so. Jahrgang.

Mo. 68.

Amk- »ml Jatelligenzbkatt für äen Bezirk

Erscheint Aienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen 11. Juni 1885.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

'KoLiLifche Wachvichten.

Deutsches Reich.

Die kaiserlich russische Familie wird im Lauf des Sommers in Kopenhagen zum Besuch erwartet. Der Aufenthalt des Fürsten Bismarck in Kissingen soll drei Wochen dauern; der Wunsch des Fürsten bezüglich der Begleitung der Fürstin mußte unerfüllt bleiben, da die Herstellung ihrer Gesundheit nur langsam fortschreitet. Die Reise des Königs der Belgier nach Berlin, für welche als Termin die ersten Junitage bestimmt waren, ist für jetzt aufgegeben. Es verlautet, daß der König ein Schreiben des deutschen Kronprinzen erhielt, in welchem es hieß, daß Kaiser Wilhelm ungeachtet seiner Reconvalescenz den lebhaf­testen Wunsch habe, den König in Berlin zu sehen, daß indessen die Leib­ärzte des deutschen Kaisers und mit ihnen die kaiserliche Familie sich ver­pflichtet hielten, jede Aufregung von dem Monarchen fernzuhalten. Er bäte deshalb den König, seinen Besuch für den Spätherbst zu verschieben.

Der Sultan von Zanzibar will es nicht anders, also soll er es haben. Ein deutsches Geschwader ist auf dem Weg nach Zanzibar und es bleibt nun abzuwarten, ob der Sultan noch rechtzeitig, d. h. vor Ankunft der deutschen Kriegsschiffe, einlenken wird. Daß auch bei den Vor­gängen in Zanzibar wieder englische Einflüsterungen und Jntriguen im Spiel sind, kann nach der ganzen Situation und dem beherrschenden Einfluß Eng­lands in jenem Land nicht bezweifelt werden; unser auswärtiges Amt soll sogar im Besitz sehr bestimmter Anhaltspunkte in dieser Beziehung sein.

Wcrges-Werrigkeiterr.

* Nagold, 8. Juni. Das Gewitter vom letzten Samstag hat durch Hagelschlag im Steinachthal nicht unerheblichen Schaden angerichtet. Die Saatfelder liegen wie gewalzt da und werden wohl abgemäht werden müssen. Besonders hat die Markung Schietin gen gelitten.

Cannstatt, 6. Juni. Bei der heute nachmittag von 2 Uhr an stattgehabten Versteigerung der Plätze für Wirtschafts- rc. Buden in der Nähe des Schießplatzes auf dem Wasen über die Dauer des württemb. LandesschießrÄs wurden im ganzen 2820 erlöst. Die einzelnen Plätze kamen bis zu 345 «tL zu stehen. Einige größere und kleinere Plätze sind noch nicht vergeben; doch hofft man, daß dieselben bei der großen Nach­frage ohne Versteigerung abgegeben werden können.

Von der Solitude, 8. Juni. Gestern nachmittag um 4 Uhr ent­lud sich über der Markung unserer Nachbargemeinde Gerlingen ein starkes Hagelwetter. Die Körner fielen so groß wie Taubeneier, teilweis

noch größer. Welchen Schaden dieser Hagelschlag verursacht hat, läßt sich noch nicht genau bestimmen; jedenfalls ist er nicht unbedeutend. Auch der Berkheimerhof blieb hievon nicht ganz verschont, während bei uns nur ver­einzelte Körner in größeren Abständen von einander niederfielen.

Eßlingen, 8. Juni. Seit einigen Tagen treibt sich in unserer Gegend eine gegen 40 Köpfe starke Zigeunerbande umher, um Geschäfte im Pferdehandel zu machen. Sie besitzen ca. 30 P'erde; da dieselben nun aber die Fütterung ihrer Pferde auf die einfachste und billigste Art zu vollziehen begannen, dieselben nämlich kurzweg in die Wiesen auf Weide trieben, so so sollte heute der Bande der richtige Weg gezeigt werden. Die ausgesandte Landjägermannschaft mußte jedoch, da die Zigeuner offenes Visier zeigten, Polizeimannschaft requirieren. Diese nahmen denn auch 10 der wetterfesten, sonnverbrannten Männer, echte Rinaldogestalten, fest. Der freie Teil der Bande mit der in 11 Wagen untergebrachten Bagage und den Pferden lagert vor der Stadt. Wie man hört, sollen dieselben in einem benachbarten Orte es ähnlich gemacht, dort aber vorgezogen haben, einer Schadensersatzklage und Strafverfolgung mit stillschweigender Duldung eines von einem Wiesen­besitzer geübten Selbstpfändungsrecht an 2 Pferden und mit eiliger Abreise auszuweichen. Leider sind es in diesem Falle elsässische Zigeuner, ein Schub über die Grenzen Deutschlands hinaus ist also nicht möglich.

Geislingen, 6. Juni. Die abgelaufene Woche ist für die Be­wohner hiesiger Gegend durch 3 Unglücksfälle denkwürdig geworden. Am Donnerstag, 4., mittags 3 Uhr, fiel ein 23jähriger Fahrknecht der hiesigen Neumühle der den Fuhrleuten so häufig eigenen Gewohnheit, auf die Deichsel zu sitzen, zum Opfer. Der Verunglückte, mit schwer beladenem Wagen auf^der Rückfahrt von der Alb begriffen , wollte, am Ende der Staige anaekommen, von der Deichsel aus, auf welcher er saß, die vorn am Wagen befindliche Sperrvorrichtung öffnen. Hiebei verlor er das Gleich­gewicht und stürzte so zu Boden, daß ihm ein Rad über den Hals ging, was seinen sofortigen Tod zur Folge hatte. Der Verunglückte hätte sich heute, an seinem Begräbnistag, wegen Körperverletzung vor Gericht zu ver­antworten gehabt. Tags darauf brach in Kuchen ein Mann bei dem Be­streben, durchgegangene Pferde aufzufangen, zweimal den Fuß. Der 3. Un­glücksfall ist ein Brandfall. Am Freitag nachm, um 3 Uhr brach in Böh­menkirch ein Brand aus, der ein Wohnhaus in Asche legte und ein anderes leicht beschädigte. Die Ursache des Brandes ist Brandstiftung durch 4 ohne Aufsicht im Hause weilende Knaben von 46 Jahren, die mit Zündhölzern spielten.

Rübgarten, 5. Juni. Diesen morgen erlegte der hiesige Forst­schutzwächter Günther im Staatswald Eichenfürst ein Wildschwein. Auf eine Entfernung von 102 Schritten schoß er demselben die Mrbelsäule durch. Da das tötlich verwundete Tier, welches ausgeweidet 75 Pfund wog, noch wütend um sich hieb, so mußte ihm in Ermanglung des Hirschfängers mittelst eines zweiten Schusses der Garaus gemacht werden. Tüb. Ehr.

Feuilleton.

Zm Abgrunde.

Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des RomanS:Ein Vampyr.')

(Fortsetzung.)

Der Zug war auf einen Augenblick in Folge einer Wegkrümmung den Blicken der Drei entschwunden gewesen; jetzt waren sie jenseits dieser Biegung, und da nun die Straße anfing ziemlich unsanft aufwärts zu steigen, so er­reichten Jsmael und die beiden Basken nach einigen Minuten die nun lang­samer reitende Gesellschaft. Man folgte dem Wege nach den südlich gelegenen Quellen, der sich bald zu einem schmalen Bergpfade, zu beiden Seiten von riesenhohen Granitwänden eingeengt, gestaltete; ab und zu gestalteten Durch­brüche der Felsenmassen einen Blick in die seitliche Landschaft, durch welche in wildem Schäumen und mit lautem Brausen der größte der Gießbäche dieser Gegend sich sein vielfach gewundenes steinernes Bett gebrochen hatte und tosend von Stockwerk zu Stockwerk hinabrollte; zwischen moosbewachsenen, von der Zeit und den Regenwässern zerfressenen herabgestürzten Felsölöcken ragten hohe Stümpfe von Bäumen hervor, die jene im Sturze zerschlagen, oder die das Alter gebrochen, und in den hohlen Stöcken trieb wirr durch einander wachsendes Strauch- und Pflanzenwerk neues üppiges Leben, ein kleines Bild der ewig vernichtenden und stets neuschaffenden Mutter Natur. Unsere Spazierreiter waren der fröhlichsten Laune, und das herrliche Wetter war bestens geeignet, die Fröhlichkeit nur noch zu erhöhen. Selbst Graf Villefleur, nachdem er sich einmal in die Anwesenheit seines verhaßten Feindes Jsmael gefunden hatte, entwickelte all seinen Witz und Geist. So

war man an den größten Wasserfall gelangt, die Kaskade von Cerizet, die in wütendem Anprall all ihre Wogen gegen einen mitten in ihrem Wege liegenden, vornüber sich neigenden Felsblock schleudert, an dessen gewaltiger Masse sie indessen sich erfolglos bricht und in milchigem Gischt hoch aufspritzt. Juan, der schon verschiedene Sagen und Geschichten erzählt hatte, und dem alle Mitglieder der Gesellschaft ihre besondere Gunst zu erzeigen anfingen, erzählte während der kurzen Rast an diesem Punkte folgende Geschichte, die den Beifall seiner Zuhörer fand:

Wir Gebirgsleute nennen den Wasserfall hier den Bärensturz; vor mehr als hundert Jahren ereignete es sich nämlich einmal, daß ein Bewohner dieser Gegend Namens Mirat, als er von der Arbeit nach Hause zurückkehren wollte, gerade hier am Abhange einem Bären begegnete, einem wahren Prachtexem­plar von einem Bären. Die fürchterliche Bestie schien gerade guter Laune zu sein, als er des Mirat ansichtig wurde, stellte er sich auf die Hintertatzen und kam so dem Mirat entgegen, indem er die allerreizendsten Tanzbewegungen ausführte. Bleiben oder davonrennen, hätte für den armen Mirat sozusagen denselben Erfolg gehabt; die Lage war so heikel, wie man sie sich nur denken kann, aber Mirat hatte Herz und Kopf auf dem rechten Fleck, und er hatte den Einfall, auf die freundliche Laune des Bruder Petz einzugehen und mit diesem liebenswürdigen Gegenüber ein ?as äe äoux zu tanzen. Und so tanzte er mit der besten Miene die er sich zu geben vermochte, indem er nur darauf Acht hatte, daß er so nahe als möglich an den Abhang herankäme. Sein vi8-s-vi8 wollte offenbar in seiner Möglichsten Nähe bleiben und ahmte alle seine Bewegungen nach. Der verhängnisvolle Augenblick, wo beide fast am Rande des schäumenden Wasserfalls, der tief hier unten brüllt, ihren tollen Tanz ausführten, blieb nicht aus, und gerade da hatte sich der Meister Braun