Aufnahme des Soldaten wegen schon weit vorgeschrit­tener Gehirnentzündung in das Militärlazareth. Am letzten Mittwoch hat man den armen Teufel begraben. Vielleicht wäre ihm zu helfen gewesen, wäre er nicht zuerst in die Hände des superklugen Unterarztes gefallen."

Dresden, 20. Aug. Hier soll eine Anzahl von Postbeamten, weil sie einer Versammlung beigewohnt hat, in welcher Bebel einen Vortrag hielt, strafver­setzt worden sein. (Also ist das Bibelwort: Prüfet Alles und das Beste behaltet, auch nichl mehr in Geltung.)

Glauchau. Die hiesigen Sozialisten sind durch die Erfolge der Stichwahlen übermülhig geworden. Wie derDresdener Zeitung" geschrieben wird, gibt es am hiesigen Orte Webergesellen, die, wenn sie Ar­beit bekommen sollen, erst den Meister fragen: ob er auch dieGlauchaner Nachrichten" (Sozialistenblatt) liest. Thut er dies nicht, so kehren sic ihm den Rücken und nehmen gar keine Arbeit an.

Ist unser Deutschland denn zur Polackei gewor­den, daß sich die Leute auf Sensen schlagen? Das thaten zwei Bauern auf dem Felde bei Minden, die hinter einander gerielhe»; sie griffen sich mit ihren Sensen an und der eine mähte dem andern fast den Kopf ab und stellte sich selber dem Gericht. Es waren noch dazu zwei alte gute Freunde und Nachbarn.

Berlin, 23 Aug. Ganz unerwartet ist aus Rom der deutsche Botschafter Herr v. Keudell in Berlin eingetroffen. In politischen Kreisen bringt man die Anwesenheit dieses, dem Fürsten Bismarck persönlich sehr nahestehenden Diplomaten mit den vom Vatikan eingeleiteten Verhandlungen wegen Herstellung des kirchlichen Friedens in Deutschland in Verbindung. Wahrscheinlich", so meint man,ist Herr v. Keudell dazu ausersehen. Namens der preußischen Regierung die weiteren Verhandlungen in Rom zu leiten, wofür auch der Umstand spricht, daß derselbe vor seiner Rückreise nach Rom sich zum Fürsten Bismarck nach Gastein begeben wird. Sein Aufenthalt in Berlin ist nur auf einige Tage berechnet.

Berlin, 23. Aug. Pikant und von Interesse ist es jedenfalls, daß die russische Regierung eine der ersten ich glaube sogar die allererste war, die von dem neuen Socialisten Gesetzentwurf eines der ersten Exemplare sich von hierzum Studium" über­mitteln ließ.

Berlin, 24. Aug. Vom Justizausschuß wurde heute die Kompetenz des Reichsamts in Bezug auf Presse und Vereinswesen verworfen Die Functionen des geplanten Reichsamtes sollen vom Lundesrath über­nommen werden.

Prinz August von Württemberg, der Kom­mandeur des Gardekorps, hat heule bei der Potsdamer Parade zu Ehren des Königs von Holland ein so ernsters Unwohlsein gehabt, daß er die Parade ver­lassen mußte.

Berlin. Der Cassirer des hiesigen Jnvaliden- dank ist, nachdem er viele Forderungen einkasstrl hatte, mit ca. 10,000 flüchtig geworden.

Der Raubmörder Thürolf hat in seiner Zelle einen Erhängungsversuch gemacht, der vereitelt wurde.

In Berlin starb ein junges Mädchen an der Diph- theritis; die Mutter küßie die Tobte wiederholt, wurde angesteckt und folgte der Tochter im Tode.

Zwei Berliner, vr. Sachs und Herr Heinitz, haben beim Bergsteigen in Tyrol den Tod gefunden, ein Dritter, vr. Salomon, hat das Bein gebrochen.

Die Sprache der sozialdemokratischen Presse wird immer heftiger und maßloser, je mehr sich die Aus­sichten auf die Bildung einer gemäßigten Neichstags- mehrheil steigern, welche das Sozialistengesetz, wenn auch hier und da etwas verändert, annehmen wird. Die Hinrichtung des Hochverräters Hödel wird von der Berl. Fr. Pr. die Abschlachtung eines Halbindia­ners genannt, Hödels Köpfung sollte symbolisch die Köpfung der Sozialdemokratie bedeuten, die Vollstre­ckung des Todesurtheils habe durchaus nicht abschreckend gewirkt. Die Ermordung Mesenzows in Petersburg nennt das Blatt die Hinrichtung eines abscheulichen Tyrannen auf Grund gerechten Urtheils des Selbst­hilfe übenden russischen Volkes. Man darf sich wun­dern, daß die Behörde diesen den Mord verherrlichen­den und geradezu herausfordernden Artikel unbeanstan­det gelassen hat.

Nach einem Berliner Korrespondenten soll Ita­lien allen Ernstes daran sein, sich seinen Theil an der türkischen Beute zu holen. Absichten auf Tunis hatten die Italiener schon lange aber ob es so leicht geht? (Neue Ztg)

DisKöln. Z." erhält von Konstantinopel Mel­dungen, welche interessante Schlaglichter auf das Ver- hältniß Rußlands zu Oesterreich-Ungarn nach

dem Berliner Frieden werfen. Es heißt dort u. A.: Der Widerstand, den die Oesterreicher bei ihrem Ein­märsche in Bosnien finden, und die Verluste, welche sie in den bis jetzt stattgehabten Gefechten erlitten haben, bilden den Türken und Russen einen gleichmäßi­gen Anlaß zu ungebäadigter Freude. Einer der höchst­gestellten russischen Offiziere that kürzlich in einem öffentlichen Lokale in Pera inmitten zahlreicher Zu­schauer (ungefähr wörtlich) folgende Aeußerung: Nach unseren Nachrichten haben die Oesterreicher innerhalb der letzten Tage ungefähr 1300 Mann verloren. Es hat lange gedauert, bis wir die Kerle so weit hatten, aber jetzt sitzen sie glücklich in der Falle drin, und ich soll mich wundern, ob sie wieder herauskommen. Wir haben scharf arbeiten müssen, aber es ist uns am Ende glücklich gelungen, ihnen die Sache so plausibel zu machen, daß sie zuletzt selbst daran glauben.

Im Zoologischen Garten in Hamburg sind 3 Gorillas und 5 Chimpansen aus Weftasrika angekommen, äußerst seltene Thiere. Wer sich also einen Affen kaufen will! (Dfz.)

Zu dem Aufruhr in Harburg erfahren die Harb. Anz. und Nachr., daß zwei Verletzte inzwischen ihren Wunden erlegen sind, die Zahl der Getödtelen beträgt sonach 4. Von den Verhafteten sind am Dien­stag 13 Mann nach Lüneburg abgeführt. Die Tri­büne sagt:Die Unruhen in Harburg beschäftigen die Regierung sehr eingehend. Der ganze Vorgang, wel­cher auf ein Bündniß der Welfen mit den Sozialde­mokraten zurückzuführen ist, hat in Regierungskreisen einen sehr niederfchlagenden Eindruck gemacht, und es liegt auf der Hand, daß man sich die Gelegenheit nicht wird entgehen lassen, bei den Verhandlungen über den WelsensondS, die im Landtage unausbleiblich sind, daraus Kapital zu schlagen. Der Minister des Innern hat direkten Bericht eingefordert, und es steht die strengste Bestrafung der Schuldigen zu erwarten. Man vermuthet, daß die Untersuchung erneuten Anhalt für das Vorhandensein einer welfischen Agitation bieten möchte, welche, wie bekannt, von der Welfenpartei und ihren Freunden so energisch in Abrede gestellt wird."

OesterreichUngarn.

Wien, 22. Aug. Graf Andrassy hat den Ent­wurf einer Konvention in Konstantinopel übergeben lassen. Der Inhalt entzieht sich noch der Oeffentlich- keit. Eine Bestimmung über die Dauer der Besetzung oder ein Zugeständniß bezüglich der Belastung türkischer Beamter in den besetzten Ländern enthält der Entwurf ebenfalls nicht. (St.-Anz.)

Wien, 22. August. Laut demArmee-Verord­nungsblatt" wird für die bosnische Occupatio» eine zweite Armee von vier Armee-Corps gebildet. Zum Kommandanten derselben wurde General v. Philippovic, der Eroberer Sarajewo's, ernannt; dessen bisheriges Kommando übernimmt der Herzog von Württemberg, welcher zum Feldzeugmeister befördert wurde. Heute passirten durch Wien die ersten türkischen Gefangenen.

Wien, 22. Aug. Nach den aus Serajewo eingetroffenen Nachrichten fielen den kaiserlichen Trup­pen bei der Einnahme Serajewos unter den erbeuteten Trophäen 27 Kanonen, darunter auch mehrere Krupp'- sche Hinterlader, viele Waffen, Fahnen und große Quantitäten Munition in die Hände. Nach der pol. Korr, sind die fremden Konsuln in Serajewo, welche sich sämtlich wohl befinden, bei dem Armeekommandan­ten Philippovich zur Aufwartung erschienen.

Wien, 23. Aug. Der Sultan hat den Kaiser gebeten, er möge Philippovic anweisen, gegen die irre­geleitete Bevölkerung Bosniens, besonders gegen die Einwohner Scrajewo's, Milde walten zu lassen. Der Kaiser versprach, die Bitte zu erfüllen und richtete dem entsprechende Weisungen an Philippovic. Milan hat dem Kaiser persönlich die Unabhängigkeits-Erklä­rung Serbiens angezeigt, gleichzeitig bittend, Oestreich möge auch ferner ein wohlwollender Nachbar Ser­biens sein.

Kaiser Wilhelm ist am 23. Aug. Abends nach Gastein abgereist; vorher empfing er den Besuch des österreichischen Kronprinzen.

Teplitz, 23 Aug. Kaiser Wilhelm empfing heute Mittag eine Deputation der Bürger-Ehrenwache, dankte derselben für die Opferwilligkeit der Bürger­schaft und versprach ein großes Portraitbild mit Wid­mung zu senden für die ihm bewiesene Theilnahme der Bevölkerung. Den Armen der Stadt schenkte der Kaiser 1000 Mark. Abends kurz vor 8 Uhr fuhr der Kaiser in offenem Wagen durch die festlich geschmück­ten Straßen nach dem Bahnhofe. Die Ehrenwache und freiwillige Feuerwehr bildeten Spalier. Unab­sehbare Menschenmafsen riefen dem scheidenden Kaiser Lebehochs und Scheidegrüße zu. Kurz nach 8 Uhr

erfolgte die Abfahrt, nachdem der Kaiser auf dem Bahnhofe noch den Bürgermeister und andere Vertre­ter der Stadt, sowie viele deutsche Kurgäste durch An­sprachen ausgezeichnet hatte.

Am 20. August schien auch der Himmel viribus uuitis über Oesterreich zu arbeiten. Eine wahre Sünd- fluth von Regengüssen und Hagelschauern ergoß sich über Bludenz und Ischl, über Klagenfurt und Riva, über Görz und Triest, über Pola, Agram und Hermannstadt, also unparteiisch über die ganze Monarchie.

Ueber die furchtbaren Ueberschwemmungen in Tirol (im Zillerthal und Ahrnthal) enthalten die Blätter wahre Schauderberichte. Der seit dem 14. d. M. Scirocco brachte nicht bloß Regen und erweichte das brüchige Gestein der Zillerthaler Ferner, sondern hat auch von den Gletschern solche Eismassen abge­schmolzen, daß sämtliche Bächlein plötzlich in reißende Flüsse umgewandelt wurden und solche Schutt- und Gesteinsmassen mit sich in's Ahrnthal herabführten, daß am 17. d., Morgens halb 4 Uhr, durch sie die Thal­enge von Luttach bis Sand verstopft wurde und sich dahinter ein riesiger See, der bis St. Jakob hinauf- reichle, und aus dem nur St. Johann und Steinhaus wie Eilande herausragte, im Thale ausstaute. St. Marlin, die gräfllich Enzenberg'sche Kupserschmelzhütte Arzbach und Luttach wurden in Folge dessen derartig verwüstet, daß der größte Theil der Häuser nur mit den Dächern ans dem Wasser herausragte. Die Ein­wohner flüchteten, größientheils ihre Habe den Wellen überlassend, die Sturmglocken ertönten, Alles war auf den Beinen, um dem Elemente zu entrinnen oder, wo es noch möglich schien, den Kampf mit demselben aus­zunehmen. In Schlüters (im Zillerthal) drang das Wasser an einigen Häusern bis zum ersten Stockwerk hinauf und nur mit Mühe konnten die Einwohner mit einem Kahn gerettet werden; der Kahn fuhr über Zäune hinweg. Straßen und Pfade in der Thalsohle zwischen Hippach und Zell gibt es nicht mehr, die sind sämtlich im Schlamm und unter den Wogen des ra­send gewordenen Ziller verschwunden. In Hippach wälzt der Fluß seine braunen schlammigen Wellen hart an der Straße unter der Kirche vorüber. Auf seinem Rücken sah man am 18. eine bunte Menge von Opfern dahertreiben: entwurzelte Bäume, aufrecht auf den Wogen tanzend, allen möglichen Hausrath: Tische, Kästen, Sessel. Wannen mit Wäsche, Heuschober mit den Schindeln noch bedeckt, eine Kuh, der die Einge­weide aus dem Leibe hingen, Bauholz, Brennholz, Kohlenhaufen, Oekonomiegebäude, wie Ställe, Schu­pfen, führten die wilden Gewässer an unfern Augen vorüber. Verschwunden ist der Karlssteg in Dornau- berg, die große Hollenzbrücke über den Ziller in Mayr­hofen, die Brücke in Zell, die letztere zum Heil von Zellerberg; das unablässig einhertreibende Holzwerk staute sich an ihr, die Wassermassen nahmen die Rich­tung auf das Ufer, durchbrachen die Arche und gefähr­deten in hohem Grade das Posthaus. Ein Dutzend Fremder rang in Todesnöthen verzweislungsvoll die Hände; das Wasser drang bereits vom Keller herauf und durchs Thor in den Hausgang und drohte in den nächsten Viertelstunden mit zerstörender Gewalt sich ganz gegen das Haus zu kehren. Die geängstigten Touristen und Touristinnen schrien zum gegenüberlie­genden Nachbarwirthshaus, man möge ihnen um Got- teswillcn Seile zuwerfen, damit sie sich schwimmend retten. Es konnte ihnen nicht geholfen werden. Die rettenden Seile lagen in entfernten Oekonomiegebäuden, zu denen man nicht mehr gelangen konnte, da, im rechten Augenblick noch, krachte polternd die Brücke zusammen und der verderbenbringende Wogenschwall verlor die Richtung auf das bedrohte Haus. In Zell stehen sämtliche Keller und Parterrewohnungen unter Wasser. Gassen und Straßen sind ein wirres Chaos von Gräben, Geröll, Schlamm. Im Zillergrund ver­schwand das Wirthshaus samt Wirthin und 2 Kindern. Der Inn trug Tausende von Holzstämmen, Kornscho­bern, selbst Zugthiere, Wagen und Einrichtungsstücke thalab. Die Gemeinden find durch einen ungeheuren See von einander getrennt, alle Kommunikation war bis zum Abend unterbrochen."

Italien.

Ungeheuer aufrichtig ist der Aufruf einer rothen Arbeiterverbindung in der römischen Romagna an die Sozialisten und Proletarier, an das Volk und an das Heer. Sie hat das Feigenblatt abgeworfen und sagt:Unsere Internationale sucht die Anarchie an Stelle der Autorität, Verträge an Stelle des Gesetzes, das Gesammteigenthum an Stelle deS persönlichen Be­sitzes, die Liebe an Stelle der Ehre, den Menschen an Stelle Gottes und die Gesammtheit der Arbeit an