Und doch ist es so am besten, alter Freund!" meinte der Bürgermeister.Der Haß trocknet die Herzen aus, aber die Liebe ist ein ewiger Born, aus welchem wir allein das ächte Glück, die reinsten Freuden schöpfen."

Er stieß mit seiner Frau an, welche ihr Glas dann dem Doktor entgegenhielt.

Nun, meinetwegen, es mag denn sein!" sprach dieser, kräftig mit der Bürgermeisterin anstoßend.Kommt Alle her, Ihr großen und kleinen Rechnungsfehler, wir wollen auf eine neue Zukunft mit einander anstoßen!"

"Das war einmal ein rechter Zusammenklang.

VIII.

Und hinab ging es wieder, der Heimath zu, hinab den schönen, lustigen Rhein. Arm in Arm standen zwei Paare auf dem Verdeck des Dampfers, der Bürgermeister mit seiner Gattin, Adalbert mit seiner Braut, die so lange bis zur Vermählung bei dem Freunde wohnen sollte.

Wie leuchtete dem glücklichen Senator jetzt so hell die Sonne, wie magisch erschien ihm Alles in den sanften Augen der Geliebten.

Ach, das Glück allein verklärt das Dasein, auch das Ge­wöhnlichste im Leben, jenes Glück, das treue Liebe nur einzig zu geben vermag. »

Und jetzt waren sie daheim, wo Margarethe in der freudig überraschten Lina eine treue Schwester fand. Die Arme, welche bislang so wenig Liebe genossen, fühlte sich urplötzlich von ihrem reichsten Füllhorn überschüttet.

Adalbert wollte indeß nicht lange mehr warten, denn noch immer lag ihm dir Furcht vor seinem alten Dämon in den Glie­dern. Er betrieb die Vermählungsfeierlichkeiten mit ängstlicher Hast, und lachend meinte der Bürgermeister, daß die Braut bei seinen Besuchen nicht über einZu spät" zu klagen habe, da Niemand darin pünktlicher sein könne, als Adalbert Kühn.

Und endlich brach er an, der Hochzeitsmorgen, hell, sonnig, klar, wie die Liebe des bräutlichen Paares.

Sie sah so hübsch, so rosig ans, die Braut, und Adalbert so stattlich schön, daß alle Welt darüber staunte.

Aber beinahe hätte den Armen an der Schwelle des Glücks der Dämon noch einmal gepackt, denn schon harrte die Braut mit den hochzeitlichen Gästen des Bräutigams in der Kirche, schon stand der Pfarrer vor dem Altar, und Angst malte sich in den Zügen des Bürgermeisters, der ihm so oft prophezeit, daß er vor dem Altar noch zu spät kommen werde, als der Erwartete, von dem Hauptmann gesolgt, fast athemlos erschien an seiner Hand Onkel Johannes, worüber, die Braut vor freudiger Ueberra- schung fast laut aufgeschrieen hätte.

Ich bleibe bei Euch, Kinder!" sagte dieser nach der Trau­ung.Ich konnte es in Heidelberg nicht länger aushalten; jene Familie ist ein großes verpfuschtes Rechnenexempel, zu welchem man nie das richtige Facit findet."

Daß Alle sich darüber freuten, ist begreiflich, und bei der Tafel rief der Bürgermeister, sein Glas erhebend:Wenn die Devise unseres Senators lautete: Immer zu spät! so heißt sie jetzt: Nimmer zu spät, um ein glücklicher Mensch zu werden und fröhlich mit den Fröhlichen zu sein!"

Amen!" sprach Onkel Johannes, sein Glas mit einem Zuge leerend.

Unsere Schuljugend und das Geld.

Ein Wort an die Eltern.

So lautet die Ueberschrist eines Erlasses Seitens des Schulvereins der Stadt St. Gallen. Das Nebel, gegen welches da angekämpft wird, macht sich leider überall fühlbar. Deshalb ist wohl eine weitere Kundgebung der Hauptsätze aus dem Aufruf durchaus am Platze.

Der Schulverein der Stadt St. Gallen, aus Lehrern und Laien bestehend, hat, veranlaßt durch die seit Jahren in fort­währender Steigerung auf allen Schulstufen zu Tage tretenden verderblichen Erscheinungen, die aus dem Besitze von Geld Sei­tens der Schulkinder hervorgehen, am 27. Juni in zahlreich besuchter Sitzung von Herrn Kaufmann, Lehrer, und nach ein­gehender Diskussion einstimmig beschlossen:

Die Eltern sind in geeigneter Weise auf die Uebelstände aufmerksam zu machen, welche das Ueberlassen von Geld zu freier Verfügung an unsere Jugend zur Folge hat.

. . . Die gefährliche Erscheinung, daß die Kinder über Baarschast verfügen, hat sich in sehr bedenklicher Weise, von den obern Klassen der Schülerschaft zu den untern herabschreitend, bis in die Primarschule verbreitet.

Heute besitzen die Schüler und Schülerinnen fast durchge- hends Geld, kleines und großes, und verfügen über dessen nach Willkür, oft ohne irgend welche oder wenigstens nur ungenügende Kontrole Seitens der Eltern, ja manchmal ohne ihr Wissen. Im Durchschnitt haben die Kinder der Armen mehr Geld als die der Reichen.

. . . Manche Eltern scheinen, indem sie den Kindern Geld überlassen, nicht zu bedenken, daß, und wie viele gefährlichen

Versuchungen sie ihnen damit nahe legen. Andere finden es be­quemer, ihnen auf einmal einen größeren Betrag zu verabreichen, als in vielen Malen wenigeres für die vermeintlichen kleinen Tagesbedürfnisse; die Jüngelchen sollenmit Geld umgehen lernen." Dritte wollen recht frühe Herrchen und Dämchen an ihren Kinderchen haben und müssen sie folgerichtig auch mit einem Geldtäschchen ausrüsten. Endlich mögen Eltern einsehen, daß die Sache vom Bösen ist; aber sie allein kommen gegen das Uebel nicht auf. Weil die andern Kinder fast alle Geld haben, dürfen doch die übrigen auch nicht leer ausgehen.

. . . Ein kleiner Theil nur des erhaltenen Geldes wird zu Nothwrndigem verbraucht, wie etwa zur Anschaffung kleinerer Schulsachen oder für Erlaubtes, wie Znünibrödchen u. dgl. DaS meiste wird verstohlen, hinter dem Rücken der Eltern verkrümelt, vernascht, verschlecht, in die Konditoreien und Spielzeugladen ver-- tragen, vonhöheren" Schülern in die Cigarrenhandlungen und Bierhäuser. Dieser Art Sünden der Schüler heißen Legion und wachsen täglich neu.

... So lernen die Kinder das Geld gering schätzen und in »ichtswürdiger Weise wegwerfen. Beinebens verderben sie sich ihre Gesundheit. Daß sie in der Schule zerstreut von den Auf- ^ gaben abgezogen, unfroh und unaufgelegt zum Arbeiten sind, ist selbstverständlich. i

. . . Doch ei» noch viel größerer Schaden ist der noch mehr ? innerliche. Die Kinder werden durch den Geldbesitz und durch das Verlangen darnach zur Verschlagenheit, zur Lüge, zum Be­trug und Diebstahl verleitet. Durch schwindelhafte Vorgabe, diese oder jene Anschaffung sei nothwendig, wird Geld erworben; ge­logen wird es um aufzubringen, gelogen noch, wenn die Miß- wirthschaft offen vorliegt. Belege sind in reicher Zahl vorhan­den. Es ist festgestellt, daß Mädchen, welche lange in Kondito­reien gelaufen, das allda verbrauchte Geld gestohlen haben, daß Kinder an der Hanskasse sich vergriffen, Vätern und Müttern Geld aus deren Kleider entwendeten, sich Beliebiges daraus kauf­ten und dann zu Hause als Geschenk von dieser oder jenen Seite vorweisen.

Solche schwere Vorwürfe treffen glücklicher Weise nicht alle Schüler. Aber die Gefahr der Ansteckung, die stete Versuchung, ebenfalls unehrlich zu werden, ist bei der vielfachen Berührung unter der Schülermasse sehr groß, die sittliche Widerstandskraft, die Macht des Gewissens dagegen oft gering.

Halbe Maßregeln helfen gegen solch' ein Uebel nicht. Da schlägt nur das eine Mittel durch, daß alle Eltern es sich zur ernstesten Pflicht mache», den Schulkindern gar kein eigenes Geld, weder wenig noch viel zur freien Verwendung zu übergeben und streng darüber zu wachen, daß sie nicht über anderweitiges Geld verfügen. Zum Essen und Trinken können und sollen sie auf die gehörige Zeit zu Hause sein; das Znüni für die Schule rc. sollen sie von dort mitbringen. Bei den üblichen Spaziergängen brauchen die Kinder gar kein Geld, wie es auch reine Mißbräuch- lichkeit ist, wenn sie zu denselben mit Feldflaschen und Mundpor­tionen aufrückcn. Der begleitende Lehrer wird ihnen zukommen lassen, was nöthig ist.

Belohnungen und Geschenke an Geld, die den Kindern zu­kommen, sollen konsequent in eine Sparbüchse gelegt werden. Dadurch soll der Sparsamkeitssinn genährt und das tiefsittliche Moment, das im Erwerb liegt, zum Bewußtsein gebracht werden. Vor Geiz sind sie durch gelegentliche Spenden gegenüber Unglücks- ! fällen leicht zu bewahren.Mit Geld umgehen, lernen Kinder nur, wenn sie unter strenger Aufsicht der Eltern einzelnes Nöthige sich anschaffen, den nichtverbrauchten Rest des Geldes aber neuer­dings aufsparen. Rechnungsführung über seinen KaMnbestand > lehrt das Kind, das Geld und dessen Gebrauch werthen.

Allerlei.

Die Mütter dürfen stolz sein auf die Ehrennamen, die ihnen die Sprichwörter aller Völker geben. Muttertreu, sagt . der Deutsche, wird täglich neu. Ist die Mutter noch so arm, i gibt sie doch dem Kinde warm. Wer der Mutter nicht folgen ! will, muß zuletzt dem Geritchtsdiener folgen, Besser, einen reichen Vater verlieren als eine arme Mutter. Was der Mutter ans Herz geht, geht dem Vater nur ans Knie. Im Hindu- stan'schen heißt es: Mutter mein, immer mein, möge reich oder arm ich sein. Der Venetianer sagt: Mutter, Mutter! wer sie hat, ruft sie, wer sie nicht hat, vermißt sie. Der Russe sagt: Das Gebet der Mutter holt vom Meeresgrund herauf.

Czeche und Lette sagen: Mutterhand ist weich, auch wenn sie schlägt. Fast alle Völker haben das Sprichwort: Eine Mutter kann eher sieben Kinder ernähren als sieben Kinder eine Mutter. Ueber den Verlust der Mutter sagt ein Sprichwort der Russen: Ohne die Mutter sind die Kinder verloren wie die Biene ohne Weisel.

N ewyor k, 23. Sept. (Per transatlantischen Telegraph.) Das Postdampfschiff des Nordd. Lloyd Rhein, Capt. H. C. Franke, welches am 9. September von Bremen und am 12. September von Southamp­ton abgegangen war, ist heute Morgen wohlbehalten hier angekommen.

Verantwortlicher Redakteur: Steinwandel in Nagold Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung in Nagold.