gerückt sind, daß -ine Einschaltung von Zahlen und Worten nickt mehr lhunlich ist.
Stuttgart. Se. Maj. der König hat dem katholischen Kirchenbauverein hier den ansehnlichen Beitrag von 4000 überweisen lassen.
In Tübingen führen die Studenten statt der verbotenen großen Hunde mit Maulkorb versehene Zicklein durch die Straßen.
Nellingen. OA. Eßlingen, 9. Juni. Hestern Nachmittag um 2 Uhr hat der Fadntai veiler Ehrlst.au Gottlieb Ertinger von hier auf der Landstraße zwi schen Eßlingen uno Nellingen durch einen Pistolenschuß seine Frau getödtet, während diese in Begleitung anderer Frauen auf dem Heimwege begriffen war. Die mit Schroten geladene Pistole wurde aus unmittelbarster Nähe gegen den Kopf der Frau abgefeuert Die Frau stürzte auf der Stelle todt zusammen. Der Beweggrund zur That sollen eheliche Zwistigkeiten sein. Ter Verbrecher wurde noch am nemlichen Abende fest- genommen.
Von der Eyach, 6 Juni. Sonntag den 2. d. M. wurde zu Harr, OA. Haigerloch, während des vormittägigen Gottesdienstes in der Wohnung des vormaligen Bürgermeisters und jetzigen Heilizenpfle- gers Bieger, eines rechtschaffenen, allgemein geachteten Mannes, ein Diebstahl von Werthpapieren, der Hei- ligenpstege ungehörig, im Betrag von 2000 verübt; dieselben befanden sich unter festem Verschluß, und eignete sich der Dieb dieselben durch Erbrechen des Verschlusses zu. Einige Zeit vorher sollen dem Genannten ans derselben Kasse etwa 400 abhanden gekommen sein, ohne daß der Thäter ermittelt worden wäre Für den letzteren Diebstahl von 2000 machten sich jedoch im Verlaufe der nächsten Tage im Dorfe Verdachtsgründe auf den eigenen, etwa 20jährigen Sohn Biegers geltend. Derselbe ist verhaftet worden und soll bereits Geständnisse gemacht haben. (N. T )
Biberach. 7. Juni. Heute wurde ein hier in Arbeit sichender Schrislsezer Namens Mayer, gebürtig aus Kircheim-Bolanden in der Pfalz, wegen Beleidigung des Kaisers verhaftet. Der Bursche konnte schon am Sonntag kaum feine Freude über das schändliche Attentat verhehlen. Gestern geschah das Gleiche, ais eine Gesellschaft Bürger in einem Gasthause sitzend ihren Abscheu über die Schandthai äußerte. Diesmai war er aber an die Unrechten gerathen. Eine derbe Tracht Prügel belehrte den boshaften Menschen, daß es nicht gerathen erscheint, sozialistische Weisheit noch öffentlich auszukramen. Uebcrhaupt ist die Stimmung hier eine solch erbitterte geworden, daß den Anhängern der reichsfeindlichen Parteien gerade keine rosige Zukunft lacht. Es ist hohe Zeit, daß deren Treiben Schranken gesetzt werden.
Aus dem Mergentheim er Oberamt, 4. Juni. Ein Bauer in dem benachbarten bayerischen Orte Riedenheim bot einem ihm begegnenden Händler ein Pferd zum Kaufe an, mit der Aufforderung, er (der Käufer) solle den Preis bestimmen. Letzterer bot zuerst 4000, dann 9000 Pf., woraus der Verkäufer einging und 3 M. Aufgeld in Empfang nahm. Zu Hause angekommen, überlegte er nochmals und fand, daß 5000 Pf. nicht — wie er glaubte — soviel sei als 20 Louisdor (Karotin), zu welchem Preise er sein Pferd schätzte und was das Pferd auch werth war. Er weigert sich nun, das Pferd abzugeben. Wahrscheinlich wird das Gericht diese Angelegenheit zu erledigen haben.
München, 7. Juni. Der bayerische Landtag ist auf 1. Juli einberufen.
München, 10. Juni. Wie wir aus guter Quelle erfahren, hat sich Professor Döllinger in neuester Zeit dem Vatikan genähert, und es werden hierauf bezügliche Erklärungen demnächst in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. (Neue Ztg.)
Ju München wurde der Redakteur des „Bayer. Vaterland", Dr. Sigl, von dem Untersuchungsrichter vernommen wegen Beleidigung des Deutschen Kaisers und Aufforderung zum Ungehorsam.
Nürnberg, 10. Juni. Großer Brand in der Nachbarstadt Roth. Mehrere Menschenleben sind zu beklagen. (Schw. M.)
In dem gewerbfleißigen sächsischen Städtchen Roßwein ist ein großartiger Betrug und Unterschleif an den Tag gekommen, welchen die Leiter des dortigen Dorschußvereins begangen und Jahre lang durch falsche Billanzen und Vorspiegelung glänzender Zustände zu verdecken gewußt hatten. Es soll sich dabei um ein Defizit von 2,135,000 handeln, wodurch ein großer Theil der Mitglieder des Vereins in die traurigste Lage versetzt wird. Das königl. Gerichtsamt hat den Concours eröffnet.
In einem Gasthaus in Schwerin ist ein jun
ger Mensch, Architekt aus Berlin, verhaftet worden, rn weichem ein nächster Mitwisser und Mithelfer No- bilings erkannt sein soll. — Unter den Verhafteten in Berlin sind leider auch 4 Studenten.
Berlin, 7. Juni. Dem Bundesraih ist eine von gestern datirle Vorlage, delr. die Auflösung des Reichstages zugegangen. Dieselbe ist unterzeichnet vom F.usteii Bismarck und lautet: „Die Er- kennlniß der crieiahre», welche Staat und Gesellschaft durch das Umsichgreifen einer jedes sittliche und rechtliche Gebot verachtenden Gesinnung bedrohen, hatte die verbündeten Regelungen bewogen, anläßlich des Atten tats vom 11. Mai den Gesetzentwurf zur Abwehr sozialdemokratischer Ausschreitungen vorzulegen. Der Reichstag hat die Vorlage abgeiehnt. Inzwischen ist durch ein weiteres ruchloses Verbrechen gegen den Kaiser von neuem ein erschütternder Beweis geliefert, wie weit jene Gesinnungen um sich gegriffen haben, wie sie sich bis zu mörderischen Thaten steigern. Mit erhöhtem Ernst tritt an die Regierung die Frage, welche Maßregeln zum Schutz von Staat und Gesellschaft zu ergreifen sind. Angesichts des Attentats vom 2. Juni wird die Verantwortlichkeit der Re» gier n ii g für Äufrechthaltung der Rechtsordnung durch den er wähn len Gesetzentwurf nicht mehr gedeckt sein. Die preußische Negielung ist der Ansicht, daß es »ölhig ist, den Weg der Gesetzgebung in der durch genannte Vorlage bezcichneten Richtung schon jetzt weiter zu verfolgen. Bet der von der Mehrheit des Reichstages eingenommene» Stellung läßt sich nicht darauf rechnen, daß eine wiederholte Vorlage oder ein aus gleicher Grundlage ruhender Entwurj besseren Erfolg erziele. So erscheint es raihjam, durch Auflösung des Reichstags Neuwahlen herbeizusühren. Die Regierung glaubt dies um so mehr befürworten zu sollen, als sie gegen die Richtung, in welcher ihr von den Rednern des Reichstages event. Unterstützung in Aussicht gestellt wurde, prinzipielle Bedenken hegt. Sie ist nicht der Meinung, daß die freie Bewegung, weiche die bestehen den Gesetze gewähren, im Ganzen der Einschränkung bedürfe, und hall es nicht für gerecht, mit den erstreb ten Sicherheils,naßregetli andere Bestrebungen zu treffen, aiS solche, welche die bestehende Rechtsordnung gefährden. Gerade die Bestrebungen der Sozialdemokratie machen die Abwehr nothwenvig. Ans Grund des Artikels 24 der Verfassung wird beantragt, die Auflösung des Reichstages zu beschließen." (St.-A.)
Berlin, 10. Juni. Der Bundesrath wird morgen über ven Anirag, betr. die Auflösung des Reichstags, Beschluß fassen. Die Annahme gilt als zweifellos. — Der Botschafter in Paris Fürst v. Hohenlohe trifft hier am Mittwoch zum Kongresse ein. Gras Wcsdehlen wird inzwischen die Geschäfte der Botschaft rühren. — Im neuen Palais des Reichskanzlers sind die Arbeiten zur Einrichtung der Lokalitäten für den Kongreß in vollem Zuge. Die Lokalitäten sind folgende: Nachdem man die Freitreppe hinaufgegangen, gelangt man in eine Vestibüle und von dort zunächst in ein Zimmer, welches für die Sekretäre des Kongresses bestimmt ist. An dieses Zimmer stößt der Kongreßsaal. Derselbe ist von imponirender Größe und sehr geschmackvoll eingerichtet (Helle Tapete mit vieten Goldverzierungen). Der Tisch für oie Verhandlungen ist hufeisenförmig. An der einen Seite des Kongreßsaales, neben dem Sekretärzimmer, befinden sich zwei Konferenzzimmer zum Gebrauche für die Mitglieder des Kongresses. An der anderen Seite wird ein Buffet ausgestellt. Von hier tritt man in eine offene nach dem Garten zu gelegene Säulenhalle hinaus.
Berlin, 10. Juni. Dem Kongreß bringt man hier die besten Hoffnungen entgegen. Die Meinung, welche der französische Minister des Auswärtigen, Waddington, in der französischen Kammer aussprach, daß der Friede so gut wie sicher sei, wird nach der „Nat.-Ztg." hier vollständig getheilt. Das neue Palais des Reichskanzlers, in welchem der Kongreß zusammentreten wird, erhält somit eine Einweihung von ganz besonderer Art: in den Sälen des ehemaligen Palais Radziwill wird sich eine so auserlesene staatsmännische Versammlung zusammenfinden, wie sie die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts noch nicht gesehen hat.
Berlin. Viel böses Blut machen unter den hiesigen Arbeitern, schreibt „El. F. C.", die neuen Verordnungen verschiedener Fabriken und Werkstätten; wonach alle sozialdemokratischen Neigungen mani- festirenden Arbeiter sofort entlassen werden sollen. In einigen Fabriken wurden die betreffenden Plakate abgerissen.
In Berlin treffen bereits Korrespondenten von
Londoner und Wiener Blättern ein, um über den Kongreß zu berichten.
Berliner Blätter veröffentlichen einen Ausruf um Beiträge für den Hotelbesitzer Holtfeuer und den Kutscher R ich t er (welch letzterer also nicht gestorben, wie berichtet worden), welche bei Gelegenheit des Attentats schwer verwundet wurden.
Der Kronprinz hat den Dr. Lewin zu den Eltern des Nobiling geschickt, um diesen sein Beileid aus- drücken zu lassen. Daß die beiden Brüder Nobilings, welche als Offiziere in der Armee dienen, ihren Abschied nachgesucht haben, daß derselbe aber nicht angenommen wurde, ist von uns bereits gemeldet worden. Wir haben dem nachzutrageii, daß die resp. Ossizierkorps darum gebeten haben, die betreffenden Kameraden nicht zu versetzen, da sie (die Ossizierkorps), als die ihnen Nächststehendeii, es für ihre Pflicht hielten, durch tröstendes kameradschafltiches Entgegenkommen die Bedauerns- werlhen in ihrer schrecklichen Lage aufzurichten. (B Z.)
Wenn man den Gerüchten über die Beziehungen des Kronprinzen zum Fürsten Bismarck unbedingten Glauben schenken könnte, so stünde man vor einer neuen Aera, sowohl was die Frage» der äußeren wie der inneren Politik anbelangt. Der Kronprinz wird zwar nicht sofort unsere auswärtige Politik itt ein anderes Fahrwasser lenken können, doch kann es nicht fehlen, daß Deutschland aushört, für Rußland eine Stütze zu sein. Im Gegeutheil dürften unsere Beziehungen zu den civilisirten Staaten dieses Erdtheils einen wesentlich freundlicheren Charakter annehmen. Mehr noch wird jeder Vaterlandsfreund in Bezug auf die muthmaßliche Richtung unserer inneren Politik für die nächste Zukunft aufathmen können. Der Kronprinz soll der Meinung sein, daß man eine Krankheit nicht dadurch heilt, daß man die Ursachen derselben vermehrt, die Zügel mögen in Bezug auf die Thätigkeil der Sozialdemokratie straffer angezogen weiden, aber im Allgemeinen wird der Kronprinz als ein Gegner des Repressivsystems bezeichnet und die Chancen für eine allmählige Annäherung unserer maßgebenden Kreise au ein wirklich konstitutionelles System sind jedenfalls nicht mehr so gering, wie sie bisher waren. (B. Z.)
In Betreff der Nachricht der „Weserztg.", daß am Donnerstag vier Schüsse auf die Posten am Straf- gefüugniß am Plötzensee bei Berlin abgeseuert seien, erfahre» wir, daß bis Sonnabend ll Uhr Vormittags dem Generalkommando des Gardekorps, das die Posten am Plötzensee in stellen hat, eine Meldung über einen derartigen Vorfall nicht zugegangen ist. (B. Z.)
Die „Berliner Freie Presse" bespricht ganz offen die sozialdemokratische Propaganda in der Armee. Sie schreibt: „Zum Kapitel „Sozialismus in der Kaserne" erhalten wir von einem Unteroffizier einen Brief, worin er uns unter Anderem mittheilt, daß unter den ihm unterstellten 14 Mann sich 11 Sozialisten befinden. Das Verhältniß in seinem ganzen Bataillon stelle sich so, daß drei Viertel desselben aus überzeugungstreuen Sozialdemokraten bestehe. In einer ironischen Redewendung auf das Eulenburg'sche Wort: „Die Flinte schießt, der Säbel haut" spricht er die weitere Ansicht aus, daß in wenigen Jahren vielleicht in einer großen Anzahl von Regimentern das Verhältniß sich ähnlich gestalten werde. Namentlich die Landwehr sei jetzt schon vom sozialistischen Gifte durchtränkt."
Die „Post" schreibt: „Bismarck stellt die Frage: Spezialgesetz gegen die Sozialdemokratie, oder nicht? als Wahlfrage. Sittliche Klarheit und gesunder Menschenverstand auf der einen Seite, doktrinärer Nebel und Feigheit vor nebelhaften Gespenstern auf der andern Seite: das werden die Losungen des kommenden Wahlseldzuges sein, an dessen Ausgang wir so wenig verzweifeln, als an der Fähigkeit unseres Volkes, im schweren Ernste zum Verständniß seiner Lage und zur Erkenntniß ihrer Gebote zu erwachen."
Eine charakteristische Erscheinung bieten den Kriminalisten die inhaftirten Attentätter Hödel und Nobiling, wie auch Lllgowski dar. Alle drei litten an geschlechtlichen Krankheiten.
Die über Auflösung und Neuwahl des Reichstags geltenden Bestimmungen der Reichsversassung besagen: Art. 24. Die Legislaturperiode des Reichstages dauert drei Jahre. Zur Auflösung des Reichstages während derselben ist ein Beschluß des Bandesraths unter Zustimmung des Kaisers erforderlich. Art- 25. Im Falle der Auflösung deS Reichstags müssen innerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von W Tagen nach der Auflösung der Reichstag versammelt werden.
Die „Nationalzeitung" bringt einen interessanten Leitartikel unter dem Titel „Bis in die Tiefe." Es wird darin treffend nachgewiesen, wie die jetzige gäh- rende Unzufriedenheit der großen Massen nur das