nach Oestreichs Programm entschieden wurde. Mon tenegro erhält Antivari und die Hälfte dessen, was es im Nordosten und Osten forderte. Auch das ganze Ufer südlich von Antivari soll ihm entzogen sein. Das alles im Gegensatz zum Stefanofrieden.

Noch immer wird der deutsche Kronprinz mit Drohbriefen verfolgt. Der letzte theilte ihm mit, er werde auf dem Wege nach dem Dome erschossen werden.

Der Kongreß hat mehrere Kommissionen einge setzt; der griechischen Kommission präsidin Waddington, welcher einen Entwurf zur Befriedigung der griechi­schen Ansprüche ausarbeitet. Der montenegrinischen Kommission präsidirt gärst Hohenlohe.

Der Wiener Deutschen Zeitung wird aus Berlin eine Aeußerung des Fürsten Gortschakow mitgeiheilt. «Ich weiß", soll der Kanzler gesagt haben,daß das, was der Kongreß schaffen wird, nicht von Dauer sein kann; aber ich bin ein alter Mann und will nicht, daß, so lange ich wirke, neue Ströme von Blut ver gossen werden." Fürst Bismarck soll nach derselben Quelle gesagt haben:Die orientalische Frage muß etappenweise gelöst werden; 1828 die erste Etappe, 1856 die zweite, 1878 die dritte, und die vierte, die noch lange nicht die letzte ist, wird nicht lange auf sich warten lassen."

In der vorletzten Sitzung proklamirte der Kon­greß noch die Unabhängigkeit Serbiens, jedoch wurde auf den Antrag der französischen Bevollmächtigten ausdrücklich hinzugefügt, daß diese Unabhängigkeit die absolute bürgerliche und religiöse Freiheit, sowie die Gleichheit aller Konfessionen ohne Unterschied in sich schließe.

DieOkkupation Bosniens undderHerze» gowina durch die Oesterreicher es kann nicht mehr daran gezweifelt werden, daß dieselbe beoorsteht hat die türkischen Bevollmächtigten ungeheuer auf­gebracht. Natürlich sind sie ganz besonders schlecht jetzt auf die Oesterreicher zu sprechen. Sie behaupten, der ganze Ausstand in den beiden Provinzen sei von Oesterreich inszenirt und mit österreichischem Gelbe bezahlt worden, wie denn die östereichische Regierung von Hause darauf ausgeganzen sei, die beiden Pro­vinzen aus ihrem Besitz zu bringen. Im Allgemeinen sind die türkischen Delegirten über den Gang der Ver­handlungen überaus mißgestimmt. Sie erklären es für unwahr, daß die Pforte durch den Kongreß in eine bessere Lage versetzt werde, als wie sie der Ver­trag von San Stefano der Türkei bereite. Wenn auch Südbulgarien halb und halb für die Türkei ge­rettet sei, so verlange man von ihnen jetzt die Heraus­gabe von Bosnien und der Herzegowina an Oester­reich, während die Griechen ohne irgendwelche Berech­tigung die Abtrennung von Thessalien, Epirus und Kreta von der Türkei verlangten, Forderungen, deren im Friedensvertrage von San Stefano mit keiner Silbe erwähnt sei. Man ist eben nunmehr bei der Theilung angekommen! Die Vertreter des Landes aber, das getheilt wird, können sich dabei natürlich in keiner rosigen Stimmung befinden.

Ueber die bosnische Frage wird französischen Blättern geschrieben, daß im Kongreß der Antrag auf Beauftragung Oesterreichs mit der Besetzung der beiden Provinzen von England, und zwar von Lord Salis­bury, ausgegangen und trotz des türkischen Protestes vom Kongreß angenommen worden ist. Nach her Nat.-Ztg." hat Deutschland die Gelegenheit wahrge­nommen, in besonders warmer Weise die östreichischen Interessen zu vertreten; es fand darin die vollständige Zustimmung Frankreichs und Italiens, so daß man eigentlich von einem Einverständniß der Mächte sprechen kann, dem gegenüber der Widerspruch der Türkei sich schwerlich wird behaupten können. Mit Fug und Recht macht Oesterreich für sich geltend, was es seinerseits erhebliche Opfer gebracht habe. In Oesterreich fanden die Flüchtige aus Bosnien und der Herzegowina Auf­nahme und befinden sich bis heute noch unter dem Schutze der österreichischen Regierung» den sie nicht aufgeben wollen. Oesterreich hat manch« andre schwer­wiegende Maßnahme getroffen; es hat vor allem dem europäischen Interesse durch die Beobachtung einer strikten Neutralität in loyalster Weise Rechnung ge­tragen; es hat daher einen vollberechtigten Anspruch, feine in der That nicht weit bemessenen Forderungen berücksichtigt zu sehen, und die Majorität des Kongresses hat ohne Umschweife erklärt, und zwar in anzuer­kennender Weise Rußland an erster Stelle, daß Oester­reich schon wegen des Opfers, welches es durch seine neutrale Haltung gebracht hat, vor allen Dingen fordern und erhalten müsse, daß ihm ein vorwiegender Einfluß an der Donau gesichert werde. Die Dauer der Occupation ist unbestimmt. DemTemps" wird

telegraphirt:Im Grund genommen kommt die Occu­pation Bosniens einer versteckten Annrxio« gleich."

Bekannt ist, daß die jozzallsuschen Führer die Arbeiter aufsordern, falsche Angaben bezüglich ihrer Stellung zur Sozialdemokratie zu machen. Dies geschah Anfangs in hingcworsenen Bemerkungen der sozialistischen Blätter, jetzt aber in feierlicher Form und in einer Sprache, die man nicht für möglich hal­ten sollte. DerVorwärts" bringt in Nr. 75 folgen­den Aufruf an der Spitze seines Blattes:An die Arbeiter! Angesichts der niedern Bedrohungen der Arbeitgeber, Angesichts der Maßregeln, welche den Arbeitern ihre Ueberzeugung rauben sollen, ersuchen wir unsere Gesinnungsgenossen nochmals, alles zu versprechen, ja selbst auf Ehrenwort zu versprechen und zu unterschreiben, was die Machthaber von ihnen fordern. Wie ein durch die Folter erzwungener Eid nichtig war und von jedem ehrenwerihen Priester gelöst worden ist, so ist ein durch die Hungersolter ausgepreßles Ehrenwort gleichfalls null und nichtig; deshalb, Ar­beiter, gebt euer Ehrenwort, gebt euere Unterschrift ab, um das Ehrenwort zu brechen, um die Unter­schrift zu verleugnen. Euere Bedränger wollen keine ehrlichen, offenen Arbeiter haben; heuchelt ihnen deßhalb ins Gesicht hinein und bleibt doch eurer Klaffe, bleibt der sozialdemokratischen Fahne getreu! Leistet euere Unterstützungen heimlich, da ihr es nicht öffentlich dürft! Euere Verfolger haben euch in die Acht erklärt, euere Antwort ertheilt am 30. Juli bei den Reichs­tagswahlen!"

Strousberg's Konkurs schwebt jetzt vor dem Stadtgerichte. Er hat seinen Gläubigern einen Ver­gleich angeboren, wonach er ihnen binnen drei Jahren 3 Prozent ihrer Forderungen auszuzahlen sich an­heischig macht. Da seine Schulden sich aus 70 Mil­lionen Mark belaufe», so würde er immerhin über 2 Millionen auszuzahlen haben.

Auch in Rußland ist der Handel mit Photo­graphien Hödels und Nobilings verboten worden. Große Mengen dieser Bilder, welche dorthin exportirt waren, sind hierher zurückgeschickt worden.

Münster, 1. Juli. DieWests. Zlg " ver­öffentlicht folgende Erwiderung auf eure auch von dem Gesellsch." gebrachte Notiz:München, 23. Juni. Geehrtester Herr! Die Angaben in dem übersandten Blatte sind böswillige Lügen, sowohl was mich, als was Professor Friedrich betrifft. Es ist nun schon das vierzehnte Mal, daß ultramontane Blätter meine Unterwerfung ankündigen, und es wird noch öfter ge­schehen. Ich werde mein Alter nicht mit einer Lüge vor Gott und den Menschen entehren dessen können Sie sicher sein. Mit freundlichen Grüßen Ihr er­gebener I. v. Döllinger.

Magdeburg, 28. Juni. sZu r W arnung-j Ein harter Schlag hat die Buchbinder Heinze'schen und Gartenardeiter Wölfischen Eheleute in der Alten Neu­stadt getroffen; seit Montag den 24. d. M. Mittags wurden deren beide Knaben, 6'/» und 5 Jahre alt, vermißt und sind trotz aller Recherchen und öffentlichen Bekanntmachungen nicht aufgesunden. Gestern bot sich nun den bekümmerten Eltern ein schrecklicher Anblick dar; beide Kiraben wurden auf dem obersten Boden, dicht unter dem Dache, in einer zwei Fuß hohen Kiste erstickt als Leichen aufgefunden. Man vermuthet, daß die beiden Knaben, welche sich Kirschen gekauft, um diese ungestört zu verzehren, sich in die Kiste ge­setzt hatten; ob die Kinder den Deckel absichtlich zuge­macht haben, oder ob derselbe zufällig zugesallen ist, genug, der Ueberwurs fiel über die Krampe, die Kin­der konnten nicht wieder heraus und haben darin ihr junges Leben elendiglich aushauchen müssen.

Hannover, 30. Juni. In den Kirchen, welche hauptsächlich von welfischen Parteigenossen besucht werden, fand am letzten Sonntag beim Gebet für den Kaiser eine elende Demonstralion durch Scharren, Husten rc. statt. An den öffentl. Anschlagsäulen waren kürzlich die Bekanntmachungen über den feierlichen Militärgottesdienst auf dem Waterlooplatze sehr bald, nachdem sie angeklebt, theils zerissen, theils beschmutzt. Sozialdemokraten haben das nicht gethan.

Der Wiener Berichterstatter derKarlsr. Ztg." will erfahren haben, daß der Sohn und Erbe des Königs Georg von Hannover «och keinerlei Schritte gethanhat, welche dahin gedeutet werden könnten, er werde die Aussöhnung mit der Krone Preußen, welche der Verstorbene beharrlich geweigert, suchen oder annehmen. Aber er hat auch noch nichts gethan, was diese Aussöhnung abwiese, und es dürfte vielleicht die Thatsache, daß er nicht den hanno- ver'schen Königstitel, sondern den ganz unpräjudiztr- lichen englischen Herzogstitel angenommen, dafür

sprechen, daß nicht von vornherein und unter allen Umständen Ansprüche festgehalten werden sollen, über welche das Rad der Geschichte einmal mitleidslos hin- weggeroüt ist.

Sine Episode aus dem Leben zweier Schiffer aus der Provinz Posen brachte am Dienstag Abend oberhalb Treptow zwei Menschenleben in Gefahr, führte aber eine eigenthümtiche Verwechselung herbei. Die Schiffer hatten ihre Sommerreise gröbtentheils gemeinschaftlich gemacht und auch berm Anlegen, sobald es die Umstände gestatten, stets »eben einander Anker geworfen. Während die Männer in sieter Freundschaft mit einander verkehrten, war stets Krieg zwischen den Weibern, sobald ihre Zungen sich erreichen kannten. Am Dienstag lagen wieder beide Kähne oberhalb Treptow in der Spree vor Anker. Der Weiberkrieg brach bald wieder los, doch ließen die Männer, daran gewöhnt, sich nicht weiter stören, sie saßen plaudernd hei, einander in einer Kajüte. Die Gemüther der keifenden Weiber wurden immer aufgeregter, der Kampf artete schließlich in Tdätlich- keiten aus. Jetzt traten die Männer hinaus, um, wenn auch nur einen vorübergehenden Frieden zu vermitteln: in dem­selben Augenblick aber fielen die beiden Megären, wie ein Klumpen, auf dem Verdeck zu Boden und rollten die schiefe Ebene desselben hinab ins Wasser, Di- beiden, vor Schreck fast erstarrten Ehemänner, erholten sich indessen bald wieder. Besorgt um ihre besseren Hälften sprang jeder in seinen Hand- kahn und ruderte mit kräftigen Armen ihren stromabwärts treibenden Lieben nach. Bald zogen sie dieselben auch in die Kähne; aber nun war auch ihre Geduld vorbei- Jeder ergriff die von ihm Gerettete beim Schopf und begann nun ganz Gottesjämmerlich auf sie loszupauken. Die Eine der. selben schrie plötzlich vor Schmerzen sich krümmend:Karl, komme doch her, de slait mi je dot-1 Jetzt hielt der Andere plötzlich inne, besah die von ihm Gerettete und Gemißhan- delte genauer unv siehe da, er halte die Frau seines Freundes. Jetzt wurde auch der Andere seinen Jrrlhum gewahr. Sie hatten in der Este Jeder des Andern Frau gerettet und durchgeprügelt. Für diesen Abend war Ruhe auf beiden Kähnen. Die Freundschaft der beiden Ehemänner ist aber durch diese Verwechselung nicht gestört worden.

Kiel, 28. Juni. Wie verlautet, haben fast sämtliche Arbeiter an den kaiserlichen Werften die ver­langte schriftliche Erklärung abgegeben, daß sie in keiner Weise socialistische Bestrebungen unterstützen wollen. Von ca. 3500 Arbeitern haben nur 7 sich geweigert, den betr. Revers zu unterschreiben und sind in Folge dieser Weigerung gekündigt.

Frankreich.

Paris, 30. Juni Bei der Einweihung der Statue der Republik in der Ausstellung hielt der Mi­nister der Justiz Dusaure eine Rede, worin er sagte: Die französische Gesellschaft, so, wie die Revolution sie schuf, hat ihre natürliche Gestalt angenommen." Der Minister gedachte früherer Spaltungen und Miß­geschicke und fuhr dann fort:Frankreich erhebt sich wieder, mit dem Borsatz, ein besseres Dasein zu führen, und im Frieden diejenigen Institutionen zu genießen, die seine Ehre bilden und welche es theuer erworben hat. Die republikanische Partei ist die Nation selbst geworden. Frankreich fordert von seinen Kindern Ein­tracht und Gehorsam gegen die Gesetze." Die Rede wurde mit Beifall ausgenommen.

Drei Nächte hintereinander wurden dem Apotheker in d'Ain in Frankreich, der Hochzeit gemacht hatte, Katzen­musiken gebracht. Keine gütliche Vorstellung hals; denn diese Katzenmusiken sind dort üblich. Als die Musikanten zum drittenmal erschienen, goß der Apotheker verdünnt« vchwefeisäure über sie aus. Nun hatte er Ruhe, aber die im Gesicht und an den Kleidern Verletzten klagten auf Scha­denersatz bei Gericht, und richtig, der Apotheker wurde ver- urtheilt, jedem Verletzten so und so viel zu zahlen, aber jeder Verletzte wurde zugleich verurtbcilt, ganz dieselbe Summe wegen injuriösen LärmsnS und Störens an den Apotheker zu zahlen. Man sieht, weise Leute, die man Sa- iomo's nennt, wenn sie Richter oder Könige sind, gibts überall.

Belgien.

Brüssel, 30. Juni. Heute findet anläßlich des Wahlsiegs der Liberalen eine große Kundgebung statt. Die Straßen find festlich geflaggt, eine ungeheure Menschenmenge durchwogt dieselben. Sämrntliche Städte sandten Vertreter. Nachmittags findet ein Banket der Liberalen statt, woran 6000 Personen Theil nehmen werden. Die Minister und alle Notabilitäten der lib. Partei sagten ihr Erscheinen zu.

Griechenland.

Athen, 1. Juli. Das vor Suda kreuzende englische Kriegsschiff theilte in Syra mit, daß die Türken gegen die kretensischen Insurgenten ein Bom­bardement eiöffneten. Bei Apokorona wird sortgekämpft. Die türkische Bevölkerung von Cauea lagert außerhalb der Stadt und fordert die Absetzung des Gouverneurs, welcher aber droht, sie als bewaffnete Rebellen zu be> handeln.

Rußland.

Petersburg, 29. Juni. DasJournal de St. Petersbourg" konstatirt, daß, nachdem nunmehr die bulgarische Frage erledigt sei, ein Umschwung in den Anschauungen Europas eingetreten sei, welches die Integrität der Türkei bisher Hab« erhalten pfiffe» wollen. Europa anerkenne nunmehr die Nothwepdig- keit des letzten Krieges, indem es die Resultate deS«