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Thätigkeit nie vergessen werde, tause ich dies Schiffchen auf Befehl Seiner Majestät unseres Allergnädigsten Kaisers und KönigsNachtigal"! Fahre glücklich über das Meer, hin nach Kamerun, halte der Allmächtige das Unglück stets ferne Deinem Kiel! Sei den dunklen, neuen deutschen Unterthanen ein stetes Zeichen, wie hoch Nachtigal in der Heimat geschätzt wurde"".

Nach diesen Worten zerschellte Vizeadmiral von Wickede die vor dem Bug des Schiffes hängende Flasche deutschen Schaumweins, und es vollzog sich darauf glatt der Stapeltauf.

Hlages-WeuigkerLen.

Calw, 24. Juni. Die am 5. v. Mts. hier wegen Verdacht des Kindsmords zur Haft gebrachte Ernestine Zipperer (Wochenblatt Nro. 54) wurde gestern vor dem Schwurgericht in Tübingen unter Ausschluß mildernder Umstände zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Angeklagte hatte schon bei der Voruntersuchung vor dem K. Amtsgericht hier zugegeben, das Kind in der Absicht es zu ersticken, in eine Kiste gepackt zu haben.

Stuttgart, 23. Juni. Gestern abend 6 Uhr traf die Sing- Halesen-Karawane hier ein. Am Güterbahnhofe in der Kriegsberg­straße warteten zahllose Neugierige auf den Extrazug, der aus 12 Güter­wägen bestand und über 40 Personen und ebensoviele Tiere enthielt. Für die bessere Gesellschaft, Priester, Frauen, Kinder waren 3 Omnibusse bestellt, die übrigen dienten als Führer der Tiere. 4 Riesenelephanten trugen ihre Führer, die mittleren und kleineren Elephanten, gegen 12, die Zeburinder und Ziegen wurden an Leinen geführt. Morgen beginnen die Produktionen.

Aus Nills Tiergarten. Daß der Kuckuck seine Eier in fremde Nester legt, daß er die Aufzucht seiner Jungen andern Vögeln über­läßt, wissen wir aus der Naturgeschichte; wie wenige aber haben je einen wirklichen, lebendigen Kuckuck gesehen! Im Tiergarten ist seit gestern ein junges Exemplar, das von einem Rotbrüstchen geätzt wird. Die aufopfernde Nährmutter hat gerade genug zu thun, dem Nimmersatten Pflegling Nahrung anzuschaffen und in den Schnabel zu stopfen. Die Riesenschlange hat ca. 20 Eier (in der Größe von Gänseeiern) gelegt. Sie hat sich zum Brüte­geschäft um dieselben gerollt und ihren Körper turmartig darüber aufgebaut. Zwei junge Axishirschchen, vor Kurzem zur Welt gekommen, sind schon recht munter und betrachten mit ihren klugen Augen die Besucher. Seit einigen Tagen sind der Eisbär und die braune Bärin wieder in einem Zwinger vereinigt.

Cannstatt, 22. Juni. Wir gehen unserem Württemberg. Landes­schützenfest mit Riesenschritten entgegen. Die Stadt rüstet sich auf einen herzlichen und würdigen Empfang. Das Schießhaus ist aufs zweckmäßigste umgebaut, der Schießstand und Scheibenstand sind mit größter Sorgfalt her­gerichtet und die Sicherheitsvorkehrungen in bester Ordnung. Der Festplatz auf dem Wasen, welcher sich bekanntermaßen zur Abhaltung von Festlichkeiten außerordentlich eignet, wird mit elektrischem Licht eingerichtet. Eine Menge von Bierhallen, Schießbuden, Karussels, darunter einige neueste amerikanische Dampfflottenkarussels, Variete-Theater und sonst alle mögliche Schaubuden werden ein schönes und heiteres Bild entfalten. Fünf Militärkapellen und die Kurkapelle werden abwechslungsweise auf dem Festplatz und in den Kur­anlagen konzertieren. Im Kursaal findet Festmahl, Festbankett, Festball bei elektrischer Beleuchtung statt; ebenso wird in den Sulzerrain-Anlagen elek­trisches Licht eingerichtet, welches durch den waldigen Hintergrund und durch die herrlichen und wunderbaren Naturreize einen feenhaften Anblick gewähren wird, nebenbei das großartige Feuerwerk, die italienische Nacht, bengalische Beleuchtung rc.-rc. Die Ehrengaben werden in immer reicherem Maße ge­spendet. Dl« Schützengilde gibt sich alle erdenkliche Mühe und werden keine Kosten gescheut, das Fest zu einem ganz großartigen zu gestalten. Außerdem bietet ja unsere schöne Bade- und Luftkurstadt im Herzen des Landes und

in reizender Lage landschaftliche Schönheiten, wie sie ja die Phantasie nicht üppiger auszumalen vermag. Auch ist mit allerhöchster Genehmigung den Schützengästen der Besuch der königlichen Schlösser Wilhelma, Rosenstein und der Villa Berg in den üblichen Stunden gewährt worden.

Untertürkheim, 22. Juni. Gegenwärtig ist es eine Lust, in die Weinberge hinauszugehen und die herrlichen Düfte der Heuer so reich blühenden Reben einzuatmen. Seit vielen Jahren haben wir diese Menge von Traubenansätzen nicht gesehen. Die Witterung für die Blüte war bis jetzt vorzüglich; allerdings ist jetzt die Temperatur bedeutend her­untergegangen. Hoffen wir, daß die Witterung bald wieder günstiger wird!

Göppingen, 21. Juni. Am letzten Sonntag früh wurde in den hiesigen Stadtwaldungen ein notorischer Wilderer beim Anrichten von Rehfangschlaufen auf frischer That ertappt. Derselbe treibt diese verwerfliche Art, das Wild zu fangen, schon lange Zeit. Im Laufe eines Jahres wurden ca. 7 Stellen aufgefunden, welche Spuren von den Leiden der gefangenen Tiere deutlich erkennen ließen. So wurde kürzlich eine gefangene Rehmutter und neben ihr das ohne Zweifel dem Hungertode erlegene Junge aufgefunden.

Bietigheim, 19. Juni. Die Pferde eines Fuhrmanns aus dem nahen Bissingen wurden vor einigen Tagen von einem Bienenschwarm, den der Besitzer durch die unmittelbar vorhergegangene Wegnahme der Vor­räte gereizt hatte, überfallen und so zugerichtet, daß eines derselben bald darauf verendete. Die Flucht war den armen Tieren unmöglich. Durch den ersten Versuch hiezu kam der Wagen aus seiner Richtung und die Last auf demselben hielt die Deichsel mit den Pferden fast senkrecht in die Höhe. Der Beschädigte und der Bienenvater haben einen friedlichen Ausgleich einem Prozesse vorgezogen.

Tuttlingen, 20. Juni. Zu dem hiesigen Wollmarkt, der vom letzten Dienstag bis Donnerstag andauerte, waren im Ganzen 1200 Zentner Ware beigeführt, welch letztere meist hell und trocken war. Nachdem von auswärtigen Märkten her ein bedeutender Rückgang im Preise bekannt war, waren die Schafhalter wohl darauf gefaßt, diesmal ihre Ware wohlfeil losschlagen zu müssen. Die Preise bewegten sich meistens zwischen 118 und 128 bessere Bastard kostete 130140 ^ Es war jedoch meistens ge­mischte Ware gelagert. Im allgemeinen ist ein Abschlag von 18 per Zentner zu verzeichnen. Sämtliche gelagerte Ware fand ihre Abnehmer.

Ebingen, 20. Juni. In Truchtelfingen kam gestern ein bettelnder Strolch in ein Bauernhaus, dessen erwachsene Bewohner mit der Heuernte beschäftigt waren. Als sie heimkamen, wurden alsbald 2 silberne Taschenuhren vermißt und der Verdacht fiel gleich auf den Vagabunden. Dieser hatte mittlerweile bei einem hiesigen Pfandleiher glücklicherweise das einzige Geschäft dieser Art in Ebingen seine Beute zu verwerten gesucht, hatte jedoch Verdacht erregt und war verhaftet und ans Amtsgericht Balingen eingeliefert worden. Der Verhaftete ist kein eigentlicherarmer Reisender", sondern aus dem nur wenige Stunden entlegenen Ort Bisingen, von wo er schon öfters solche Streifzüge in der Umgebung unternommen haben soll.

Frankfurt a. M., 20. Juni. Zweimal innerhalb acht Tagen ist unsere Stad! von einem starken Hagelwetter schlimm zugerichtet worden, nicht blos Früchte, Pferde und Menschen, auch Häuser sind arg beschädigt Der Schaden des letzten Gewitters vom Mittwoch Abend war durch einen besonderen Umstand erheblich vergrößert worden. Man hatte nämlich behufs Spülung der Kanäle einen Teil der Schieber gestellt. Diese konnten abends nach 9 Uhr nicht schnell genug in die Höhe gezogen werden, um der herab­stürzenden Wafsermasse freien Durchlaß zu geben. So kamen denn massen­hafte Ueberschwemmungen vor; im Cafe Bauer, Cafe Neuf, Erlanger Hof, Wintergarten u. a. O. drang das Wasser gleichzeitig von unten und von oben durch die vom Hagel zerschlagenen Glasdächer in die Restaurationssäle und setzte diese vier Fuß hoch unter Wasser. Die Gäste, besonders die Damen

der beiden Personen sei, führte Leo seinen Feldstecher zum Auge; eben verdeckte die eine der Frauen die andere seinen Blicken; dieselbe trug einen roten bas- kischen Mantel und war offenbar eine Bäuerin von spanischer Nationalität; in der Hand hielt sie einen großen Strauß von Gebirgs- und Wiesenblumen, um derentwillen sie vielleicht so häufig sich zur Erde bückte. Jetzt kam auch die zweite Person zum Vorschein; sie hatte ihm den Rücken zugewandt, und und mit Ueberraschung konnte Leo mit Hilfe seines vortrefflichen Fernglases erkennen, daß dieselbe höchst elegant nach der Pariser Mode gekleidet war und eine junge graziöse Dame sein mußte. Plötzlich erhob sich dieselbe aus ihrer gebückten Stellung und wandte sich mit ihrer Begleiterin zum Näher­kommen auf den Ausgang des Thales zu. Ein Schauer durchrieselte Leo, und erschreckt ließ er fast das Fernglas seinen Händen entfallen: er glaubte ein bekanntes, teures Gesicht zu erkennen! Schnell und erregt blickte er von Neuem nach der Dame im Wiesengrund, und mit einem lauten Freudenruf flog er den Abhang des Hügels hinab den Frauen entgegen; er hatte Therese erkannt, und laut den geliebten Namen hinausrufend, achtete er nicht der Gefahren des steilen Hinunterrennens. Erst als er den beiden Frauen sich fast unmittelbar genähert hatte, gewährten dieselben den auf sie zueilenden Offizier.

Therese!" rief Leo mit leidenschaftlicher Wärme und breitete die Arme

aus.!

^Leo!" war Hie freudig erschreckte Antwort des jungen Mädchens, das dem Offizier an die Brust flog.

Erstaunt blickte.die Gebirgsbäuerin auf, die keine andere als Katharina, die Frau des Biaritz, war, und als sie sogleich die Scene verstand, entfernte sie sich diskret abseits!, umgallein ihr Suchen nach wilden Erdbeeren fortzu­setzen.

Gott sei's gedankt, Therese, daß ich endlich Dich gefunden habe", sagte Leo, indem er freudetrunken das Mädchen in seine Arme schloß.Aber wie kommst Du hierher ins Gebirge?"

O , Leo , auch ich bin so glücklich", flüsterte Therese mit glühenden Wangen;ach, ich war so traurig und fühlte mich so unglücklich"

O, Du mein Engel!" unterbrach Leo das Geständnis des naiven Kin­des;aber rede, welcher Zufall gewährt mir diese selige Minute des un­verhofften Wiedersehens, Therese?"

Das ist ganz einfach" , antwortete sie;ich bin auf der Reise nach Spanien, wo ich mit meiner Familie wohnen werde. Eine plötzliche Erkrankung meiner Mutter hat mich gezwungen, hier Halt zu machen, und da unsere Hauswirtin dort mir gesagt, daß so köstliche Walderbeeren hier zu pflücken seien, so bin ich hinausgegangen, um unser Dessert hier zu sammeln. Und Du, Leo, wie kommst Du von Paris hierher?" fragte sie.

Ich liege mit meinem Regiment nicht weit von hier in Standquartier", antwortete er, und da er aus Furcht, sie zu erschrecken, ihr nicht den wahren Grund, daß er zur Ergreifung eines Räubers ausgeritten sei, gestehen wollte, so fügte er hinzu:Die Lust, die Gegend zu besehen, veranlaßte mich zu einem Spaziergange bis hierher. O Therese, jetzt, da ich Dich wieder­gefunden, will ich Dich auch nicht wieder verlieren, nein, nie mehr!"

Theresens vorher so glückliche Mienen nahmen einen traurigen Ausdruck an, und tonlos erwiderte sie:

Ach, und dieses Unglück steht uns doch bevor! Morgen schon setzen wir unsere Reise nach Spanien fort; heute hat mein Vater es beschlossen."

Um Gotteswillen, ist es möglich!"

Leider ja. Kaum habe ich mein Glück in diesen sonst so langweiligen Bergen wiedergefunden, so muß ich auch wieder von Neuem mich davon los­reißen."

Leo war zu glücklich im Wiederbesitz des geliebten Mädchens, als daß er die Idee einer neuen Trennung hätte annehmen mögen.

(Fortsetzung folgt.)