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Leonberg, 2. Aug. In nächster Zeit wird hier ein Fest besonderer Art gefeiert werden, es ist dies die 50jährige Jahresfeier des Bestehens der E s s i g'schen Hundeziehungsanstalt. Im Jahr 1835 hatten die Gebrüder Essig, nachdem sie schon mehrere Proben in der Hundezucht gemacht hatten, 1 Paar Tigerhunde groß gezogen, welche weiß mit schwarzen Flecken gezeichnet waren und wovon sich der eine so sehr entwickelte, daß er im Jahre 1839 an einen Engländer für 120 fl. verkauft wurde, ein damals ganz un­erhörter Preis. Porzellanmaler Gayler in Stuttgart zeichnete seiner seltenen Farbe wegen diesen Hund. Obwohl diese Zucht weiter geführt wurde, so hat sie Essig doch nicht entsprochen; es ist ihm erst später durch verschiedene Rassekreuzungen gelungen, seine großen Leonbergerhunde zu erzielen, welche jetzt über alle Länder der Erde verbreitet sind. Den ersten dieser Hunde hat Staatsrat Ludwig im Jahr 1848 von Essig erhalten, welchen der jetzige Professor Braun in München in dessen Auftrag zeichnete; viele Blätter haben von den so schnell in die Mode gekommenen Leonbergerhunden Zeich­nungen und Beschreibungen gegeben; dieselben werden mit Preisen bezahlt, wie man sie früher nie gehört hat. Auf die 50. Feier der Essig'schen Hunde­ziehungsanstalt wird ein besonderes Gedenkblatt gefertigt, welches drei präch­tige Leonbergerhunde enthält, und welches die Festteilnehmer als Erinnerung erhalten werden. Die Ziehungsanstalt besteht aus zwei im Schweizerstil er­bauten Wohnungen mit dem für die Hunde bestimmten Nebengebäude nebst 5 Morgen Feld mit zwei 3 Morgen großen schön angelegten Gärten, so daß nicht nur für den Hundefreund, sondern auch für den Naturfreund ein Besuch sich der Mühe lohnen dürfte.

Stuttgart. Den zahlreichen Paffanten der Neckarstraße bot sich gestern abend 4 Uhr eine höchst merkwürdige Erscheinung dar. Am letzten Pfeiler der in die Ulrichsstraße führenden Umfriedung der K. Landesbibliothek hatte sich ein ungeheurer Bienenschwarm häuslich niedergelaffen. Ver­suche, das Volk zu fassen, mißlangen infolge des unbefugten Einschreitens einiger Bummler, die nichts Besseres zu thun wußten, als mit Stöcken und Schirmen in den dicht aneinander hängenden Schwarm zu stoßen. Bei der ungemeinen Belebtheit der Neckarstraße zu der angegebenen Zeit lag die Möglichkeit eines Unglücksfalles, namentlich auch durch Scheuwerden von Pferden, sehr nahe, da die gereizten Tiere sich wolkenartig erhoben und die Köpfe der zahlreichen Neugierigen umschwirrten. Glücklicherweise gelang es nach Verfluß von etwa einer Stunde einem des Wegs kommenden bienen­kundigen Schreiner, den Schwarm mittels eines Kehrwisches in eine Kiste zu fassen, wodurch einem Unglücksfalle vorgebeugt wurde. Daß es hiebei ohne einige empfindliche Stiche nicht abging, begreift sich leicht. N. Tgblt.

Stuttgart, 6. Aug. Stadtgarten. Gestern abend konzertierte im Stadtgarten, der wieder überfüllt war, das mit Recht im besten Rufe stehende Trompeterkorps'des 4. bayerischen Feldartillerie-RegimentsKönig" aus Augsburg, welches eine halbe Stunde vorher aus Mainz hier angekommen war. Stabstrompeter Carl hatte ein fein musikalisches Programm ent­worfen, aus dem hier nur die Nummern angeführt seien: Ouvertüre zu Rienzi" von R. Wagner, Sturmesmythe von F. Lachner, Novelette von R. Schumann, die Nibelungen-Musik, die Parfifal-Abendmahlscene von Wagner rc., welche sämtlich hohe Anforderungen an die Ausübenden stellen, die denn auch in der Thal durchaus erfüllt wurden. Das Korps pflegt hauptsächlich das Piano, worin es eine ganz unglaubliche Meisterschaft errungen hat und das wir noch bei keiner Trompetermusik in so feiner, künstlerischer Weise gehört haben. Fast war es an diesem Abend, da es bei der großen Menge der Zuhörer denn doch etwas unruhig war, zu viel des Guten, aber die künstle­rische Eigenschaft muß diesem Spiel zuerkannt werden. Besonderes Furore

machte Stabstrompeter Carl selbst durch seine Solovorträge auf dem Piston- sowie das Blech-Quartett des Korps, das sich mit den beiden zu Gehör ge­brachten Liedern von Abt und Renner neben das Kaiser-Quartett von Berlin stellen darf. Eine vorzügliche Leistung von zwei Pistonsoli und dem Korps war dasBleameln aus Tirol", welches zweimal wiederholt werden mußte. Das Publikum spendete den vorzüglichen Leistungen der Gäste wachsenden Beifall.

Das Prüfungsschießen der hiesigen Infanterieregi­ment e r hat heute (Donnerstag) mit dem Schießen des 2. und Füs.-Bat. des Grenadierreg. Nr. 119 begonnen. Das 1. Bat. folgt am Samstag. Es schossen von jeder Komp. 6 Unteroffiziere und 60 Mann, knieend, liegend und stehend freihändig. Das G e f e ch t s s ch i en beginnt erst am 3. Sept., findet aber nicht bei Vaihingen auf den Fildern, sondern zwischen Vaihingen an der Enz und Illingen statt und dauert 3 Tage. Demselben geht das Regiments- und Brigadeexerzieren auf dem Schmidener Feld vorher, wovon das erstere vom 19.-26. Aug., das letztere vom 28. Aug. bis 1. Sept. dauert. Am 10. Sept. beginnen für die Stuttgarter Brigade die Detache­mentsübungen zwischen Maulbronn, Vaihingen und Brackenheim, vom 14.16. Sept. sind Divisionsmanöver bei Bönnigheim, und vom 19.23. Sept. die Korpsmanöver nordwestlich von Stuttgart, zu welchen das Eintreffen unseres allverehrten Kaisers oder in dessen Verhinderung des deutschen Kronprinzen erwartet wird.

Heilbronn, 4. August. Das schon seit einiger Zeit hier im Um­lauf gewesene Gerücht von der Millionenerbschaft des Herrn Theater­direktors Stick wird jetzt, wie die N.-Ztg. berichtet, von einer Seite bestätigt, die keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit desselben mehr aufkommen läßt. Wie nämlich Herr Stick selbst mitteilt, ist ihm von einem Großvater mütter­licherseits, der mit 35 Jahren nach Amerika gegangen und dort im 75. Lebens­jahre gestorben ist, eine Erbschaft von 1,056,000 ^ zugefallen. Die Gelder können von ihm in 34 Monaten erhoben werden.

Rottenburg, 4. August. Im hiesigen Stadtwald schoß gestern ein hier wohlbekannter Nimrod 4 schöne Rehböcke, wovon 3 sofort liegen blieben, der vierte, gut angeschossen, bei der nachher erfolgten Forschung auf­gefunden wurde. Gewiß ein seltenes Jagdglück, aber auch ein Zeichen des schönen Rehstandes in unserem herrlichen, ca. 6000 Morgen großen Wald.

Kirchheim u. T., 4. August. Der Handelsmann Jakob Hellerich von Steinach erwarb hier auf dem gestrigen Pferdemarkt ein Pferd. Nach­dem mehr als nötig Weinkauf getrunken war, fuhr er abends 7 Uhr der Heimat zu. Um das Pferd zu probieren, setzte er sich mit 3 Kameraden auf sein Fuhrwerk , trieb die Mücke zu und hetzte das Pferd die ziemlich steile Metzinger Staige hinauf. Oberhalb des Frick'schen Bierkellers brach das auf's äußerste gereizte Pferd auf die Seite aus, das Gefährt stürzte um und drei der Insassen mußten bewußtlos in den Wilhelmsspital gebracht werden. Der vierte rettete sich durch einen Sprung vom Wagen. Hellerich ist heute morgen im Spital gestorben, ein anderer ist an einem Armbruch in Behand­lung, und der dritte konnte nach Anlegung verschiedener Verbände heute wieder entlassen werden. Eine schrecklichere Sühne hat wohl selten eine allerdings unverantwortlich rohe Tierquälerei erhalten.

Rottweil, 4. August. In voriger Woche stellte Pflugwirt Maier von Altstadt-Rottweil einen Metzgergesellen namens Heinrich Beck von Metz­ingen ein; heute früh übergab er ihm 150 mit dem Aufträge, einen in Gemeinschaft mit einem hiesigen Metzger in Horgen, diesseitigen Oberamts, gekauften Ochsen zu holen. Diesem Aufträge kam Beck nicht nach, sondern fuhr mit einem nach Konstanz gelösten Eisenbahnbillet mit dem um 11 Uhr vormittags abgegangenen Personenzug ab, yat aber wie das inzwischen wieder hier eingetroffene Zugspersonal aussagt in Tuttlingen den Zug verlassen, um sich seitwärts in die Büsche zu schlagen.

Sohnes seine Ruhe und Ueberlegung genügend sammeln können, um sich zur Abwehr zu rüsten, und die beste Rüstung schien ihm eine entschiedene Leugnung Hessen zu sein, was Leo glauben konnte. Mit dem ganzen ihm eigenen Aplomb spielte er deshalb den Erstaunten, und mit einem Aufwand künstlicher Ent­rüstung und Ironie fragte er:

Der elende Hund hätte gewagt, mich zu verdächtigen, und Du wärest ein so großer Charakter, daß die Finten eines durchtriebenen Gauners Dich ohne Weiteres um Deine Fassung und um Deine Laufbahn bringen können? Hat er Dir denn den Beweis seiner infamen Verleumdung bringen können?"

Er sagte, er habe das Schriftstück an sicherem Orte."

Graf Villefleur fühlte sich erleichtert und atmete auf.

Also für meinen Sohn bedarf es nicht des Beweises, nur der giftigen Worte eines elenden Schurken, um ihn an alle möglichen Niederträchtigkeiten glauben zu lassen, die sein Vater begangen haben könnte! Ich weiß wahr­haftig kaum, über wen ich mich ärgern soll, über den Helfershelfer des Ban­dit« oder über meinen würdigen Sohn! Du hast Dich als ein rechter Schwach­kops, wie ein wahrer dummer Junge benommen! Der alte Gauner muß sich schön ins Fäustchen lachen. daß er mit einem Grafen Villefleur, einem Dragonerrittmeister, so hohnvoll umgesprungen ist!"

Aber, Vater . . . ." wollte Leo ihn unterbrechen.

"Schweig!" rief ihm sein Vater heftig zu;ich bewundere wirklich den Respekt, den Du vor Deinem Vater bezeigst! Ein beliebiges schlechtes Sub- jekt klagt mich einer Fälschung an einer Fälschung! Bei Gott, so allein kann ich Deine Worte verstehen! Und Du weißt nichts anderes zu thun, als den Kopf zu beugen und dem Frechen Recht zu geben! Ich fange an, Deinen gesunden Verstand zu bezweifeln, denn das Alles sieht mir nach Geistes- Verwirrung aus!"

Der Ton und die Worte des Grafen waren so täuschend, seine Ent­rüstung so natürlich, daß Leo nicht mehr wußte, was er eigentlich glauben sollte. Wie gerne hätte er fich's gefallen lassen, für einen Dummkopf, für einen Narren angesehen zu werden, wenn um diesen Preis die Behauptungen Jsmaels hinfällig geworden wären! Aber einesteils war dem Sohne nicht

unbekannt geblieben, welch regel- und zügelloses Leben der Vater führte, und namentlich war ihm dessen Verhältnis zu der von Jsmael Gantz ihm bezeich­net« zweifelhaften Person kein Geheimnis, andernteils aber hatte auch gerade Jsmael ihm so unzweideutige, kategorische Mitteilungen gemacht, daß diese zum mindesten seinen Geist in einer angst- und peinvollen Unruhe belassest mußten, wie entschieden und fest auch sein Vater die wider ihn erhobene Anklage bestreiten mochte. Kurz, er fühlte sich nicht von seines Vaters Worten überzeugt. Als Graf Villefleur schwieg, sagte Leo furchtsam:

Wenn ich in Deinen Augen auch mich einer allzugroßen Leichtgläubig­keit schuldig gemacht habe, Vater, so will ich doch wenigstens versuchen, Dir dieselbe zu erklären, indem ich wage, Dir die Worte Jsmaels zu wiederholen."

Und welches sind die Worte des durchtriebensten aller Gauner?"

Du habest mit seiner Namensunterschrift einen Wechsel an die Ordre einer gewissen Tänzerin Florimonde versehen, und dieser Wechsel, der ihm zur Zahlung vorgezeigt worden sei, befinde sich in seiner Hand und könne Dich von Stunde zu Stunde verderben."

Leo hatte sich bei seinen Worten einer heftigen Verlegenheit und Scham­röte nicht zu erwehren vermocht, und er hatte seinen Vater nicht angeblickt. Das gab der vollendeten Schauspielerkunst des Grafen einen neuen trefflichen Stützpunkt.

Du siehst", rief er mit Verachtung aus,Du selbst kannst, ohne Dich dessen zu schämen, nicht die Niederträchtigkeiten über die Lippen bringen, die der Mensch Dir zugeraunt hat. In Wahrheit, es ist zu schmachvoll, als daß ich ein ferneres Wort darüber verlieren darf! Genug davon! Es ekelt mich, nur Du dauerst mich mit Deiner einfältigen Leichtgläubigkeit! Geh, laß mich allein!"

Mit herrischer Geberde wies er nach der Thür, und Leo, den der voll­kommene Aplomb seines Vaters nun doch von der Unwahrheit der Worte Jsmaels überzeugte, fühlte sich unendlich gedemütigt. Schmerzlich murmelte er nur die Worte:

Verzech mir, Vater!"

(Fortsetzung folgt.)