Ladung er sorgfältig untersuchte. Mit der Schußwaffe in der Hand ging er bis gegen 1 Uhr auf dem Felde auf und ab spazieren. Ein Knabe, der den Vorgang ganz in der Nähe, hinter einem Baume stehend mit angesehen, auch die betreffenden Worte gehört hatte, wurde jetzt dem Promenirenden sichtbar. L. fragte ihn barsch:Was suchst Du hier, Junge? Komm einmal her!" Der arme Junge, dem es schon lange nicht wohl hinter dem Baume war, trat mit zitternden Knieen hervor.Weißt Du, wo hier ein Gendarm zu treffen ist?" fragte ihn L.Ja", stotterte der Junge.So laus und sage ihm, es hätte sich am Hügel Einer erschossen." Nachdem er diese Worte gesprochen batte, schoß er sich eine Kugel durch den Kopf und fiel aufs Gesicht zur Erde. Vv» Schreck und Angst gejagt, lief der Junge ins Dorf und kam schon in einer Viertelstunde mit einem Gendarmen bei der blutigen Stätte wieder an. Der Erschossene war erst neunzehn Jahre alt, geistig etwas überspannt.

In Frankfurt a. M. wurde bei den Wahlen am 10. Jemand, der auf den Namen eines Andern abstimmte, in der Person eines im selben Hause woh­nenden Bäckers ermittelt, er hat bereits emgestanden und sieht seiner Bestrafung (bis zu zwei Jahren) entgegen.

Laut telegraphischer Mittheilung der Königlich preußischen Bezirksregierung zu Schleswig ist der Aus­bruch der Rinderpest zu Altona in den mir 118 Stück Rindvieh belegten Ställen zweier Viehkommissio­näre amtlich konstatirt.

Wien, 16. Jan. Wie die Morgenblätter mel­den, wird Rußland allein ein Ultimatum an die Psorte stellen. Wie die Dziennik Poznanski meldet, haben 500 rnss. Offiziere den Oberkommandanlen aufgesordert, entweder Krieg zu führen, oder Winterquartiere be­ziehen zu lassen. Großfürst Nikolaus habe darauf geantwortet:Ich lasse euch erschießen."

Wien, 16. Jan. In unterrichteten Kreisen verlautet hier, daß die Pforte die Cirkular Note vor­bereite, in welcher sie die Ablehnung der von den Großmächten auf der Konferenz gestellten Forderungen zu rechtfertigen sucht. Die Pforte führt aus, daß eine Annahme im Lande-Wirren herbeiführen werde, die furchtbarer als Krieg sein würden. Die Abreise der Delegirten von Konstantinopel zu Ende der Woche ist zweifellos, dagegen steht der Ausbruch der russisch- türkischen Feindseligkeiten noch nicht direkt zu befürchten. Es wird vielmehr ein russischer Notenwechsel erwartet, der zu dem Zwecke dient, die Katastrophe hinauszn- schiebcn, wenn nicht die Türkei selbst noch früher die Initiative ergreift. Oestreich-Uugarn dürfte, falls türkisch-russische Aktion eintritt, höchstens eine Sicherung der eigenen Grenzgebiete sich angelegen sein lassen.

Wien, 17. Jan. Die Psorte hat Serbien ge genüber erklärt, die jetzige Waffenruhe keineswegs zu verlängern, sondern wenn bis zum Ablauf derselben der Friede nicht geschlossen sein sollte, gegen Belgrad zu marschiren. Montenegro lehnt die Eoncessionen der Türkei als zu geringfügig ab.

Wien, 18. Jan. In Konstaniinopel hat vor^ gestern eine heftige Szene zwischen Zichy und Werther, zufolge persönlicher Gereiztheit, nicht aber wegen po litischer Gründe staltgcfunden. Zichy behält keinesfalls weiter seinen Posten in Konstantinopel. Die lim gcbung des Sultans ist kriegerisch, man will nach Abreise der Delegirten die Stadt beleuchten. Die oifiziösen Unterhandlungen mit der Psorte dauern fort.

Prag, 14. Jan. Das Ereigniß des Tages ist die gestern erfolgte Ausweisung des serbischen Heer sührcrs, Generals Tschernafiffs, aus Böhmen und die anläßlich dessen auf dem Wenzelsplatze und vor dem Staatsbahnhose stattgefundenen Demonstration.

In Oestreich ist die unsterbliche AuSgleichssrage zwischen Wien und Pest noch immer in der Schwebe. Nach unserem Wiener Korrespondenten ist der eigent­liche Stein des Anstoßes noch immer die verfahrene Bankangelegcnheit. Ungarn will sich vom Kapital Deutsch Oestreichs mästen und verlangt, daß ihm die Banknoten gleichsam ungezählt in den Schoos; geworfen werden. Von irgend welcher Annäherung zwischen den beiden Negierungen ist daher noch keine Rede. Man erwartet vielmehr, daß nicht blos das ungarische Ka­bine!, wie Pcster Blätter melden, sondern auch das Wiener Ministerium seine Demission schon in den nächsten Tagen einreichen werde, weil weder das Eine noch das Andere von seinem Stanpunkte weichen will. Der Kaiser aber wird, das behauptet man in bestun tcrrichteten Kreisen, beide Demissionen zurückweisen, und so würde man abermals auf dem alten Fleck stehen. Ein Ausweg muß aber gefunden werden, nur ist man bis heute noch nicht so glücklich gewesen, denrettenden Gedanken" zu entdecken. Solche

Kolumbusse" sind auch kaum mit Gold zu bezahlen, und Oestreich Ungarn verfügt leider nur über Papier.

Ueber eine gräßliche Blutthat wird aus Pest berichtet: Der 24jährige Landmann Ludwig Rosner ermordete, weil er die verlangte väterliche Hinterlassen­schaft nicht ausgehändigt erhielt, seine Mutter mit ei nem Beile, worauf er seine beiden Schwestern, welche ihn au dem grauenhasten Vorhaben hindern wollten, gleichfalls erschlug Damit nicht genug, lödtelc er auch seine drei kleinen Nichten, um jeden lebenden Beweis zu vernichten Des Massenmordes überwiesen, gestand er auch nach mehrmonallicher Untersuchung ein, die Blutthat verübt zu haben und auf Befraaen, weßhalb er auch die unschuldigen Kinder seiner Schwester er­mordete, erwiderte er: Nachdem ich die Stützen der Kinder, ihre Großmutter und ihre Mutter, erschlagen hatte, habe ich aus Erbarmen auch die Kleinen getödet, da ihr Schicksal sonst bitterer gewesen wäre, als der Tod.

Paris, 15. Jan. Heute fand in der Kirche Saint Augustin die Jahresmesse für Napoleon III. statt. An 12,000 Personen hatten sich in der Kirche und in deren Umgebung eingefunden, alle mit dem Zeichen des Adlers oder mit Veilchensträußen versehen

Trotz der fünf Milliarden, die Frankreich bezahlte, trotz der weiteren fünf Milliarden, die der Krieg direkt verschlang, ist Frankreich in der glücklichen Lage Steuererleichterungen vorznnehmen. Wie wäre es, wenn wir unsere Steuer- und Finanzweisen einmal nach Paris entsendeten, um dort ein Privatissi­mum, über die Kunst derSteuerherabsetzung", zu belegen? Die Reisekosten wäre ein solcher Versuch wohl werth Vielleicht kehrten sie freilich mit der erbaulichen Erfahrung zu uns zurück:Eines schickt sich nicht für Alle!"

Bei der eben beendigten Volkszählung hat sich herausgestellt, daß gegenwärtig über 60,000 Deutsche sich in Paris aujhalten.

Die englische Presse ist außer sich über die Hals­starrigkeit der Pforte, und die Times insbesondere spielt sich als großes Wau-Wau aus und bellt oie widerspenstigen Türken an. Allein die englische Ne­gierung handelt inzwischen. Man meldet aus London, daß ein aus 3 Divisionen bestehendes britisches Armee­korps nunmehr völlig ausgerüstet ist und zur Ein­schiffung nur noch des nöthigen Befehles bedarf. Das Kommando würde dem Lord Napier os Magdala an­vertraut werden, dem die Generäle Lyons, Horssord und Herbert als General-Lieutenants beigegeben werden sollen. England hat sich daher auf alle Fälle vorbe­reitet und kann insofern, nach Ansichten militärischer Kreise, ruhig die Entwickelung der Dinge abwarlen.

Pera, 17. Jan. Heule findet der große Na- tioualrath statt, an dem 200 Mitglieder, Muselmanen, Christen und Juden, Theil nehmen. Die Mitglieder der Konferenz machen schon morgen halbosfizielle Ab­schiedsbesuche beim Sultan, um im Ablehnungsfälle den Abreise-Coup soson mir Eclat in Scene zu setzen. DieTurquie" erklärt, der Nationalrath werde die ihm zur Berathnng vorgelegten, von der letzten Konferenz als das geringste Maß bezeichneten Forde­rungen, nemlich die Betheiligung der Mächte bei der Ernennung der Gouverneure, sowie die Aufsichtskom- miffion, selbst unter Hinzuziehung von Ottomanen, niemals zugestehe». Wenn die Türken am Samstag eine negative Antwou ertheilen, so reisen die Botschafter ab. Nichtsdestoweniger hosst man den Frieden zu erhalten. Beim Empfang des persischen Gesandten sagte der Sultan, er wolle mit Persien die freundlich­sten Beziehungen pflegen.

K on stantin op e l, 6. Jan. Der Vicckönig von Aegypten ist verpflichtet, der Türkei ein Kriegs- Contingent von 40,000 Mann zu stellen; da die Pforte aber dermalen nur die Beistellung von 20,000 Mann begehrte, von denen nur 8500 Mann an den Feldzügen in Serbien und Montenegro Theil nahmen, so ist an ihn die Aufforderung ergangen, die noch fehlenden 11,500 Mann zur Abfindung bereit zu halten, und man glaubt, daß dieselben binnen 34 Wochen hier eintreffen werden. Man muß zugestchen, daß die ägyptischen Truppen alles Lob verdienen.

Calcutta, 16. Jan. Die Regierung schlägt den Betrag der zur Linderung der Hungersnoth in den Präsidentschaften Bombay und Madras erforder­lichen Mittel auf 6',s Mill. Pfd. St. an.

Die neuen Deutschen Justizgesetze

sind bestimmt und geeignet, die Rechtsgleichheit und Freiheit im Deutschen Reiche zu fördern, vor Willkür und Belieben zu schützen, eine unabhängige, von äußeren Einflüssen freie Rechtspflege zu sichern und eine rasche und möglichst billige Justiz zu gewährleisten.

Folgendes sind nach der Schilderung des natio- nalliberaleu Eenlralwahl-Comites die Grundzüge der neueu Gesetze.

Die Civilprozeßordnung beruht auf der Durch­führung des Grundsatzes der Ocffentlichkeit und Münd­lichkeit aller Verhandlungen. Die Entscheidung des Richters stützt sich nicht mehr auf eine trockene Vor­lesung der Acten, sondern auf das lebendige Bild, entnommen ans der Rede und Gegenrede der Parteien. In voller Freiheit würdigt der Richter die Beweis­mittel nach seiner inneren Ueberzeugung. Er ist nicht mehr an die von den Juristen erfundenen, dem Laien unoerstänolichen Beweisregelu gebunden. Die Parteien bewegen sich freier als bisher, sie bringen dem Richter die Thalsachen, sie führen vor ihm die Beweise, sie befragen selbst die Zeugen und Sachverständigen. Nicht mehr das künstliche Recht der Juristen wird gesucht, sondern das wahre Recht des Volkes.

Vor den Amtsgerichten, welche nicht mehr allein in den größeren Städte», sondern auch in kleineren Bezirken ans dem Lande eingerichtet werden, kommen alle Vormundschafts-, Grundbuchs-, Hypotheken- und Depositalsachrn, sowie alle sonstigen Sachen der frei­willigen Gerichtsbarkeit zur Verhandlung. Dort kom­men alle Prozesse bis zu 300 und viele eilige und wichtige Sachen über diesen Betrag hinaus zur Ent­scheidung, während früher in Preußen vor dem Ba- gatellrichler nur Bagatellsachen bis zu 150 entschieden wurden und sonst bei den entfernteren Kreisgerichten Recht zu suchen war. Die Parteien führen in einem kurzen, an wenig Formen gebundenen, mündlichen Verfahren vor dem Amtsrichter ihre eigene Sache, vor einem Richter, der mit dem Bezirk verwachsen, Land und Leute kennnt, seine Stellung als eine Lebensauf­gabe betrachtet, und nicht wie der Bagatellrichter heute kommt,, morgen geht und immer fremd bleibt. Ein ra­sches und energisches Exekutions-Verfahren sichert den Kläger vor künstlichen Verschleppungen. Berufung an das Landgericht ist zwar gegeben, um vor Unrecht zu schützen, der Richter erster Instanz kann aber, wo er Böswilligkeit und Verschleppung sieht, trotz eingelegter Berufung die lUtheilc für sofort vollstreckbar erklären.

Die neue Concursordnung erstrebt vor Allem eine rasche und zweckmäßige Vertheilung der Concurs- masse und wird durch ihre Bestimmungen verhüten, daß die Masse sich zu Gunsten der Gerichtskosten und Advokaten verzehrt, wie dies bisher in vielen Landes- theilen nur zu oft der Fall war.

Das Gerichlsverfassnngsgesetz macht alle Richter in deutschen Landen vor der Einwirkung der Verwal­tung frei. Die Richter sind ohne richterlichen Urtheils- spruch unabsetzbar und unversetzbar.

Die Gerichtshöfe und Abtheilungen derselben werden nicht mehr, wie vielfach bisher von dem Justiz­minister zusammengesetzt; die Gerichtscollegien selber vertheilen von Jahr zu Jahr ihre Geschäfte und be­stimmen die Mitglieder der einzelnen Abtheilungen. Die Zusammensetzung eines Gerichts für eine einzelne Sache nach Wunsch der Verwaltung ist unmöglich. Auch im Vertrelungssalle können Hülfsrichter nur unter der Beobachtung von Vorschriften zur Verwen­dung gelangen, welche die willkürliche Einwirkung auf die Besetzung der Gerichtshöfe ausschließen.

Cabinetsjustlz, wie sie theilweise noch in Meck­lenburg, Sachsen und Meiningen (?) bestand, darf nicht mehr geübt werden. Die Bestimmungen über die Fähigkeit zum Richteramt sind für ganz Deutschland gleichmäßig geregelt. Jeder zum Richteramt Befähigte kann in jedem deutschen Staat angestellt werden. Alle besonderen Gerichte und Ausnahmegerichte sind auf­gehoben. Die Gerichtsbarkeit der Standesherren und Patrimonialherrn hört auf. Die Sprüche der geistlichen Gerichte haben in den weltlichen Sachen keine Geltung mehr. Die politischen Ausnahmegerichte, insbesondere der preußische Staatsgerichtshof, sind beseitigt.

Schwere Strafsachen werden abgeurtheilt vor den Geschworenen, leichtere Strafsachen und Polizeisachen vor dem Amtsrichter nebst zwei aus dem Volke von den Gemeindevertretungen gewählten- Schöffen. Die übrigen Strafsachen sind nicht wie bisher von drei Richtern nach einfachem Mehrheitsbeschluß abzuurtheilen, sondern von einem Collegium von 5 Richtern, welches nur schuldig sprechen kann mit 4 gegen 1 Stimme. Die Aufgabe der Geschworenen ist erleichtert, da die schweren Verbrechen gegen das Eigenthum (Diebstahl, Unterschlagung, Betrug) den gelehrten Richtern über­wiesen und so die Geschworenen von Geschäften ent­lastet sind, über welche sie und die besten Freunde des Instituts am meisten klagten. Die Befugnisse der Schöffengerichte zur Aburtheilung geringerer Vergehen sind erweitert, damit das Volk eine leichter zugängliche