Htages-WeirigkerLen.
— Calw, 1. Juni. Gestern vormittag brachte ein Extrazug eine Stuttgarter Gesellschaft von dort zunächst nach Hirsau und dampfte, nachdem dieselben das Kloster und die Umgebung besichtigt hatten, nach Teinach, woselbst im Badhotel eine Tafel von 400 Gedecken ihrer wartete. Abends 9 Uhr fuhr die Gesellschaft wieder zurück nach Stuttgart. Als der Zug die Kurve oberhalb Hirsau inne hatte, war die Ruine des Klosters mit bengal. Licht feenhaft erleuchtet. — Am Sanrstag nachmittag wurden die Ortschaften Oberkollwangen, Agenda ch, Neuweiler rc. durch einen Wolkenbruch überrascht. In letzterem Orte soll das Wasser in der Straße ca. 5 Fuß hoch dahergekommen sein.
— Der Redaktion geht ein „Eingesandt" von Amerika (New Jersey) von einem Bezirksangehörigen zu, in welchem aufmerksam gemacht wird auf einen vom hies. Bezirk ausgewanderten und wieder zurückgekehrten N., dessen Namen und (Wald)ort wir übrigens nicht veröffentlichen wollen. Derselbe habe das Entgegenkommen und die Gastfreundschaft von Einigen hies. Oberamts derart mißbraucht, daß er in den ihm verschafften Stellen sich Unterschlagungen von allen möglichen Gegenständen erlaubte, die er sofort zu versilbern verstand. Der Verhaftung habe er sich noch zeitig durch Flucht bei Nacht entzogen und unter unwahren Angaben sich wieder Unterkommen in ihrem Kreise verschafft. Den Dank für zweimaliges Verhelfen zu Stellen und für Aufnahme im Hause des Einen habe er dann geglaubt dadurch ausdrücken zu muffen, daß er einem Schrank 15 Dollars entnahm und damit das Weite suchte. Eine Stunde längeren Aufenthalts hätte demselben Bürgerrecht in Amerika erworben, indem er jedenfalls 5 Jahre Zuchthaus sicher gewesen wäre. Der Schreiber des „Eingesandt" unterzeichnet im Namen Mehrerer vom Oberamt Calw, und glaubt, da derselbe jetzt wieder im hies. Bezirk arbeite, auf denselben aufmerksam machen zu müssen. — Wir haben der Sache an geeigneter Stelle Notiznahme verschafft.
Stuttgart, 29. Mai. Heute tagte hier die deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Ein edles Ziel hat sich der Verein gesetzt: die Rettung der Verunglückten aus Seegefahr. Wahrlich auch unser vom Meer fern abliegender Süden darf nicht zurückstehen in der Hilfeleistung am Rettungswerk. Die Ausstellung der Nettungsapparate, über welche schon ausführlich berichtet wurde, wird in ihrer Anschaulichkeit hoffentlich dazu beitragen, dem Bezirksverein Schwaben viele neue Mitglieder zuzuführen. Das edle Ziel ist der Beteiligung der weitesten Kreise sicherlich wert. Schon am Mittwoch abend traf der Vertreter des fernsten Bez.Vereins Memel als 1. Gast in Stuttgart ein und gestern folgten mit den verschiedenen Zügen gegen 50 Delegierte aus allen Teilen Deutschlands nach, welche von einem Em- pfangskomite auf dem Bahnhofe begrüßt und beraten wurden. Abends fand im Stadtgarten zu Ehren der Delegierten Konzert und gesellige Vereinigung statt, von der Stadt und der Stadtgartengesellschaft veranstaltet. In der Nähe des Restaurationssaales waren Plätze für die Gäste und die hiesigen Mitglieder der Gesellschaft Vorbehalten; die Flagge derselben, schwarzum- rahmtes, weißes Feld mit dem roten Hanseatenkreuz in der Mitte, von Sr. M. dem Kaiser verliehen, bezeichnet« die Sammlungsstelle, woselbst sich alsbald die lebhafteste Unterhaltung und gegenseitige Begrüßung entwickelte. Die Konzertmusik spielte die Kapelle Schlay und es hatten die Fremden sichtlich großes Vergnügen an dem behaglich schönen Aufenthalt in dem herrlichen Garten mit der guten Musik bei elektrischer Beleuchtung. Auch nach Schluß des Konzerts blieben die Gäste noch lange in traulicher Unterhaltung beisammen.
Stuttgart, 29. Mai. Musikfest. Auf die seitens des Komites an die Mitglieder der Königlichen Familie ergangenen Einladungsschreiben ließ Se. Majestät der König sein persönliches Erscheinen zusagen, ebenso I. Majestät die Königin, wenn nicht unvorhergesehene Hindernisse sie abhalten. Prinz Wilhelm hat gleichfalls seine Teilnahme an dem Feste in Aussicht gestellt. Frau Prinzessin Katharina befindet sich zur Festzeit in Marienbad, die Frau Prinzessin Marie hat für die Einladung danken lassen, welcher Folge zu geben ihr wegen ihres leidenden Zustandes
Sie empfand nur noch das Verlangen. Leo wiederzufinden, eine letzte, äußerste Anstrengung zu wagen, und wenn ihr diese keinen Erfolg sicherte, lieber ihr Herz zu ersticken, als in demselben eine verschmähte Liebe zu bewahren. Auf ihrem Randgange gelangten sie in den am äußersten Ende des Kurhauses gelegenen Lesesaal, der gänzlich verlassen schien. Der hohen Toppelthür gegenüber befand sich ein enormer Wandspiegel. Luienne erschrak über sich selbst, als sie in demselben ihr bleiches Bild erblickte, dessen Bläffe um so auffallender erschien, als sie im lebhaften Widerspruch zu den frischen und glänzenden Farben des Bouquets standen, das sie in der Hand trug. Aber schnell stieg ihr das Blut wieder in die Wangen, und ihre Stirn rötete sich: in demselben Spiegel hatte sie das Bild Leos erblickt, der sich in einen Divan hinter dem offenen Flügel der Thür hingestrcckt hatte und regungslos vor sich hinstarrte.
Diese Entdeckung hatte ausgereicht, ihr ihre ganze Energie zurückzugeben; ihre Zerstreutheit hörte auf, und sie begann mit Don Balthasar sofort ihr voriges Spiel. Sie zog den Banquier nach einem offenen Fenster hin, das nach dem Kasinogarten gelegen war, und von welchem aus sie, wenn sie sich halb umwandte, alle Bewegungen Leos, und selbst sein Mienenspiel, im Wandspiegel beobachten konnte. Die Nacht war hell und lau, der Mond versilberte die Bergesspitzen, und balsamische Düfte würzten die köstliche Nachtluft. Don Balthasar und Lucienne nahmen Platz an dem Fenster, anscheinend, um die Schönheit dieser bezaubernden Nacht zu genießen, in Wahrheit aber jeder mit seinem Plane beschäftigt: der Banquier, um Luciennes Herz einer kleinen Prüfung zu unterwerfen, Lucienne, um ihren Vetter zu erproben.
„Wie die Ruhe und die Einsamkeit köstlich sind, selbst nach dem schönsten und glänzendsten Feste!" sagte Don Balthasar. Nur müßten Sie, um die
nicht möglich ist. Die S a ch s en -W e i m ar'schen Herrschaften werden sicher erscheinen.
Stuttgart, 30. Mai. Gestern nachmittag um 2>/z Uhr meldete der Feuertelegraph Kl eins euer; dasselbe war in dem Keller der Hirschapotheke ausgebrochen und hätte, wenn nicht ganz günstige Umstände obgewaltet hätten, bei dem großen Vorrat von Chemikalien aller Art, die daselbst lagerten, leicht größere Dimensionen annehmen und bedeutendes Unheil an- richten können. Zum Gebrauch für die Apotheke waren zwei Bedienstete beauftragt worden, einen Benzinkolben aus dem großen, im Keller lagernden Ballon aufzufüllen. Der in dem Kolben befindliche Rest hatte sich nun, wie es scheint, infolge Einwirkung der Sonnenstrahlen so sehr erwärmt, daß demselben während des Einfüllens Gase entstiegen, die plötzlich sich trotz der wohlverwahrten Laterne, welche jene bei sich trugen, entzündeten, so daß alsbald über den Häuptern der beiden eine Flamme sich bildete. Nach wenigen Augenblicken explodierte auch der große Benzinballon unter heftigem Knall und im Nu stand alles im Feuer, so daß die beiden nur durch schleunige Flucht vor dem Tod sich retten konnten. Ganz in der Nähe des Feuerherdes waren eine Menge anderer leicht brennbarer Stoffe, worunter auch einige Fässer Spiritus, aufbewahrt, so daß die Gefahr eine sehr große war. Die rasche Dämpfung des Feuers wird nur dem Umstand zugemeffen, daß ein in unmittelbarster Nähe stehender Kolben mit Chloroform infolge der Hitze zersprang unv der Inhalt sich über das Feuer ergoß, das nun alsbald erstickte. Einige rasch herbeigeeilte Feuerwehrleute aus der Nachbarschaft, welche zunächst für Luftabsperrung Sorge trugen und alsdann selbst in den Keller eindrangen, fanden keine Flammen mehr vor; jedoch hatten dieselben unter den betäubenden Chloroformdünsten, die den ganzen Keller füllten, sehr zu leiden, so daß auch der erste derselben, welcher, vorsichtshalber am Seil gebunden, Hinabstieg, wieder heraufgezogen werden mußte. Der Schaden, welcher die Besitzer der Apotheke, die Herren Zahn u. Seeger, betroffen, ist nicht unerheblich, da eine Masse Kolben und Flaschen mit Mineralwasser oder chemischen Stoffen zersprungen, bezw. ausgelaufen sind.
Marbach, 28. Mai. Gestern wurde das Maienfest, nachdem es schon einmal der schlechten Witterung wegen hatte verschoben werden müssen, beim schönsten Sonnenschein gefeiert. Die beträchtliche Hitze wurde für dis Teilnehmer dadurch gemildert, daß das Fest im Schatten der üppig belaubten Schillerhöhe vor sich ging. Als der Zug der Schüler und Schülerinnen, welcher um 1 Uhr vom Schillerhaus weg unter den Klängen der Ludwigsburger Dragonermusik sich in Bewegung gesetzt hatte, auf dem Festplatze angekommen, wurde vor dem mit Blumengewinden geschmückten Schillerdenkmal zu Ehren des Dichters eine kurze Feier gehalten. Der Orgelchor sang das auf Schillers Tod (si 9. Mai 1805) gedichtete Lied „Regst du, o Lenz, die jungen Glieder" ; hernach trugen 2 Volksschüler der obersten Klaffe Schiller'sche Gedichte vor und dann zerstreute sich nach einem Chorgesang des Liederkranzes die Menge, begleitet von den Tönen des von der Musik geblasenen Reiterliedes, nach den verschiedenen Teilen des herrlichen Festplatzes. Wer nicht an Privattischen Unterkunft fand, für den war trefflich gesorgt durch nicht weniger als 4 Wirte, welche an dem heißen Tag eine reiche Ernte hielten. Der Nachmittag wurde weiterhin ausgefüllt durch Musik- und Liedervorträge, namentlich aber (und hiemit kam das Kinderfest zur Geltung) durch die mannigfaltigen Spiele, welche die Lehrer und sonstige Freunde der Jugend mit den Schülern veranstalteten.
Oehringen, 27. Mai. Vor 14 Tagen wurde die Stelle eines Buchhalters bei der hiesigen fürstlichen Domänenkanzlei mit einem Jahresgehalt von 1,100 ausgeschrieben. Um diese haben sich nicht weniger als 64 Bewerber gemeldet, unter ihnen ein Graf, ein vr.pbil. und zwei weitere, welche akademische Bildung genossen haben. Von den übrigen 60 hat jeder eine niedere Dienstprüfung, zum Teil mit vorzüglicher Note, bestanden. Darin, daß für einen so bescheidenen Gehalt so viele Bewerber auftraten, liegt ein sehr bedenkliches Zeichen unserer Zeit, und die deutsche Neichsregierung ist wahrlich in allen Bestrebungen auf wärmste zu unterstützen, die darauf Hinzielen, für unsere überschüssige Arbeitskraft eine Verwendung zu finden.
Einsamkeit voll zu genießen, einen Mann Ihres eigenen Alters, voll jugendlicher Grazie, an ihrer Seite haben!"
Lucienne warf einen raschen Blick auf das Spiegelbild Leos, und eine gewisse rachelustige Freude drückte sich in ihrer Antwort aus:
„Warum denn das, Don Higuierro? Haben denn die jungen Herren etwa das Privileg des Gemüthes oder des Geistes? Ich finde , daß ein ernster gesetzter Mann diesen jungen Narren von fünfundzwanzig Jahren weit vorzuziehen ist, die sich an Nichts anschließen und den unmöglichsten Idealen und Tollheiten nachjagen."
Sie sagte die letzten Worte mit Bitterkeit und Verdruß.
„Ich wage es kaum zu glauben", erwiderte Don Balthasar, ohne auf die eigentümliche Betonung Luciennes sonderlich zu achten, „daß von Ihnen aufrichtig ernst gemeint ist, was Sie reden. Sie wollen mir nur eine Höflichkeit sagen, meine Gnädige."
„Durchaus nicht, Don Higuierro; Sie haben den aufrichtigen Gedanken meines Herzens gehört. Ich will noch mehr sagen: ich bin der Meinung, daß fast ausnahmslos die jungen Leute wegen ihrer geckenhaften Eitelkeit das Interesse gar nicht wert sind, das man unvorsichtig genug sein könnte, ihnen zu bezeigen."
Leo erhob sich unhörbar, um diskret den Salon zu verlassen; da begeg- nete sein Auge im Spiegel dem Blicke seiner Cousine, und der Ausdruck desselben veranlaßte ihn sofort, seine Absicht aufzugeben; er verstand, daß Lucienne auf ihn selbst hatte anspielen wollen, und begierig, den Grund der Impertinenzen kennen zu lernen, die seine Cousine ihm unter solch' allgemeinen, Formen entgegenschleuderte, setzte er sich wieder nieder und horchte der Unter-