Tie deutschen Bundesregierungen sind dahin übereingekom- men, „zur Erleichterung einer geordneten Aktensührung" ein gleichmäßiges Papier formal von 33 Centimeter Höhe und 2l Centimeter Breite für den Gebrauch der sämmtlichen deutschen Reichs- und Staatsbehörden einzuführen. Diese Einrichtung wird auch von den nichtstaatlichen Verwaltungsbehörde», den Rechtsanwälte», Notaren u. s w befolgt werden.
Das Einwohner-Meldeamt in Berlin braucht 12 Kanzlisten, von denen jeder 3 täglich erhält Die Stellen wurden ausgeschrieben und es meldeten sich nicht weniger als 4000 Bewerber. Zuletzt mußten Schutzleute vor dem Meldeamt die Ord nung auf, echt erhallen.
Ein gräßlicher Mord ist in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag in Mainz verübt worden. Der daselbst im sogen. „Stein" wohnende Schreiner-Geselle A. P. Koche aus Zerbst bat nemlich aus Eifersucht seine bei ihm wohnende Geliebte Einberte sireisingcr aus Rott- weiler mittelst eines RaürmefserS ermordet. Die Unglückliche, (früher in der Hermannsstraße zu Stuttgart wobnbait) die jämmerltch zugerichtet war — der Unmensch hatte ibr den Leib ausgcschlitzt, einen Schnitt in den Hals und außerdem zahlreiche Verwundungen beigebracht — ist eine halbe Stunde nach der Tbat im NochuS-Hojpltal gestorben. Der Mörder trug auch einige Verlegungen, die er sich wahrscheinlich selbst beigebracht bat, davon; er besindet sich indeß außer Gefahr und wurde noch im Lause des Tages nach der Tbat der Justizbehörde überantwortet.
Frankfurt, 28. Okl. Die hohen Ledensmittelprcise haben viele Familien bestimmt, ihr weibliches Dienst-Personal lheils zu reduciren, theils gänzlich abzuschafsen, in Folge dessen das Angebot die Nachfrage ziemlich übersteigt. Zu einer gestern ausgeschriebenen Stelle meldeten sich im Laufe des Vormittags 20 Mägde; die Löhne sind erheblich zurückgegangen.
In Neuwied ist die protestantische Kirche ein Raub der Flammen geworden.
In Hamburg ist ein von 22 Personen bewohntes Haus eingestürzt. Ein Mann und zwei Frauen wurden als Leichen aus den Trümmern hervorgezogen, 5 oder 6 Personen werden noch vermißt.
Die schweiz. Altkatholiken haben einen neuen Sieg zu verzeichnen. Herr Pfarrer Bohrer in Schaffhausen, ein ausgezeichneter Kanzelredner, hat seinen Bruch mit Rom offen verkündet und ohne Zweifel wird ihm die dortige Gemeinde folgen.
Petersburg, 30. Abends. Die „Internationale-Telegraphen Agentur" meldet aus Scmlin: Die serbische Stelle bei Djunis ist gestern Nachmittag nach erbittertem Kampfe von de» Türken genommen worden, worauf die Hälfte der russischen Bataillone auf dem Platze blieb. Tschernajcff's Linien sind durchbrochen; er sucht jetzt Kruschewatz zu decken.
London, 30. Okt. Reuter meldet aus Konstantinopel: Der Sultan hat in der am Sonnabend Jgnatieff erlheilte» Privataudienz in bedingungslose Annahme des sechswöchentlichen Waffenstillstandes gewilligt.
Brüssel, 30. Okt. Der „Nord" schreibt, die Thronrede zur Eröffnung des deutschen Reichstages sei die feierliche Bestätigung des Drei Kaiser-Bündnisses, welchem Europa den Frieden verdanke; die Bestrebungen, welche auf Auflösung dieses Bündnisses ausgingen, seien fruchtlos geblieben; die Vermittler Rolle zwischen Oestreich und Rußland, welcher sich der deutsche Kaiser auch ferner unterziehen wolle, sei ein Pfand für die Beilegung der Schwierigkeiten, welche etwa entstehen könnten.
Die Droguenhändler glauben an den Krieg zwischen Rügen und Türken und haben unter dessen „Anhoffung" in der ungünstigsten Jahreszeit mit dem fieberstillendcn Chinin aufgeschlagen; es ist um 25 Proc. gestiegen.
Belgrad, 29. Okt, Abends. Bei Djunis fand gestern eine Kanonade statt; die Serben hielten ihre Positionen fest, und zerstörten eine ganze Batterie der Türken.
K o n staut i n o p el, 29. Okt. Die Botschafter Deutschlands und Frankreichs erhielten die Instruktion, einen sechswöchentlichen Waffenstillstand zu unterstützen.
K o n st an ti n op el, 30. Okt. Agence Havas meldet: Die Pforte nahm einen zweimonatlichen Waffenstillstand an, mit zwei Verlängerungsfristen von je 6 Wochen, wenn die Friedensunterhandlungen dieselben nolhwendig machen. Die Feindseligkeiten werden allerorts, in Serbien, in Montenegro, in Bosnien und der Herzegowina eingestellt. Die Militärattaches der fremden Mächte stellen die Demarkationslinien fest.
Stuttgart, 30. Okt. (Landesproduktenbörse.) Unsere heutige Börse verkehrte in ruhiger Haltung und die Umsätze beschränkten sich ebenfalls auf den laufenden Bedarf. Wir notiren: Weizen, rufs 11 so 12 50 -4 dto. daher. 12 60—80 dto. Ungar. 12
40 ^ dto. amerik. 12 ^ Kernen 13 30 -4. Gerste, Ungar. 9 75 -4-
Haber 8 50 <4 bis 9 Richtpreise Pr. 100 Klg. inkl. Sack. Mehl
Nr. 1: 38—39 ^ Nr. 2: 34—35 Nr. 3 : 28- 29 Nr. 4: 54—25
Stuttgart, 31. Okt. Leonhardsplatz, Kartoffelmarkt. Zufuhr 160 Säcke L 2 ^ 50 ^ pr. 50 Kilo. — Bahnhof: Mostobst 5 Wagenladungen si 7 80 -4 bis 8 20 -4 Pr. 50 Kilo.
Strümpfelbach im Remsthal, 30. Okt. Käufe: rothes Gewächs zu 120 bis 132 weißes und gemischtes Gewächs zu 110 bis 120 je für 3 KI. Weinberge noch sehr schön belaubt. Lese dauert noch bis 2. November. Verkauf sehr lebhaft.
Die Weinpreis-Anzeigen der heutigen Blätter enthalten von manchen Orten die Bemerkung: Preise zurückgehend, Käufer sehr erwünscht.
Vom Rhein. 30. Okt. Wir haben oft in diesem Blatte behauptet, das cs kein besseres Mittel gegen die Wein-Fabrikation und „Panscherei" gebe, als ein Paar volle Wein-Ernten.
Wie recht wir hiermit gehabt, kann man jetzt sehen. I» den weinarmen Jahren 1870 -73 wurden Rheingauer Wein-Trester mit 60—65 nach auswärts verkauft. Am 27. d. M. wurden die diesjährigen Trester der k. Domänen versteigert, und das höchste Gebot brachte es nur auf 2 50 (!); Käufer waren diesmal nur Branntwein-Brenner. Es existier eben in Folge der segensreichen Jahre 1874, 1875 und 1876 nunmehr eine solche Unmasse guter Natur-Weine, daß das Angebot die Nachfrage noch viele Jahre übersteige» wird. Die enorme Production hat sonach der Wein-Fabrikation den Todesstoß gegeben. Gewiß eine erfreuliche Thalsache für das trinklustige Publikum!
Aus dem Grabe.
Novelle von Emilie Heinrichs.
(Fortsetzung.)
„Du magst nicht Unrecht haben, mein Sohn", antwortete der Vater mit Nachdruck, „und bitte ich Dich dcßhalb dringend, keine Minute vergessen zu wollen, daß der Großvater das Haupt der Familie ist, dem wir allejammt unbedingten Gehorsam schuldig sind!"
„Unbedingten Gehorsam?" wiederholte Richard, das erste Wort betonend, indem er hastig weiter schritt. „Verzeihe, liebster Papa, daß mir ein solcher blinder Gehorsam unerträglich und in gewissen Fällen unausführbar erscheint, so vielen Respekt ich auch vor dem ehrwürdigen Haupt unserer Familie besitze und jederzeit zu beweisen erbötig bin Darf ich um eine nähere Erklärung bitten, Papa?"
„Deshalb eben suche ich Dich auf, mein Sohn, um Dich auf die seltsame Erklärung des Großvaters vorzubereiten und derselben das Ueberraschende und Schmerzliche, was sie für mich gehabt, zu nehmen."
Er erzählte ihm alsdann in der schonendsten Weise die Hauptmomente der seltsamen Geschichte, welche der alte Herr dem Sohne vorher mitgethcilt, soviel dieselben für Richard überhaupt von Wichtigkeit waren, und die Mission, welche der Großvater ihm übertragen wollte, betrafen.
Der junge Mann hatte mit athcmloser Spannung zugehört, eine leidenschaftliche Erregung matte sich in seinen Zügen, und des Vaters Arm krampfhaft drückend, sprach er mit halblauter Stimme: „Darum also die Erziehung, welche er mir gegeben? O, warum mußte der im Punkte der Ehre sonst so strenge Großpapa, dessen offener, redlicher Charakter uns stets ein leuchtendes Vorbild gewesen, gerade in dieser für meine Zukunft so ernsten und entscheidenden Sache ein Geheimniß bewahren, das jetzt wie ein drohendes Gespenst vor mich hiniritt. um mit gewaltsamer Hand meinen ganzen Lebensplan zu durchschneiden. Ich kann mich dieser despotischen Forderung nicht fügen, Papa, ohne Schiffbruch zu leiden an Allem, was Glück heißt aus Erden!"
„Das wußte ich im Voraus" , seufzte der Vater. „Wie aber sollen wir diese Klippe, welche ,so urplötzlich den ruhigen Strom unseres Familienlebens durchschneidet, umschiffen, ohne den nöthigen Gehorsam gegen das ehrwürdige greise Haupt des Hauses zu verletzen und den Frieden seiner letzten Tage zu vernichten ? Dieser Wunsch scheint schon lange, schon seit Deiner Geburt, mein Sohn, die fixe Idee seines Lebens geworden zu sein."
„Und um einer solchen barocken Idee willen soll ich dem höchsten Erdenglück entsagen!" rief Richard heftig. ,,Nimmermehr! — Hätte der Großpapa mir dieselbe schon in der Kindheit mitgelheilt, sie so zu sagen mit mir aufwachsen lassen, vielleicht hätte sie mich im romantischen Eifer begeistern können; jetzt aber ist es zu spät damit!"
„Wie soll ich Dein höchstes Erdenglück in diesem Falle verstehen?" fragte der Vater, ihn forschend anblickend.
„Nun, ich liebe, und will den Gegenstand meiner Liebe nicht um einer romantischen Grille halber verlassen!"
„Diese Stunde ist reich an Ueberraschungen", sprach George kopsschüttelnd. „Darf ich den Namen Deiner Geliebten erfahren, mein Sohn?"
„Nenne sie meine Braut, Papa!" rief der junge Mann trotzig. „Ich habe Ihr mit meinem Herzen natürlich auch den Besitz meiner Hand gelobt, wie es einem Ehrenmanne geziemt."
„Hm, hm, die Sache wird also immer verwickelter, immer schwieriger. — Welcher Familie gehört diese junge Dame an?"
„Was kümmert mich ihre Familie, — ich liebe sie und besitze ihr Herz, das ist mir genug. Sie ist eine Deutsche, nennt sich Harrtet Willich und fungirt als Lehrerin in einem deutschen Institut."
„Wie und wo hast Du sie kennen gelernt?" fragte der Vater ruhig.
„Durch einen Freund Bob Wordal, dessen Schwester in jenem Institute die deutsche Sprache erlernt."
„Willst Du dem Großvater dieses mittheilen, Richard?"
„Ja, Papa!" versetzte der junge Mann mit fester Stimme, „ich werde ganz offen gegen den Großpapa sein."
„Er wird Dir seine Einwilligung verweigern", fuhr der Vater sorgenvoll fort. „Ja, ich bin sogar überzeugt, daß er Dir in diesem Falle, wenn Du seinen Plan durchkreuzest, mit Enterbung drohen, Dich vielleicht gar verstoßen wird."