorschlag gebracht. Zunächst bemerkt der Verfasser sehr richtig, daß sich der jetzige sozial-demo kratische Anhang größtentheils nur begeistere für die ganz allgemein gehaltene Forderung, der Staat solle mit seiner Macht und mit seinen Mitteln zur Abhülfe des wirthschaftlichen Nolhstandes eintreten, nicht aber für das sozial-demokratische Beiwerk (Kommunismus, Materialismus, Atheismus und Republikanismus). Verfasser hält es deshalb für klug, nur solche Ziel punkte der Agitation zu wählen, welche einen praktischen und handgreiflichen Nutzen verheißen und dem Philister keine Gänsehaut erzeugen. Als ein solches Agitations- Ziel wird nunbilliges Brod" bezeichnet. Es wird mitgetheilt, daß im Canton Zürich bereits eine solche Agitation in's Werk gesetzt worden sei. Es zirkulirt dort ein Aufruf zur Sammlung der durch die Verfassung vorgesehenen 5000 Stimmen, welche erforderlich sind, um durch Volksabstimmung über die Frage:Soll der Staat den Getreidehandel an die Hand nehmen?" entscheiden zu lassen. Was Deutschland betrifft, so will man nicht den Staat, sondern die einzelnen Städte veranlassen, die Brodfabrikation in die Hand zu nehmen. Eine genaue Rechnung sucht zu beweisen, daß das Pfund Roggenbrod dann zu 6,16,2, statt jetzt zu 10 L geliefert werden und die Stadt Berlin z. B. trotzdem noch jährlich 10 Mill.

verdienen könne.Sind heute die Menschen einig darüber, daß der Betrieb der Post, des Telegraphen­wesens, der Eisenbahnen nur aus dem Grunde in der Hand des Staates bleiben, resp. in dieselbe gelangen muß, weil der Staat im Stande ist, das Publikum billiger und besser zu bedienen, als es irgend ein Privatmann oder eine Actiengesellschaft vermöchte, welche stichhaltigen Gründe kann man dann der Forderung entgegenstellen, daß auch die Fabrikation des nothwen- digsten Nahrungsmittel der auf Gewinn gerichteten Privat-Jndustrie aus der Hand genommen und die Brodfabrikation in Zukunft im Interesse der Gesamt­heit von der großstädtischen Kommune betrieben werden solle?"So gut die Großstädte aus finanziellen, fanitätlichen und anderen Gründen der Gemeinnützigkeit Gas- und Wasserleitungen auf Stadtkosten an­

gelegt haben, ebenso gut ist die Bürgerschaft zu der Forderung berechtigt, daß auch die Brodfabrikation im städtischen Interesse betrieben wird." Das nächste Feldgeschrei der Arbeiterpartei wird also sein: Billi­ges Brod! (N.-Ztg.)

Zur Wucher frage ist ein erfreuliches llrthcil einer Berliner Gerichtsinstanz zu erwähnen. In einem Ehescheidungsprozesse wurde von der auf Scheidung klagenden Frau als Scheidungsgrund angeführt, daß der Ehemann einehrloses Gewerbe", nämlich Wucher, treibe. Der Anwalt des Ehemanns entgegnen uatür lich, daß das Gesetz den Wucher erlaube, der gewerbs­mäßige Wucher also ein Scheidungsgrund nicht sein könne. Trotz dieses Einwandes wurde von der letzten Instanz aus Ehescheidung erkannt; die betreffende Aus­führung ging dahin, daß das Gesetz zwar die Straf­barkeit, nicht aber die Ehrlosigkeit jenes Gewerbes habe aufheben können. Die durch den Betrieb des­selben bekundete ehrlose Gesinnung aber sei ein Schei­dungsgrund.

Ueber die deutscherseits erfolgte Besitzer­greifung einer der Samoa-Inseln, Upolu, melden jetzt weitere Nachrichten, daß dieAriadne" am 28. Juni aus Tahiti in Apia ankam, daß am 4. Juli die Bezahlung einer Geldentschädigung an den deutschen Konsul durch Androhung eines Bombardements einge­trieben wurde und daß die beiden kleinen Dörfer Fa- lealili und Falealatei auf der Südseite der Insel Upolu von Kapitän von Werner besetzt wurden. Als Ursache der letzteren Maßregel wird die Verletzung des Ver­trags mit Deutschland vom 30. Juli 1877 seitens der Regierung von Samoa angegeben, indem durch den­selben Deutschland alle Rechte der meistbegünstigten Nation zugesichert wurden, während der soeben mit Nordamerika abgeschlossene Vertrag diesem Land außer­ordentliche Vorrechte einräumt. Findet dieses Motiv Bestätigung, so dürfte, wie man hört, die Dauer dieser deutschen Okkupation in der Südsee sich nicht nur nach Tagen und Wochen bemessen. Die Wiederabänderung geschlossener internationaler Verträge ist eine Bedingung, die sich nicht wie eine Geldsumme einfach betreiben läßt. In jedem Falle wird dieAriadne" nicht unverrichteter Sache wieder heimkehren.

Die braven englischen Schiffsleute, die damals viele unserer ertrinkenden Landsleute vom Großen Kurfürsten" aufgefischt und gerettet haben, führen jetzt werthvolle Schiffsinstrumente oder tragen goldene Chronometer oder Uhren in den Taschen und die Matrosen goldene 20 Markstücke. Kaiser Wilhelm hat sichs nicht nehmen lassen, ihnen werthvolle Geschenke aus der eigenen Tasche und persönlich die Honneurs für Deutschland zu machen.

Redeschwall. In derAllg. deutschen Gabelsber- ger'schen Stenographen Zeitung" finden sich folgende, von Mitthcilungen des stenographischen Bureaus des Reichstags zusammsngesteilte Notizen: Seitdem Laster im Jahre 1865 die parlamentarische Bühne betrat, hat er am Dönhossplatz und am andern Ende der Leipzigerstraßc im Ganzen 927 745 328 Worte gesprochen. 1541mal soviel als das ganze alte Testa­ment zexcl. Apokryphen) enthält ober 422mal soviel als Goethe geschrieben, oder 3öl2mal soviel als Cicero in den von ihm ausbewahrten Reden gesprochen. Wenn man Lasker's sämt­liche in den verschiedenen Parlamenten gesprochenen Worte hintereinander aus einen Streifen scdrnbe, so würde dieser mehr als 9mal um die Erde reichen, b. h. 9mal von Berlin aus über den atlantischen Ocean, Amerika, den stillen Ocean, Japan, Asien, Jerusalem bis wieder nach Berlin reichen. Spricht Lasker nur noch einer Legislaturperiode so sorl, wie bisher, so reicht der Streifen vom Dönhossplatz bis an den Mond ..,.!!

Potsdam, 26. Okt. In Nowawes soll eine Mutter ihr eigenes Kind todtgetreten haben. Sie gab dem Säugling die Brust, wobei er ihr aus den Armen fiel; im Schreck trat sie einen Schritt vor, um das Kind noch wieder zu fangen, trat dabei aber dermaßen auf das schon am Boden liegende Kleine, daß der Tod sofort erfolgte.

Als ein trauriges Zeichen der Zeit theilt das Berl. Tgbl." folgende Thatsache mit: In Bornstädt bei Potsdam wurde dieser Tage ein Wohnhaus, wozu zwei Morgen Land gehören, im Subhastationstermin einem Bieter für elf zugeschlagen. Das Grund­stück ist auf 20,000 taxirt.

Im Dorfe Pabbeln bei Insterburg verbrann­ten in voriger Woche 3 Kinder im Alter von 15'/, Jahren, welche von ihren auf dem Felde arbeitenden Eltern in einer verschlossenen Stube allein zurückge­lassen waren und beim Spielen mit Zündhölzchen die Betten in Brand gesetzt hatten. Als man beim Ein­tritt in die Stube die drei Leichen fand, hielt das ältere Mädchen ihr noch nicht 1 Jahr altes Brüderchen, das sie aus der Wiege genommen, wahrscheinlich um mit demselben der Gefahr zu entfliehen, noch fest umschlun­gen. Der vierjährige Knabe muß das Feuer zu löschen

versucht haben, denn die Hände desselben waren mit Brandwunden bedeckt.

OesterreichUngarn.

Wien, 2. Nov. DerN. P." wird aus Lon­don berichtet: Rußlands Antwort auf die englische Note ist ungemein beruhigend und zuvorkommend abgefaßt. Rußland habe nie daran gedacht, den Berliner Vertrag zu verletzen und den Rückzug seiner Truppen zu ver­zögern. Wenn Letzteres durch die Macht äußerer Ereignisse, welche Europa nicht kenne, theilweise noth- wendig gewesen sei, beabsichtige Rußland dennoch die genaue Ausführung des Vertrags. Das britische Ca­binet habe beschlossen, sich vorläufig damit zufrieden­zugeben. Nach ungarischen Blättern wird der Ber­liner Vertrag demnächst beiden Parlamenten abschriftlich vorgelegt werden.

In Oesterreich-Ungarn ist jetzt der offene Confliki zwischen Negierung und Parlament dadurch ausgebrochen, daß der Budget-Ausschuß des letzteren den Eintritt in die Berathung der Bedeckung für die 25 Millionen-Mehrausgabe abgelehnt hat. Was nun folgen wird, entzieht sich noch jeder menschlichen Kenntniß.

Bis jetzt hatte die Okkupationsarmee 684 Todte und 251 Vermißte, die auch als todt gelten können. Die Zahl der Verwundeten ist sehr bedeutend.

Frankreich.

Vorigen Sonntag war die Pariser Weltausstel­lung von 209212 Personen besucht; unter ihnen be­fanden sich 74915 Arbeiter mit Gratiskarlen.

Im Elysäe liegen jetzt noch als Trümmer des berühmten Festes von Versailles 148 Packele mit Effek­ten und noch mit den Garderoben-Nümmern versehen 200 Regenschirme, 40 Ojfiziersmäniel, 236 Ueberzieher, 200 Damenmäntel und Ueberwürfe, 20 Herrenhüte, 60 Paar Ueberschuhe und 3 Chignons.

Spanien.

Madrid, 30. Okt. Moncasi gehört einer achtbaren Familie an: sein Vater war Generalrath.

In Madrid ist ein Telegramm vom Kaiser von Deutschland eingetroffen, durch welches Kaiser Wil­helm die herzlichsten Glückwünsche zur Errettung des Königs aus Mörderhand ausdrückt. Die gegen den Verbrecher eingeleitete Untersuchung soll bereits That- sachen sestgestellt haben, welche keinen Zweifel darüber lassen, daß die Fäden des Mordplans bis nach Frank­reich und London reichen.

Dänemark

Kopenhagen, 30. Okt. Die Meldung des Londoner Standard, der König von Dänemark wolle die Heirath des Herzogs von Cumberland mit der Prinzessin Thyra nur unter der Bedingung gestatten, daß der ehemalige Thronfolger von Hannover allen Ansprüchen und Vorbehalten gegenüber der preußischen Krone entsage, ist gänzlich grundlos. (Unfern Zweifel über die Richtigkeit dieser Nachricht bekundeten wir mit einem ?)

England.

London, 31. Okt.Reuters Bureau" meldet aus Konstantinopel vom 30. d.: Gegenwärtig finden wieder Unterhandlungen zwischen Oesterreich und der Pforte statt behufs Herbeiführung eines definitiven Arrangements in Betreff Bosniens.

London, 1. Nov. Reuter meldet aus Simla, 31. Okt.: Nach den neuesten Informationen ist die Antwort des Emirs keineswegs befriedigend ausgefallen. Der Emir hat keine Entschuldigung vorgebracht, und im Allgemeinen wenig Geneigtheit zu einer friedlichen Lösung gezeigt. Dennoch hat die englische Regierung beschlossen, dem Emir eine letzte Gelegenheit zu bieten, den Krieg zu vermeiden, indem sie ihm ihr Ultimatum übersandte, worin sie ihre Bedingungen aufzählt; prompte Antwort ist darin verlangt. Eine Gesandtschaft des Afridisstammes ist in Peschawer eingetroffen, und hat versprochen, daß sich der ganze Stamm den Englän­dern anschließen werde. Der Gesundheitszustand der afghanischen Truppen bei Alimusdschid ist ein schlechter.

Die Zustände aus dem engl. Arbeitsmarkt wer­den immer schlimmer. In den Jndustriebezirken im Norden sind neue Lohnherabsetzungen angesagt, denen gegenüber die Arbeiter mit Arbeitseinstellung drohen. In Kcnt und Sussex rüsten sich die ländlichen Arbeiter gegenüber den Pächtern zum Kampf, und in der Graf­schaft Suffolk droht gleichfalls ein großer Strike länd­licher Arbeiter. Im Jahre 1874 hatte der Arbeiterstrike gerade in Suffolk seinen Hauptmittelpunkt. Die Ar­beiter wollen nicht glauben, daß die Pächter zur Herab­setzung des Lohnes durch schlechte Erträge gezwungen sind, und berufen sich auf die günstigen Ernteberichte. Die Ernteberichte sind allerdings fast allerwärts gut, was Masse anbelangt. Indessen ist viel Getreide des anhaltenden Regens halber in schlechtem Zustand ein-