sammevkunft aller Bourbonen Frankreichs, Italiens und Spaniens stattsinden und eine große Kundgebung verbreitet werden. An letzterer möchten wir noch zweifeln.
London, 1. Okt. „Reuter's Bureau" wird aus Belgrad telegraphirt: England und Italien sind gegen Serbien sehr aufgebracht wegen der Ablehnung der ferneren Waffenruhe. Der englische Konsul soll im Namen des Lord Derby dem Ministerpräsidenten Ristitsch erklärt haben, daß England sehr unzufrieden mit Serbien sei, weil es die Waffenruhe, die es selber nachgesucht, abgclehnt habe. Serbien dürfe in Zukunft weder auf die Unterstützung noch auf die Sympathie Englands, welche es nicht verdiene, rechnen.
Die Verth eurnng des Petroleums anlangend, sollen nach den vorliegenden Mittheilungen Newyorker Blätter in den letzten Wochen in der pennsylvanischen Oelgegend beinahe so riesige Profite gemacht worden sein, wie zur Zeit des eisten Oelfiebers im Jahre 1864. Bei der verabredeten Zurückhaltung der Quellenbesitzer hat die diesseitige starke Nachfrage die Preise dort so rapide in die Höhe getrieben, daß einzelne Firmen mit einem Schlage 600,000 Dollars, d. i. 2</« Million Mark gewonnen haben. Es mag für unsere Hausfrauen ein schlechter Trost sein, nunmehr zu wissen, wo die 10 bis 15 Pfennige bleiben, welche sie jetzt für jede Flasche Petroleum mehr bezahlen müssen, als im vorigen Jahre.
Aus dem Grabe.
Novelle von Emilie Heinrichs. *)
1 .
An einem unfreundlichen Apriltage des Jahres 1782 bewegte sich ein langer Trauerzug über den Gartenkirchhof vor dem Aegidienthore der Stadt Hannover.
In dem Sarge, den ein silbergesticktes Bahrtuch bedeckte, ruhte eine schöne, junge Frau von sechsundzwanzig Jahren, die der Tod so früh schon den Armen des trostlosen Gatten, der gebeugten Hauptes dem Sarge folgte, entrissen hatte.
Unmittelbar hinter der kleinen Kirche senkte man die Todte in die Gruft und theilnehmend blickten die Leidtragenden auf den verzweifelten Gatten, der die Verstorbene mehr als sein Leben geliebt und derselben, so prophezeite man im Stillen, sicherlich bald Nachfolgen werde.
Schon hatte der Prediger mit weithin tönender Stimme die Grabrede begonnen, als ein Reiter durch die an den Kirchhof grenzende Straße sprengte, sein dampfendes Roß bei dem Gitter, welches die Umzäunung bildete, anhielt und aufmerksam den lauten Worten des Predigers lauschte, der das Leben der Verstorbenen pries und ihre aufopfernde Liebe und Hingebung für den Gatten ganz besonders hervorhob.
Ueber das Antlitz des Reiters zuckle es bei diesen Worten wie Hohn, dann starrte sich umwendend, düster nach der Grabstätte hinüber, und als die erste Schaufel Erde mit hohlem, unheimlichen Geräusch auf den G«rg fiel, da stöhnte er laut wie im bittersten Schmerz, während der trauernde Gatte am Grabe verzweiflungsvoll beide Hände vor's Antlitz preßte.
Endlich deckte der Sandhügel die Todte, — das letzte Vaterunser war gesprochen und heimwärts lenkten die Leidtragenden ihre Schritte.
Oede und still lag der Friedhof wieder da; klagend strich der Wind durch die Trauerweiden, deren lang herabhängendes Gezweig bereits üppig knospete und hin und wieder zu grünen begann, während die grauen Wolken mit träger Langsamkeit darüber Hinwegrogen, das Bild düsterer Schwermuth vervollständigend.
Da schwang sich der Reiter von seinem Roß, dessen Zügel er an daS Kirchhofs Gitter befestigte, trat durch die offene Pforte und eilte nach der frischen Gruft, um einen Jmmortellenkranz auf dieselbe niederznlegen.
Es war ein schöner, junger Mann von hohem, schlanken Wüchse; über das todtenbleiche Gesicht rannen in diesem Augenblicke Thränen, wie sie ein Mannesauge wohl kaum schmerzlicher geweint.
„Mich hast Du geliebt, Du edles, herrliches Wesen," murmelte er, „mich allein, und keine Macht der Erde soll mir diesen beseligenden Glauben rauben! Treue bis über das Grab hinaus will ich Dir bewahren, das schwöre ich Dir vor Gottes Angesicht!"
Da rauschte es in den Wegen, ein Mann in tiefer Trauerkleidung tauchte plötzlich vor ihm auf und starrte ihn mit den Blicken des tödtlichsten Hasses an.
„Sie hier an diesem Grabe?" tönte es dumpf aus dem Munde dieses Mannes. „Unseliger, Sie wagen es, die Ruhe der Todten zu stören durch Ihre verhaßte Gegenwart?"
Der Reiter blickte ihn düster an und wandte alsdann den Fuß, um sich schweigend zu entfernen.
„Halt, noch ein Wort, das letzte zwischen uns Beiden, Herr von Landeck!" fuhr der trauernde Gatte, welcher sich nicht von dem Grabr hatte trennen können, fort. „Nehmen Sie den Kranz mtt; er beschimpft dieses Grab!"
Der Reiter kehrte langsam zurück und hob den Kranz mit einem billern Lächeln empor.
* Der Wiederabdruck ist nur nach Urierein!ommen mit der Verfasserin gestattet.
„Du hast meine Thränen gesehen, edle Verklärte," sprach er mit bebender Stimme, „sowie das stille Todtenopfer, welches dieser Mann in seiner Selbstsucht mir verbietet. Mag es sein, er hat vor der Welt ein Recht dazu, doch wird er es nicht hindern können, daß meine Seele bei Dir weilt und meine Asche sich dereinst mit der Peinigen vereinigt!"
„Davor werde ich dieses Heiligthum zu schützen wissen!" versetzte der Gatte mit gepreßter Stimme. „Denn wisse, Unglücklicher, wenn Du ein unerfahrenes Herz auch einst auf kurze Zeit bethören konntest, so gehörte dasselbe doch noch bis zum letzten Athemzuge mir in treuer Liebe, unv längst bereut hatte sie das Versprechen, welches sie Dir in jugendlicher Uebereilung gegeben. — Jetzt hinweg und entweihe die Ställe meiner Trauer nicht mit Deiner Gegenwart, die für mich uoch jetzt zur Beschimpfung werden könnte!"
Dem Reiter schwebte eine heftige Erwiderung auf den Lippen, welche er mit dem ganzen Aufgebot seiner Willenskraft jedoch unterdrückte, — nur einen letzten schmerzlichen Blick warf er auf das Grab und eilte dann rasch hinweg. Nach wenigen Augenblicken sprengte sein Roß mit ihm durch die Straße.
„O, daß dieser bitterste Kelch mir erspart worden wäre!" seufzte der Trauernde auf dem Grabe der Gattin. „Dir aber, ! Geliebte, schwöre ich, daß Dein heiliger Schalten Ruhe haben !
soll vor dem Unseligen, und Deine Asche in diesem Grabe friedlich §
weilen soll, dis zur Auferstehung der Todten!" '
Lange noch stand er in seinen Schmerz versunken, bis ein besorgter Freund zurückkehrte und ihn heimführle in sein verödetes Haus.
2 .
Die Geschichte der jungen Frau, an deren Grabe wir soeben verweilten, war einfach, wie die von Millionen anderer Menschen.
Aus adeligem Geschlechts entsprossen, von zärtlichen Eltern sorgfältig erzogen, war ihre Kindheit in einem kleinen Städtchen des hannoverschen Landes in fröhlicher und ungetrübter Lust entschwunden. Zur reizenden Jungfrau erblüht, lernte Henriette von Willich den Lieutenant von Landeck aus einem Balle kennen und horchte lächelnd stine» Liebesschwüren, die ihr unerfahrenes Herz erwiderte, obgleich seine wilde Eifersucht, sein überspanntes, leidenschaftliches Wesen ihrem Ideal von der Liebe nicht immer zu entsprechen vermochte.
Goelhe's Werther hatte in jener Zeit, welche einer krankhafte» Sentimentalität huldigte, die Gemüther nur noch mehr verwirrt und den Selbstmord gleichsam geheiligt, also unglücklicherweise anstatt der beabsichtigten die entgegengesetzte Wirkung hervorgebracht.
Lieutenani von Landeck harte die Leiden des jungen Wer- thers mit wahrem Heißhunger verschlungen und das Buch seiner Henriette heimlich übergeben, da die verständigen Eltern die Lektüre der Tochter sorgsam überwachend, das berühmte und gefährliche Werk sicherlich nicht in ihren Händen geduldet hätten.
Man muß sich in die damalige Zeit versetzen können, um das Uebermaß krankhafter Gefühle, welche eine solche Lektüre in den Herzen der Jugend Hervorrufen mußte, ganz zu verstehen.
Als Henriette von den Eltern, welche das zarte Verhältniß zwischen ihrer Tochter und dem jungen exaltirten und gänzlich unbemittelten Lieutenant ahnten, zu entfernten Verwandten geschickt l wurde, wollte sich Landeck L Is Werther erschießen. Die Ausführung dieses Entschlusses wurde durch die Hoffnung, die Geliebte sich noch erringen zu können, einstweilen vertagt, bis ihn die Nachricht von ihrer Verlobung wie ein Donnerschlag traf.
Da lud er seine Pistolen und nahm brieflich Abschied von der Ungetreuen, die ihre Schwüre so bald hatte vergessen können — Abschied vom Leben.
So viel als möglich sich in Werther's Situation hinein versetzend, halte er die Unvorsichtigkeit begangen, einen Kameraden um seine Pistolen zu bitten, zum Ueberfluß noch schriftlich '
mit Werther's Worten: „Wollten Sie mir wohl zu einer vor- >
habenden Reise Ihre Pistolen leihen? Leben Die recht wohl!"
Das Buch mit der aufgeschlagenen Stelle, welche die ver- hängnißvolle Katastrophe schildert, vor sich auf dem Tische, setzte er, die letzten Abschiedsworte Werther's an Lotte recitirend, die
Waffe an die Stirn und drückte los.-Der Schuß versagte.
-Dieser Zufall rettete sein Leben, da in demselben Augenblick, als er noch einmal die Pistole untersuchte, jener befreundete Offizier, den er um Ueberlafsung der Waffen schriftlich gebeten, und der in den Wertherschen Worten Unheil gewittert, in's Zimmer trat, um seinen verzweifelten Entschluß zu vereiteln.
Die Vcrnunftgründe des verständigen Kameraden, der ihm schließlich sein Ehrenwort abzwang, die Werther-Jdee unausgeführt zu lassen, brachten den jungen exaltirten Mann wieder einigermaßen zur Besinnung, ohne jedoch seine leidenschaftliche Liebe zu dämpfen. Wenn nun von seiner Seite auch nichts Weiteres geschah, die Vermählung der Geliebten zu hindern, so setzte sich doch der hartnäckige Glaube in ihm fest, daß Henriette ein Opfer väterlicher Selbstsucht geworden und er dazu berufen sei, ihre Fesseln zu lösen. (Fortsetzung folgt.)