Uebcr einen in der Thierarzneischule in Zürich dieser Tage eingcbrachten tollwüthigen Hund wird geschrieben: „Wer noch kein so bedauernswerthes Geschöpf gesehen har, und wer sich einen Begriff von einem Menschen, bei dem in Folge eines Hundebisses die Tollwulh ausgebrochen ist, machen will, der reise dorthin. Wer dies sieht, wird über eine strenge Hundeordnung nie mehr klagen/'
London, 16. Okt. Die „Times" veröffentlicht den Text des türkischen Waffenstillstands-Vorschlages; sie erachtet den Ton desselben als einen gemäßigten; der Waffenstillstand werde tatsächlich bedingungslos angeboten, die Piorte spreche nur ihre Hoffnung auf den Einfluß der Mächte aus, um das Zuströmen von Freiwilligen zu hemmen. Die „Times" sprichi die Ansicht aus, daß Rußlands Haltung seine Intervention gewiß mache, falls die türkische Regierung die Vorschläge der Mächte ablchne. Da Rußland den sechsmonatlichen Waffenstillstand verweigere, würde die Pforte unweise handeln, einen kürzeren Termin avzu- lehnen. Von Bismarck hänge es ab, die Welt vor einem furch- baren Kriege zu retten : er möge seine Macht brauchen, Deutschland möge erklären, es erlaube Rußland nicht die Besitznahme der Donau, und der slavische Enthusiasmus werde gedämpft werden. Eine feste Haltung Deutschlands sei die beste Friedens- Garantie; ein Bündniß Deutschlands und Englands zur Herbeiführung der nothivendigen Ncnderungen in der Türkei würde Europa vor großem Unglück bewahren. — Dieser Aufruf der Engländer an Deutschland, dieses Anerbieten einer Allianz ist ausfällig genug und zeigt, daß den Herren Briten nicht Alles so rosenroty däucht, wie noch 48 Stunden früher. Wir glaube» indes; schwerlich, daß wir nun Alles stehen und liegen lasten werden, um de» Engländern den bedrohten Weg nach Indien retten zu helfen. Wir haben ein gutes Gedächtniß. Die Engländer haben uns 187 (> schmachvoll im Stich gelaffen. Ihr schmutziger Waffenhandel, ihre kaum verblümte Parteinahme für die Franzose», trotz ihrer osfiiiellen Neutralität, haben uns deutlich gezeigt, was wir von ihren Freundschafts-Phrasen zu halten haben. Sie waren es. welche damals versprochen batten, den Ersten niederzuschlagen, welcher den Frieden Europas störe, und als Frankreich uns srevelvoll mit Krieg überzog — kehrten sie uns „ueutral" den Rücken und nur Rußland schützte uns vor der europäischen Koalition, die gegen uns im Werke war. Jede noch so empstndliche Demüthigung des englischen Stolzes bereitet dem deutschen Volke eine innere Genugthuung. Es scheint, daß die Stunde der Abrechnung naht.
Aus Belgrad, 12. Okt., wird der „Times" Folgendes über die Stimmung des Volkes berichtet : „Die Geschäftsleute haben den Krieg gründlich satt. Sie wissen, daß der Tag der Abrechnung nicht fern sein kann, und daß sie eine» großen Theil der Rechnung zu zahlen haben werden. Sie haben gründliche Furcht, sich mit Leib und Seele Rußland zu überliefern, und Mann für Mann würden sie für die Fortdauer der Oberhoheit des Sultans stimmen, wenn ihnen die Alternative gestellt würde, daß ihr Fürst Vasall des Sultans oder des Zaren sein solle; aber sie scheuen sich, ihre Meinung kund zu thun. Es gibt keine öffentliche Meinung in Serbien; in Winkel und Schlupflöcher muß man gehen, wenn man erfahren will, was die Leute wirklich denken. Die öffentlichen Plätze wimmeln von Spionen. Selbst die Negierung scheut sich, ihre Meinung auszusprechen. Sie hat niemals das Factum veröffentlicht, daß der Fürst und die Minister feierlich die Friedens-Vermittlung der Mächte nachgesucht haben.
Belgrad, 14. Okt. Ein Memorandum Tschernajefs's rathet von jedem Waffenstillstand ab, doch ist die Regierung, um ihren guten Willen zu zeigen, bereit, sechs Wochen zu bewilligen. Tschernajeff droht mit der Demission, wenn ein längerer Waffenstillstand angenommen wird; zum zweiten Mal würden er und seine Freunde nicht kommen, um Serbien zu helfen.
Die „Köln. Zig." macht auf ein neulich von Cettinje selbst, vielleicht direkt vom Fürste» abgeganqenes Telegramm aufmerksam: „Von den Truppen Dakovitsch's ist nicht nur Liubinje in Asche gelegt, sondern sämmtliche türkische Dörfer des Bezirks von Liubinje sind niedergebrannt worden. Dabei kamen gegen 1500 Türken um, die theils während des Kampfes fielen, thrils in ihren Häusern verbrannten." In de» Kriegen civilisirter Nationen pflege zu Lande das Privateigenthum respeklirt zu werden. Man brenne nicht ohne die dringendste militärische Nothwendizkeit ganze Ortschaften nieder, noch weniger verbrenne man systematisch die Ortschaften sammt den Einwohnern, mit Mann, Weib und Kind. So sei dieses Telegramm ein Zeugniß — von Montenegro selbst ausgestellt —, daß an Rohheit und Grausamkeit der Kriegführung die christlichen Slaven den Türken nichts nachgeben. Dazu stimmt die wiederholt mitgetheilte und nie wiederlegte Nachricht, daß türkischen Verwundeten Nasen und Ohren abgeschnitten wurden.
Bukarest, 14. Okt. Die rumänische Regierung bereitet sich eifrigst auf alle Eoentiialiiäien vor. Die unterbrochenen Assenlnuugen wurden eiligst wieder ausgenommen. Es ist bereits die Mobilisiruugsordre für 40,000 Mann ergangen und steht die Einberufung weiterer 20,000 Mann zu gewärtigen. In Jbraila ist ein engl. Dampfer mit 130,000 Oka Blei eingelaufen, welche per Bahn nach Bukarest expedirt wurden. Außerdem kam in Galatz eine Sendung von 25,OM Kilogramm Schwefel aus Marseille an, welche zugleich mit einer großen Menge Winterkleider für die Truppen nach Bukarest spedirt wurden. Die russische» Durchzüge, welche, da die Durchzügler mit regelrechten
Pässen versehen sind, von der rumänischen Regierung nicht verhindert werden können, dauern in großartigem Maßstabe fort. Durchziehende Kosaken, welche in Trupps bis zu 800 Mann zu Pferd uiid mit Waffen zur serbischen Armee stoßen, erzählen, daß in -südrußland über 20,000 Mann kouzentrirt sind und deren Durchmarsch durch Rumänien täglich zu erwarten steht. Hinsichtlich der sog. russischen Freiwilligen ist sestgestelli, daß das russische Kriegsministerium den Generalbefehl erließ, daß von jedem Negimente durch das Loos 100 Mann gezogen werden, welche mit einem Handgelde von 30 Rubel »ach Serbien abgehen. (?)
Die Türken haben auch einen heiligen Rock und dieser spielt in Constantinopel eine noch größere Rolle als der heilige Rock in Trier. Am Ramazan-Feste, daS eben jetzt in Constantinopel gefeiert wird, verfügen sich der Sultan und die höchste» Würdenträger in die Retiqnienkammer, wo der Hof-Eunuche den h. Rock oder Mantet von seiner Umhüllung befreit und vom Sultan angefangen, jedem der Anwesende» den Zipfel des Rockes zum Kusse darreicht. Nach jedem Kusse wird der Zipfel iu einem silbernen Waschbecken in Wasser eingetaucht. Nach Beendigung dieser Feierlichkeit wird das Wasser iu dem Waschbecken aus Fläschchen abgezogen und verteilt. Als besonders verdienstlich und wirksam gilt es, am Abend des Tags nach L-onnenuntergang die Faste» damit zu brechen, daß man von diesem Wasser trinkt.
Athen, 13. Okt. Die griechische Regierung wird in Anbetracht des Ernstes der Lage bei der Kammer um die Erlaub- »iß nachsuchen, alle waffenfähigen Männer von 20 bis 30 Jahren zu den Fahnen zu berufen. Die Gemeinde PiräuS wird auf eigene Kosten ihre Ralionalgarde bewaffnen. Ans allen Städte» laufen Resolutionen vo» Meetings ein, welche Freiwillige anbieten. Die Gesellschaft Pernassos bietet der Regierung ihren ganze» Reservefonds an. Es zeige» sich bereits bewaffnete Banden. (Sch. M.)
AuS dem Grabe.
Novelle von Emilie Heinrichs.
(Fortsetzung.)
3.
Ein volles Mensche»alt:r war seitdem verflossen, — was hatte die Welt nicht Alles in diesem lange» Zeitabschnitte erlebt und gesehen! — Das alte Europa war aus den Fugen gewichen, die Revolution, welche wie ein Zündstoff in die Schäden der Völker siel, hatte mit blutigem Kehrbesen mächtige Throne zertrümmert und Kronen sammt Köpfen unbarmherzig weggefegt, und hellauf lodenen die Flammen des Krieges durch die entsetzte Menschheit.
Drüben in der neuen Welt rangen die Colonien mit dem englischen Mutterlande und behaupteten siegreich ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Uederatl, wohin der Blick sich wendete, Krieg und Empörung.
Doch wie in der alten Welt der fränkische Eroberer dar- niedergeworseu wurde du-ch deutsche Kraft, und das alle legitime Recht sich wieder in die gewohnten Bahnen schwang, so blühte drüben jenseits des Oceaus ein junges, kräftiges Volk empor, das sich nach und nach zu einer Welt machte, und ein Asyl der Freiheit sür die Völker Europa's entwickeln sollte.
Jahre des Friedens waren dem verheerenden Sturme gefolgt, die nur hin und wieder durch einige Revolutionsblitze erhellt wurden; eine gesegnete Aera schien sich unter der Friedenspalme hüben und drüben vollziehen zu wollen.
In einem der prächtigsten Häuser in Baltimore, der Hauptstadt des nordamerikanischen Freistaats Maryland, wohnte der reiche und angesehene Handelsherr Richard Harvey, ein Greis von 88 Jahren, der sich nicht allein in der Stadt selber, sondern auch in allen Staaten der neuen Welt, wohin seine Handelsverbindungen reichten, der höchsten Achtung und einer seltenen Beliebtheit erfreute.
Die Firma Harvey (später Harvey und Co.) reichte bis zur Gründung des Orts, welche vom Lord Baltimore im Jahre 1729 ausgeführt worden war, zurück und hatte bedeutend zum Aufschwung desselben, der erst 1797 zur Stadt erhoben wurde, beigetragen.
Der greise Chef der Firma. Herr Richard Harvey, saß an einem Frühlingstage des Jahres 1842 vor seiner Villa, nachdenklich vor sich hinstarrend. Das schneeweiße Haar umwallte das ehrwürdige Antlitz, welches in diesem Augenblick bleicher als gewöhnlich erschien und eine schmerzliche Erinnerung zur Schau trug. Jetzt hob er mit einer ungeduldigen Bewegung das Haupt und ließ den Blick suchend umherschweifen, als erwarte er Jemand.
Da tönten eilige Schritte durch den Garten; ein Mann zwischen fünfzig und sechszig Jahren, mit dem vornehmen Aeußer« eines echten Gentleman, trat rasch auf den alten Herrn zu, dessen Züge sich bei seinem Anblick sichtlich erheiterten; war dieser doch sein einziger Sohn, der Erbe und Kompagnon der Firma Harvey.
„Da bin ich, mein theurer Vater!" sprach er im ehrerbietigsten Tone. „Du hast mir eine wichtige Mittheilung zu machen —"
„Ja, mein Sohn", versetzte der Greis, ihm die Hand ent- gegenstreckend. „Ich hoffe, Du wirst Zeit genug mitgebracht haben, um eine längere Erzählung, die Dich sicherlich interessiren wird, anznhören."
„Ich kenne keine höhere Pflicht, als den Willen meines Vaters zu erfüllen!" betheuerte der Sohn voll Wärme.