380
der Herbstwaide ernstlich bedroht. Letzterer Umstand wirkt auch sehr ungünstig auf die Viehpreise überhaupt.
Rielingshausen, 2. Aug. Das 4jährige Söhnlein des Sonnenwirts Wildermuth von hier spielte dieser Tage mit einigen anderen Kindern in einem Zimmer de« zweiten Stockes seiner Behausung. Die Mutter hatte den Kindern Weingeist gegeben und nun waren sie bemüht, in einer Kinderküche Kaffee zu bereiten. Eines derselben stieß aus Ungeschicklichkeit das Gefäß mit dem Weingeiste um, infolge dessen die Kleider unv namentlich die Aermel des Wildermuth'schen Knäbleins stark mit Flüssigkeit übergossen wurden. Unglücklicherweise kam dasselbe dem Feuer zu nahe und die Aermel des Kindes entzündeten sich. Auf das jämmerliche Geschrei der Kinder kam zwar Hilfe herbei und die brennenden Kleider wurden gelöscht, aber das bedauernswerte Kind hatte bereits an den Armen und andern Körperteilchen solch schreckliche Brandwunden erhalten, daß es völlig bewußtlos zu Bette gebracht wurde. Zum Glück war an diesem Tage ein Marbacher Arzt im Dorfe, welcher sofort die für diesen Fall nötigen Anordnungen traf. Das Kind schwebte mehrere Tage zwischen Tod und Leben, ist aber jetzt zur großen Freude der Eltern wieder auf dem Wege der Besserung.
Vom Fuß der Achalm, 2. August. Mit anfang der Woche wird mit der Ernte der Winterfrucht begonnen werden. Was die Garbenzahl betrifft, so soll dieselbe gut ausfallen. Die Halme sind lang und schön ausgebildet. Nur zeigt sich der Ruß in starker Verbreitung, selbst da, wo das Saatgut, um dem Nebel vorzubeugen, gebeizt wurde. Die Kartoffeln sind bis jetzt gesund, zeigen aber doch bei Weitem nicht den Ertrag, wie im vor. Jahr. Das Wetter ist zu trocken. Unsere Wiesen dürften ebenfalls einen tüchtigen Regen bekommen, bereits haben wir Mangel an Grünfutter. Von Obstsorten sieht man immer mehr Birnen zum Vorschein kommen. Die Pflaumen- und Pfirsichbäume brechen beinahe unter der Last, während Zwetschgen eine Seltenheit sind. In der Jmkerwelt, wo bereits von Ueberproduktion gesprochen wurde, ist nun auch etwas Stillstand eingetreten, da in Folge großer Dürre die Blüten nicht honigen. — Die Preise der Milchschweine erhalten sich immer aus ihrer Höhe, da fremde Händler anwesend sind; dieselben werden mit 22 bis 30 cM das Paar bezahlt.
Ellwangen, 3. August. Heute wird der Staatsminister der Finanzen, v. Renner, in Begleitung von Baurat Reinhard, von Stuttgart hier eintreffen. Zweck dieses Besuchs ist die projektierte Herstellung einer Waldeisenbahn zunächst im Revier Dankoltsweiler, bei Eichenrain nach Schweighausen resp. zum Anschluß an die Station Jagstzell. Baurat Reinhard und Forstrat Probst haben früher schon die bereits bei Eberswalde eingerichtete Waldeisenbahn besichtigt und in ihren Referaten hierüber die Sache befürwortet, worauf solche auch vom Finanzminister in der Kammer zur Sprache gebracht wurde. Die in Frage kommende Strecke soll bereits provisorisch ausgesteckt sein.
Ravensburg, 22. Juli. Der 53 Jahre alte I. Gg. Gebhard von Berg, Gde. Hemigkofen, wurde nach dem O. A. wegen Bestechung angeklagt. Verteidiger war R.-A. Wirt. Der 23 Jahre alte Sohn des Angeklagten, Joseph Gebhard, Füsilier in Weingarten, wurde im März d. I. aus dem Garnisonslazaret zur Erholung aus 4 Wochen nach Haus entlasten. Er sollte wegen Uebertrctung der Lazaretvorschriften gestraft werden, die bezügliche Verfügung wurde aber bis zum Ablauf des Urlaubs ausgesetzt. Joseph Gebhard teilte seinem Vater mit, er sei zwar unschuldig, werde aber wie die anderen Soldaten, die in derselben Krankenstube gelegen seien, mit Arrest bestraft werden. Der Angeklagte schickte nun am 3. April dem Vorgesetzten seines Sohnes, Hauptmann K., 10 durch die Post und bat ihn, dem Sohne die Strafe zu schenken, weil derselbe unschuldig sei. Der Brief und das Geld wurden der Kgl. Staatsanwaltschaft wegen Bestechung übergeben. Der Angeklagte machte geltend, er habe den Hauptmann nur für dessen Mühe belohnen wollen; das Gericht nahm an, daß er denselben zu
einer Verletzung der Dienstpflicht bestimmen wollte und erklärte ihn eines Vergehens der Bestechung schuldig; unter Zulassung mildernder Umstände wurde auf eine Geldstrafe von 30 ^ erkannt.
Ravensburg, 1. August. Die Roggen- und Dinkelernte ist im Bezirk beinahe beendigt und bei der herrlich-n Witterung gut unter Dach gebracht worden, mit der Gerstenernte wird begonnen; auch der Haber beginnt allmählich zu bleichen. Die Trauben stehen schön und weiter voran als im Jahre 1865.
Darmstadt, 31. Juli. Aus Mainz wird berichtet, daß schon seit einiger Zeit voll beladene Schiffe wegen des niedrigen Wasserstan- des des Rheins dorthin nicht gelangen können, sondern unterhalb Bingen ihre Ladung zum Teil löschen müssen. Der Main bei Frankfurt hat den tiefsten Stand dieses Jahrhunderts erreicht.
— Im Bernoullianum in Basel ist seit einigen Tagen ein Sonnenscheinregistrator aufgestellt, d. h. ein Instrument, das selbstthätig auf Kartonstreifen verzeichnet, an welchen Tagen die Sonne schien und wann der Himmel bewölkt war. Laut „Volksfreund" besteht der Apparat aus einer seingeschliffenen Glaskugel, welche als Brennglas dient; beschreibt die Sonne am Himmel ihren täglichen Kreislauf, so rückt der Brennpunkt gleichfalls vor und es brennt sich auf einem entsprechend befestigten Kartonstreifen eine feine Linie durch. Scheint die Sonne nicht, so zeigt die Brandlinie eine Unterbrechung, und da der Streifen gleich dem Zifferblatt einer Sonnenuhr in Stunden und Viertelstunden eingeteilt ist (nur mit dem Unterschied, daß nicht der Schatten, sondern der Brennpunkt darüber hinweggeht), so sieht man des Abends ganz genau, wie lange und zu welcher Tageszeit die Sonne unverhüllt schien. Jeden Tag muß der Kartonstreifen erneuert werden. Die als Brennglas wirkende Kugel hat zehn Zentimeter Durchmesser und ist ein Meisterwerk des Glasschleifers E. Suter in Basel.
WerrnrischLes.
— Komplott von Schülern. Aus Speyer wird gemeldet: Neun Lateinschüler der 3. Klasse der hiesigen Studienanstalt, fast sämtlich besserer Leute Kind, hatten sich verschworen, ihren mißliebigen Klassenlehrer — zu ermorden! Ein scharf mit 6 Schüssen geladener Revolver und zwei Dolche waren beschafft, die Rollen waren verteilt und abends, wo der Klaffenordinarius gewöhnlich seinen Spaziergang im Domgarten zu machen pflegte, sollte das ausführlich besprochene Verbrechen verübt werden. In der elften Stunde bekam einer der Jungen Neue und brachte den Mordanschlag zur Anzeige. Zwei Schüler traten sofort aus, ein Haupträtels- führer wurde entlassen und die übrigen sechs samt dem Kronzeugen kamen mit dem consilium adounäi davon.
— Die Auswanderung aus Deutschland nach überseeischen Ländern läßt von Jahr zu Jahr nach. Im ersten Halbjahr 1881 verließen 126,139 Deutsche ihr Vaterland; 1882 nur 117,801; 1883 nur 94,145; 1884 nur 90,301 und 1885 nur noch 65,345, also von Jahr zu Jahr weniger. Wenn es nun auch noch eine Statistik gäbe, wie viele von denen, die „drüben" das Glück suchten, es nicht gefunden haben; das Auswandern würde noch viel schneller rückwärtsgehen!
— Aus Italien kommt die Kunde vom Erscheinen einer neuen Madonna, der Madonna von Corano, einem abseits von Eisenbahn- und Telegraphenverkehr gelegenen Gebirgsdorfe bei Piacenza. Vor einem Monate erschien sie, wie die Stampa berichtet, einem elfjährigen Mädchen, Desolina Lusenti, der Enkelin des Dorfglöckners; sie trug ein blaues Kleid, war sehr schön und sprach beim Heraustreten aus dem Walde zu besagter Desolina: „Mein Kind, ich bin die Madonna. Christus, mein Sohn, hat mir noch
Feuilleton.
Im Abgründe.
Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: „Ein Vampy r.")
(Fortsetzung.)
Baltimore verharrte in Schweigen; endlich sagte er zu Therese:
„Laß uns allein, Kind! Du brauchst nichts mehr zu befürchten. Was ich für meine Pflicht hielt, opfere ich Dir, Deinem Glücke! Die Arme wird es verzeihen!"
Therese ging; der Ton und die Worte ihres Vaters hatten sie vollkommen beruhigt.
„Setzen Sie sich dorthin, Gras, und schreiben Sie, was ich Ihnen jetzt diktieren werde. Es ist das Bekenntnis Ihrer Schuld, das ich von Ihnen mit Ihrem Namen unterschrieben verlange, und Ihre schriftliche Einwilligung in die Verbindung unserer Kinder."
Der Graf schien zu zögern, aber ein Blick auf seines Gegners Gesicht sagte ihm, daß es unnütz sein werde, zu widerstreben.' Baltimore diktierte in bündigen Worten die Selbstanklage des Grasen, und als dieser zu Ende geschrieben und mit seinem Namen unterzeichnet, sowie mit seinem Siegelringe seine Erklärung besiegelt hatte, las Baltimore das Schriftstück genau durch und verschloß es in eine Schublade.
„Das genügt, um Ihnen lebenslängliche Galeeren einzubringen; denn außer Ihrem eigenen Zeugnis in diesem Schriftstück findet das Gericht, wenn Sie mich durch Bruch Ihres Versprechens, Leo meinem Kinde zum Manne zu geben, zur Anzeige zwingen, daß die Irre stets Zeugin wider Sie bleibt, die um die Mitternachtsstunde sich immer dessen erinnert wessen ich Sie an- klagen kann. Schreiben Sie jetzt das Versprechen der Verheiratung Ihres Sohnes mit meiner Tochter."
Der Gras schrieb und übergab Baltimore auch dieses Schreiben.
„Falls Sie auf Verrat sinnen, wissen Sie, was sie erwartet. Sie sind frei!"
„Ich habe keine Lust, mich dem Skandal auszusetzen", antwortete der Graf, und er fühlte sich wie neugeboren, als auf einen Ruf Baltimores die Flügelthüre sich öffnete und ihm den Ausgang nach dem Flur hin gestattete. Biaritz öffnete ihm das Hausthor, und der Graf glaubte einem gräßlichen Traume entronnen zu sein, als er auf der Straße die frische, kühle Nachtluft einatmete und in der verödeten Straße die spärlichen rotgelben Laternen mühsam gegen das nächtliche Dunkel ankämpfen sah. In hastiger Eile wandte er sich nach der Richtung seines Stadtviertels hin, und niemals vorher hatte er schneller seine Wohnung erreicht, als in dieser Nacht, die ihn ausnahmsweise zu so früher Stunde heimkehren sah. Zwar kam ihm einen Moment der Gedanke, die Polizei zu Hilfe zu holen und den Banditen, von dessen Flucht er noch gar keine Ahnung gehabt hatte, zu denunzieren, aber die Furcht vor dem, was ihm selbst im Falle seines Verrates bevorstände, ließ ihn davon abstehen, und er beschloß, vorerst reiflich zu überlegen, ehe er einen entscheidenden Schritt thäte. Eine ernstliche Erwägung der Lage war ihm bei seiner momentanen Aufregung unmöglich, und so verschob er, da die Sache nicht drängte, die Angelegenheit auf den nächsten Morgen, den er wachend erwartete.
XVI.
Als am folgenden Vormittag des Grafen Kammerdiener in das Zimmer seines Herrn trat, hatte er demselben die Meldung zu machen, daß Graf Leo am frühen Morgen eingetroffen sei und sich bei den Damen im Frühstückszimmer befinde.
„Leo?" rief Graf Villefleur erstaunt; „was thut denn der schon wieder in Paris? er hat ja kaum erst einen längeren Urlaub gehabt!"
„Soviel ich erfahren konnte, hat Graf Leo jetzt einen Urlaub auf unbestimmte Dauer", antwortete der Diener.
„Sage im Salon, daß ich sofort zum Frühstück kommen werde."
Der Diener ging, und der Graf beeilte sich, seine Frühtoilette allein zu beenden.