menden Offiziers, wie man sicd seiner treue» Aubänglicdkeit an König und Vaterland versichern könne, antwortete er: „aus Ehre und Handschlag", was dann als Garantie der Treue angenommen wacb^
Wien, 3, Nov. Kaiser Franz Joseph verfügte, ange» sichts der Finanzlage des Reiches, daß fortan sein eigenes Pri- vateinkominen, wie das aller übrigen Mitglieder des Kaiserhauses — welches bisher von allen Stenern befreit gewesen — der gesetzmäßigen Besteuerung zu unterliegen habe,
Wien, 4, Nov, Rußland verweigert der Pso>te das Behalten des ganzen eroberte» Gebiets während des Waffenstillstandes. Was seit dem Ultimatum erobert, soll die Pforte räumen. Es geht das Gerücht, die Konferenz soll nicht i» Konstaiuinopel, sondern in Brüssel gehalten werden. Gras Zichy ist beauftragt, die Pforte wegen der selbstlosen Gewährung des Waffenstillstandes zu beglückwünschen. Seit dem Ultimatum zeigt sich ein Gegensatz zwischen Oestreich und Ruß'and.
Pest, 2. Nov. Hier betrachtet man die Nachgiebigkeit der Pforte als einen großen Fehler, umsomehr, als zwischen den serbische» und russischen Truppe» inner Tschernajeff eine weitgehende Zwiespältigkeit offen zu Tage tritt. Einige russische Offiziere wurden von den Serben niedergeschosscn, weiche letztere überhaupt nicht mehr Stand halte». Vorgestern war man in Belgrad bereit, sofort und ohne sich weiter um Rußland zu kümmern, einen Waffenstillstand abzusüiließen. Fürst Milan soll in Thräne» ausgebrochen sein, als er Tschernajeff erblickte. Oesterreich, sagt man, sei entschlossen, dem russischen Kabinel unter keinen Umständen ein weiteres Vorgehen gegen die Türkei zu gestatten und hat höchst wahrscheinlich im Augenblicke bereits ernste Vorstellungen darüber gemacht, daß es mit dem Ultimatum überrascht worden sei.
Pest, 2. Nov- Ellenör erhält die verbürgte Mitteilung, daß während der entscheidenden Schlachten vor Aleksinac und Djunis eine förmliche Revolution in der serbischen Armee ausgebrochen sei. Die Milizen versagten dem russischen Kommando den Gehorsam, und mehr als 150 russische Offiziere und Unteroffiziere wurden erschossen; dadurch entstand eine allgemeine Verwirrung, weßhalb nicht bloß die ganze Djunis-Linie und Aleksinac den Türken zugefallen sind, sondern auch die Verlheidigung Deligrads gänzlich unmöglich geworden ist. Die Serben verließen die Befestigungen, und der Platz blieb 8 Stunden lang leer. Die Türken ahnten die Vorgänge nicht, und erst später konnte man die Serben wieder bewegen, Dcligrad besetzt zu Hallen. Die Milizen seien in vollständiger Auflösung begriffen, die Stimmung gegen Rußland sei erbittert, und es gebe keine Friedcns- bedingungen, welche die Serben nicht annähmen. Die ganze Morawa Armee sei seit Dienstag in regellosem Davonlausen begriffen. Die Spannung zwischen den Russen und Serben, sagt der Pcster Lloyd, beschränkt sich nicht blos auf das Schlachtfeld, sondern weit höher. Man wollte vorgestern in Belgrad ans eigene Faust, ohne Rußland, Frieden machen, wie ihn die Türkei diktirt.
Petersburg, 3 Nov. Ein Abendextrablatt des Regic- rung-Anz. veröffentlicht ein Telegramm Jgnatieff's, daß die Pforte sich bereit erkläre, auf Abschluß eines zweimonatlichen von gestern laufenden Waffenstillstands einzugehen und daß die Befehlshaber der türkischen Truppen angewiesen worden, die Feindseligkeiten auf dem ganzen Knegsschauplatz sofort einzustellen.
Moskau, 3. Nov. Proccß Strousberg. Alle Verthei- diger der Aussichtsräihe griffen den Staats-Procurator heftig an, indem sie ihm Leidenschaftlichkeit, Voreingenommenheit, Mangel an Objectivität vorwarfen. Auch beschuldigten sie die Anklagekammer, sie hätte der Anklage-Schrift Folge gegeben, ohne deren Inhalt zu kennen.
Morges am Genfer See. Seit einigen Tagen unterhält man sich hier von einem schrecklichen Verbrechen. Am Dinstag Morgen fand man unter der Brücke des Boiron zwischen MorgeS und St. Prer den LeiLnam einer jungen Frau mit eingeschlagenen Rippen und Messerstichen in dem Hals, und wenige Schritte davon am veeufer bei St. Prex wurde der Leichnam noch einer andern jungen Frau entdeckt, welche die gleiche Behandlung erlitten hatte. Die Untersuchung wurde sofort eingeleitet, indeß weiß man zur Stunde noch nicht, wo das Verbrechen begangen worden ist; gewiß ist nur, daß die Leichname in Heu auf einem Karren dorthin gebracht worden waren, da man die Blutspuren auf der Straße ziemlich gut verfolgen konnte. Beide waren nur mit dem Hemde bekleidet. so daß die Ermordung der Unglücklichen während des Schlafes höchst wahrscheinlich geschehen ist. Man will in ihnen zwei herumziehcnde Korbhändlerinnen erkannt haben. In der gleichen Gegend fand man auch de» Leichnam eines Mannes und ein ausgesetztes Kind und muthmaßt, daß dies mit der Ermordung der beiden Frauen im Zusammenhänge steht.
Wird die Türkei, die eben Im vollen Siegeslauf sich be- sand, sich zu den von Rußland gestellten Bedingungen verstehen, für deren Durchführung sich die europäischen Mächte wiederholt einstimmig verpflichtet haben? Schon bei der Abgränzung der Demarkationslinien wird zwischen der Türkei, welche das in Feindesland Eroberte wird besetzt halten wollen, und den europäischen Mächten eine Einigung schwer zu erzielen sein; um wie viel schwieriger wird sie sein, wenn es an die Bedingungen des Friedens geht, an die Pnnktationen. durch welche das Loos der christlichen Bevölkerungen der Türkei verbessert werden, und diese Verbesserung unter die Garantie der christlichen Mächte gestellt werden soll? Man kann sagen: eine Verwerfung deS Ultimatums
durch die Türkei hätte gewissermaßen beruhigender in Europa gewirkt: rasch wäre die Entscheidung herbeigeführt worden, für die Jedermann bereits sich vorbereitet hatte. Jetzt dauert die Ungewißheit fort, mit schwacher Hoffnung auf ein friedliches Ende.
Fürst Danilo von Montenegro hat die gefangenen Türken frei- gegeben und nach Hause entlasten, weil, wie man vcrmuthet, er sie. nicht ernäbren konnte.
Der englische tabacksfeindliche und antinarcotische Verein in Man- che st er hielt dieser Tage eins Versammlung im Locale des christlichen Vereines junger Männer und berieth über Maßregeln, „wie dem weitverbreiteten Gebrauche des Tabaks zu steuern sei und das Volk über die wirkliche Natur und die Folgen narcotische» Genusses zu unterrichten sei. Ob nicht die Verhandlungen in Rauch aufgehen werden?
Konstantinopel, 2. Nov. So eben sind die Verhandlungen behufs Verständigung über die Grundlage einer Demar- kations Linie, die von fremden Offizieren festgestellt werden soll, im Gange, lieber den baldigen Zusammentritt zur Conferenz roursiren noch unbestätigte Gerüchte.
Vom Stuttgarter Markt, 4. Nov. Leonbardsplatz: Kartos- felmarkt. Zufuhr 100 Säcke. S 40 ^ per 50 Kilo. Bahnhof: Mostobst. SO Wagenladungen. 8 .L 50 bis 7 per 50 Kilo.
Strümpfelbach im Remsthal. 8. Nov. Astes rasch verkauft. Letzte Anzeige.
Aus dem Grabe.
Novelle von Emilie Heinrichs.
(Fortsetzung.)
„Du malst verführerisch Großpapa", sprach Richard sich an seiner Seite niederlassend, „und fast könnte ich versucht werden, in die seltsame Metamorphose eiiizuwilligen, den ehrliche» bürger lichcn Namen meiner amerikanischen Vorväter mir dem ritterlichen Namen Deiner adeligen Ahnen zu vertauschen."
„Und was hindert Dich daran, mein Sohn?" fragte der Greis, zärtlich den Arm um den geliebten Enkel legend.
„Mein Pflichtgefühl, Großpapa!" versetzte der junge Mann ernst. „Ich liebe ein armes, schönes Mädchen und habe demselben mein Wort verpfändet, es niemals zu verlassen."
Der alte Herr zuckte ungeduldig die Achselu.
„Das sind Kleinigkeiten, die Deine Zukunft nicht durchkreuzen können, Richard!"
»Ich sagte Dir, daß ich der jungen Dame mein Wort verpfändet habe —" ^
„Ganz recht, es ist schlimm; doch werde ich dasselbe auslöschen und Dir Deine Freiheit zurückgeben. Dein Adlerflug darf dadurch nicht gehindert werden. Die junge Dame soll mich in jeder Hinsicht großartig finden; ich werde ihre Zukunft in glänzender Weise sichern!"
„Großvater, Du hast niemals geliebt!" rief Richard, ihm, zürnend in's Auge blickend.
Der Greis sah ve> wirrt vor sich hin, Todtenbläfse bedeckte sein Antlitz. Er seuzte lief und schmerzlich und legte die Hand über die Augen, um seine Bewegung zu verbergen.
Ob in diesem Moment ein fernes Grab hinter einer kleinen Kirche vor ihm aufst'eg? Jenes Grab, weiches einst der trauernde Gatte so eifersüchtig vor seiner wilden Leidenschaft zu bewahren strebte ? —
„Wer hätte nicht einmal in seiner Jugend die Liebe, von welcher die Dichter so überschwänglich zu faseln pflegen, empfunden?" sprach er nach einer Pause und versuchte dabei geringschätzig zu lächeln, was ihm indeß nicht recht gelingen wollte. „Doch gleichviel, mein Sohn; hoffentlich wird diese Neigung nicht so ernster Art sein, daß sie im Stande wäre, Deine Zukunft zu stören. Wer ist diese junge Dame? — Wie nennt sie sich?"
„Sie ist eine arme Lehrerin und nennt sich Hariet Willich — "
Wie von einem Blitzstrahl getroffen, zuckte der Greis zusammen und starrte den Enkel entsetzt an.
„Willich?" wiederholte er mühsam. „Irrst Du Dich nicht in dem Namen?"
„Wie wäre das möglich, Großpapa?" — Ist Dir der Name bekannt?"
„Nein, nein, — doch sprich, ist sie eine Amerikanerin?"
„Nein, sie stammt aus Deutschland und hat mit einer befreundeten Familie ihr Vaterland verlassen, um hier eine Stellung anzunehmen, welche die Verhältnisse ihr drüben in der Heimath mit einem Worte, Großpapa, um hier auf ehrliche Weise selber ihr Brod zu verdienen, was man in Deutschland, lächerlich genug, für ein Mädchen aus guter Familie schimpflich findet."
„Nun, eine amerikanische Lady würde sich dazu ebenso wenig bequemen oder eS gar ehrenvoll finden," bemerkte der alte Herr ironisch. „In welcher Gegend befindet sich denn ihre Heimath?" setzte er unruhig hinzu.
„In Hannover," versetzte Richard.
Wiederholt zuckle Jener zusammen, sein Antlitz ward erdfahl und die Hände zitterten vor innerer Bewegung.
.,Großpapa, fühlst Du Dich nicht wohl?" fragte Richard besorgt.
„O, doch ein vorübergehender Schwindel, — der Tod klopft zuweilen leise an, als wolle er mich mahnen, an ihn zu denken."
Er blickte starr vor sich hin, — Landeck und Willich gehörten diese beiden Namen wirklich noch immer zusammen? —