der Berliner Middle-Park-Lotterie in Zahlung nehmen müssen, weil der betreffende Zecher kein Geld hatte. Und nun ersieht der Inhaber der Lose aus der Ge^ winnliste, daß ihm der zwölfte Hauptgewinn, bestehend in einer Stute im Werthe von 6000 Mark, zu Theil geworden ist. Es ist selbstverständlich, daß der Oberkellner die Stute verkaufen und den Erlös sich auszahlen lassen wird
Berlin, 24. Okt. In der heutigen Sitzung des Bundesrathes wurden zu Mitgliedern der nach § 26 des Socialistengesetzes einzusetzenden Beschwerde- Commission gewählt: aus dem Bundesrathe der Unterstaatssecretär im preußischen Ministerium des In nern Bitter, der hiesige württembergische Gesandte v Spitzemberg, der hiesige sächsische Gesandte v Nostiz- Wallwitz, der hiesige mecklenburgische Gesandte v. Prol- lius, und als richterliche Mitglieder die preußischen Obertribunalräthe v. Holleben, Hahn und Delius, das Mitglied des bayerischen obersten Gerichtshofs Schneider und Oberappellaltonsrath Lehmann in Lübeck
Berlin, 24. Okt. Die heute ausgegebene Probenummer der socialdemokratischen „Berliner Tagespost" wurde mit Beschlag belegt, da dieselbe die Fortführung der gestern verbotenen Äerl. Freien Presse war. Das fernere Erscheinen der confiscirten „Berl. Tagespost" ist ebenfalls verboten worden.
Berlin, 25. Okt. In der gestrigen Sitzung des Bundesrathes theilte der Vorsitzende mit, daß Minister Graf Eulenburg seiner Funktionen als Bundesrathsbevollmächtigter entbunden und Unterstaatssekrelär Bitter zum Bundesrathsbeoollmächtigten ernannt worden sei.
Berlin, 25. Okt. Heute Nacht brannte die in der Alexandrinenstraße gelegene frühere Kaserne des 2. Garde-Dragoner-Regiments, welche in letzter Zeit mit Artillerie belegt war, nieder. Zwei Feuerwehrleute wurden schwer verletzt.
Berlin, 25. Okt. Unter den Bestimmungen, welche in dem neuen Friedensvertrage zwischen Rußland und der Türkei Platz haben sollen, befindet sich auch die Feststellung der Kriegsentschädigung mit 300 Millionen Rubel, welche die Pforte an Rußland zu zahlen hat. Die russische Regierung soll, wie dem „Pester Lloyd" von hier berichtet wird, neuerdings darauf bestehen, daß ein ansehnlicher Theil dieser Summe in kurzer Frist bezahlt werde, worauf das osmanische Cabinet aus finanziellen Gründen nicht ein- gehen kann. In diplomatischen Kreisen erblickt man in diesem Vorgehen der russischen Diplomatie die Absicht, die Pforte zu jener geheimen Abmachung mit Rußland zu zwingen, welche die Pforte bis jetzt zurückgewiesen.
Berlin, 26. Okt. Die Reichskommisston wird bald Arbeit bekommen. Hiesige Rechtsanwälte haben bereits den Auftrag, Beschwerde gegen das Verbot verschiedener Schriften anzubringen.
Der Kronprinz hat als Antwort auf dies Glückwunschadresse der Berliner Stadtverordneten folgendes Schreiben erlassen: Es ist mir ein Herzensbe- dürfniß, den Stadtverordneten der Hauptstadt für die guten Wünsche zu danken, welche sie mir zu meinem diesjährigen Geburtstage dargebracht haben. Je schwerer die Zeit uns ihren Sorgen und Nöthen auf uns Allen lastet, um desto tröstlicher ist die Gewißheit, daß die ungeheure Mehrheit in allen Kreisen und Klassen unseres Volkes und mit ihr der Kern der Bürgerschaft Berlins sich einig fühlt in der Liebe zu Kaiser und Reich. In dieser Gewißheit liegt unsere Stärke und die Bürgschaft für unsere Zukunft, deren glückliche Gestaltung ich mit unerschüttertem Vertrauen erhoffe. Ich werde der hingebenden Theilnahme und der musterhaften Haltung, welche die Bürger der Hauptstadt in den trüben Tagen und Wochen dieses Jahres gezeigt, für alle Zeit ein dankbares Gedächtniß bewahren.
Zur Geschichte des Sozialistengesetzes ist nachträglich noch ein interessantes Faktum zu verzeichnen, welches von Berliner Blättern als zuverlässig berichtet wird. Gewisse, auf eine Krisis und neue Reichstagsauflösung hindrängende Bestrebungen, welche behufs Herbeiführung ihres Zweckes die Verwerfung der liberalen Abänderungsanträge seitens der Bundesregierungen ins Auge faßten, sind dadurch durchkreuzt worden, daß der Entschluß des Kronprinzen konstarirt ward, eine zweite Auflösung aus Anlaß des Sozialistengesetzes nicht zu genehmigen Es braucht nicht erst dargelegt zu werden, ein wie hohes Verdienst der stellvertretende Regent sich dadurch um die Nation erworben.
Heute wurde bei der Reichs bank ein amerikanischer, auf die Reichsbank gezogener und von der selben acceptirter Wechsel in Höhe von 48,000
durch ein hiesiges Haus präsentirt, der sich als gefälscht erwies und saisirt wurde.
Dem Staats- und Minister des Innern Grafen zu Eulenburg ist der Stern zum Rothen Adler- Orden 2 Klasse mit Eichenlaub verliehen worden.
Heute am 26. Okt. feierte der greise Feldmarschall Moltke seinen 78. Geburtstag.
Selbst die Gastwirthe, bell denen bisher meist Sozialdemokraten verkehrten, treffen, wie die Germania zu berichten weiß, insofern Maßregeln, als sie durch große sHwarz-weiß-rolhe Schilder in ihren Lokalen die Gäste auffordern, keine politische Gespräche zu führen.
Durch Reskript der Centralbehörden sind die Landespolizeibehörden instruirt, das Sozialistengesetz seinem Wortlaute und Geiste nach loyal auszusühren.
Seit Nobilings Attentat ist die Schutzmannschaft in Berlin um 066 Beamte und zwar um 9 Criminal- Commissäre, 13 Lieutenants, 63 Wachtmeister und 896 Fnßschutzleute vermehrt worden.
Wie kürzlich erst mittellose deutsche Reichsange- höcige, besonders Handwerker und Arbeiter, vor dem Aussuchen von Arbeit in Dänemark, ohne dort Aussicht auf ein bestimmtes Unterkommen zu haben, gewarnt woroen sind, so ist jetzt, nach der „K. Ztg.", auch eine ähnliche Warnung in Betreff Italiens und der Schweiz regierungsseitig ergangen.
(Ihr Frauen, schlaft nicht beim Stricken!) Auf eine eigenthümliche Weise verunglückte in Berlin die Frau des in der Wilhelmstcaße wohnhaften Schuhmachermeisters L. Dieselbe schlief beim Stricken ein und ihr Kops sank auf das Strickzeug, welches sie vor sich auf dem Lisch in den Händen hielt. Dabei drang ihr eine Stricknadel so unglücklich in das linke Auge, daß der schleunigst herbeigerufene Arzt den gänzlichen Verlust desselben konstatiren mußte.
Der geprellte Papa. Der Sohn eines reichen Berliner Großhänvlers hatte vor einger Zeit ein zartes Verhältnis mit einer jungen Lehrerin angeknüpft. Die Dame zeichnete sich durch ihre Bildung und Schönheit aus: was aber als unverzeihlicher Fehler in den Augen des Vaters ihres Anbeters erschien, war ihre Armuth. Es konnte daher nicht fehlen, daß der reiche Kaufmann sehr erzürnt war, als er Kenntniß von dem Verhältnis seines Sohnes erhielt. Er ersuchte Letzteren vergeblich, von dem Mädchen zu iassen, und faßte, als alle Vorstellungen nichts fruchteten, den Entschluß, den Sohn aus seinem Geschäfts zu entfernen und ihn in einem befreundeten Hause unterzubringen. Dort sollte sich der junge Mann ein Jahr aufhalten und dann wieder nach Berlin zurüclkehren. Der alle Herr glaubte, daß im Laufe der Zeit die Dame vergehen und zugleich das Verhäilniß gelöu sein würbe. Wider Erwarten ging der Sohn ohne Sträuben aus den Befehl des Vaters, sich nach London zu begeben, ein und reiste, mit Geldmitteln reichlich versehen, nach der Themsestadt ab. Er meldete seinen Eitern pflichtschuldigst seine Ankunft in London, bann aber schrieb er nicht mehr und keine Nachricht von ihm gelangte an die Eikern. Diese wurden schließlich besorgt, und der Kaufmann wandte sich an seinen Geschäftsfreund in London, um vou diesem Nachricht von seinem sohne einzuziehen. Die Antwort erfolgte umgehend. In dem Schreiben wurde ihm mitgetheilt. baß der Sohn sich ausgezeichnet führe und im Geschäft sehr thätig sei: daß er — so lautete der Schluß des Brieses — aber nach vollbrachtem Tagewerk seine Zeit nicht Pcivat- Correspondenzen widme, könne man einem jungen Ehemanne wohl nicht verdenken. Der alte Herr war im höchsten Grade von dieser Nachricht überrascht, sein Sohn Ehemann! Es fiel dem Papa wie Schuppen von den Augen. Sofort degab er sich nach der Wohnung der Lehrerin, aber ohne Letztere dort anzutceffen. Auf Befragen erzählte die Wirthin, daß die Dame bereis vor einigen Wochen nach London adgereist war. Jetzt wußte der alle Herr, was die Glocke geschlagen halte. Alsbald reiste er nach London ab, suchte seinen Sohn auf und fand denselben in Gesellschaft einer Dame, der ehemaligen Lehrerin, jetzt der Gattin des jungen Mannes. Der Geliebte der Lehrerin hatte dieselbe kurz vor feiner Abreise zu bewegen gewußt, ihm einige Tage später nach England zu folgen. Bald nach ihrem Wiedersehen in London hatten die Liebenden sich trauen taffen. Es gab freilich eins recht stürmische Scene, der alte Herr machte jedoch schließlich zu dem bösen spiel gute Miene, es war ja doch einmal ein kalt ucoompli.
Frankfurt, 24. Okt. Der Andrang von Weib lich e n Dienstboten, welche Stellen suchen, ist dermalen ein ganz ungemein starker. Dieselben bieten ihre Arbeitskraft zu einem höchst mäßigen Lohne an, nur um für die Wintermonate ein Unterkommen zu finden, Venn mit den zurückkehrenden Schwalben verlassen auch sie die Winterquartiere und fangen baS ungebundene Leben einer Fabrikarbeiterin, Taglöhnerin rc. an. Zu einer freienStelle, die noch nicht einmal auf einem Verdingungs-Bureau aufgegeben, sondern nur durch Herumsprechen des ausgetretenen Dienstboten bekannt wurde, meldeten sich 42 Mägde, darunter Toiletten, die eher auf den Ball, als in die Küche oder Kinderstube paßten.
Aachen, 21. Okt. Heute Morgen wurde aus dem benachbarten Haaren ein Fabrikarbeiter dem hiesigen Gericht eingeliesert, der, nach der A. Z., gestern seine Mutter erstochen hat. Der Unmensch ist kaum 30 Jahre alt.
Man schreibt aus Paderborn 17. ds.: In dem drei Stunden von hier belegenen Dorfe Anreppen ist am jüngsten Samstag Abend an dem Arbeiter Franke (Wittwer mit L Kindern) von zwei Brüdern ein scheußlicher Mord verübt worden. Der eine des sauberen Bruderpaares ist kaum 17, der andere noch nicht 16 Jahre alt. Die Leiche des rc. Franke
fand man kurz nach der That mit vielen Wunden bedeckt un d aufgeschlitztem Bauche. Heute wurde der ältere der Mörder in das hiesige Grsängniß gebracht. Des jüngeren soll man noch nicht habhaft geworden sein. Welche Gründe diesen grauenhaften Mord veranlaßt haben, ist noch unbekannt.
Gladbach, 22. Okt. (Eine schauerliche That!) Seit dem 3. Sept. d. I. ist die 22jährige unverehelichte Gertrud El. von hier verschwunden. Alle Bemühungen, etwas über ihr Verbleiben zu ermitteln, blieben bis vor Kurzem ohne Resultat. Jetzt scheint sich nach der Elberf. Ztg. das Räthsel in schrecklicher Weise zu lösen. Gestern wurde hier der Heizer eines hiesigen Fabriketabliffements verhaftet unter dem Verdachte, die rc El., mit welcher er in unerlaubtem Verhältnisse gelebt haben soll, ermordet und in der Feuerung der Dampfmaschine verbrannt zu haben. Außerdem wurde in derselben Angelegenheit ein hiesiger Wunderdoktor festgenommen, als verdächtig, eine verbotene Kur an der Verschwundenen versucht zu haben.
^ Schleswig, 24. Oktober. Herzog Karl von Schleswig - Holstein - Sonderburg - Glücksburg ist heute nach längerem Leiden im 66. Lebensjahre gestorben.
Oesterreich—Ungarn.
Wien, 25. Okt. Die „Presse" meldet: Seit einigen Tagen verhandeln Serbien und Griechenland auf das Ernstlichste wegen des Abschluffes eines Offensiv- und Defensivbündnisses. — In den politischen Kreisen wird der bulgarische Aufstand sehr ernst discu- tirt und mehrfach befürchtet, derselbe könnte neue russisch-türkische Verwickelungen herbeiführen. Die Russen unterstützen angeblich offenkundig die aufständischen Bulgarien.
Klagenfurt, 23. Okt. Im hiesigen Truppcn- spital ist mehrfach constatirt worden, daß die Türken, welche die österreichische Armee bekanntlich der Verübung von Greueln in Bosnien beschuldigen, mit Explosions- Kugeln schießen. Verwundete im hiesigen Truppenspital sind auch im Besitz von solcher Kugeln. Dieselben sind sehr groß, an der Basis hohl. Im hohlen Raum, welcher mit einem hölzernen Stöpsel verschlossen ist, befindet sich der explodirende Stoff, und zerspringt die Kugel, wenn sie auf einen harten Gegenstand z. B. auf einen Knochen, ausschlägt. Die gräßlichsten Verwundungen werden durch solche Kugeln hervorgebracht und sind dieselben wegen der großen Zerstörung, welche sie Hervorrufen, meist unheilbar und ist der Tod des Getroffenen meist die unmittelbare Folge. Ueberhaupt schießen die Türken in Bosnien aus einem verhältniß- mäßig großen Kaliber, da die Kugeln 47 Gramm wiegen.
Die Tischnowitzer Siamesen. Nach dem „Fremdenblatl" ist am 19. ds. Mts., um 10 Uhr Vormittags, einer der Tischnowitzer zusammengewach- senen Zwillinge, die sich im Brünner Landes-Kranken- hause in Pflege befanden, gestorben, während das andere Kind ganz gemächlich schlief. In Folge des Todes des einen Kindes erwachte das zweite aus dem Schlafe, zuckte zusammen und starb ebenfalls eine halbe Stunde darauf. Die Kinder haben daher 19 Tage gelebt. Die Doppel-Leiche wird in Spiritus aufbewahrt werden.
Italien.
Venedig, 18. Okt. Mittheilungen italienischer Blätter zufolge ist der Selbstmord des Grafen Bismarck-Bohten, eines Neffen des deutschen Reichskanzlers, doch unbestreitbare Thalsache. Die einbal- samirte Leiche des Unglücklichen wird nach Deutschland gebracht werden.
Wie der „Commerico" in Genua aus höchst verläßlicher Quelle melden zu können angibt, wird der St. Gotthard-Tunnel im Laufe des kommenden Jahres fertig gestellt und Anfangs 1880 dem Verkehr übergeben werden.
Frankreich.
Ein Hirtenbrief des Cardinal-Erzbischofs von Paris verordnet öffentliche Gebete und einen besonderen Gottesdienst für das Seelenheil des verewigten Bischofs Dupanloup. Der Erzbischof von Albi hat einen^ ähnlichen Hirtenbrief erlassen und die übrigen Prälaten Frankreichs werden ohne Zweifel diesem Beispiele folgen.
Ein sonderbarer Grundzum Selbstmord In Rouen hat dieser Tage ein Buchbinder, der seit zwanzig Jahren in einer dortigen Bnchdruckerei angestellt ist, selbst seinem Leben ein Ende gemacht. Er war als Delegirter seiner Gewerkschaft ans die Ausstellung nach Paris geschickt worden und kehrte begeistert und entzückt von dort zurück. Aber nun sollte er auch Bericht über das Gesehene erstatten, und das überstieg seine Geisteskräfte. Er redete sich ein, er müßte ein Buch darüber schreiben oder wenigstens das Material eines Buches als Bericht bringen. Ec begann zu schreiben, aber nun erkannte er erst das Ungeheure seines Beginnens. Seine Frau, der er sich anvertraute, konnte ihm nicht helfen. Nun verlor er den Kopf; er glaubte, er müsse das gebrauchte Geld wieder zurückerstatten und bekomme von der Regierung den Prozeß gemacht- Alle Vorstellungen