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Chicago die Kunde, daß dort ein deutscher Schulverein in der Bildung begriffen ist. Endlich! kann man nur sagen, endlich! raffen sich die Tausende von Deutschen, die dort leben, auf, um ihren Kindern in der Schule die Muttersprache zu erhalten und sie deutsch erziehen zu lassen. Ja- wohl, man soll und kann sich dessen freuen, man kann aber auch sehr wohl sich darüber wundern, daß nicht schon längst eine deutsch-nationale Bewegung in Amerika besteht, dessen tüchtigste Bürger zum großen Teil Deutsche sind.

Frankreich.

Paris, 15. Juli. Das Nationalfest verlief wie alljährlich; in allen Stadtteilen gab sich Jung und Alt den üblichen Vergnügungen, Spiel, Musik, Tanz, Feuerwerk rc. bis zum frühen Morgen hin. Der Omnibus­verkehr wurde abends 7 Uhr eingestellt, da die Straßen in Tanzplätze ver­wandelt waren. Das Gedränge war indes nicht so groß als in den früheren Jahren, da viel Volk den Festtag und die schöne Witterung zu Ausflügen auf das Land benützten und namentlich die Konservativen sich geflissentlich von dem rovolutionären Feste fernhalten. Die 3 Truppenschauen und die Parade der Schulbataillone verliefen ohne bemerkenswerten Unfall und auch der Polizeibericht hat diesmal nur wenig Jlluminationsbrände und durch Feuerwerk verursachte Verletzungen zu verzeichnen. Auch der Zug der Pa­triotenliga unter Führung Derouledes die Boulevards entlang mit umflorten Fahnen bis zur Bildsäule der Stadt Straßburg am Eintrachtsplatze, wo Kranze niedergelegt und einige Reden gehalten wurden, verlief diesmal ohne Zwischenfall, da weder einWollener" die Patrioten durch seine Kleidung beunruhigte, noch das Kontinentalhotel eine andere als lauter blau-weiß-rote Fahnen ausgehängt hatte. Auch in der Provinz verlief die Feier überall ohne erwähnenswerten Zwischenfall, ausgenommen in Grenoble, wo der Festzug, der abends unter Fackelgeleite stattfand, durch ein peinliches Vor­kommnis gestört wurde. Als der Zug am Hotel der Division vorbeikam, wurde die dort wohnende Frau des Generals Chagrin de St.-Hilaire von einem Wahnsinnsanfall ergriffen, zerriß die ausgehängten Fahnen und warf die Stücke auf die Menge herab, rufend:Nieder mit der Republik!" Das Das Volk antwortete mit lauten Rufen, es entstand eine große Ansammlung vor dem Hause; der Bürgermeister und der Präfekt thaten ihr Möglichstes, die aufgeregte Masse zu beschwichtigen. Frau v. St. Hilaire hatte sich in ibrem Zimmer verbarrikadirt, hielt Reden zum Fenster heraus und warf die Möbel auf die Straße herab, bis die Feuerwehr die Thüre erbrach und die Unglückliche nach dem Krankenhause brachte.

Hlcrges-WeuigkeiLen.

Die BezirkskrankenkasssCalw hat sich veranlaßt gesehen- infolge der übergroßen Ausgaben, die ärztliche Behandlung und Arzneien verursachen, eine Aenderung in der Unterstützung der krank gewordenen ein- treten zu lassen. Von jetzt ab soll jedes erkrankte Mitglied während der Dauer seiner Krankheit für ärztliche Hilfe und Medikamente eine tägliche Entschädigung bekommen und zwar in >. Kl. 25 L, II. Kl. 20 und III. Kl. 15 davon soll jeder Kranke Arzt und Medikamente, die er gebraucht hat. selbst bezahlen uud nur im Falle die Entschädigung nicht ausreichen sollte, ersetzt die Kasse dem Arbeiter, wenn nachweisbar, den thatsächlichen Aufwand. Die Kranken-Kontrole soll, wohl veranlaßt durch Fälle, in denen die Kasse auf unverantwortliche Weise geschädigt worden war, strenger gehandhabt werden.

Heilbronn, 17. Juli. Der hiesige Verein der Geflügel- und Vogelfreunde wird am 25., 26. und 27. Juli d. I. hier in der städtischen Turnhalle seine lV. große Geflügel- und Vogel-Aus- stellung, verbunden mit Prämiierung und Verlosung, abhalten. Nach den nunmehr abgeschlossenen Anmeldungen wird diese Ausstellung die früheren an Reichhaltigkeit weit übertresfen. Ä ßer den verschiedenen Sing-, Zier­

und Nutzoögeln werden auch allerlei zur Vogelzucht dienliche Geräts, Futter­proben und Litteratur ausgestellt werden, und Freunde der Sache werden hier viel Schönes und Nützliches zu sehen finden. Gestern abend stürzte an dem Neubau der Cichorienfabrik von Selig hier ein Arbeiter zwei Stock hoch herab und wurde schwer verletzt in das hiesige Spital verbracht.

Saulgau, 14. Juli. Gestern nachmittag hatten wir wieder ein schweres Gewitter, welches in Dürnau die so schön stehenden Früchte ziem­lich stark verhagelt hat, auch wurde ein mit dem Fuhrwerk in der Nähe dieses Orts auf dem Felde befindlicher Knecht von Moosheim vom Blitz getroffen; derselbe war kurze Zeit betäubt, konnte dann aber allein nach Hause gehen. Die Wirkungen des Blitzes machten sich hierauf in heftigen Schmerzen im Rückgrat und besonders im Vorderarm geltend; heute befindet sich der Ge­troffene ziemlich gut. Das gleiche Gewitter soll sich in der Gegend von Krauchenwies und Meßkirch in totalem Hagelschlag entladen haben.

Pfullingen, 15. Juli. Diesen nachmittag ist der in Folge der stetig wachsenden Bevölkerung unserer Stadt nötig gewordene neue Gottes­acker feierlich eingeweiht und in unmittelbarem Anschluß hieran die erste Beerdigung auf demselben vorgenommen worden. Da der betr. Tote, G. Griesinger, ein angesehener Bürger, der seit 1866 bis zu seinem Tote Kirchenältester gewesen war, früher auch dem Stadtrat angehört hatte, auch in der Umgegend viele Freunde besaß, so vereinigte die heutige Doppelfeier auf dem neuen Friedhof eine große Menschenmenge, deren Zahl auf wohl 2000 geschätzt wurde.

Pleidelsheim, 16. Juli. Unser sonst so stiller Ort ist seit der Einweihung des Kriegerdenkmals hier von Hofbildhauer v. Hofer zwei im Kriege gefallenen Brüder darstellend das Ziel vieler Touristen. Die edle Auffassung und die kunstvolle Darstellnng, welche bei dieser Gruppe gleich sehr imponieren, sind lebendige Zeugen von der Meisterschaft des greisen Künstlers. Der Opferfreudigkeit, die auch das Teuerste für das Vaterland zu geben vermag, ist hier ein würdiges Denkmal gesetzt. Für alle Zeiten wird es aber auch davon reden, daß ein braver Söhn die Liebe und Ver­ehrung gegen seine Eltern und deren Geburtsort bis in sein hohes Alter be­wahrt und nun so hochherzig bethätigt hat. Neben dem Denkmal hat Schultheiß Weber ein Buch auslegen lassen, in welches sich die Besucher einzeichnen können. Eine Seite desselben füllt sich um die andere.

Hall, 12. Juli. Am gestrigen abend veranstaltete unsere Badedirek­tion eme italienische Nacht im Garten des Soolbades, was von Seiten der Kurgäste freudig und dankbar angenommen wurde. Auch war der ergangenen Einladung die hiesige Einwohnerschaft zahlreich gefolgt. Mit den Reihen der bunten Lampions und erhellt vom Scheine der bengalischen Feuer bot der in den Kocherfluß hinein ragende Platz mit der Veranda des Bades einen schönen Anblick.

Ulm, 16. Juli. Gestern wurde durch Hrn. Straßen- und Wasserbau­inspektor Koch die neue eiserne Donaubrücke bei Donaurieden dem Verkehr übergeben. Die Donau durchschneidet dort Las Thal in großen Wendungen, fließt sogar eine Strecke weit wieder thalaufwärts. Ihr Bett ist deshalb mittelst fünf Durchstichen gerade gelegt worden. Der Hauptdurchstich, über welchen die neue Brücke führt, wurde gestern in Anwesenheit zahlreicher Zu­schauer eröffnet. Brausend ergoß sich ein Teil des Stromes in sein neues Bett, nachdem die letzte Scheidewand gefallen war. Die korrigierte Strecke ist 1600 Meter lang; im ganzen mußten 20,000 Kubikm. Grund ausgehoben werden.

Ulm, 17. Juli. Der mit einem Lehrling Ligroine ausfüllende Haus­knecht eines hiesigen Handlungshauses hatte heute vormittag das Mißgeschick, daß sich der Brennstoff infolge von ein paar in die Sicherheitslaterne spritzen­den Tropfen entzundere und seine Kleider Feuer fingen, wodurch er sich, übrigens nicht zu gefährliche Brandwunden an den Händen und Oberschenkeln zuzog. Der Verletzte wurde in das Dienstboten-Krankenhaus verbracht.

Von der Iller, 14. Juli, schreibt man demA. v. O.": Gestern

folgenden Jahre heiratete ich Deine Mutter, die Tochter eines Friedensrichters, der bei seinem zu frühen Tode seinen Kindern außer einer guten Erziehung und einem tadellosen Namen keinerlei Gut hinterlassen hatte, und dessen Witwe kärglich von einer Pension ihre Haushalmng führte. Deine Mutter, Mathilde, war die älteste Tochter des Hauses, ein Mädchen, dessen Mittellosigkeit Alle gern übersahen, welche ihre Schönheit und ihren reichen Geist kannten. Durch unsere Verheiratung wurden wir beide die glücklichsten Menschen unter der Sonne. Unmittelbar nach mir verheiratete sich Bougart; seine Wahl war aus die Tochter eines reichen Emporkömmlings gefallen, dessen üppige Lebens­weise oft genügenden Gesprächsstoff der Nachbarn abgab. Ohne Zweifel war Bougarts Heirat, was man eine glänzende Partie nennt, denn seine Frau hatte ein Vermögen, das mindestens dem meinen gleichkam, wenn es dasselbe nicht gar übertraf. Diese glänzende Partie und der vorzügliche Name unseres Geschäftes, die aus Bougart so schnell aus einem einfachen Kassierer eine der maßgebenden Handelsgrößcn und Persönlichkeiten der Stadt gemacht hatten, übten gar bald ihren verderblichen Einfluß auf den früher so sparsamen, arbeitslustigen, umsichtigen Mann; veranlaßt durch seine an ein verschwende­risches Haus gewöhnte Frau gab er bald die glänzendsten Feste in seinem Hause, hielt die kostbarsten Wagen und Pferde, machte teure und langwierige Vergnügungsreisen, besuchte den ganzen Sommer hindurch eine Badestation nach der andern, beteiligte sich an den Rennen der großen Welt, führte kurzum rin Leben, dos auf enorme Einkünfte schließen lassen mußte. Ich erfuhr auch in der Thal, daß er mit dem Gelve seines Schwiegervaters an der Pariser Börse für gemeinschaftliche Rechnung bedeutende Spekulationsgeschäfte machte und kolossale Summen verdiene, und so fand ich seine großen Geld- cusgaben erklärlich und gerechtfertigt. Dagegen beunruhigte es mich lebhaft, als ich vernahm, daß Bougart bei seinem öfteren Aufenhalt in den Bade­orten ein eifriger Spuler sei, und ich verfehlte nicht, ihin eines Tages freund­schaftliche Vorstellungen darüber zu machen. Aber er gab mir die Versiche­rung, daß er nur aus Laune einigemal ein paar Goldstücke riskiere, nach deren Verlust aber kein Vergnügen an dem Zeitvertreib gefunden habe; er

wisse seine Gelder besser anzulegen, fügte er hinzu und versuchte, mich gleich­falls zu Börsenspekulationen zu veranlassen. Das währte so über zwei Jahre und Bougart galt mit gutem Fug für enorm reich.

Da kam die Kehrseite. Bougart hatte für sich und seinen Schwieger­vater zumeist in türkischen und spanischen Papieren spekuliert, ein plötzlicher Rückgang trat in diesen Werten ein und schneller als er es gewonnen, war nicht nur Bougarts persönliches, sondern auch seines Schwiegervaters großes Vermögen zum größten Teile verloren. Um nicht seine bedeutenden Ve.lüfte zur öffentlichen Kenntnis gelangen zu lassen, setzte Bougart den gewohnten großen Haushalt fort, und um die erlittenen Einbußen auszuwetzen, vielleicht mehr aber noch, weil das Börsenspiel ihm zur Leidenschaft und zum Bedürfnis geworden war, spekulierte er von neuem und nun in allen möglichen eng­lischen und amerikanischen Werten. In unserem Geschäfte gehörte zu Bou­garts Obliegenheiten außer der Führung der Kasse unter Anderem auch die Versicherung unserer massenhaften und wertvollen Transporte zur See. Wir hatten eine volle Ladung Wolle für Rechnung eines bedeutenden Wollhauses von England nach Frankreich zu befördern übernommen, und ich hatte die darauf bezüglichen Anordnungen getroffen; die Verladungspapiere zum Be­hufs der Versicherung des Transports hatte ich Bougart übergeben. Drei Tage nach Abgang des Schiffes von England erhielt ich die Nachricht, daß ein Sturm dasselbe überfallen habe, und das Schiff, von dem die Mannschaft sich nur mühsam habe retten können, mit seiner ganzen Ladung im Werte von einer halben Million zu Grunde gegangen sei. Bougart war abwesend, und ich wartete mit Ungeduld auf ferne Rückkehr, um bezüglich Erhebung der Versicherungssumme mit ihm zu beratschlagen. Andern morgens kam er von Paris an. Beim ersten Worte, das ich ihm bezüglich des Schiffbruches meldete, sah ich, wie er die Farbe wechselte und von einem fürchterlichen Schrecken befallen wurde.

(Fortsetzung folgt.)