der vorherigen Annahme des Memorandums der drei Kaisermächte durch den Nachfolger Addul Aziz'. Danach scheint man entschlossen, sich nicht einfach vor den Lhalsachen zu beugen, oder die vereinbarte Politik durch die Schachzüge anderer, hier Englands, durchkreuzen zu lassen.
Die „Turguie" veröffentlicht einige Actenstücke über die Entthronung und den Tod des Sultans Abdul-Aziz. Zunächst erfahren wir den Spruch des Scheik-ül-Islam, der das Schicksal Abdul Aziz entschied. Der Scheik ül-Jslam ist der berufene Ausleger des Koran, und jede ungewöhnliche polizeiliche Handlung bedarf seines Gutachtens „ox catkackraDies erfolgt auf Grund einer motivirten Fragestellung, die im vorliegenden Falle also lautete: „Begehren: Wenn der Beherrscher der Gläuoigcn ein unsinniges Betragen einhält, und wenn er nicht die zum Re- gieren erforderlichen Eigenschaften besitzt; wenn er persönliche Ausgaben macht, welche das Reich nicht erschwingen kann; wenn sein ferneres Verbleiben auf dem Throne verderbliche Folgen haben must — ist cs geboten, ihn avzusetzen, Ja ober Rein 2" Hierauf erfolgte nachstehende Antwort: „Der Cheria. (das religiöse Gesetz) sagt: Ja. Gez. : Der Scheik ül-Jslam Hassan Hairullah, dem Gott seine Barmherzigkeit rmgeüeihen lasse!"
London, 10. Juni. Es circnlireu hier Gerüchte, welche allerdings noch der Bestätigung bedürfen, wonach die englische Regierung ernstlich sich mit der Absicht träge, Helgoland au Deutschland zu überlassen. Als vor einigen Tagen in einer lithographirten Korrespondenz diese Rachrichl anflauchle, glaubte» wir sie ignoriren zu dürfen. Heute, da sie der Telegraph übermittelt, scheint sie beachtciiswerth. Welchen Grund har England, jo must man fragen, dem deutschen Reich ein solches Cadeau zu Fristen zu legen? Was kostet der Spast? Welchen Gegendienst verlangt man von uns? Denn die Engländer lhun bekanntlich nichts umsonst. Oder sollte es auch von dieser Depesche heisten: „Gelogen, wie telegraphirt."
Wie die New-Aorker Harrdels-Ztg. erzählt, wurde am 18. v. M. ein Mann >» Philadelphia, welcher — wahrscheinlich nicht ohne Grund — sein Fräulliu Tochter geohrjeigt hatte, zu 2 Monaten Gesängniß verurtheill, weil, wie ihn der Richter belehrte, das „väterliche Züchligungsrecht" auf erwachsene Kruder keine Anwendung finden.
Der Ammeister von Strastbnrg.
(Fortsetzung.) L-
Rasch berief er den Nalh zusammen und überlegte, was zu lhun fei; ob man es nicht auf die eigene Kraft, wie es sein Wunsch und Wille fei, ankommen lassen und dem Feinde, der wie ein Räuber diejSladt überfallen, die tapfere Stirn dielen solle.
„Unsere' Mauern und Wälle find fest," sprach er mit dem heiligen Ernste der Ueberzeuguug, nnd wenn auch ein groster Theil unserer Mitbürger augenblicklich nicht daheim ist, worauf der Feind wohl seinen verräthcrifchen Plan gedarrt haben mag, so wird doch kein Bürger, möge er reich oder arm, jung oder alt sein, säumen, der Berlheidigung feines Heerdes seinen Arm zu leihen. Die Wachen an den Thoren sind treu."
Er konnte nicht fortfahren, ein Bürger stürzte athemlos in die Rathsversammlung und rief angstvoll: „Verrath! Verrath! Die Wache an dem Weißenthurmthor hat den Schlüssel — der Stadtschreiber will den Franzosen den „Lug iu's Land" übergeben. Wir sind verloren!"
Herr Dominikus erblaßte, die Rathsmänner standen erstarrt.
„Günzer ein Berräther!" murmelte der Ammeister, „es kann nicht sein. Harret meiner hier, liebe Freunde!" setzte er laut und gefaßt hinzu, „ich werde mich selbst davon überzeugen und den Bescheid bringen."
Er eilte fort, kaum wollten die zitternden Füße den wackern Patrioten tragen. — Dieser Schlag war der härteste, der ihn in feinem langen makellosen Leben getroffen. Nur zu bald mußte der Amweister sich von der Wahrheit des Verraths überzeugen und das entsetzliche Wort verkünden: „Wir sind verloren, unsere Stadt ist dem Feinde überliefert, jeder Widerstand ist vergeblich und nutzlos!"
Stumm hörte der Rath die furchtbare Verkündigung an, Manchem rollte eine Thräne über die erblaßte Wange.
Der Ammeister fand zuerst feine Fassung wieder, die niederschmetternden Schläge des Schicksals schienen den wunderbaren Mann gestählr zu haben.
„Fassen wir unser« ganzen Muth zusammen, liebe Herren und Freunde!" begann der Ämmeistcr mit fester Stimme, „die Bürgerschaft sieht in ihrer Nolh und Angst auf uns, als ihren einzigen und letzten Halt; suchen wir also auch das Einzige und das-Letzte zu retten, unsern Glauben und unsere Privilegien!"
Der Rath sah die Nothwendigkeit, das Theuerste und Heiligste aus dem Schiffbruch zu retten, ein und begleitete den Immeister nach dem Weißenthurmthore, um sich durch eigene Anschauung von dem Verrath zu überzeugen.
Die Kunde hiervon hatte sich bereits blitzschnell in der ganzen Stadt verbreitet. Jammer und Wehklagen, Flüche und Verwünschungen gegen die Berräther erfüllten die Luft.
Der Rath mit dem regierenden Ammeister an der Spitze
erstaunte schmerzlich, als er erfuhr, daß König Ludwig XIV. mit seinem ränkevollen Munster Louvois bei den Truppen sich befinde und schon Anstalten getroffen habe, einen prächtigen Einzug in Siraßburg zu halten.
In der Kapitulation gelobte der König, die Stadt in allen ihren allen Rechten und namentlich auch in ihrer Religionsfreiheit zu schützen, worauf der Einzug in königlicher Pracht erfolgte.
Es schien den Bürgern in diesem geflissentlich entfalteten Glanz ein furchtbarer Hohn zu liegen, und die Thräne» des Zornes und der Scham um das so schmählich verlorene Kleinod deutscher Selbstständigkeit und Reichssreiheit schienen sich in der Pracht fremder Despotie höhnend zu spiegeln.
So wurde die alte stolze Reichsstadt durch Verrath und Feindeslist eine französische Provinzstadl; denn König Ludwig säumte nicht, trotz aller königlichen Versicherungen und Versprechen eine parke Besatzung hiueinzulegen und die Festungswerke bedeutend zu verstärken, »mein Hauptbollwerk gegen das deutsche Reich auf deutschem Boden selbst zu gründen,
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„Die Stunde rinnt auch durch den rauhste» Tag!"
So war auch dieser furchtbare Tag für Straßburgs Bürger vergangen und mit ohnmächtiger Wrnh im Herzen erfuhren die reichen Kaufleute, als sie von der Frankfurter Messe heimkehrten, den Untergang ihrer stolzen Selbstständigkeit, die sie nun schon über fechszig Jahre unter strengen Bedrohungen des welschen Nachbarn mit ungeheuer» Opfern vertheidigt und mannhaft bewahrt hatte».
Die Bürger sahen mit stillem Ingrimm, wie der Berräther Ulrich Obrecht vom König Ludwig mit Gnaden überhäuft und zum königlichen Prätor ernannt wurde, während der verräthen- fche Günzer nach wie vor aus des Königs Besehl Stadtschreiber blieb, aber sonst keine weiteren Gnadenbezeigungen erhiell.
Obrechl schien den klugen Kopf zu fürchten und seiner Beförderung entgegengearbeitet zu haben.
So glaubte wenigstens Günzer, und er mochte darin wohl Recht haben: Berräther Haffen sich stets gegenseitig und mißtraue» sich in Allem als natürliche Folge des Venraths, der »ur einer gemeinen und käuflichen Gesinnung entspringen kann.
Einige Wochen waren nach jener schmähliche» Ueberrumpelung Straßburgs verflossen. Dumpse Stille lastete aus der Bürgerschaft, die. sich in ihren heiligsten Interessen bedroht sah.
Frau Brigitta Dietrich mußte noch immer das Bett hüten, während Adrian's Heilung ebenfalls langsam, aber sicher von starten ging.
An diesem Krankenbett entfaltete sich ein stilles und süßes Herzeirsgehcimniß, die reinste aufopfernde Liebe, welche den Kranken und seine Pflegerin mit dem Zuuberband des Mitleids und der unbegrenztesten Dankbarkeit umschlang.
Herr Dominikas sah diese Liebe entstehen und wachsen und freute sich ihrer als der einzigen Blülhe stillen Glücks, welche der Sturm des Schicksals ihm am eigenen Heerd gelassen.
Er saß am Bett der kranken Gattin, deren Seele unaufhörlich bei dem verlorenen Kinde weilte, und erzählte ihr leise von Adrian und Ärmgard, um auch ihr Herz mit neuem Tröste und neuer Hoffnung zu erfüllen.
Als sie den Namen „Katharina" aussprach, verfinsterte sich sein Antlitz und fast hart bat er sie, den Namen der Unwürdigen nicht mehr zu nennen.
»Ist mir doch," fuhr er mit gepreßter Stimme fort, „als habe sie Theil an der Schuld der Berräther und um den Plan gewußt, der uns Alle verderben sollte. Möge das Blut, welches ihrethalben geflossen, nicht über sie kommen, das ist Alles, was ich für sie erbitten mag vom Himmel. Der schändliche Verführer hat sie verlassen,, in Glanz und Würde prunkt er schamlos mit dem Preise seiner Judasthai."
„Und Du hast ihn nicht zur Rede gestellt, Dominikus?" fragte die Kranke mit matter Stimme.
„Habe ich Beweise seiner Schuld? — Und hätte ich solche, könnte ich ihn, den königliche Macht schützt, zur Strafe ziehen? Wollte Gott, das Grab deckle die Unselige."
Die Kranke schwieg, sie mochte nicht weiter fragen und der Gatte auch nicht mehr antworten; war doch nur Unheil und Gewalt zu berichten.
Ein Befehl verordnete bei einer Strafe von 100 Reichs- thaleru das Verbot, Korrespondenz mit andern Orten zu pflegen und Packete oder Briese zu verschicken, wodurch die Bürgerschaft von der Außenwelt völlig abgeschnitteu werden sollte.
Wer die festgesetzte Geldstrafe nicht erlegen konnte, dem sollte eine Lilie auf die Stirne gebrannt und der Unglückliche aus der Stadt verwiesen werden.
Ja, die französische Willkür nnd Schreckensherrschaft ging bald so weit, daß in einem Mandat den Frauen und Jungfrauen Straßburgs anbefohlen wurde, ihre alte deutsche Kleidertracht abzulegen und sich fortan nach französischer Mode zu kleiden, das beste und sicherste Mittel, ganz zu verwälschen.
„Armgard," sprach Frau Brigitta, als die Tochter noch spät in einsamer Nacht an ihrem Lager wachte, ,Du solltest zur