60. Jahrgang.
Mo. 74.
Amts- unä JateüigenMatt für «len Rezirß.
Erscheint Dienstag , Donnerstag L Samstag.
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Donnerstag, äen 25. Juni 1885.
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H'otililche Wcrchrrichten.
Deutsches Reich.
— Der Kaiser ist am 22. ds. wohlbehalten in Ems eingetroffen.
— Prinz Friedrich Karl von Preußen lebt in dem Gedächtnis der Menschen meist nur als der rücksichtslose, thatkräftige und schneidige Reiter« General, der jeden Augenblick gern und freudig bereit war, sein und seiner Soldaten Leben an die große und heilige Sache des Vaterlandes zu setzen. Ein Helles Streiflicht aber auf seine humane Gesinnung, auf seinen ritter« lichen Charakter wirft der Armeebefehl, welchen der Prinz als Befehlshaber der zweiten Armee am 6. August 1870 vor dem Betreten des französischen Bodens von seinem Hauptquartier Homburg aus erließ und der, wie die „K. Z." hervorhebt» an dem tapferen Soldaten nicht nur den zielbewußten Mut, sondern auch das gute Herz in schlichten Worten dqr- legt. Der Aufruf, dessen Beherzigung und Würdigung mqn auch, den Franzosen empfehlen möchte, lautet: Soldaten der zweiten Armee! Ihr betretet den französischen Boden. Der Kaiser Napoleon hat ohne allen Grund an Deutschland den Krieg erklärt; er und seine Armee sind unsere Feinde. Das französische Volk ist nicht befragt worden, ob es mit seinen deutschen Nachbarn einen blutigen Krieg führen wolle, ein Grund zur Feindschaft ist nicht vorhanden. Seid dessen eingedenk den friedlichen Bewohnern Frankreichs gegenüber , zeigt ihnen, daß in unserm Jahrhundert zwei Kulturvölker. selbst im Kriege miteinander die Gebote der Menschlichkeit nicht vergessen. Denkt stets daran, wie eure Eltern in der Heimat es empfinden würden, wenn ein Feind, was Gott verhüte, unsere Provinzen überschwemmte. Zeigt den Franzosen, daß das deutsche Volk nicht nur groß und tapfer, sondern auch gesittet und edelmütig dem Feinde gegenüber ist.
— Die Begräbnisfeier des verewigten Feldmarschalls v. Mante u f f e l in Topper hat am Sonntag Nachmittag, wie aus der „K. Z." zu
F e « i l l e 1 o «.
Zm U-grrr«Se.
Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: „Ein Vampyr.")
(Fortsetzung.)
Während diese Unterredung zwischen den verwandten jungen Leuten vor sich ging, rannte Jsmael mit der Behendigkeit eines zwanzigjährigen Burschen durch die Straßen von Cauterets, durchsuchte alle Winkel und betrat alle Kneipen, indem er ungeduldig und zornig vor sich hinknurrte:
„Wo, beim Henker, können sie nur stecken, die Schurken! Weder den ungeschlachten Bären von Biaritz, noch den kleinen Spitzbuben finde ich. Wo sie nur wieder beim Glase sitzen mögen, die Saufbolde!"
Endlich entdeckte er sie in der schlechtesten Wirtsstube des Ortes, wie sie eben miteinander um die Zeche würfelten. Hastig trat er auf sie zu, und nachdem er sich schnell vergewissert, daß sie allein seien, flüsterte er ihnen leise und ängstlich zu:
„Wer will schnell eine gute Neuigkeit zu Jnigo Torreguy bringen?"
„Ich! ich!" lautete zugleich die Antwort der Beiden.
„Einer genügt", sagte Jsmael, „ich denke, Du besorgst es, Juan; Biaritz kann mich morgen begleiten, wenn ich zum Chef gehe, um mit ihm zu rechnen und seine Befehle zu empfangen. Bist Du bereit, Juan?"
„Sofort, um was handelt es sich?"
„Einen Brief mit einer hochwichtigen Nachricht sollst Du dem Chef bringen."
„Was denn? Welche Nachricht?"
Jsmael dämpfte seine flüsternde Stimme noch mehr:
„Der reichste Banquier von Bilbao, Don Balthasar Higuierro, verläßt morgen Cauterets, um durchs Gebirge nach Hause zurückzureisen. Er führt große Summen bei sich, denn er hat eine Staatsanleihe abgeschloffen und
entnehmen ist, in würdigster Weise stattgesunden. Nach Einsegnung der Leiche wurde der Sarg auf den Gottesacker hinausgetragen, wo zur Seite der dem Verstorbenen im Tode voraufgegangenen Gemahlin die letzte Ruhestätte bereitet war. Nach der Einsenkung und einem Gebet des Dorfgeistlichen streute Prinz Albrecht, sichtlich tief ergriffen, drei Hände voll Erde auf den Sarg, küßte dann der Tochter des Verstorbenen die Hand und umarmte und küßte beide Söhne dreimal. Nachdem die Feier beendet, wurden im Schlöffe den Trauergästen Erfrischungen dargeboten, alsdann führte ein Extrazug dieselben nach Frankfurt zurück.
Kiel, 20. Juni. Heute fand auf der Germania-Werft zu Gaarden bei Kiel die Feierlichkeit des Stapellaufes des Dampfers für den Gouverneur von Kamerun unter dem üblichen Zeremoniell statt. Der Vizeadmiral v. Wickede vollzog den Taufakt mit folgender Rede:
. . „„Wenn wir-in-früheren Zeiten zu den Namen heidnischer Götter unsere Zuflucht-nahmen, um unsere Schiffe, zu bezeichnen^ so hat in neuerer Zeit Se. Majestät der Kaiser die hübsche Sitte, eingesührt, dieselben von höchsten Persönlichkeiten oder angesehenen, um den Staat verdienten Männern- zu entlehnen. Kein Nachruf kann beredter sprechen, kann ein schöneres Denkmal für Verstorbene sein als eine solche Auszeichnung! Die ersten Schritte für die Kolonieen sind geschehen. Jetzt gilt es festhalten, um mit deutscher Energie und deutscher Ausdauer dieselben einem geordneten und segensreichen Gemeinwesen entgegen zu führen. Dies schmucke Schiffchen hier mit seiner praktischen zweckentsprechenden Bauart soll dazu dienen, dem Gouverneur von Kamerun ein Hauptmittel zur Erreichung des vorgesteckten Zieles zu sein. Deutsches Ansehen, deutsche Macht soll dasselbe befestigen helfen. Wir begrüßen deshalb diesen Bau als den kleinen Anfang, der zum Großen führen soll. Und damit dort draußen der Name desjenigen Pioniers derZivilisation, der so Hervorragenves bei der Erwerbung unserer Kolonien geleistet, der sein Leben dabei gelassen hat, auch in der Ferne auf dem Schauplatz seiner
persönlich die nötigen Gelder in Paris abgeholt; er läßt sich deshalb von einer starken Eskorte berittener Gensdarmen durch die Pyrenäen begleiten, wahrscheinlich von etwa zwanzig Mann. Verstanden?"
„Prächtig! Ich lauf' aus Leibeskräften!" sagte Juan und stürzte den Rest seines Glases hinunter. Etliche Minuten später war er schon um die Ecke der langen Gasse verschwunden und hatte den freilich beschwerlicheren, aber auch kürzeren Weg ins Gebirge eingeschlagen.
— An der Spitze eines Zuges von Dragonern bog am folgenden Nachmittag Leo von Villefleur aus der Landstraße von Cauterets nach der Richtung des Gavarnilthales ein, und die Sonne neigte dem Ende ihres Laufes zu, als er sich dem Eingang der schönen Thalschlucht von Offone näherte; die Spitzen der Berge waren in rosigen Schimmer getaucht, und gegen das reine Blau des weiten Himmelsgewölbes stach wunderbar der frische Farbenschmelz der sommerlichen Gebirgslandschaft ab. Beim Beginn des Thalcs ließ Leo seine Soldaten absitzen und Rast machen. Während die Leute Pfeifen anzündeten und sich ins weiche Gras streckten, unterdes ihre Tiere sich an dem saftigen Futter erlabten, das in reicher Menge den Weg säumte, erstieg Leo einen mäßigen Hügel, von welchem aus er einen freieren Ausblick in das Thal genießen und sich der Bewunderung dieser herrlichen Natur hingeben wollte. In der Thal hatte er von diesem Punkte aus, der ihn kaum etliche hundert Schritte von seinen Reitern trennte, eine Fernschau, die er drunten auf der Straße nicht geahnt hatte; das ganze Gavarnilthal mit' seinem mächtigen Amphitheater, den Schneekuppen, Gletschern und Gießwäffern, mit den smaragdnen, blumendurchwirkten Wiesenteppichen und den silberglänzenden Bächlein dehnte sich vor ihm aus, und die untergehende Sonne gab diesem reichen Bilde einen unvergleichlichen Goldgrund. Eine Zeit lang hatte Leo diese Aussicht mit Entzücken und Begeisterung genoffen, als plötzlich sein scharfes Auge in einiger Entfernung inmitten des blumigen Grüns zwei Frauen entdeckte, die sich häufig bückten und langsam in der Richtung nach seinem Standpunkte hin sich bewegten. Um zu sehen, was das Beginnen