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— Aus Zell schreibt man der „Eßl. Ztg.": „Am 13. Juni 1884, also nach meiner Aufzeichnung am 8. Sommertag des vorigen Jahres, bemerkte ich dahier die ersten blühenden Trauben. Es kamen nun aber in diesem Jahre an demselben Weinstock schon am 5. (nach hiesiger Beachtung 7. Sommertag) blühende Trauben zum Vorschein, woraus ich folgere, daß die Entwickelung der Vegetation dem vorigen Jahre um 8 Tage voran ist. Der April ließ ja alles so herrlich aufsprossen, worauf der Mai kam, das zarte Grün zu begießen, so daß es sich jetzt bei nur halbwegs günstiger Witterung vollends herrlich entfalten kann. Hat nicht der Himmel zur nötigen Zeit Regen und Sonnenschein geschickt? Muß es denn immer der Mai sein, der ein freundliches Gesicht macht?"
Großglattbach, 6. Juni. Vorgestern nachmittag wurden aus der Wohnung des Schultheißen Größle, der um diese Zeit auf dem Rathaus beschäftigt war, gegen 200 gestohlen. Die Thäter, 2 Handwerksburschen, konnten von dem Beschädigten noch rechtzeitig der Oberamtsstadt Vaihingen zu verfolgt werden. Der Fahndungsmannschast gelang es, solche auf der Station Sersheim einzuholen und zur Haft zu bringen. Ein Teil des Geldes, wie eine Uhrkette, konnte ihnen wieder abgenommen werden.
Von der Eyach, 5. Juni. Gestern morgen trug sich in Empfingen, OA. Haigerloch, ein beklagenswerter Unglücksfall zu, der einem jungen, kaum 30jährigen Manne, Josef Maier, Vater von drei Kindern, das Leben raubte. Derselbe hatte vorgestern im Walde nach einem Uhu in der Nähe von besten Nest geschossen. Da er vermutete, daß das Tier angeschossen im Neste verendet sein werde, ging er gestern früh 4 Uhr wieder hin und be- I stieg die hohe Tanne, auf der das Nest, jedoch nicht unmittelbar am Stamme, I sondern etwas entfernt von demselben im Geäste sich befand. Hier muß er entweder ausgeglitscht oder das Geäst, auf das er sich stützte, gebrochen sein: er stürzte herab und war tot. Sein Vater, der, durch das lange Ausbleiben beunruhigt, ihn zu suchen ging, fand den Leichnam und neben ihm das tote Tier.
Ulm, 7. Juni. Der hiesige Verein der Geflügel- und Vogelfreunde ließ heute früh in der Nähe der neuen Artilleriekaserne 40 Brieftauben, welche ihm vom Münchener Brieflaubenklub zugesandt worden waren, auffliegen. Dieselben nahmen anfangs ihren Flug in südlicher, dann in östlicher Richtung. Mehrere Offiziere der kaiserl. Fortifikation waren zugegen.
Vom schwarzen Grat, 6. Juni. In dem Braulestchen Hause zu Jsny, das vor einer Woche in Brand geraten, aber durch die schnell herbeigeeilte Feuerwehr bis auf den Dachstuhl gerettet worden war, drohte seit diesem Tage nicht weniger als 3mal wiederholt Feuer auszubrechen. Die Ehefrau des Hausbesitzers ist nun wegen Verdachts der Brandstiftung verhaftet worden. — Der Oberbrauer der größten Brauerei in Jsny. wurde gestern an das K. Amtsgericht eingeliesert unter dem Verdacht der Thäter- oder Mitwisserschaft an der Körperverletzung eines ihm untergebenen Brauburschen. Demselben waren im Schlafe mehrere Kopfwunden beige- - bracht worden. Die im gleichen Zimmer schlafenden Arbeitsgenossen wolün um die Sache nichts wissen.
Hildes heim, 7. Juni. Der tausendjährige Rosen- stock am hiesigen Dom, für dessen ferneres Gedeihen man vor einigen Jahren fürchtete, hat sich bekanntlich in Folge der damals getroffenen Maßregeln wieder gekräftigt, und hat jetzt seine ersten Blüten in diesem Sommer erschlossen.
London, 5. Juni. „Central News" meldet, die Nachrichten über das Erdbeben von Kaschmir kommen sehr langsam an wegen der Zerstörung aller Telegraphenlinien; allein die bisher eingetroffenen Details schildern die Katastrophe als ein schreckliches Unglück. Der großartige Palast des Maharadjahs ist ein Trümmerhaufen, das englische Regierungsgebäude ebenfalls. Die große Moschee begrub mit ihrem Zusammensturz 200 Menschen. Hunderte wurden von den einstürzenden Häusern getötet. Noch herrscht unter der Bevölkerung größte Angst und Not. Alles ist wie gelähmt. Die Erdstöße sowie die Panik dauern fort. Merkwürdigerweise wurde kein Europäer getötet.
Wevmrfchtes.
— In Stuttgart hat sich nun ebenfalls ein Verein „Zägeria - n er" gebildet, der, wie leicht anzunehmen, aus größtenteils industriell Wollenen besteht. Sie alle sind bestrebt, ihre Einnahmsquellen nicht versiegen zu lassen, während Herr Professor Jäger unablässig nach neuen bohrt. Die Richtung scheint denselben übrigens nicht ganz Zusagen zu wollen, indem von einem solchen Jünger in einer Gesellschaft jüngst die Befürchtung zum Ausdruck gebracht wurde, ihr Herr und Meister werde es doch nicht durch Seifen oder ein ähnliches Produkt so weit bringen, daß den Menschen Wollhaare (Kamelhaare) auf dem eigenen Leibe wachsen. — Auf diese unüberlegte Aeußerung soll von den Anwesenden sofort der Versuch gemacht worden sein, den Sprecher durch ein Nadelör zu zwängen, um ihm das Undenkbare seiner Befürchtung begreiflich zu machen. —
— Im Monat April sind auf deutschen Eisenbahnen beim Betrieb im ganzen vorgekonimen 4 Entgleisungen und ein Zusammenstoß auf freier Bahn, 5 Entgleisungen und 12 Zusammenstöße in Stationen und 78 sonstige Unfälle. Dabei sind im ganzen 81 Personen verunglückt, von 11,186,276 überhaupt beförderten Reisenden 4.
— Eins interessante Lebensrettung nahm am Freitag Geheimer Medizinalrat Professor Bardeleben in der Berliner Charite vor, in welche ein junger Mann mit ausgeschnittener Pulsader in bewußtlosem Zustande und nur noch mit schwachen Lebenszeichen eingeliefert worden war. Da die sogenannten Bluttransfusionen immerhin sehr gefährlich sind und der Zustand des Patienten ein absolut hoffnungsloser war, so beschloß Professor Bardeleben, hiervon Abstand zu nehmen, und er spritzte dem Patienten lauwarmes Wasser mit einer Salzlösung in die geöffneten Handarterirn. Der Erfolg dieses Versuches war überraschend; nach wenigen Minuten schlug der durch den Blutverlust entkräftete Patient die Augen auf und erholte sich sichtlich.
— Gefährliche Strümpfe. Vor etwa 2 Jahren fand der Kaufmann P. in Duisburg infolge einer Blutvergiftung einen schnellen Tod. Er hatte sich auf der Pferdebahn eine Verletzung am Knöchel zugezogen, der er jedoch wenig Beachtung schenkte. Indessen schon nach kurzer Zeit nahm die Wunde einen gefährlichen Charakter an und trotz ärztlicher Bemühung starb Herr P. in wenigen Tagen. Es wurde eine durch das Tragen bunter Strümpfe hervorgerufene Blutvergiftung festgsstellt. Aus irgend einem Grunde glaubte die Unfallversicherungsgesellschaft, bei welcher P. zu 15,000 ^ eingekaust war, die Auszahlung dieser Summe an die Witwe verweigern zu müssen, daher letztere einen Prozeß gegen die Gesellschaft anstrengte. Nachdrm dieser mehrere Instanzen durchlaufen hatte „ erhielt plötzlich die Witwe, welche inzwischen nach Barmen verzogen war und sich augenblicklich zum Besuch bei einer Duisburger Familie befand, von Barmen aus die telegraphische Mitteilung, daß der Prozeß in letzter Instanz zu ihren Gunsten entschieden sei und die 15,000 „lL nunmehr zur Auszahlung gelangen würden. Kaum hatte die Frau diese freudige Nachricht gelesen, als sie zu Boden stürzte — der gerufene Arzt konnte nur noch den Tod feststellen,. der durch einen Herzschlag als die Folge einer ungeheuren Aufregung eingetreten fei.
— Ein gm t e s Geschäft. Gott Hymen pflegt sich oft, um jene zarten Fesseln zu schmieden, den Ehebund perfekt machen, gewisser dienstbarer Geister zu bedienen, die nach Prozenten berechnen, was bei dem„Geschäft' herauskommt. Sie wissen ihre delikate Mission mit Zusicherung „strengste Diskretion" zu erfüllen,, haben stets ein „wohlaffortiertes Lager" reicher Heiratskandidaten, auch „geeignete Objekte für diverse sonst nicht recht empfehlenswerte Ehe-Prätendenten, die sie aber dennoch, wenn der Revers unterschrieben ist, an den Mckm, bezw. an die Frau bringen. Solche Jäger in Hymens Ressort nehmen es bekanntlich mit der Gewissenhaftigkeit nicht sehr genau. Sie verschweigen, was ihnen gut dünkt, dichten ihrem Clienten Tugenden an, die sie nicht haben, übertreiben, verkleinern, je nachdem. — Mütter heiratsfähiger Töchter meinen gar oft, gezwungen zu sein, sich ihrer zu bedienen. Sie wissen, daß ihren Worten in den. seltensten Fällen Glauben beizumefsen, doch man hält sie für ein notwendiges Uebel und glaubt sie nicht entbehren zu können. Daß das Geschäft einträglich,
dem armen Mirat so sehr genähert, daß dieser den glühenden Atem der Bestie bereits in seinem Gesichte fühlte, und er die. weißen Zähne des gefleckten Gebisses zählen konnte. Zwar war es dem Mirat zu Mute, als ob sein Herz ihm mit einer glühenden Zange gezwickt würde, aber in einer Sekunde hatte er all seine Entschlossenheit und seine Körperstärke zusammengerafft; er warf sich mit jähem Ungestüm auf den Bären; der Angriff brachte denselben zum Wanken, und einen Augenblick lang schwebte das Ungeheuer, dem die Augen aus den Höhlen traten und das verzweifelnd die groben Tatzen nach Mirat ausstreckte, über dem Abgrund; dann stürzte es mit schrecklichem Gebrüll hinab, von Fels zu Fels, indem es an jedem Steinvorsprung blutige Fetzen ließ, und begrub sich in der Tiefe des Schlundes, aus dem es nie wieder auftauchte. Seitdem heißt der Wasserfall der Bärensturz."
Juan zeigte den Gästen den Ort, wo ehemals die Hütte Mirats gestanden habe, woran aber nicht eine Spur mehr sichtbar war, und die Gesell- schast setzte ihren Ritt fort. Man war bereits länger als zwei Stunden unterwegs; nach einer ferneren Stunde, während man südwärts voraugeschritten war, hatte das Wetter sich geändert, und nicht nur die stechenden Sonnenstrahlen, sondern einzelne unscheinbare schwarze Wolken, die fern am Horizont sich zusammenballten, deuteten darauf, daß ein Gewitter in der Lust schwebte. Die beiden Führer bestritten indes die Nähe eines Unwetters, und man glaubte ihnen, weil sie sich auf die Lufterscheinungen ihrer Heimat verstehen mußten. Am See von Gaube, dessen romantischer Anblick den Touristen Rufe der Bewunderung entlockten, machte man einen kurzen Halt, und man beschloß, mit den mitgebrachten Vorräten am Rande des blauen Wasserspiegels zu frühstücken. Dann stieg man wieder zu Pferde und schlug den Weg nach dem Vignemale ein; zwei Stunden lang durchritt man eine Schlucht von Granit
trümmern. Am Ausgang derselben, wo der Blick sich erweiterte,, blieb Graf Villefleur vor den Mauerresten einer in Trümmern liegenden,, ehemaligen Wohnung stehen, und ließ seine Begleiter eine kurze Strecke voraufschreiten. Seine Miene war finster, und sein Ausdruck zeigte an, daß für ihn eine peinliche Erinnerung mit diesem Orte verbunden sei. Als er seinen Weg fortsetzen wollte, gewahrte er plötzlich zu feinem Schrecken» vier bewaffnete Männer» die hinter den Mauertrümmern hervortraten und ihre Büchsen auf ihn anlegten. Er wollte eben um Hilfe rufen» als im gleichen Augenblick ein lautes, erschrecktes Geschrei der voraufgerittenen Gesellschaft zu ihm drang; ein Blick genügte ihn, die Situation erkennen zu lassen; wie in einem Netze waren sie von allen Seiten, von vorne, von rückwärts, von rechts und von links durch eine starke, mit Flinten bewaffnete Bande baskischer Räuber eingeschlossen, die an Zahl ebenso stark sein mochte, wie die Touristengesellschaft und deren jeder die Mündung seiner Schußwaffe auf einen der wehrlosen Badegäste gerichtet hielt. An Flucht war kein Denken, an Widerstand noch weniger; das einzige, was den Ueberfallenen übrig blieb, war, sich auf die gutwilligste Weise ausplündern zu lassen; allerdings wollten einige Herren, die Revolver bei sich führten, sich zur Wehre setzen, aber die vor Entsetzen bebenden Damen flehten sie an, doch nicht sich und ihre Begleitung einem sicheren Tode preiszugeben, und Graf Villefleur, der seine ganze Geistesgegenwart wiedergewonnen hatte und die Sache klar erfaßte, rief ihnen von Weitem zu:
„Die Waffen weg, meine Freunde!"
Dann wandte er sich an die Räuber und sagte lächelnd:
„An Euer Geschäft, Ihr Herren, wir unterwerfen uns!"
(Fortsetzung folgt.)