Produkt der entsetzlichen sittlichen Verwilderung der „besseren" Gesellschaft ist. „Nicht das Volk, die Bil düng hat sich zuerst von den idealistischen Anschauungen abgewandt. Ist es immer die künstlerische Vollendung seines Werkes — oder ist es oft nur der Erlös, den er dafür erhält, an dem sich der Künstler freut? Alles verlachen, bewitzeln, verspotten, was ernsthaft auftritt, was über den augenblicklichen, physischen Genuß hin aus nach einer dauernden seelischen Befriedigung trachtet, ist längst bei uns Sache des guten Tons. Niemals hatten vordem große Vermögen das frech Herausfordernde, das die Parvenüs unserer Gründerzeit zur Schau tragen. Während Alle wußten, mit welchen Mitteln oft diese Reichthümer, diese Paläste erworben waren — was that die anständige Gesellschaft? Sie drängte sich zu den Belsazarsesten dieser Glücklichen. — So stark sind unter uns die Sucht zu erwerben und der Drang sich mit politischen Dingen zu beschäftigen geworden, daß sie jedes edlere Interesse aufgesogen haben. Mit der Freude an den Dingen, die eine längere Dauer haben, als die Stunden des Tages, ist uns die Freudigkeit des Lebens selber verloren ge gangen. Und wir wundern uns, wir wollen uns beklagen, daß die Masse jetzt unsere innersten Gedanken in ihrer Form ausprägt? Weil uns die rohe Unge- berdigkeit der sozialdemokratischen Aufwiegler abstößt — können wir vergessen, daß wir ihnen das Wort auf die Zunge gelegt? Wenn alles nur nach Besitz drängt und rennt, wer will es der darbenden, obdachlosen Menge verargen, daß sie jede Scheu und Furcht hinter sich wirst und nach Aenderung einer gesellschaftlichen Ordnung strebt, in der sie einzig und allein den Egoismus herrschen und den blinden Zufall walten sieht?" So das leitende Blatt der Nationalliberalen. Die Wahrheit schmeckt bitter, aber sie ist gesund. (Neue Ztg.)
Der jüngste Bruder Nobili ng's, Land- wirth zu Schlochwitz bei Salmündc, ist, wie der Magdeb. Z. aus Halle geschrieben wird, am 4. Juni verbaftet worden. Es sollen bei ihm sozialdemokratische Schriften vorgesunde» sein und am Vormittage des 2. Juni soll er ein auffallendes Verlangen nach Neuigkeiten kundgegebcn haben. (Man wird derartige Berichte mit Vorsicht aufzunehmen haben, wie überhaupt die Verhaftung des Bruders der Bestätigung noch bedarf.) Auch in Halle, dem Hauptsitze der Sozialdemokratie in der Provinz, entwickelte die Polizei eine energische Thätigkeit in der Nttcntatsangelegenheit.
JnNeukirch (Prov. Posen), trug sich am 21. v. M. ein schreckliches Erreigniß zu. Ein dortiger
Landwirth kam vom Wochenmarkte von Könitz, wo er Getreide verkauft hatte, nach Hause. In der Unbesonnenheit legte er das dafür eingenommene Papiergeld auf den Tisch. Kaum hatte er sich einen Augenblick entfernt, als die Bildchen die Aufmerksamkeit seines kleinen Sohnes auf sich zogen. Dieser ergreift, zerreißt diese Bildchen und wirft sie, um sich ein angenehmes Spielchen zu bereiten, auf die Kochmaschine, um welche gerade ein lustiges Feuer brannte. In demselben Augenblicke wird der Vater dies gewahr. Er springt auf den Knaben zu und versetzt ihm einen Schlag, daß er Tod zu Boden sinkt. Die Mutter, welche herbeieilt, um dem Söhnchen Beistand zu leisten, vergißt das in der Badwanne liegende Kind, welches ertrinkt. Als der Vater diese beiden Leichen liegen sieht, ergreift ihn Verzweiflung, er geht auf den Boden und erhängt sich. (Klingt fast zu tragisch und romanhaft.)
Oesterreich—Ungarn.
Wien, 9. Juni. Die „Neue freie Presse" will erfahren haben, daß übereinstimmenden Nachrichten zufolge die Verwendung eines Theiles des 60-Millioneu Kredits in naher Aussicht stehe. Ein Theil der Armee, man spreche von 6 Divisionen, solle für alle Fälle aus Kriegsfuß gesetzt werden, um Machtmittel zur Durchführung der Kongreßbeschlüsse, soweit dieselben Oesterreich-Ungarn angehen, in Bereitschaft zu haben. Die Einberufung der betreffenden Mannschaften soll schon in den nächsten Tagen erfolgen.
Italien.
Rom, 1. Juni. Gestern kommt ein eben getrautes Pärlein vom Capitol heruntergesahren, wo das Standesamt ist. Der Wagen fährt so rasch, daß von einem Schwarm spielender Jungen mehrere beinahe überfahren worden wären; die Jungen pfeifen den Kutscher aus. Der junge Ehemann (er ist viel älter als sein Weiblein) glaubt, sie pfeifen ihn aus, weil er gehsirathet, springt aus dem Wagen und prügelt ein paar Jungen durch. Die Jungen schreien Zetermordjo im Chor: Diebe, Räuber, Mörder! Da, gerade als der junge Ehemann wieder einsteigen will, eilen Schutzleute herbei und verhindern ihn am Einsteigen; nun schreit und schimpft er auch über solche Wirthchsast und solche Dumm- köpse, die ihn packen. Sie arretiren ihn und führen ihn zur Polizei, wo er lange behalten wird. Die arme junge Frau sitzt jammernd derweil einsam und allein. Ein hübscher Anfang!
England.
London, 7. Juni. Die Dammlunge» für die Hinterbliebenen der Verunglückten des Großen Kurfürsten betragen bereits 1900 Pfd. Sterl. und werden der Kronprinzessin zur Vertheilung eingesandt. Außerdem wird unter dem Patronate des Prinzen von Wales ein Konzert veranstaltet.
Manchester, 7. Juni. Heute hat in einer
Kohlengrube in der Nähe von St. Helens (in Lancashire) eine sehr heftige Explosion stattgefunden. Die Zahl der dabei ums Leben gekommenen Personen wird auf 200 bis 290 angegeben.
Rußland.
In Petersburg ist in der gerichtlichen Cassationsverhandlung am 2. Juni die Freisprechung der WjeraSassulitsch durch das Schwurgericht wegen Verletzung mehrer Gesetzparagraphen aufgehoben und der Prozeß zur neuen Verhandlung an das Gericht in Nowgorod verwiesen worden.
Asien.
Im nördlichen China herrscht seit 3 Jahren eine furchtbare Dürre, welche eine schreckliche Hungersnoth zur Folge hat. Der Hof und die Priester haben schon alles Mögliche getban, um die Götter zu besänftigen, um von ihnen einen Regen zu erhalten, aber vergebens. So hat der junge Kaiser schon Tausends von Metern seiner gelber Seide und zahllose Thiere geopfert, ebenso auch schon seinen Namen geändert, damit die Götter glauben sollen, daß jetzt ein anderer Kaiser regiere. Auch wurden schon viele Götterbilder in die Flüsse geworfen, aus daß sie den Wassergott um einen guten Regen bestürmen : leider alles umsonst. Wie nun die Zeitungen aus Shangai melden, haben sich jetzt sogar ein Fürst und ein Buda-Priester angeboten, sich aus Liebe zum Vaterlands lebendig opfern zu lapen, um vielleicht die Götter zu besänftigen.
Allerlei.
— In Berlin wird ein Papierhaus nach amerikanischer Art in nächster Zeit auf dem Platz hinter dem Exerzierhause in der Karlstraße aus Anlaß der im Juli dort stattfindenden Papier-Ausstellung errichtet werden. Die Wände dieses Hauses sollen aus Baupappe ausgcführt, das Dach mit Dachpappe gedeckt werden. Die Fußböden werden mit Papier-Teppichen, die Wände mit Papier-Tapeten behängt und die Decken mit Papier-Stuckarbeit versehen. Die Fenster zieren Papier-Vorhänge, die Wände Papier-Druckbilder in Rahmen aus Pappmasse, und selbst die Gestelle der Möbel gedenkt man aus Pappmasse herzustellen.
— Ein unverschämter Mensch behauptete, Rentiers wären Bummler mit Geld, Bummler dagegen Rentiers ohne Geld.
* 2 * Liebesküsse und Liebesschwüre sind wie Lack und Siegel; sie werden heiß aufgedrückt und kalt gebrochen.
Frankfurter Gold-CourS vom 8. Juni 1878.
20-Frankenstücke.16 ^ 18—22
Englische Souvereigns.20 „ 31—36
Holländische st. 10-Stücke.16 „ 65
Russische Imperiales.16 „ 65—70
Ducaten. 9 „ 52—57
Dollars in Gold. 4 „ 17-20
Auflösung der Homonyme in Nr. 68: ..Pol."
Amtliche und Privat-Bekanntmachrmgen.
Lang- K Säghoh-Verkauf.
Am Montag den 17. Juni d. I.
kommt im Spitalwald bei Salzstetten zum Verkauf:
I. Lang hol):
20 Stämme II. Cl. mit . . 32,52 Fstm.
63 „ m. „ „ . . 69,-30 „
101 „ iv. „ „ . . 52,77 „
II. Siigholz:
14 Klötze I. Cl. mit . . . 10,79 Fstm.
47 „ ii. „ „ . . . 27,14 „
95 „ m. „ „ ... 32,52 „
5 Ausschußklötze mit ... 2,11 „
Zusammenkunft Morgens 8 Uhr im Engel zu Salzstetten. Horb, den 4. Juni 1878.
Stiftungs-Verwaltung.
Heberle.
Revier Pfalzgrafenweiler.
Reis-Verkauf
Freitag den 14.
Juni d. I.,
Vormittags 10 Uhr.
im Hirsch in Grömbach aus dem Schlag in Abtheilung Altgehäu 3820 unausge- prügelte Nadelholzwellen.
Nachmittags 3 Uhr im Hirsch in Edel- wriler aus dem Schlag in Abtheilung Leimenmiß 7170 unausgeprügelte Nadel hvlzwellen.
B e i h i n g e n.
Jagd-Verpachtung.
Die hiesige Gemein-; dejagd wird am Montag den 24. Juni,
Vormittags 10 Uhr,; auf dem hiesigen Rath-:
Hause im öffentlichen Aufstreich auf 3 Jahre verpachtet, wozu Liebhaber eingeladen werden.
Schultheißenamt.
Krauß.
Nagold-Bahn.
Vergebung von Bau-Arbeiten.
Nachstehende bei der Unterhaltung der Hoch- und Bahnkanten der Bahnmeisterei Nagold im laufenden Jahr vorkommenden Bauarbeiten werden im Sub- missionsweg vergeben, und zwar:
1) die Gypser- und Anstricharbeiten im Betrag von 637 77
2) „ Schieferdeckerarbeiten „ „ „ 1306 „ — „
3) „ Flaschnerarbeiten „ „ ., 592 „ 50 „
Der Ueberschlag und die Bedingungen können auf dem Bureau Unterzeichneter Stelle, sowie bei Bahnmeister Weiß in Nagold eingesehen werde». Offerte wollen in Prozenten der Ueberschlagspreise ausgedrückt, schriftlich, versiegelt und mit entsprechender Aufschrift versehen bis
Montag den 17. d. Mts., Vormittags 9 Uhr, eingereicht werden.
Calw. 11. Juni 1878
K.^Betriebsbauamt.
Fuchs.
Nagold.
Farren-Verkaus.
Aus der städtischen Farrn- verwaltung werden 2 zum Schlachten taugliche Farrcn im Submissionsweg dem Vcr kauf ausgesetzt.
Offerte mit der Aufschrift „Angebot auf Farrenverkaus" wollen längstens bis
Donnerstag den 13. ds., Vormittags 11 Uhr, in der Kanzlei der Stadtpflege abgegeben werden, wo die Submittenten der Eröffnung anwohnen können.
Stadtpflege.
Weber.
M ötzingen.
Akkord.
Die Herstellung von 200 in Straßenkandel wird am
Montag den 17. d. Mts., Nachmittags 1 Uhr, auf hiesigem Rathhause verakkordirt.
Hiezu sind tüchtige Pflästerer eingeladen.
Gemeinderath.
Nagold.
Ein Logis
mit 2 Zimmern, Küche und Holzplatz wird sogleich zu vermieten gesucht; von wem? sagt die
Redaktion d. Bl.