Polizei angestcllt werden, haben, wie dieNat.-Ztg." berichtet, die Notwendigkeit hei ausgestellt, gegen die­selben mit Entschiedenheit vorzugehen. Eine große Anzahl von erheblichen Ilebelständen hat sich heraus- gestelll, die darauf dringen, eine sehr bedeutende An­zahl von Kellerwohnungen überhaupt zu cassiren, ja darauf hinzuwirken, daß in einem gewissen Zeiträume überhaupt die Keller nicht mehr als Wohnungen benutzt werden können. Nach den statistischen Erhebungen befinden sich in den 24,000 mit Wohnungen versehenen Häusern Berlins ungefähr in 12,000 Häusern Keller­wohnungen und in diesen wohnen ca. i00,000 Men­schen, so daß beinahe der zehnte Theil der Berliner Bevölkerung im Keller lebt. Unter diesen Kellerwoh­nungen befindet sich eine sehr große Anzahl, namentlich im Innern der Stadt und in den älteren Häusern, welche die normale Höhe nicht haben, nur 67 Fuß hoch sind und deren Sohtc außerdem unter dem ge- wöhnlichcn Gruudwasscrst inde liegt, so daß dieselben regelmäßig feucht sind und bei dem Steigen des Wassers an Uebelschwemmung leiden. Daß solche Wohnungen entschieden ungesund sind und leicht die Herde der Epidemieen werden, ist längst nachgewiesen, auch ist bereits durch statistische Eihebungen coustatirt, daß namentlich in den alten Stadttheilen östlich der Spree, wo diese älteren Kellerwohnungen sich meistens befinden, die Sterblichkeitszifser die colossile Höhe von 10 bis 12 pCt. pro Jahr erreicht. Aber auch andere Ge­sichtspunkte außer den sanitären haben sich gegen das Fortbestehen der Kellerwohnungen erhoben.

Berlin, 17. Okt. Die Compromißverhandlnn- gcn über das Socialistengesetz haben insofern die Reichs­lagsmehrheit oder vielmehr für die nationallib. Partei einen günstigen Abschluß erfahren, als die letztere bei drei streitigen Punkten ihre Forderungen in zwei Fällen durchgesetzl hat, und nur in einem Falle eine Modi­fikation des von der Mehrheit des Hauses gut gehei­ßenen Commissionsoorschlages verlangt worden war. Die verbündeien Regierungen haben eingewilligt, daß bei periodischen Druckschriften daS Verbot derselben nur erfolgen kann, sobald auf Grund des Gesetzes das Verbot einer einzelne» Nummer stattgefundeu hat. Ferner ist die Gültigkeitsdauer des Gesetzes dahin ge­regelt, daß der Termin 1881 stehen bleibt. Nur in Betreff der Ausweisung der Agitatoren wurde den Wünschen der verbündeten Regierung Rechnung getra­gen: die Einschränkung des Aufenthalts soll zulässig fein, sobald der Aufenthalt an einem bestimmten Orte nicht mindestens ein sechsmonatlicher war. Die übri­gen Compromißpunkte sind untergeordneter Art: es verbleibt bei den Bestimmungen in den W 1a, 1b und 1e, wonach die Genossenschaflskassen geschützt sind, und bezüglich der Rekurs-Instanz kommr bei der dritten Lesung die Bestimmung in das Gesetz hinein, daß die Ernennung eines zehnten Mitglieds der Commission dem Kaiser zusteht. Die Compromiß-Verhandlungen gingen rasch und ohne jede Störung von Statten: gestern Abend wurden die Vereinbarungen verabredet, und heute wurden sie von den beiden conservativen Fractionen und von der nationalliberalen Partei gut­geheißen. Es müßten hiernach ganz unerwartete Zwi­schenfälle einlreten, wenn die dritte Lesung nicht am Sonnabend geschlossen werden könnte.

Berlin, 18. Okt. Osficiös wird geschrieben: Das Todesurtheil gegen den des Raubmords ange klagten Türolf ist durch allerhöchste Ordre vom 9. Okt. auf Grund des vom Justizminister erstatteten Berichts und in Gemäßheit des in dem Bericht gestellten An­trags in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt worden.

Berlin, 19. Okt. Der Reichstag hat in der um 2'/« Uhr Nachmittags wieder aufgenommenen Si­tzung das ganze Sozialistengesetz in namentlicher Ab­stimmung mit 221 gegen 149 Stimmen angenommen. Dafür stimmten geschlossen und ausuahmlos die Con­servativen (beide Fraktionen), die Nationalliberalen und die Gruppe Löwe, ferner einige nicht zu Fraktionen gehörige Liberale. Fürst Bismarck verlas alsdann eine kaiserliche Botschaft, welche ihn ermächtigt, den Reichs­tag zu schließen. Fürst Bismarck drückte seine Be­friedigung ans über das Zustandekommen des Gesetzes und sagte, die Bundes-Regierungen seien entschlossen, mit den von diesem Gesetze gewährten Mitteln einen Versuch zu machen, die herrschende Krankheit zu heilen. Schwerlich werde dies in dritthalb Jahren gelingen; doch hoffen die Bundes Regierungen nach den bisheri­gen Verhandlungen auf ein weiteres Entgegenkommen des Reichstages. Die Sitzung schloß sodann mit einem dreimaligen Hoch auf den Kaiser.

Berlin, 19. Okt. DasBerliner Tagblatt" .will wissen, daß am 1. November 20,000 Mann mehr

als sonst in die deutsche Armee eingestellt werden und zwar sei diese Disposition noch vor der öffentlichen Besprechung von Beust's Ernennung zum Botschafter in Paris erfolgt. (Fr. I.)

Berliner Blätter berichten über eine am letzten Samstag abgehallene Versammlung des sozialdemokratischen'Vereins zur Wahrung der Jnterefjen der wertthätige» Bevölkerung Berlins", in welcher der Reichstagsabg. Hassetmann einen Lortrag über das ThemaDer Fücst-Reichkanzler für die Produkuv - Genossenschaften durch Slaatshilse" biett. Er sagte u. a.: Es freue ihn zwar, daß Fürst Bismarck von sozialisiischen Ideen durchdrungen sei, und die Liberalen seien recht darüber erschrocken, aber trotzdem würden die Sozialdemokraten sür Assoziationen, welchevon oben her" eingerichtet und beaufsichtigt würben, bestens danken. Zu einem Gedeihen der Produtliv-Genossenschasten sei vor Allem wahre Botkssreihett und fortwährende Kontrolevon unten" erforderlich, ein freies, rein sozialdemokratisches Staatswesen. Demokratie und Sozialismus gehöre immer zusammen, und dürfe niemals das eure ohne da» andere acceptirt werden. Wenn also jetzt das Ausnahmegesetz alle Freiheit rauben und alle Bolksrechte vernichten würde, und sich dann Leute fänden, welche dem Volke staatliche Organisation und Garan­tien andöten, so möge Niemand aus diesenLeun" gehen. Dafür aber sollten Alle um fo lester zusammenhatren, zwar keine Geheinrvünbe und Verschwörungen anzettetn, aver sich täglich in ihren Pnvatwohnungen zu vieren oder sechsen zufammeiifinden. Das werbe keine Polizei hindern könne», und alle Aussichtsbeamten Berlins würden nicht zur Hälfte airsretchen, wen» sie solche Zusammenkünfte überwachen soll­te». Nachdem der Redner geendet, erhob sich, nach der Schilderung derPost", ein wahrhast rasendes Klatschen und unaufhörliches wiederholtes Hurrahrufe». Alles drängte sich an Hasselmann heran, man Hob ihn in die Höhe und küßte ihm die Hände und ein hoch nach dem andern wurde auf ihn auSgedracht. Sichtlich abgespannt bat er, man möge ihn nur kurze Zeit sitzend sich erholen taffen. Der Bitte wurde entsprochen, and nnn boten ihm die Arbeiter Eigarren, Bier :c. in solcher Mage, daß er wohl lange Zeit sich hätte verproviantiren können. Währenddem halte m einem Neben­zimmer em Klavierspieler die Weile» ausMamsell Üngot" erklingen lassen, und ein Sattler Dastig, bekannt als sozia­listischer Wahl-Agitator, dirigirte daSLied der Petrolöre", dessen 5 Strophen nun zu Ehren Haffetmann's adgesungen und cla cnpo verlangt wurden. Das Prlroleumlied hat den Refrain:

Hier Petroleum, da Petroleum,

Petroleum um und um!

Laßt die Pumpen frisch voll pumpen:

Dreimal hoch Petroleum!"

Darauf wurde noch im Chor die Arbeiter-Marseillaise vor­getragen.

In Betreff des Eindrucks der jüngsten Rede des Reichskanzlers in Paris wird jetzt aus Berlin offiziös mitgelheilt, daß, sobald die Rachrichl von der fälschlichen Auffassung, welche die Rede in Paris ge­sunden, nach Berlin gelangt war, Gras Wesdehlen als derzeitiger Vertreter des Fürsten Hohenlohe beauftragt wurde, der franzöj. Regierung den wirklichen Wortlaut der Aeuße, ringen des Reichskanzlers miuutheilen und dessen sür Frankreich und zumal für dessen jetzige Re­gierung durchaus unverfängliche Bedeutung festzustellen. ES wird hinzugefügi: die Beziehungen zwischen den beiderseitigen Regierungen sind in der Thal durchaus freundlicher Natur.

In Erfurt bat die 18jährige Tochter eines Ren­tiers, ein hübsches und gutes, aber eitles Mädchen, ihren Väter um ein Jaquet von ächtcm Sammt, im Preis von etwa 120 -ik Der Valcr versprach ihr eines von Tuch, das mochte sic aber nicht, weil einige Freundinnen ächte sammtene Jaqnets hätten; sie setzte ihren Kops auf und sagte: wenn ich's nicht bekomme, geschieht 'was! Als Abends der Bräutigam, ein Kaufmann, kommt, sie ins Conzert zu führen, ist sie nicht da, auch nicht bei Verwandten und Freunden, auch nicht in Weimar (wohin man telegraphirt), erst am andern Tage findet man sie, aber todt im Wall­graben.

Admiral Werner, gleich geschätzt bei seinen Seeleuten, wie bei den Landratten, geht. Sein Ent­lassungsgesuch ist durch Cabinetsordre bewilligt worden.

Itzehoe, 14. Okt. Der letzte von den Läger- dorfer Fünflingen ist vorgestern, 14 Tage alt, ge­storben.

Straß bürg, 16. Okt. In Rothau im Nie­derelsaß hat am Abend des ll. d. M. eine furchtbare Fcuersbrunst die dem Hanse Steinheil, Dieterlen u. Komp, gehörige Spinnerei in Asche gelegt. Trotz aller Anstrengungen gelang es nicht, das Gebäude zu retten. Die ganze Spinnerei mit ca. 10,000 Spin­deln ist vollständig niedergebrannt.

Birnbaum, 18. Okt. Die Criminalabtheilung des hiesigen Kreisgerichtes verurtheilte den Grafen L e- dochowsky wegen wiederholten Vergehens gegen die Kirchengesetze zu 15,000 -ck Geldbuße event. 2 Jahr Gefängniß, und außerdem wegen Beleidigung der Re­gierung zu 2 Monat Gefängniß. (N -Ztg-)

Es scheint sich zu bestätigen, daß das deutsche Kriegsschiff Ariadne von der Insel Upoln, der größ- j len der Samoa-Inseln mit etwa 24,000 Einwohnern, I Besitz ergriffen hat. Ob die Insel eine Kohlenstation

sür die deutschen Schiffe werden soll oder auch eine Kolonie für Verbrecher das weiß man noch nicht.

Die europäische Diplomatie macht kräftige An­strengungen, eine Verständigung zwischen Griechenland und der Türkei herbeizuführen.

OesterreichUngarn.

Wien, 17. Okt. Die vereinigte Opposition des ungarischen Reichstags beabsichtigt nicht blos das Kabinet Tisza in Anklagestand zu versetzen, sondern auch den Grafen Andrassy zu stürzen.

Frankreich

Paris, 14. Okt. Rappel erzählt: Gestern, gegen 3 Uhr, erreichte der Ballon Caplif beinahe seinen höchsten Standpunkt, als eine Engländerin, die mit aufgestiegen war, einen Schrei ausstieß und zusammen- sa»k. Man glaubte zuerst an einen Nerven- oder einen Schwindelanfall. Aber ein Arzt, der glücklicher­weise im Rachen des Ballons war, erkannte, daß sie der Entbindung nahe sei. Einer der Luftschiffer gab das Signal des Herabziehens, aber das Kind schien Ecke zu haben. Ohne einen Augenblick zu verlieren, machte sich der Arzt bereit, die Entbindung zu vollziehen. Diese gelang in günstigster Weise. Ein wohlgestalte­ter Knabe wurde einige hundert Meter hoch in der Lust geboren. Man näherte sich bald der Erde. Die Musik spielte und ihre Töne mischten sich in das Schreien des Neugeborenen. So wie der Luftballon befestigt und der Steg gelegt war, trugen 4 Männer die Wöchnerin in einen Wagen. Eine Dame hatte das Kind in ihren Shaw! gewickelt. Der Arzt ist aus Harbes und hatte 20 Fr. bezahlt, um aufzusteigen; beim Aussteigen erhielt er 500. Der Vater ist der Sohn eines reichen Fabrikanten aus Manchester.

Ein faules Legat. Das Testament des vor einigen Tagen verstorbenen Bischofs Dnpanloup ist am 14. Oktober eröffnet worden. Er hinterläßt für einen Kirchenfürsten in feiner hervorragenden Stellung wenig genug 40.000 Frcs., die er seinem Adop­tivsohn vermacht hat. Seine irdische Hülle wird in der Kathedrale von Orleans beigesetzt werden, sein Herz aber hat er der Gemeinde von Saint-Felix, seinem Geburtsorte, letztwillig zugcwendet. Die Gemeinde würde Dupanloup's .Herz gerne gegen die 40,000 Fr. hergeben.

Ein französischer Gelehrter schreibt imJournal des Debats" über die wipenschaittiche Thätigkeit der Deutschen in Italien: Es sind beinahe nur noch die Deutschen, die wirklich arbeiten. Die Lateiner mögen sich noch so sebr Sand in die Augen streuen und sich ihrer Schnellfüßigkeit wegen mit den Hasen vergleichen ; die Schildkröten, die langsam, aber unablässig vorrücken, kommen vor uns am Ziele an. Neulich war ich in Siena; in den Archiven, aus der Biblio­thek, im Waisenhause, auf allen Registern fand ich beinahe nur deutsche Name». Diese Archive sind ein Schatz sür die Geschichte; die Deutschen haben schon alles durchblättert, alles nachgeschlagen, alles abgeschrieben. In Pompeji hat Mommsen einen jungen Mann angestcllt, der ihn über alle neuen Ausgrabungen aus dem Lausenden erhält; wenn eine Inschrift aus dem Erdboden aufsteigt, wird sie in Berlin schon enträthselt, noch ehe sie hier nur abgeschrieben ist. Wie­der Willen mit Ingrimm muß ich dies alles doch bewundern. Wann werden wir uns entschließen, wieder die Ersten zu werden?"

Belgien.

Brüffel, 19. Okt. Seit gestern befinden sich in den Werkstätten des Hainaut 6000 Steinarbeiter in Strike. Die Gendarmerie ist verstärkt worden.

Aus dem Haag, 18. Oktbr. Die Kammern haben ihre Zustimmung zur Wiedervermählung des Königs ertheilt. (Neue Z.)

Eine komische Scene ereignete sich vorigen Mittwoch auf einem Brüsseler Polizeibureau. Eine Frau meldete sich bei dem dienstlhuenden Offizier und brachte eine Klage gegen einen Arbeiter vor, der ihr eine Ohrfeige verabreicht hatte.Aus welche Weise geschah das?" fragte der Polizei-Offizier.So!" sagte die Frau und applicirte dem unvorsichtigen Frage­steller die schönste Maulschelle von der Welt. Der Mann des Gesetzes, der alle fünf Finger im Gesicht hatte, lies zum Polizei-Commiffär, um sich seinerseits zu beklagen. Aber dieser ließ die Frau in Anbetracht ihrer Naivität lausen.

Dänemark

Aus Kopenhagen kommt heute die überraschende Nachricht von der demnächst stattfindenden Verlobung der Kgl. dänischen Prinzessin Thyra mit dem Herzog von Cumberland, das heißt also mit dem Sohne deS verstorbenen Königs von Hannover. Bisher nahm man bekanntlich an, der Sohn des Napoleon's III. werde der Verlobte Thyra's werden, wurde dies ja doch erst noch vor wenigen Tagen von bonapartistischen Organen mit großer Sicherheit behauptet. Ein Prä­tendent muß es sonach, wie es scheint, unter allen Umständen sein. (Neue Z.)