340

der zur Ausfüllung bestimmten Rubriken der Zählkarten schließt sich der der Volkszählung vom Jahr 1881 an, jedoch ist dabei auf eine mehr gemein­verständliche Ausdrucksweise Bedacht genommen und außerdem bleiben die aus die Berufsarten bezüglichen Fragen mit Rücksicht aus die inzwischen statt- gehable Aufnahme einer umfangreichen Berufsstatistik weg.

DerHannov. Kurr." erzählt über die Ursprungsgeschichte des viel­erwähnten Briefes des Herzogs von Cumberland an die Königin Vik­toria:Vor Beginn des Berliner Kongresses, ehe Lord Beaconsfield nach Berlin abreiste, verabsäumte die Königin Viktoria nicht, ihrem ersten Minister zu eröffnen, wie sehr es ihr am Herzen liege, einen Ausgleich zwischen Preußen und dem Hause Hannover herbeigeführt zu sehen, und ihn zu bitten, über die Anbahnung eines solchen Ausgleiches mit dem deutschen Reichs­kanzler zu beraten. Fürst Bismarck erklärte, mit Lord Beaconsfield recht gern die Angelegenheit erörtern zu wollen. Der Lord trug demnächst dem Kanzler die Wünsche der Königin Viktoria rückhaltlos vor und erhielt die loyale Antwort, daß der Thronbesteigung des Herzogs von Cumberland in Braunschweig zur Zeit durchaus nichts im Wege stehe, sofern derselbe einen in aller Form offenen, bindenden Verzicht auf Hannover aussprechen und die Zusage erteilen wolle', niemals in Braunschweig wölfische Restaurations­bestrebungen dulden, denselben vielmehr mit der einem deutschen Bundesfürsten pflichtmäßigen unnachfichtlichen Schärfe entgegentreten zu wollen, wo immer sich ein Herd solcher Bestrebungen anzusetzen im Begriff sei. Lord Beacons­field übermittelte die Antwort des Reichskanzlers "der Königin, und diese sowie alle Mitglieder der englischen Königsfamilie waren der Ansicht, daß der Herzog von Cumberland, wie er dies der Königin selbst in Aussicht ge­stellt hatte, die von Preußen bezw. dem Reiche geforderten Bürgschaften un­bedingt geben könne und solle. In dieser Voraussetzung schrieb die Königin Viktoria an den Herzog von Cumberland. Der vom Staatsminister Grafen Görtz-Wrisberg auszugsweise bekannt gegebene Brief ist die Antwort des Herzogs, die im Kreise der englischen Verwandtschaft desselben eine so tiefgreifende Verstimmung erzeugte, daß seitdem von London aus nicht die geringste Bemühung zu Gunsten des Herzogs von Cumberland mehr statt­gefunden hat."

Die Anarchisten scheinen keine Furcht vor der Cholera zu haben. Sie haben für Ende d. M. einen Weltkongreß nach Bar­celona in Spanien ausgeschrieben. Alleinternationalen Arbeitergruppen" sind eingeladen, Vertreter zu senden. Herr Most aus Amerika wird nicht erscheinen und ob überhaupt aus dem Kongreß etwas wird, ist auch noch ungewiß, am Ende verbietet ihn die Polizeiaus Gesundheitsrücksichten". In Madrid sind am vergangenen Donnerstag 6 Personen an der Cholera gestorben, in der Provinz Valencia 408 und 660 neu erkrankt.

In Brüssel wurde ein ganzes Nest von Anarchisten entdeckt; 15 wurden verhaftet.

Hlcrges-WeurgkeiLen.

Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Ent­schließung den Umgeldskommiffär Wieland in Calw auf die erledigte Stelle eines Vorstands des vereinigten Zoll- und Stadtacciseamts Tübingen unter Verleihung des Titels eines Zollverwalters, seinem Ansuchen gemäß gnädigst versetzt.

Stuttgart, 11. Juli. Wettflug. Der hiesige Brieftauben- Klub veranstaltete gestern mit 60 Brieftauben einen Preis-Wettflug von Koblenz (308 Kilometer Entfernung) hieher. Die Tauben wurden vom Komitee des Koblenzer Brieftaubenklubs um 5 Uhr früh aufgelassen und es traf die erste Taube, Besitzer Wörnle, mit einer Flugzeit von 3 Stunden 52 Minuten die zweite, Besitzer I. Mahle, von 3 St. 53. Minuten, die dritte, Besitzer A. Luickert, von 3 St. 54 Min., die vierte, Besitzer C. Auwärter, von 4 St. 20 Min., die fünfte, Besitzer H. Fritz, von 4 St. 25 Min. hier ein. Sämtliche Preise, sowie die sehr zahlreich gestifteten Ehrengaben waren

in kürzester Zeit von den schnell nach einander ankommenden Tauben errungen Bis Nachmittag war die Rückkehr sämtlicher Tauben angemeldet. Da seit 2 Jahren sämtliche deutschen Brieftauben-Vereine in einem Verbände stehen und die Tauben nach Vorschrift des preuß. Kriegsministeriums strategisch trainiert werden, so hat der hiesige Brieftauben-Klub für die drei ersten Sieger je eine Medaille zu erwarten, dafür aber müssen auch sämtliche eingeübten Tiere, im Kriegsfall bei Bedarf dem genannten Kriegs­ministerium zur Verfügung gestellt werden.

Stuttgart, 11. Juli. Den Lebensmittelmarkt beherrschten heute noch, vielleicht zum letztenmale, die Kirschen, imnierhin nur mit etwa 600 Körben zum Engrospreise von 1420 H das Pfund; daneben Stachelbeeren und Heidelbeeren, wovon je etwa 500 Körbe zu Markt gebracht sind; jene wurden zu 5 L, diesezu 67 L das Pfd. verkauft. Johannisbeeren waren wenig zuge­bracht, das Pfd. ä 10 H. Große Quantitäten gingen nach auswärts. Die Kar« toffekzufuhr ist lebhaft, 800 Körbe Schmiedener ä 6 und 30 Faß Lauffener ä 7 H das Pfund sind zu verzeichnen. Rettiche find massenhaft und schön, aber ziemlich teuer da, mittelgroße 7, große bis 10 L das Stück. Birnen kamen ziemlich viel zu Markt zu 16 bis 18 das Pfund, Zwiebeln, ital., nur 12 H das Pfund; in etwa 810 Tagen werden deutsche Zwiebeln er­wartet. Gurken sind schön, aber teuer da. Salat nimmt in Menge ab, im Preise zu. An Gemüsen fehlts nicht, Bohnen, ital., schön, gelbe Rüben und Kohlrabi sind in großer, prächtiger Ware da. Allgäuer Süßbutter, feinster, kostet 1.121.16 v/L das Pfund, 100 Eier 4.5060 Auf dem Blumen­markt, der prachtvoll anzusehen ist, dominieren Nelken und Rosen, dazwischen glüht die rote Ackerschualle, die blaue in Massen vorhandene Kaiserblume (Kornblume).

Daß es trotz der heißen Witterung der jetzigen Tage doch für In­haber von Parterrewohnungen nicht gerade rätlich ist, die Fenster bei Nacht geöffnet zu lassen, dürfte neben dem kürzlich in der Königsstraße vorgekommenen Fall ein frecher, in der Silberburgstraße verübter Diebstahl beweisen. Ver­gangenen Sonntag rüstete sich ein in der genannten Straße zwei Parterre­zimmer bewohnender Herr zu der am Montag anzutretenden Badereise, und zu diesen Zurüstungen gehörte namentlich auch die Packung eines großen neuen erst an diesem Tage vormittags aus einem hiesigen Geschäfte bezogenen Neise- koffers. Der größeren Bequemlichkeit halber geschah dieses Geschäft in dem geräumigen Wohnzimmer, dessen Thüre wie diejenige des nebenliegenden Schlaf­zimmers bei seinem Weggang von dem Herrn, welcher sich abends noch in Gesellschaft bei einigen Freunden verabschiedete, wohl verschlossen wurde. Abends bei der Rückkehr ging der Reiselustige nur noch in sein Schlafzimmer stand morgens aber zeitig auf und machte sich im Anzug vollständig reise­fertig. Nachdem er auch mit den nötigen Geldmitteln versehen, betrat er das Wohnzimmer, um seinen Koffer fortschaffen zu lassen; allein dies war schon besorgt nur von unbekannter, unberufener Hand und durchs Fenster. Die Reise mußte vorerst verschoben werden, doch gelang es der Poliz'ei gestern, in Cannstatt einen Menschen aufzugreifen, in dessen Besitz sich Effekten aus dem Koffer befanden, und derselbe ist der That, welche mit großer Raffiniert­heit ausgeführt worden sein muß, geständig. Den nagelneuen Koffer aber will er, während er die Effekten teils in Ludwigsburg teils in Cannstatt ver­setzte und veräußerte, in den Neckar geworfen haben.

Waiblingen, 9. Juli. Gestern nachmittag, als ein hiesiger Bürger sein Baumgut besuchte, entdeckte er zu seinem Schrecken einen Mann, welcher sich an einem der Bäume aufgehängt hatte. Bei näherer Besichtigung er­kannte er einen fast 70jährigen Bürger und Bauern von hier; dieser, schon längere Zeit kränklich und dem Trünke ergeben, hat diesen Schritt jedenfalls in einem Anfall von Geistesstörung gethan.

Eßlingen, 10. Juli. In der Nacht vom 5./6. d. Mts. schlich sich in dem Hause des Weingärtners Christian Clauß in Mettingen ein Mensch ein und packte eine große Anzahl Kleider, 2 Uhren samt Ketten, Gold und Silber, Geld, 1 Stück Hefenkranz und Eier zusammen und verschwand. Gestern ist es gelungen, den Dieb in Cannstatt dingfest zu machen. Er ent­puppte sich als der am 4. d. Mts. bei der Arbeit im Freien in Ludwigsburg

Fuchs- und Bärenpelze ausgebreitet; Wein war in zahllosen Krügen und kleinen Fässern vorhanden; getrocknetes und geräuchertes Fleisch und andere leicht aufzubewahrende Speisen waren in großen Menge in rauh hergerichteten Spinden aufgespeichert, und darauf standen zahlreiche Schachteln mit Karten- .und Würfelspielen.

So vielmals schon die französische und die spanische Polizei sich Mühe gegeben, den geheimnisvollen Versammlungsplatz der Banditen auszuspüren, stets hatten sie ihre Bemühungen als fruchtlos aufgeben müssen, weil sie keine Ahnung von diesen seltsamen, so zu sagen für Raubtiere geschaffenen Versteck haben konnten.

In der Morgenfrühe, welche auf den Ueberfall Don Balthasars folgte, hatten die sämtlichen Mitglieder der Bande Jnigo Torreguys sich in dieser Höhle, die sie das Palais Torreguy nannten, eingefunden, um bis zur Stunde der Beuteverteilung der Ankunft des Hauptmannes zu warten. Bis dahin verbrachten die Meisten die Zeit mit Kartenspielen und Würfeln, Andere bildeten kleine Gruppen, besprachen das Ereignis des Abends und berechneten, wie viel von dein enormen Schatze, der durch Beraubung Don Balthasar's in ihre Hände gefallen war. auf jedes Mitglied der Bande als Kopfteil fallen würde. Noch nie hatten sie einen Raub von solcher Bedeutung gethan, und mehr als je waren daher alle Leidenschaften aufgestachelt; bei Einzelnen kam dazu das Gefühl des bittern Neides gegen den Hauptmann, auf den nach dem Ueber- emkommen der Bande ein volles Viertel entfiel, und der also im gegenwär­tigen Falle einen ungeheuren Reichtum erhalten würde. Zwar gaben gewöhnlich diese etlichen Neider ihren wahren Gedanken nicht Ausdruck, denn wenn auch diese Gesellschaft von Wegelagerern, Dieben und Mördern gerade in der offenen Verhöhnung aller Gesetze ihren Lebenszweck fanden, so war doch einerseits die von dem Hauptmann geübte Disziplin der Bande eine so eiserne, daß Keiner gegen die Satzungen derselben sich aufzulchnen wagte, andererseits aber hingen mit wenigen Ausnahmen alle Mitglieder der Bande mit so großer Treue

und Liebe an ihrem selbstgewählten Oberhaupts, daß es für gewöhnlich den wenigen Mißvergnügten hätte schlimm ergehen können, wenn sie ihren Neid hätten verlauten lassen.

Warum nur mag er heute die Verteilung so lange hinausgeschoben haben?" fragte lauernd ein Arragonier, den Alle wegen seiner giftigen Zunge scheuten, und der die eigentliche Seele der kleinen Zahl Mißvergnügter mar. Sonst hatte immer eine Stunde nach der Arbeit Jeder von uns sein Teil in der Tasche. Allerdings sind's dann immer nur etliche armselige Goldstücke, während wir heute doch Jeder auch endlich einmal ein nennenswertes Sümm­chen zu bekommen haben. Desto mehr hätte dafür der Hauptmann sich be­eilen sollen, uns das Unsrige zu geben, statt erst, weiß der Henker wo, die die Million zu verstecken und zu verschwinden, ohne daß einer von uns weiß, wohin er ging."

Es genügt nur ein halbes Wort, um die Geldgier mißtrauisch und arg­wöhnisch zu machen; manche der Banditen hatten schon einen Teil ihrer Beute­ration auf die Würfel und Karten gesetzt, die Einen hatten gewonnen, die Andern verloren, und die Leidenschaft des Spiels, die Gewinnsucht, der Aerger über Verlust hatte viele für die unausgesprochenen Tücken des Arragoniers heute empfänglicher, als sonst gemacht.

Es ist wahr! er hat nicht Unrecht!" lautete die Antwort von verschie­denen Seiten. Dies ermutigte den Elfteren, mehr mit der Sprache heraus­zurücken.

»In Zeit von zwölf Stunden kann man eine Million tief ins französische oder spanische Land hineinschaffen, ohne daß man eine Spur davon wieder­fände."

Einige Flüche und drohende Ausrufe gaben von neuem dem Sprecher Recht.

Wir wären schön geleimt, wenn wir hier bis zum Abend säßen und warteten vergeblich auf Torreguy." (Forts, folgt.)