Der „Reichs-Anzeiger" bringt aus einem Artikel der „Gegenwart", welcher die Betheilignng an der Welt-Ausstellung wi- derräth, einen Auszug zum Abdruck. Der Schluß lautet: „Wo Freundschaft kühl zurückgewiksen wird, da soll man sie nicht auf' drängen wollen. Ei» Mann, der sich selbst achtet, geht nicht über die Schwelle eines Hauses, wb Mrtn lh« ungern sieht, selbst wenn mau ihm dort, bei Gelegenheit irgend eines außerordentlichen Ereignisses, sür einen Tag artige Aufnahme zusichert."
„Etwas mehr Licht" über die Bismarck'sche Orient-Politik ist aus den Kundgebungen böberer und niederer Osficiösen über den Ausentbalt Lord Salisbury's in Berlin doch zu gewinnen. Schon heute weiß der „Daily Telegraph" Nähere- über die Unterredung zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Marquis von Salisbury zu berichten. Die Unterredung war nach dieser Angabe äußerst herzlich. Fürst Bismarck versichert dsn englischen Abgesandten der freundlichen Gefühle Deutschlands gegen England, allein er bemerkte, Deutschland sei durch Familien-Bande, vertraute Beziehungen und Gefühle der Dankbarkeit mit dem Kaiser Alexander verknüpft. Es würde unter diesen Umständen unmöglich sür Deutschland sein, sich auf Englands Seite zu stellen oder auch nur Rußland Rath zu ertheilen. Deutschland, fügte er hinzu, wird England herzlich in all f> inen Bemühungen zur Erhaltung des Friedens unterstützen. Allein, im Falle ein Krieg ausbrechen sollte, wird es eins Haltung strenger Neutralität beobachten. Der Fürst ging so weit, anzudeuten, Dentschland würde keine Einwendunaen gegen die Besetzung eines Theiles türkischen Gebietes durch russische Truppen erheben. Frankreich tbat Fürst Bismarck mit keinem Worte Erwähnung. Obschon er den Wunsch aussprach, daß der Friede erhalten bleiben möge, äußerte er doch keine sonderliche Hoffnung hinsichtlich des Gelingens der Confe- - renz. „Ich höre (meldet der Berichterstatter weiter), daß dem Lord Salisbury die Ansichten des Kaisers bezüglich des Friedens als weit günstiger, denn die des Fürsten Bismarck ausgefallen sind. Beide indessen erwiesen sich stark in dem Entschlüsse, die strengste Neutralität zu wahren. Die Wahrheit ist, daß, so lange die Ansicht herrscht, Frankreich gehe mit den Gedanken an einen Rache-Krieg um, Deutschland sorgfältig alle Gefahr der Verwicklung in einen Kampf vermeiden wird. — Der „Köln. Ztg " telegraphirt man aus Berlin: „Lord Salisbury wird von hier wohl nichts Anderes mitgenommen haben als die Versicherungen deutscher Friedens-Liebe. Einer Coalition gegen Rußland würde Deutschland selbst in dem Falle schwerlich beitreten, daß Rußland türkische Provinzen besetzte. Ob es wahr ist, daß Lord Salisbury hier bemerkt habe, England könnte einer zeitlich und räumlich genau sixirten Occupation zustimmen, wenn Rußland die feierliche Erklärung abgäbe, nicht weiter zu gehen, und Deutschland dieselbe.bekräftigte, müssen wir dahingestellt taffen. Manche glauben, daß im Fall einer russischen Occupation auch Oesterreich in die Türkei einrüäen werde, und daß die englischen Rüstungen keinen andern Zweck hätten, als in einem solchen Falle sich Konstantinopels und der Meer-Engen zu bemächtigen. So würde denn Alles nach Rußlands Wünschen gehen.
Der Mörder Francesconi in Wien ist vom Kaiser zu 20 Jahr schwerem Kerker begnadigt worden.
Brüssel, 26. Okt. Rußland ließ in dieser Woche bei verschiedenen Bank-Instituten wegen eines Anlehens telegraphisch anfragen, wurde aber von Allen abschlägig beschicken.
Brüssel, 27. Nov. Nach einem Pariser Brief der „Jn- dependance" hat Fürst Hohenlohe bei einem Diner die Ueber- zeugung ausgesprochen, daß wenigstens sür die europäischen Mächte dir Frieden das Resultat der Conserenz in Konstantinopel sein würde. (F. I.)
In einem Gasthof in Monaco saß ein Türke beim Frühstück, als ein Russe eintrat. Kellner, rief der Türke, einen Teller russischen Caviar! „So macheu wir den Kosacken ein Ende", murmelte er halblaut in den Bart, während er den Caviar verzehrte. — Kellner, eine Portion türkischen Pilaw! rief der Russe an der andern Seite des Tisches und murmelte, während er den Piläw vertilgte, so wirds bei uns Russen den Baschibozuks ergehen. — Zwei Stunden dauerte, durch manche Flasche Champagner angeseuert, der Kampf d«S Türken und Russen, bis Beide — unter dem Tische lagen. Ob Sinn im kind'schen Spiele ist?
Die Geschäftskrisis in Rußland ist in Folge des Bankerolts der Moskauer Bank und der Kriegsgefahr ungeheuer. 43 Personen in Moskau haben mit 26'/» Millionen, 20 andere mit unbekannten Summen, 12 Personen in andern Städten mit 7'/, Mill. und 200 Leute mit unbestimmten Summen Bankerott gemacht. Es herrscht Panique, d. h. allgemeiner Schreck.
In Genua ist der Herzog von Gallier« gestorben und hat an 50—80 Mill. Fr. zurücklassen müssen, 20 davon hat er der Stadt Genua zu Hafenbauten, Arbeiterhäusern rc. vermacht.
Tessin Im Gotthard'ttmnek bn ilirolo sind letzten Mttt- wvch in Folge des unzeiligen Losgehens einer Mine vier Arbeiter getödiel und zwei verwundet worden.
Paris, 25. Nov. Gestern fand in der Deputirtenkammer zu Versailles eine sehr stürmische Sitzung statt. Tristan Lantpert, ein enthusiastischer Bonqpartist, rief in offener Sitzung: „vivs l'kmporenr!" Der Präsident, sprach sofort die übliche Verwarnung gegen ihn aus. — Prinz Napoleon hielt eine antiklerikale Rede, in welcher er der ultramontanen Kamarilla vorwarf, im Jahre 1870 die Allianz Italiens mit Frankreich hintertrieben zu haben. Gambetta benutzte sofort diese Aeußerung des Schwiegersohnes des Königs Viktor Emanuel, indem er gegen die verberbensvolle „Spanierin" (Kaiserin Eugeniö) donnerte. Die Rede des Prinzen Napoleon wird in Deutschland sehr bemerkt werden.
Paris, 27. Nov. Ein hier veröffciiilichtes Schreiben des Fürsten Lubomitsk'y führt aus, die Polen hätten nichts von den auswärtigen Mächten' zu hoffen, tadelt die Bildung einer polnischen Legion in Konstantinopel und räth seinen Landsleuten, sich offen und loyal in die Armee Rußlands zu werfen, wenn
sie nicht wollen, daß ihr Name gänzlich von dir Erdoberfläche verschwinde.
Ragusa, 26. Nov. Der Insurgenten Chef Musste, der östreichisches Gebiet betreten wollte, wurde verhaftet und nach Jslano tskörtirt.
Ein jüdischer Papst.
Von S. Pstüqer.
Der erste Apostel, dem ja die Gründung des nach ihm genannten heiligen Stuhles zugeschrieben wird, war ei» getaufter Jude, — Petrus. Mehr als ein Jahrtausend nach ihm, bestieg wieder ei» Petrus den ewigen Stuhl, wieder ein Man», der die großen Rcformideen Hildebrands zu verwirklichen suchte, und dieser zweite Petrus war abermals ein getaufter Jude, der sehr bedeutsam den Namen Anaclet, daß ist „der Zurückberusenc", angenommen hatte. Die Geschichte dieses Papstes ist vom Schlingkraut der Sagen so wild umwachsen, daß es nicht wenige Mühe kostet, den richtigen Thatbestand heraiisznfindcn. Juden wie Christen hatte,) ein Interesse daran, den historischen Hintergrund mit einem Netze von Märchen zu umspinnen, unh Anäclets Freunde wie Feinde strengten ihre Phantasie an, ihm Tugenden oder Laster anzudichten. Die Wahrheit aber ist Folgendes:
Durch Ruchlosigkeiten und Lästerthaten, wie die Geschichte wenige ihresgleichen zu zählen hat, war das Kirchenrcgiment entartet, die päpstliche Würde entweiht, das Christenthum in heillosen Verfall gebracht worden. Kirchenspaltungen entstanden, gefördert durch die Fehden zwischen Staat und Kirche, Päpste und Gegen» Päpste thaten sich wechselseitig in den Bann, und das Gefühl der Reforinbedürftigkeit war in der ganzen Christenheit verbreitet, als Hildebrand, Gregor der Siebente, die Zügel in seine Hand bekam und eine Hierarchie inauguririe, woran noch ein Jahrtausend später die Menschheit zu leiden haben sollte. Unter Hildebrand's Nachfolgern schloffen sich einige ebenfalls seinen Reformplänen an und setzten den Krieg mit den Kaisern fort. Um diese Zeit, kurz vor den von Urban dem Zweiten eingeleiteten Kreuzzügen lebte und blühte eine jüdische Familie im Ghetto zu Rom, die sich durch die Macht des Geldes zu fürstlicher Hoheit und Größe emporgearbeitet hatte. Das Haupt dieser Familie, das sich nach Einigen Rabbi Jechiel, nach Andern Leo Benedikt nannte, in der jüdischen Sage als Elchanan fignrirt, hatte sich auf die „Rothschilderei" verlegt, wurde Bankier des Papstes und dessen Geschäftsführer und wußte sich sehr beliebt beim apostolischen Stuhle zu machen. Der Verkehr zwischen Christen und Juden war damals in Rom noch nicht so verpönt, wie dies später der Fall war. Man holte sich Aerzte, Künstler ans dem Ghetto, zumeist jedoch Geldmäkier und Wucherer. Da übrigens den Inden die meisten politischen und bürgerlichen Rechte versagt und sie die einzige» aus dem allgemeinen, dem katholischen Bruderbünde ausgeschlossenen Menschen waren, so versuchten sie cs, sich in einem Mittel, das auf seiner höchsten Höhe alle bürgerlichen Unterschiede wieder ausgleicht — in Gold und Reichthum — Ersatz zu schaffen. Jener Leo, der Rothschild des Mittelalters, wußte sich dem Papste unentbehilich zu machen und sich selbst in so großes Ansehen zu bringen, daß er nach den höchsten Würden zu strebe» kühn gemacht wurde. Seiner Erhebung in den Adelstand bot nur sein Bekeuntniß zum Judenihume ein Hinderniß, welches aus dem Wege zu räumen dem gewiegten Geschäftsmanne ein Leichtes war. Ec erhielt den Nagien Petrus und sein Geschlecht fignrirt nun unter dem römischen Adel als die Fgmilie der „Pierleoni". Nun nehmen die Söhne der höchsten Aristokrate keinen Anstand mehr, sich dem reichen Bangüier zu verschwägern' um durch goldene Mitgisten ihre zerrütteten Finanzen zu Heilen,, und der Sohn des getauften Juden, ebenfalls Leo genannt, der den Reichthum »och zu vermehren wußte, wird auf seinem Leichensteine als „Konsul der Römer" als „Zierde der Vaterstadt", äls „Säule der Christenheit" bezeichnet. Der Sohn dieses Konsuls der Römer, Petrus Leonis, spielte im Jnvestiturstreite eine große Rolle, und in seiner Bürg suchte der bedrängte Papst Urban der Zweite Schutz und starb dort in demselben Jahre, als die Kunde von der Einnahme Jerusalems durch die Kreuzfahrer nach Europa gelangte. Diese Burg der Pierleoni aber erstreckte sich bis hinab an den Tiberfluß, bis in die Nähe des Ghetto, wo die Wiege dieser mächtigen Barone stand.
Petrus Leonis starb mit Ehren bedeckt, nachdeifi er seinen ältesten Sohn Petrus zum geistlichen Stande bestimmt find ihn unter Abälard in Paris die Studien vollenden gelassey hatte. Dieser Abkömmling des jüdischen Bankiers stieg, nun vcin Stufe zu Stufe, ging als päpstlicher. Legat nach Frankreich, raffte nach der Weise aller übrigen Kardinal Legaten unermeßliche Schätze zusammen und trug sich nun mit dem Gedanken - Papst zu werden. Honorins der Zweite war gestorben, die Familie der Frangipani hatte bereits den Kardinal Gregor von St. Angela als Innozenz den Zweiten erwählt, als die zahlreichen Anhänger der Pierleoni, darunter viele Katdinäle, die Mehrheit der Bürger Roms, den Enkeisohtt des jüdischen Geldwechslers aus dem Ghetto zum Papste als Anaclet den Zweiten eryannten. Innozenz mußte fliehen, und da aiich seihe Freündt, die Frangipani, durch das,.Judengeld mittlerwelle bestochtii wurden', so blieb ihm nichts übrig , als in