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Calw. Nicht aus heiterem, doch auch nicht aus besonders gewitier- haftem Himmel zuckte gestern morgen 7',^ Uhr ein greller Blitz, ein dumpfer Donner folgte und jedermann hatte das Gefühl, daß der Blitz zur Erde niedergegangen. Nach kurzer Zeit kam denn auch die Kunde, es habe im Bahnwärterhäuschen beim Han-Einschnitt (Bahnwärter Benz) eingeschlagen. Eine Untersuchung an Ort und Stelle ergab folgendes: Der Blitz war am Kamin eingedrungen. Ziegel und Holzteile bei Seite werfend; da das Dach innen gegypst war, so Zweigten sich vom Hauptstrom kleine Nebenströme ab, die den Gypserdrähten folgten und dieselben abschmolzen, wobei furchenartig der Mörtel abgeworfen wurde. Der Hauptstrom zertrümmerte eine Niegelwand, rückte einen Kasten bei Seite, dessen Inhalt vollständig zerstörend und ging dann zum Erdgeschoß des Häuschens nieder, wobei er verschiedene Wege nahm, besonders auch einen Balken mit aufliegendem Draht. Im Zimmer wurden, wie im Bühnenraum, Wandteile abgerissen und die anwesende Frau gegen den Tisch geschleudert; glücklicherweise verlor diese die Besinnung nicht, erholte sich vielmehr gleich und verließ das Häuschen, sie war mit dem Schrecken davongekommen. Schlimmer hauste der Strahl im Stall, indem er 2 Stück Vieh tötete; auf das eine fuhr er in der Halsgegend, lief die linke Seite entlang, eine Ärandfurche im Haar hinterlassend und sprang am Fuß ab, am andern war die Bahn nicht zu entdecken. Das erste Stück war enorm aufgeblasen, wohl infolge innerer Zerreißungen, während das andere, wie das oft bei Blitzschlag der Fall ist, dalag, als ruhe es mit offenen Augen aus. Dem in der Nähe stehenden Mann war kein weiteres Leid geschehen. Natürlich lockte das Geschehene sofort zahlreiche Besucher herbei, und von da und dort hörte man neben Worten des Mitleids für die Beschädigten, die sicher nicht unberechtigte Frage auswerfen: Sollte man die besonders exponierten Bahnwärterhäuschen nicht mit Blitzableitern schützen?
Calw. Badabonnements-Karten. Durch Verfügung der K. Generaldirektion der Staats-Eisenbahnen vom 7. Juli 1885 wurde die hiesige Bahnhofkaffe ermächtigt, Badabonnements-Fahrkarten nach Liebenzell und zurück zum Preis von 4 -/A 50 H für die II. und 3 M für die lil. Klasse abzugeben. Eine solche Abonnementsfahrkarte ermächtigt in der Zeit vom 15. Mai bis 30. September jeden Jahrs zu zehnmaliger Hinfahrt mit den 7 Uhr 53 Min. morgens und 4 Uhr 55 Min. von Calw nach Liebenzell abgehenden Zügen und zur Rückfahrt mit den 10 Uhr 10 Min. vormittags und 7 Uhr 23 Min. abends in Liebenzell abgehenden Zügen.
Wildbad, 13. Juli. Angekommen sind bis heute 2920 Kurgäste, darunter sind u. a. neuangekommen: Se. Durch!. Fürst Karl zu Löwenstein- Wertheim und I. Durch!. Prinzessin Adelheid zu Löwenstein, I. Durch!. Frau Fürstin Gortschakoff, der Graf von Malmesbury. — Vergangenen Freitag ging, von plötzlich sich aufhellendem Wetter begünstigt, eine jener bei dem Badepublikum so beliebten Floßpartien die Enz hinunter bis zum benachbarten Luftkurort Höfen. Das Floß wartete in den ersten Nachmittag- siunden am oberen Ende der Enzpromenade mit seiner Bemannung auf die zahlreich sich einfindenden Paffagiere und das langsam sich aufdrückende Schwellwaffer. Gegen 3 Uhr trat die Sonne aus ihrem Wolkenschleier hervor , während das Floß im besten Sckiwellwasser stand; zugleich spielte auf dem Floß die Kurkapelle einen lustigen Marsch, die Gangbretter wurden vom Ufer gezogen, die haltenden Weidenseile gekappt und munter glitt das Floß die Enz hinab. Von den Enzbrücken aus bot es einen prächtigen Anblick, die gewaltige Holzmaffs durch das enge Felsenbett der rauschenden Enz sich drängen zu sehen. Wohl setzte es manche Stöße ab, wenn sich das Floß über die mächtigen Granitblöcke schob, welche das Schwellwaffer überragten; wohl durchnäßte der aufspritzende Gischt manchen Paffagier, wenn die Gestöre schwerfällig über die schiefe Ebene der Floßgaffen abschließend mit kräftigem Amprall in das unten wirbelnde Wasser einschlugen; doch verursachte es nur fröhliches Lachen und lustigen Scherz, wenn ein Damenschuh sich mit Wasser füllte oder ein unvorsichtiger Herr knietief ins Wasser geriet. Wohlbehalten^
gelangte die Floßpartie in ^ Stunden nach Höfen, wo bereitstehende Wagen die meisten Passagiere nach kurzer Erfrischung im Garten des Gasthofs zum Ochsen wieder nach Wildbad zurücksührten. Schw. M.
Stuttgart, 14. Juli. Gestern abend wurde in einer Arbeiterver- sammlung, in welcher Meist aus Deutz über Sonntagsarbeit und Sonntagsruhe gesprochen hat, eine Resolution angenommen, dahin gehend, eine Petition an den Reichstag zu richten, betr. gesetzliche Abschaffung der Sonntagsarbeit und Einführung der Sonntagsruhe und eines Maximalarbeitstages von 10 Stunden.
Eßlingen, 12. Juli. Tie städt. Hopfenanlagen, etwa 6 >m umfassend, stehen Heuer sehr schön. Die reichlich gefallenen Gewitterregen und die denselben folgenden heißen Tage haben das Wachstum der Pflanzen rasch gefördert. Die Blüte hat bereits begonnen und wird in dieser Woche allgemein werden, sie verspricht einen reichen Doldenansatz. Dabei sind die Stöcke durchweg gesund, von Blattläusen bis jetzt völlig frei.
Reutlingen, 11. Juli. Ein Mädchen von 15—16 Jahren kam am Freitag nachmittag zu einem Uhrmacher und holte angeblich im Auftrag einer Dame, die bei einer angesehenen Familie hier zu Besuch sei, eine Auswahl goldener Damenuhren; man händigte ihr 17 Uhren aus. Die Sache mochte denn doch etwas verdächtig erscheinen und der Uhrmacher schickte daher einen Lehrjungen dem Mädchen nach. In der Nähe der Bundeshaus kam sie jedoch demselben aus den Augen. Noch ehe der Lehrjunge wieder zu Hause war, kam das Mädchen wieder in das Geschäft und brachte 16 Uhren zurück; die Dame habe eine behalten, jedoch wünsche sie noch eine Kette dazu. Da es schien, als habe man dem Mädchen mit dem ersten Verdachte Unrecht gethan, wurde die Kette bereitwillig ausgefolgt. Bald stellte sich jedoch heraus, daß der Geschäftsmann um Uhr nebst Kette geprellt war. Gestern wurde die Gaunerin verhaftet. Dieselbe hatte schon früher in einem Schirmladen ähnliche Schliche mit Erfolg praktiziert, die Besitzerin desselben hatte sich jedoch ihr Aussehen gemerkt und als sie am Laden vorüberging, rief man sie herein. Ein Polizeimann war gleich zur Stelle, und die Gefangene gestand. Nach ihrer Angabe fand man die Uhr in ihrer Kiste.
Gomaringen, 11. Juli. Ein gräßliches Unglück ereignete sich heute nacht 11 Uhr in der Zementmühle von I. Weimar hier. Der seit Jahren den Zementgang bedienende Müller Strauß wollte, während das Werk im Gang war, am Getrieb etwas ausbessern, wurde von dem Rad erfaßt und ganz zermalmt. Ein zweiter Arbeiter, der ihn an den Kleidern herausziehen wollte, entging demselben Schicksal nur dadurch, daß er sich in die Tiefe stürzte. Der Verunglückte ist Familienvater.
Waldenburg, 12. Juli. Gestern abend 9 Uhr kamen die sterblichen Ueberreste des im Bade Tölz so unvermutet verstorbenen Grafen Viktor von Waldenburg auf dem hiesigen Bahnhose an, und wurden sofort unter Fackelbegleitung in die hiesige Schloßkapelle übergeführt und eingesegnet. Auf dem Bahnhof hatten sich neben kirchlichen und bürgerlichen Kollegien mit ihren Vorständen der hiesige Kriegerverein nebst der Feuerwehr eingefunden, um dem vielgeliebten Prinzen unseres Fürstenhauses das Geleite zum heimatlichen Schlosse zu geben. Morgen Vormittag 10 Uhr soll die Beisetzung in der Gruft der Ahnen stattfinden. Wie wir hören, trat der Tod in Folge eines Herzschlages ein, von dem der hohe Verewigte ahnungslos auf einem Spaziergange betroffen wurde.
Crailsheim, 12. Juli. An der nämlichen Stelle unter dem Wehr der Heldenmühle, wo vor einigen Tagen ein Knabe ertrank, stürzte ein 6- jähriges Kind ins Wasser und war schon dem Tode nahe, als die Tochter des Heldenmüllers Ler>, wie sie ging und stand, nachsprang und das Kind dem sicheren Tode entriß. Eine solche edle That eines braven Mädchens verdient öffentlich belobt zu werden. — Heute wurde hier die Vorturnerversammlung des Hohenloher Gaues abgehalten und am Nachmittag vom Turner-
„Ja, warum läßt er uns warten!" fragte dieser trotzig.
„Ja, warum?" wiederholten mehrere Stimmen im Kreise.
Biaritz schleuderte den Fragern einen Blick voll Zorn und Verachtung zu.
„Warum?" schrie er und seine Stimme klang wie klagendes schmerzliches Heulen. „Weil Dragoner ihn in meinem Hause festgenommen haben; weil er im Kerker liegt. Wißt Jhrs nun? Darum!"
Der Eindruck dieser Nachricht war furchtbar; ein Geheul der Wut und Rache stieg aus der Grube in die Berge empor, und wie verzweifelnd rannten die 2 anditcn durcheinander. Es währte eine geraume Zeit, daß Juan seinen Freund fragen konnte, woher er die schreckliche Neuigkeit habe.
„Ich führte Jsmael Gantz nach meinem Hause, als ich plötzlich Lärm in demselben hörte und Dragoner erblickte, die das Haus besetzt hielten; ich schlich, so nahe ich konnte, an das Fenster, und sah den Hauptmann gefesselt in Mitte der Soldaten. Da wurde auch ich bemerkt und ein paar Dragoner machten sich hinter uns her; ich konnte schnell genug entfliehen. Jsmael Gantz dagegen wurde arretiert."
„Und Du konntest nicht schnell eine Anzahl Mann zusammenfinden, um den Hauptmann zu befreien?" fragte heftig Juan.
„Deshalb bin ich gerade hierhergeeilt; unglücklicherweise bin ich in der Finsternis und in meiner Hast einen Abhang hinabgerollt, daß ich leicht hätte das Genick brechen können, und es hat über zwei Stunden gedauert, ehe ich mich mit meinen zerschundenen Beinen wieder habe herausarbeiten und meinen Weg fortsitzen können. Vielleicht ist es jetzt zu spät und der Hauplmann schon im französischen Gefängnis!"
„Und die Million? Ist die vielleicht mitgefangen?" fragte boshaft der Arragonier, den Biaritz in der Hitze seines Berichtes losgelaffen hatte.
„Davon weiß nichts, niederträchtiger Hund!"
„Also kein Heller zu teilen! Die Geschichte ist hübsch! War vielleicht schon gestern Morgen so beschlossen!"
„Halt Dein Lästermaul, oder ich gebe Dir, was Dir znkommt!" schrie wütend Biaritz und griff den Arragonier an der Kehle.
Diesmal wäre im Kampfe mit dem Meten unzweifelhaft der Arragonier unterlegen, aber es kam nicht zum Ringen, denn eine laute befehlende Stimme rief plötzlich in das Getümmel hinein:
„Loslassen, Biaritz!"
Diese Stimme wirkte wie ein greller Blitz auf die Banditen; ein lauter Schrei der Ueberraschung und der Freude erscholl:
„Der Hauptmann, der Hauptmann!"
Biaritz ließ sein Opfer los, und stürzte wie närrisch vor Freude Baltimore entgegen; dieser trat mitten in den Kreis seiner Banditen. In wenigen Worten erzählte er, wie er gefangen und wie er befreit worden war.
„Jsmael Gantz verdanke ich meine Rettung. Dafür ist er selbst gefangen. Jetzt gilt es, ihn zu befreien."
„Hurrah, Torreguy! Hurrah Jsmael Gantz!" brüllten rachelustig die Räuber, und waren bereit, sofort aufzubrechen, um ihr Rachewerk an den Dragonern zu üben und ihnen Jsmael Gantz zu entreißen. Baltimore hielt sie mit einer Handbewegung aus.
„Einen Augenblick noch! sagte er ; „da wir vollzählig beisammen sind, nicht nur die Dreißig, die gestern abend mit mir beim Ueberfall waren, sondern auch alle Andern, so will ich eben schnell die Beute teilen."
Ein donnerndes Jubelgebrüll war die Antwort auf diese Ankündigung. Baltimore begab sich in einen Winkel der Höhle, drehte einen in einer Kurbel laufenden unförmlichen schweren Granitblock, und eine eiserne Thür, mit zwei Eisenbarren kreuzweise versperrt, kam zum Vorschein; mit verschiedenen Schlüsseln löste Baltimore diese Eisenstäbe, dann das Schloß der eisernen Follthür und hob endlich mit Aufbietung all seiner Kraft diese an zwei Griffen empor; in einer rundlichen Grube von etlichen Fuß Tiefe und gleicher Länge und Breite lag die Kassette Don Balthasars, und diese ließ Baltimore durch zwei Mann herausheben und mitten in den Raum tragen.
(Fortsetzung folgt.)