Mo. 85.

. Jahrgang.

Amts- uml Intelligenztzkatt für äen Kezirst.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.

Dienstag, äen 21. Juki 1885.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

die Post bezogen im Bezirk 2 ^ 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 70 H.

KoMische Hlcrchvichten.

Deutsches Reich.

Konstanz, 17. Juli. Se. Maj. der Kaiser traf heute früh 8 Uhr bei schönstem Wetter wohlbehalten hier ein. Am Bahnhof waren zum Empfang II. KK. HH. der Grobherzog und die Großherzogin, welche kurz vorher von der Mainau eingetroffen waren, sowie die Spitzen der Zivil­und Militärbehörden anwesend. Nach herzlicher Begrüßung mit den Großh. Herrschaften in dem geschmückten fürstlichen Wartesalon und nach kurzer Vor­stellung der zum Empfang erschienenen Personen stiegen der Kaiser und die Großh. Herrschaften in den bereitstehenden offenen Wagen und fuhren im Schritt durch die spalierbildende Jugend und die hurrarufende Menge- nach dem Hafen, wo das reichbewimpelte ExtraschiffKaiser Wilhelm" unter Dampf lag. Von dem auch hier sehr zahlreichen Publikum mit Hurrah empfangen, bestieg der Kaiser das Schiff und begab sich auf das obere Verdeck. Die Treppe stieg Se. Majestät ohne Hilfe in Anspruch zu nehmen, hinauf und unterhielt sich stehend mit dem Großherzog und der Großherzogin; später nahmen die Herrschaften Platz. Um 8 Uhr 25 Min. erfolgte unter aber­maligem Hurrarufen der Volksmenge die Abfahrt nach Mainau. Allgemein wurde die Ansicht laut, daß der Kaiser viel rüstiger und wohler aussehe, als man nach den verschiedenen Berichten der letzten Zeit angenommen hatte.

Berlin, 18. Juli. Gestern fand, wie aus Constanz gemeldet wird, um 2 Uhr nachmittags auf der Mainau ein Diner statt, zu welchem die Königin von Württemberg und der Großfürst Michael von Rußland nebst Gemahlin erschienen waren. Später traf Prinz Ludwig von Baden ein, und machten sodann die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften eine Fahrt zu Wagen nach Litzelstetten, worauf um 6 Uhr abends die Königin von Würt­temberg, sowie der Großfürst und die Großfürstin Michael, nach Friedrichs­hafen zurückkehrten. Heute um 10 Uhr vormittags unternahm der Kaiser dieselbe Spazierfahrt. Zu dem Diner wird die Prinzessin Wilhelm aus Baden nebst Tochter aus Kirchberg erwartet. Die Offiziere der deutschen und öster­reichischen Garnisonen am Bodensee veranstalten heute das alljährlich statt­findende Freundschaftsdiner in Constanz; dieselben werden auf der Rückkehr die Mainau berühren.

Zwischen Varzin und Berlin ist gegenwärtig ein regelmäßiger Kurierdienst eingerichtet. Täglich reist ein Bote mit Schriftstücken des hiesigen Auswärtigen Amtes nach Varzin. Auch der telegraphische Verkehr zwischen der Reichshauptstadt und dem augenblicklichen Aufenthaltsorte des Reichs­

kanzlers ist sehr rege. Alles, was über weitere Reisepläne des Fürsten Bis­marck gemeldet wird, ist verfrüht. Derselbe fühlt sich in Varzin, das er wegen umfassender baulicher Aenderungen im vorigen Jahre nicht besuchen konnte, sehr wohl und, denkt vorläufig nicht daran, es zu verlassen.

Der Vorfall auf dem Schützenfest in Hannover wird von dem Hann. K. wie folgt erzählt: Das Magistratsesien, welches, wie alljährlich am Dienstag des Schützenfestes in gewohnter Weise abends gegen 8 Uhr seinen Anfang nahm, wurde durch einen bedauerlichen Zwischenfall gestört. Nachdem dasselbe etwa eine Stunde gewährt hatte und die üblichen Toaste gesprochen waren, machte der große silberne Pokal mit Sekt gefüllt die Runde um den Tisch. Hierbei trinkt der Nachbar dem Nachbar mit einem Spruche zu. Der Bürgervorsteher (Stadtverordnete) Winkelmann benützte diese Gelegenheit und toastete in gänzlich taktloser Weise auf den Herzog von Cumberland. Infolge dessen verließen der Oberpräsident, der Stadtdirektor, General v. Buddenbrock, Geh. Reg.R. v. Jacobi und viele andere Herren den Saal; unter den Zurückbleibenden entstand eine mächtige Empörung gegen Winkelmann. Letzterer eilte dem Oberpräsidenten nach mit den Worten: Exzellenz, ich habe Sie nicht beleidigen wollen" , fand aber mit wenigen Worten die gebührende Zurechtweisung. Von Seiten der Zurückgebliebenen wurde energisch Winkelmanns Entfernung verlangt. Dieser aber behauptete seinen Platz und suchte so die Gesellschaft gänzlich zu sprengen. Da trat Senator Bube, der die aufbrechenden Herren hinuntergeleitet und sie mit­bestimmt hatte, unten im Garten zu verweilen, in den Saal und wandte sich an Winkelmanu mit folgenden Worten:Herr Winkelmann, Sie haben nicht den Takt gehabt, die Gastfreundschaft, welche Sie hier genoffen, zu respek­tieren, und Sie haben auch jetzt nicht den Takt, durch Ihr Fortgehen die Stimmung der Gesellschaft einigermaßen zurückzugeben; als Vorsitzender des Schützenkollegiums fordere ich Sie daher auf, diese Räume zu verlassen." Unter allgemeinen lauten Beifallsbezeugungen der Anwesenden entfernte sich darauf Winkelmann nicht ohne Widerwort und nicht ohne sich im Vorsaale nochmals aufzuhalten, um sich auch aus diesem nochmals fortweisen zu lassen. Selbst die Parieigenoffen Winkelmanns, sowie die wölfischen Bürgervorsteher waren empört über dieses Benehmen und zollten dem Auftreten des Senators Bube lauten Beifall. Der Stadtdirektor, sowie einzelne Senatoren kehrten hierauf in den Saal zurück und gaben der Hoffnung Ausdruck, daß der böse Vorfall, welcher durch die Taktlosigkeit eines Einzelnen hervorgerufen worden sei, ohne schädigende Wirkung für das Fest vorübergehen möge.

Als ein erfreuliches Anzeichen dafür, daß endlich auch im Deut­schen im Ausland das Nationalgesühl sich zu regen beginnt, kommt aus

Feuilleton.

Zm Abgründe.

Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des RomanS:Ein VamPy rtt)

(Fortsetzung.)

Vater, vergieb mir, wenn ich Dir wehe gethan", flüsterte sie kaum hörbar.

Ach, mein Kind, ich habe um Vergebung zu bitten", erwiderte er,ich, der ich Dein Leben zerknickt, zerstört habe. Ja, ich brauche Verzeihung; aber, wenn Du Alles wüßtest, wenn Du die schrecklichen Schläge kennen würdest, die das Schicksal, nein, die Bosheit der Menschen mir versetzt hat, o, dann fändest Du es leicht, mir zu verzeihen; dann könntest Du den Haß, die Feind­schaft verstehen, die ich der menschlichen Gesellschaft nachtrage, von der ich mißhandelt und angespieen worden bin, obwohl ich gut und edel und un­schuldig war, wie der besten einer! Ja, Du sollst es wissen, Du sollst alles bohren, die ganze traurige Geschichte Deines Vaters kennen! Vielleicht hebt mich das wieder in einigem Maaße in Deinen Augen!"

x^yerese machte eine flehende Bewegung der Abwehr; aber Baltimores EntWuß stand fest; wenn seine Lebensgeschichte ihn auch bei Therese nicht, zu rechtfertigen vermochte, so sollte sie wenigstens die Erklärung dafür haben, daß em Mann mit den Geistesgaben ihres Vaters in einen solchen Abgrund hatte versinken können.,

Theresens Zustand besserte sich, in den nächsten Tagen zusehends, und der Arzt stellte Baltimore in Aussicht, daß er binnen einer Woche seine vor­gebliche Reise nach Madrid würde fortsetzen können. Als Baltimore Therese gekräftigt glaubte, um ohne Schaden für ihren Zustand die Aufregung er­tragen zu können, welche ihr voraussichtlich die Anhörung von ihres Vaters Lebensgeschichte verursachen würde, nahm er neben ihr Platz, und begann ihr folgendermaßen zu erzählen, unterdes seine irre Frau an der Hand Kathari­nas in die blaue Luft hinaus gegangen war, um wilde Feld- und Waldblumen zu sammeln.

XII.

Ich habe Dir noch niemals von Deinen Großeltern gesprochen, Therese. Dieselben waren reiche und angesehene Leute in Bayonne; ich war ihr ein­ziger Sohn. Ein vortreffliche Erziehung und Schulbildung sollten mich für den kaufmännischen Beruf vorbereiten, für welchen mich mein Vater bestimmt hatte und wozu ich selbst auch volle Lust und Neigung besaß. Nach Vollen­dung meiner Schulstudien trat ich bei einem Freunde meines Vaters, dem größten Spediteur von Bayonne, in die Lehre, und sowohl die Vielseitigkeit der geschäftlichen und allgemeinen Kenntnisse, die in diesem Hause zu erwerben waren, als auch die väterliche Güte, die mein kinderloser Prinzipal mir stets bezeigte, veranlaßten mich, auch nach bestandener Lehrzeit in seinem Hause zu verbleiben. Ich genoß und rechtfertigte das Vertrauen meines Prinzipals, und als ich kaum zwanzig Jahre zählte, war ich in alle Geheimnisse des Geschäftes eingeweiht. Etliche Jahre später, als mein väterlicher Freund sich entschloß, den Geschäften zu entsagen und ein sorgenfreies Privatleben für den Rest seiner Jahre zu führen, ließ er mich eines Tages zu sich in sein Privatkabinet rufen und trug mir an, daß ich sein Geschäft und seine weit­bekannte Firma übernehmen und fortsetzen solle; er knüpfte daran die Bedingung, daß ich seinen langjährigen Kassierer, von dessen Geschäftstüchtigkeit und ab­soluter Zuverlässigkeit er überzeugt war und an den auch ich mich während fast zehn Jahren sehr innig angeschloffen hatte, als Affocio nähme. Diese Bedingung ging ich mit Vergnügen ein. Bougart, so hieß mein neuer Associö, hatte einige Ersparnisse gemacht, die er ins Geschäft steckte und ich ward von meinen Eltern mit einem ausreichenden Kapital versehen, um die alte Firma auf ihrer bisherigen Höhe erhalten zu können. Das Haus nahm sogar bald einen größeren Aufschwung, da wir neuen Inhaber außer solider Geschäftskenntnis und ausreichenden Mitteln auch den Mut und die Energie jugendlicher Kraft aufwenden konnten, während in den letzten Jahren unser Vorgänger durch eine gewisse, durch seine Jahre verursachte, Erlahmung in den Geschäften hatte eintreten lassen. Zwei Jahre später starben kurz nach einander meine Eltern und hinterließen mir ihr beträchtliches Vermögen. Im