den südliche» Flügel der Fabrik in Asche legte. Hunderte von Arbeiter» sind dadurch beschäftigungslos. Der Schaden ist ein bedeutender, der gewissermaßen auch die Stadt trifft, indem das denkwürdigste Gebäude derselben, die alte Benediktinerablei, durch den Brand vernichtet wurde.
Wien, 8. Mai. Der „Reichs Anz." schreibt über die Ermordung der Consuln in Salonichi (s. u. Paris): Nach Eingang der Nachricht in Konstantinopel thaten die Botschafter Deutschlands und Frankreichs gemeinsam mit den übrigen Vertretern der fremden Mächte sofort die nöthigen Schritte bei der Pforte für den Schutz der Christen in Salonichi und die Einleitung einer strengen Untersuchung. Der Großvezier erklärte sich bereit, alle geforderten Maßregeln zu ergreifen. Der Sultan ließ sofort durch seinen ersten Adjutanten den Botschaftern Deutschlands und Frankreichs sein innigstes Bedauern über den Vorfall und die Zusage strengster Bestrafung der Schuldigen aussprechen. Ein türkisches Kriegsschiff ist bereits nach Salonichi abgegangen mit Echref Pascha und Dahann Effendi als außerordentlichen Commissäreu, denen der deutsche Consul in Peru, Gillet, und der zweite französische Botschafts-Dragoman, Robert, üeigegeben wurden. Au ßerdein ist ein türkisches Panzerschiff mit einer Verstärkung der Garnison nach Salonichi gesendet.
Paris, 7. Mai. Gestern kam Mac Mahon nach Orleans, um an dem Fest zur Erinnerung des Einzuges der Jungfrau von Orleans, verbunden mit einer landwirthschafilichen Ausstellung, Theil zu nehmen. Er wurde festlich empfangen und von dem Maire mit einer Ansprache begrüßt.
Paris, 7. Mai. Nach einer Meldung der „Agence Havas" aus Salonichi vom 6. Mai wären der dortige französische und der deutsche Konsul von den Türken ermordet worden; veranlaßtsei das Verbrechen dadurch,daß einejungeChristin,welchezumJslamüberzutreteu gedachte, durch Griechen gewaltsam den Türke n entrissen wurde. Es w e rd e n w e i ter e U n r u h e n b e s ü rchic t. Die Behörden haben keinerlei Maßregeln ergriffen und keine Schuldigen verhaftet. (Salonichi ist nach Konstautinopel die bedeutendste Handelsstadt des türkischen Reichs, der Sitz eines Geueralgouverneurs und der Konsuln fast aller Nationen )
Für die Pariser Ausstellung will mau einen Riesenballon konstrniren, deßgleichcn noch nicht dagewesen. Er soll eipen Inhalt von 18,000 Kubikmetern, einen Durchmesser von 33 Metern erhalten und 50 Personen von dannen tragen können.
Madrid, 5. Mai. Die Deputirtenkammer lehnte mit 103 gegen 12 Stimmen das Amendement zu Art. 11 der Konstitution ad, wonach der Kultus der Andersgläubigen nicht öffentlich ausgeübt werden soll.
Rom, 9. Mai. Ans Verlangen des Ministers des Auswärtigen ordnete der Marineminister an, daß sofort zwei Kriegsschiffe nach Salonichi abgehen.
Der Ammeisier von Straßburg.
(Fortsetzung.)
Günzer saß einige Minuten finster sinnend, da; Eifersucht, Haß und Rache tobten in seiner Brust, der Versucher hatte leichtes Spiel mit ihm, zumal die Geldgier keine der geringsten Leidenschaften des Stadtschreibers war.
Plötzlich fuhr er aus seinem Sinnen empor und heflete den Blick fest auf Ulrich Obrecht.
„Wenn Ihr mich haben wollt," sprach er leise, „dann laßt die Maske fallen, Obrecht! — Ich bin kein Kind, das sich gängeln und allerlei weiß machen läßt. Die Geschichte mit dein Ammeister ist eitel Wind, ich kenne Herrn Dominikus Dietrich besser und weiß, daß er lieber stürbe, als die Stadt verriethe. Schenkt mir klaren Wein ein, Euer blindes Werkzeug mag ich nicht werden; von meinem Hasse seid Ihr überzeugt, ich zweifle nicht mehr daran, daß der Ammeistcr mich nur hat vom Halse schaffen wollen, da der Stadtschreiber, so gewogen er ihm auch zu sein scheint, kein Eidam für ihn ist.
Was zögert Ihr also noch, mir Vertrauen zu schenken?"
Ulrich Obrecht leerte bedächtig sein Glas und schaute den Stadtschreiber prüfend an.
„Hm, die Sache hat zwei Seiten," meinte er dann achsel- zuckend, „Euer Haß ist Wahrheit, davon bin ich überzeugt. Wie aber, mein wackerer Günzer, wenn Ihr, im Besitze eines wichtigen Geheimnisses, zu dem Ammeister ginget, und ihm dasselbe um einen gewissen Preis verriethet?"
„Wie wenig kennt Ihr Dominikus Dietrich!" lachte Ganzer, „er würde mir schlechten Lohn dafür zahlen, am allerwenigsten den gewünschten. Nein, Obrecht, für so einfältig dürft Ihr mich nicht halten, es wäre eine Dummheit, die mich selber an'ä Messer liefern und meinen Durst nach Rache nimmer stillen würde. Ganzes Vertrauen oder keins, das ist mein letztes Wort; nicht Eurer Rache allein will ich dienen, sondern mit Bewußtsein handeln und den Preis kennen."
Einen Augenblick besann sich Ulrich Obrecht noch, dann blickle er vorsichtig umher; der neugierige Wirth hatte sich entfernt, sie waren gänzlich unbelauscht.
„So hört denn, Günzer! aber schwört mir—"
»Ich schwöre nichts," unterbrach ihn dieser rauh, „wo ein deutsches Manneswort nicht gilt, sind auch Eidschwüre überflüssig, Ihr habt mein Wort."
„Gut, ich bin damit zufrieden. — König Ludwig von Frankreich kann das schmähliche Ende meines Vaters nicht vergessen , er hat geschworen, das Krämervolk von Straßburg, welches dergleichen gewagt —"
„O, wozu die närrischen Aufschneidereien," unterbrach ihn der Siadtschreiber wieder spöttisch; „Ludwig der Vierzehnte wird sich den Kuckuk um den Tod eines Straßburgers Doktors scheeren, wenn dieser auch in seinem Solde gestanden. Bleibt bei der Sache und sagt einfach, wie die Sache ist; daß der französische König Slraßburg um jeden Preis sein nennen und nun den Verralh und die List benutzen will, sich in den Besitz der deutschen Stadl zu setzen, die ihrer Haut sich so wacker wehrt, daß eine offenbare Belagerung doch am Ende drüben im Reich di- Schlafmützen aufwecken könnte."
„Nun, meinetwegen, nennen wir es so," flüsterte Obrecht ungeduldig. „Ihr seid ein seltsamer Mensch und macht unnützes Aufhebens um ein Wort, das nicht der vielen Rede wcrth. König Ludwig rechnet nicht ohne Grund auf meinen Haß und hat mir eine hohe Summe geboten, um einige zuvertässige Männer anzuwerben, welche ihn bei der Einnahme der Stadt unterstützen."
„Nennt mir die Summe."
„Dreimalhunderttauseud Lhaler," versetzte Obrccht langsam.
Des Stadtschreibers Augen funkelten mit habsüchtiger Gier bei diesen Worten, er nickte befriedigt.
„Wie vertheilt Ihr diese Summe?" fragte er hastig.
Obrecht lächelte lriumphirend; er wußte, daß er ihn jetzt völlig im Netze hatte.
„Einhundertlaufend für unsere Werkzeuge, die andern beiden für unS zu gleichen Theilen," erwiderte er rasch.
„Gut, hier habt Ihr meine Hand, ich helfe dabei, wenn ich meinen Antheil in Händen habe."
„Er soll Euch in diesen Tagen eingehändigt werden, Ihr sollt Euch nicht zu beklagen haben, Günzer! Um von beiden Seiten ganz sicher zu gehen, fertigen wir einen Kontrakt in ckuplo aus. Seid Ihr damit zufrieden?"
„Bin's — und nun laßt Euren Plan hören!"'
„Dürft natürlich auch nicht vergessen, weiche Vortheile Eurer nach dem Gelingen warten; der König wird sülche Verdienste reich belohnen mit Aemtern und Würden. Männer, wie Dominikus Dietrich, kann Frankreich nicht gebrauchen — sie werden unschädlich gemacht!"
Der Stadtschreiber zuckte unmerklich zusammen, es regte sich der letzte Rest von Ehrgefühl in ihm, der ihm die Rothe der Scham in's Antlitz trieb.
„Zur Sache," drängte er ungeduldig.
„Bin ja dabei — Ihr dürft die Sache nicht von der schwärzesten Seite betrachten, Günzer! — sondern philosophisch darüber Lenken. Schon unsere persönlichen Gründe sind gewichtig genug, eine Rechtfertigung vor dem eigenen Gewissen zu finden, wenn diese nöthig sein sollte. Ich habe den Vater zu rächen, Ihr eine tödtliche Beleidigung, einen Schimpf, der alle Eure Hoffnungen und Pläne mit einem Schlage vernichtet hat."
»Ja, ja," murmelte Günzer, „sein Betragen gegen mich gab mir Hoffnung, eine Art Berechtigung zu meiner Werbung; er har mich betrogen — möge er dafür verderben."
„Was nun die allgemeinen Gründe einer solchen Handlung betrifft," fuhr Ulrich Obrecht ruhig fort, „so finde Ich auch diese gewichtig genug, um uns zu rechtfertigen. Straßburg hat als freie deutsche Reichsstadt keinen Halt, keinen Schutz an Deutschland, das selber im Großen und Ganzen zu zerrissen und zerstückelt ist, um den eigenen Kindern in der Roth wirksam beistehen zu können; es ist weder Ehre noch Ruhm, weder Vortheil noch Sicherheit beim Deutschen Reiche zu finden, «nd ohne solche kann eine einzelne Stadt, besäße sie auch Mauern wie weiland Jerusalem, nicht fürder bestehen, sie muß sich anlehnen können an eine mächtige Nation, an das große, herrliche, unüberwindliche Frankreich, und aus diesem Grunde, den Niemand umzustoßen vermag, wird unsere Thal eine gesegnete sein für Straßburg, zumal der König alle Privilegien der Stadt schützen und aufrechterhalten wird."
Günzer halte aufmerksam zugehört ; jetzt nickte er beifällig und sprach mit einem zufriedenen Lächeln: „Ihr versteht's, den Mohren weiß zu waschen und den Gottseibeiuns in einen Erzengel umzuwandeln, Obrecht! Zu meiner eigenen Beruhigung lasse ich Eure Gründe gellen, doch rückt nun endlich mit Eurem Plane heraus."
„Wir haben nur noch wenige Wochen zur Frankfurter Messe," begann Obrecht nach einer Weile scheu und so leise, als fürchte er sich vor der eigenen Stimme, „dieser Zeitpunkt ist unserm Plane insofern außerordentlich günstig, als sodann die Mehrzahl der vornehmen Kaufleute sich dorthin begibt. Wenn wir nun mit Hülfe des Geldes eine Anzahl Männer, natürlich Bürger der Stadt, anwerben, welch- die Franzosen auf heimlichen Wegen herbeiführen und ihnen die schwächsten Seiten der Stadt zeigen^