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einmal gestattet, auf die Erde zu kommen. Er ist der Ungerechtigkeit der Menschen müde, und ich bin ihres Unglaubens müde. Ich werde eine Zeit, lang unter euch verweilen, und ihr sollt kommen, mich anbeten und das früher hier befindliche Oratorium wieder aufbauen." So erzählte Desolina. Bald war im Dorfe und um Piacenza herum nur noch von der Erscheinung die Rede. An 30 Mädchen hatten dieselbe Erscheinung; jung und alt pilgerte hinaus nach dem Walde, wo man der Madonna einen Schrein errichtet hat, der allerdings vorläufig aus einem mit Tüchern bedeckten Korbe besteht. Die Verehrung nimmt bedenkliche Formen an. An 16,000 Pilger sollen augenblicklich aus Piemont und der Lombardei auf dem Wege sein.
Aus Paris schreibt man der „W. A. Z.": „Am 22. v. M. hielt ein Wagen vor dem Hause des vr. Morison; ein fremder Herr stieg aus und gab dem Diener, der ihn im Vorzimmer empfing, ein Geldstück mit dem Ersuchen, er möge ihn vor allen übrigen in das Zimmer des Herrn Doktors führen und darauf achten, daß er nicht gestört werde, da er wichtiges mit dem Arzte zu verhandeln habe. Der Diener ließ den Fremden durch die Tapetentür in das Kabinet seines Herrn und, als sich der Fremde mit dem Ärzte allein befand, trat er auf ihn zu und sagte: „Ich bin seit sechs Jahren lungenleidend, habe Tag und Nacht keine Ruhe, alle Mittet fruchten nichts, da hat mir ein Bekannter geraten, ich könne mich Herstellen, wenn ich eine noch warme Menschenleber verzehre. Opfern Sie sich der Wissenschaft und " erlauben Sie, daß ich an Ihnen den Versuch mache". Der Fremde zog nach diesen Worten ein Stilet aus der Tasche und nahte sich dem Arzte mit funkelnden Augen; dieser, im ersten Momente zu Tode erschreckt, faßte sich indes sehr rasch und sagte dem Fremden: „Ich habe von dem Mittel schon gehört, cs ist gut, nur muß die Leber gesund sein, ich aber bin seit vielen Jahren leberkrank. Wenn Sie wollen, so führe ich Sie zu einem meiner Kollegen, wo Sie das Experiment machen können." Der Mann willigte ein und der Doktor holte schnell einige Patienten herbei; der Fremde wurde gebunden und von Polizeiagenten dem Jrrenhause übergeben. Derselbe heißt Riehl, ist aus Hannover gebürtig und soll in glänzenden Verhältnissen leben, vr. Morison erlitt leider in der Nacht nach dieser Ordinationsstunde einen Schlaganfall.
— Merkwürdiger Bau. Der Niesen-Elefant auf Coney Island über den zur Zeit, als man ihn noch projektierte, so viel geschrieben wurde, ist nun fertiggestellt worden. Wie das Patentbureau von R. Lüders in Görlitz mitteilt, hat man die ursprüngliche Idee, .denselben als Hotel einzurichten, aufgegeben und werden die großen Säle im Innern des Tieres zu Konzerten, das 150 Fuß hohe Rückenzelt aber zu astronomischen Beobachtungen u. dgl. benutzt werden. Der Koloß wiegt die Kleinigkeit von 2 Millionen Zentnern. Ein und einhalb Millionen Quadratfuß Holz sind zum Bau ver- wendet worden und nicht weniger als 700 Fässer Nägel. Außerdem waren aber noch 140 Zentner Schraubenbolzen erforderlich und zur Bekleidung 35,000 Quadratfuß Blech. Die Maßverhältnisse sind so enorm, daß in jedem der Hinterbeine, die bekanntlich die Treppen enthalten, der größte lebende Elefant bequem promenieren kann. Einstweilen macht die Aktiengesellschaft die Eigentümerin des Kolossalbaues ist, gute Geschäfte mit der Besichtigung des Tierinnern gegen angemessenes Eintrittsgeld.
— An der Table d'h ü t e. Die Szene spielt an der Table d'höte eines Badeortes. Eine Dame sitzt, so erzählt das „D. M. Bl.", mit zwei Knaben von sehr lebhaftem Temperament gegenüber einem älteren, ärgerlich dreinschauenden Herrn. Da passiert dem einen Knaben das Unglück, ein Glas Wasser umzuwerfen und dadurch die Suppe des Herrn zwar zu mehren, aber auch zu verschlechtern. „Ich begreife in der That nicht, Madame", fuhr darauf der Herr aus, „woher Sie den Mut haben, mit solchen Bengels an der Table d höte zu speisen. Man sollte doch Rücksicht gegen die Gesellschaft nehmen." In größter Verlegenheit antwortete die Dame: „Ich bitte um Verzeihung, mein Herr. Wir leben auf dem Lande und meine Knaben wachsen
dort in ziemlicher Freiheit auf!" — „Nun", war die Antwort, „ich wuchs auch auf dem Lande auf, war aber dennoch so erzogen, daß ich sechsjährig an jede Tafel genommen werden konnte." — „Aber diese so frühzeitig erlernte Artigkeit hat zuweilen wohl auch ihre Nachteile!" — „Und welche, wenn ich fragen darf?" — „Daß man sie sehr rasch wieder verlernt." Mit diesen Worten erhob sich die Dame und ließ sich einen anderen Platz vom Kellner anweisen.
Webev Einkauf von König, den meistens unsere Hausfrauen besorgen, über Aussehen, Qualität, Aufbewahrungsweise rc. bringt das landw. Wochenblatt nachstehende Belehrung, die jedem Honig kaufenden interessant und dabei dienlich sein dürfte. Dieselbe lautet:
1) Der durch die Schleuder, d. h. eine Zentrifugalmaschine in blitzschneller Umdrehung aus den Waben geworfene oder geschleuderte Bliiteu- horria ist das feinste und reinste, was es an Honig gibt.
Er ist rein von jedem Wach«- oder Wabengeschmack, den auch der Honig, der aus schneeweißen sogen. Jungferwaben herausläuft und als Wabenrosenhonig (Rosenhonig) mit Recht geschätzt wird, nicht verläugnen kann.
Er ist rein von aller Beimengung von Blütenstaub oder Pollen, die die Bienen zur eigenen und zur Nahrung der Jungen brauchen. Es mischen sich diese Stoffe beim Warmauslassen des Honigs und beim Zerschmelzen der Waben dem Honig bei. Sie machen seinen Geschmack etwas kräftiger, die Masse etwas dicker; beeinträchtigen aber die Süße und Reinheit des Pflanzensaftes und stellen die Ausdauer des Honigs in Frage. (Honig mit Pollen säuert gerne.)
Er ist frei von allen sonstigen Unreinigkeiten, die sich beim Auslassen am Feuer dem Honigsaft beimengen, z. B. Brut und Brutrückstände.
2) Der Blütenhonig wird, kaum eingetragen und verdeckelt, mit der Schleuder entleert und die leeren Waben den Bienen zu erneuter Füllung zurückgegeben. Bei reicher Tracht kann der Honig je nach etlichen Tagen wieder entleert werden.
Man kann auf diese Weise den Honig ganz bestimmter Pflanzen, z. B. Baumblüten-, Esparsetten-, Wiesenblumen-, Lindenblütehonig gewinnen. Der feinste und gewürzhafteste Honig ist der, welcher aus den verschiedenartigsten Blüten zusammengetragen ist.
Minderwertiger Honig ist: Tannenhonig und Honigtauhonig. Dagegen ist er sehr süß.
3) Der durch die Schleuder gewonnene Honig ist an einem kühlen und trockenen Ort (es muß nicht der Keller sein) aufzubewahren. Der zuerst sehr flüssige Honig verdickt sich nach und nach und scheidet oben Honigwasser ab. Man schöpft dieses weg und verwendet es zur Bienenfütterung oder zu Backwerk.
4) Jeder echte Honig krystallisiert und kandiert, oder, wie der Volksmund es heißt, er gesteht. Ein gefälschter Honig bleibt flüssig. Viele ziehen den flüssigen Honig vor. Das ist Unverstand.
Sobald der Honig verdickt ist, verschließt man ihn gut und stellt ihn an kühlem Ort auf. Will man ihn benützen, so streicht man nicht die dicke oder halbaufgewärmte Masse aufs Frühstücks- oder Vesperbrot, sonst muß man viel zu viel auftragen; sondern man stellt das Honiggeföß ins Wasser, das so warm ist als das Gefäß es vertragen kann. Der Honig wird dann wieder flüssig und nimmt nach Farbe, Geschmack und Gehalt seine ursprüngliche Natur wieder an.
5) Die Farbe des Honigs ist für gewöhnlich goldgelb. In trockenen Jahren wird er dunkelgelb. Es gibt aber Pflanzen, deren Saft etwas anders gefärbt ist. Reps- und Baumblütesaft ist schneeweiß, Lindenhonig grüngelb, Tannenhonig braun. Einige Pflanzen liefern sogar ganz schwarzen Honig. Auch Rosahonig kann es geben. Die Grund- und Hauptfarbe aber ist gelb.
6) Der durch die Schleuder gewonnene reine Blütenhonig kann jahrelang aufbewahrt werden.
Im Saale stand Leo aufrecht neben dem Stuhle seiner Mutter, die unverhohlen ihre Freude über das Wiedersehen mit ihrem einzigen Sohne an den Tag legte. Lucienne hatte eine Stickarbeit zur Hand genommen und beteiligte sich mit keinem Worte an der Unterhaltung der Beiden, welche übrigens die Gräfin durch stets neue Fragen im Gang zu erhalten wußte, da Leo höchst wortkarg war. Auf die Frage seiner Mutter, wie lange sein Urlaub dauern werde, hatte er geantwortet, sein höchstes Glück werde sein, dauernd an der Seite der Gräfin zu bleiben und nicht mehr zum Regiment zurückzukehren. Darüber trat der alte Graf ins Zimmer. Leo ging ihm entgegen und umarmte ihn kalt.
„Du bist überrascht, mich hier zu sehen", sagte er; „aber seit unserm letzten Beisammensein in den Pyrenäen hat sich so Mannigfaches ereignet, daß ich den Tag kaum erwarten konnte, um persönlich hierherzueilen und Dich gegen geheimnisvolle Gefahren zu wahren, die Dir drohen."
»Ich verstehe Dich nicht, Leo", erwiderte der Graf, insgeheim beunruhigt; »erkläre Dich deutlicher!"
, »Zunächst also wisse, daß der Banditenhauptmann Jnigo Torreguy uns rn der Nacht seiner Verhaftung noch wieder entflohen ist."
Der Graf stellte sich erstaunt und überrascht, die Damen hingegen bezeigten einen aufrichtigen Schrecken, und Luciennes Hand entfiel die Stickerei.
„Du überwachst schön Deine Arrestanten, ich mache Dir mein Compli- ment!" bemerkte vorwurfsvoll der Graf.
„An meiner Wachsamkeit und meinen Maßregeln lag es nicht, sondern daran, daß wir gleich nach Deiner Rückkehr einen zweiten Gefangenen machten, der den ersten befreite; dieser neue Gefangene und Freund des Banditen war Jsmael Gantz."
»Jsmael Gantz!" rief der Graf in sichtlicher Bestürzung aus. „Jsmael Gantz? aber wie kam der dorthin? und was hat der mit dem Banditen zu schaffen?"
„Er erzählte mir, er habe Don Balthasar begleitet, den die Räuber auf der Grenze überfallen und beraubt haben. In seiner Angst habe er die
Flucht ergriffen und sich in das Gavarnilthal verirrt, wo ihn meine Soldaten festnahmen."
„Das kommt mir seltsam vor", sagte der Graf; mir ist nichts davon bekannt, daß Gantz den Banquier begleitet hätte. Zu welchem Zwecke auch?"
„Darauf weiß ich keine Antwort, Vater. Immerhin klang die Geschichte wahrscheinlich genug, und da ich Gantz oft genug bei Dir gesehen habe, so begnügte ich mich mit dieser seiner Erklärung. Ich sollte bald gewahren, daß ich unvorsichtig gehandelt hatte. Kaum eine Stunde nach Ankunft JsmaelS fielen plötzlich die Fesseln des Banditen und derselbe entkam durch eine geheime Fallthüre, die aus der Hütte in unterirdische Höhlengänge des Berges führte, und in denen er verschwand."
„Aber-?" wollte der Graf fragen.
„Jemand hatte dem Räuber heimlich ein Messer zugeworfen, womit derselbe seine Fesseln durchschnitt und dieser Jemand war Jsmael Gantz."
„Das ist nicht möglich Leo! Jsmael Gantz! Bist Du davon überzeugt?"
„Vollkommen, Vater, da ich außer anderen Beweisen dafür auch noch das eigene Geständnis Jsmaels besitze."
„Dann hast Du ihn also verhaftet?" fragte der Graf ängstlich.
„Jawohl, Vater!"
„Und ist er im Gefängnisse?" fuhr in gleichem Tone der Graf fort.
Leo sah ihn traurig an.
„Er ist frei!"
Es wäre schwierig gewesen zu entscheiden, was jetzt den Grafen bewegte, ob verdrießliche Enttäuschung, oder freudige Befriedigung; er that einen unverständlichen Ausruf und stlhr dann mit der Hand über fein Gesicht, das von einer heftigen Blutwelle plötzlich gerötetet war. Dann rief er mit affektiertem Lachen:
„Also alle lässest Du sie laufen, über soviel Ungeschick muß man lachen."
„Wenn ich Gantz laufen ließ, Vater, so war es mein eigener Wille, oder vielmehr es war Notwendigkeit."
(Fortsetzung folgt.)